FG München Urteil v. - 7 K 3486/11

Im Jahr der Zahlung als außergewöhnliche Belastung geltend gemachte Vorauszahlung der gesamten Kosten einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahnbehandlung als Gestaltungsmissbrauch

Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG

Vorauszahlung der gesamten Kosten einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahnbehandlung, die als außergewöhnliche Belastung im Jahr der Zahlung geltend gemacht wird, kann zu Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) führen

Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG.

Leitsatz

1. Zwangsläufig entstandene Krankheitskosten sind in der Höhe als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, in der sie eine endgültige Belastung des Steuerpflichtigen bedeuten; die außergewöhnliche Belastung ist grundsätzlich im Veranlagungszeitraum der Verausgabung, vermindert um zu erwartende Ermäßigungen zu berücksichtigen.

2. Die Vorauszahlung der gesamten Kosten einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahnbehandlung, die als außergewöhnliche Belastung im Jahr der Zahlung geltend gemacht wird, kann als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) zu werten sein, wenn kein wirtschaftlich vernünftiger außersteuerrechtlicher Grund für die Vorauszahlung ersichtlich ist. Hiervon ist auszugehen, wenn der Steuerpflichtige im Jahre des Erhalts einer hohen Abfindung ausnahmsweise der Spitzenprogression unterliegt und er in diesem Jahr aufgrund eines lediglich als Kostenvoranschlag und nicht etwa als Festpreiszusage zu wertenden Schreibens der Zahnklinik seinen vollen mutmaßlich zu erbringenden Eigenanteil für eine umfangreiche Zahnsanierung i. H. v. 45.000 Euro vorauszahlt, wirtschaftlich angemessen jedoch eine Zahlung jeweils nach Erbringung der – weitaus überwiegend erst in den Folgejahren erbrachten – zahnärztlichen Leistungen gewesen wäre.

3. Die Kürzung der dem § 33 EStG unterfallenden Aufwendungen um die zumutbare Belastung ist nicht verfassungswidrig (Anschluss an das ).

Gesetze: EStG § 11 Abs. 2 S. 1, EStG § 33 Abs. 1, EStG § 33 Abs. 2 S. 1, EStG § 33 Abs. 3, AO § 42, GG Art. 3 Abs. 1

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist, ob im Streitjahr 2009 vorausbezahlte Kosten einer Zahnbehandlung in Höhe von 45.000 EUR in diesem Jahr als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) abzugsfähig sind.

Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger erhielt im Jahr 2009 von seinem früheren Arbeitgeber eine Abfindung in Höhe von 250.000 EUR für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum .

In der Einkommensteuererklärung 2009 machte der Kläger insgesamt 48.534,47 EUR für Krankheitskosten geltend. Darin enthalten sind 45.000 EUR für eine Rechnung der Zahnärzte … vom , die der Kläger am überwiesen hat. Laut der beigefügten Rechnung entfiel die in Rechnung gestellte Summe auf Abschlagszahlungen für Chirurgie Oberkiefer, Provisorium Unterkiefer, Zahnersatz Oberkiefer und Unterkiefer und Chirurgie Unterkiefer. Da der Kläger der Aufforderung des beklagten Finanzamts, wegen des möglicherweise vorliegenden Tatbestands eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 Abgabenordnung (AO) eine Abrechnung des Zahnarztes über die im Kalenderjahr 2009 tatsächlich erbrachten Leistungen und die damit in 2009 entstandenen Kosten beizubringen nicht nachkam, schätzte das Finanzamt die in 2009 angefallenen Aufwendungen mit 15.000 EUR. Unter Berücksichtigung weiterer unstrittige Krankheitskosten in Höhe von 3534 EUR und nach Abzug einer zumutbaren Belastung in Höhe von 17.613 EUR zog das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2009 vom einen Betrag von 921 EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte ab. Dagegen legten die Kläger Einspruch ein und machten geltend, dass ausschließlich das Abflussprinzip gemäß § 11 Abs. 2 EStG gelte und § 42 AO in diesem Fall keine Anwendung fände. Eine leistungsbezogene Abgrenzung analog einem bilanzierenden Kaufmann, wie sie das Finanzamt vorgenommen habe, sei mit diesen Grundsätzen unvereinbar. Bei den in 2009 geleisteten Abschlagszahlungen habe es sich um keine Vorauszahlungen „ins Blaue hinein” gehandelt, sondern um kostendeckende leistungsgerechte Vorauszahlungen für die Gesamtbehandlung, welche sich auf Grund der schwierigen Gesundheitsverhältnisse des Klägers in die Länge ziehe und die derzeit (im März 2011) noch nicht habe endgültig abgeschlossen werden können.

Auf die Aufforderung des Finanzamts, einen Heil- und Kostenplan bzw. Kostenvoranschlag des Zahnarztes für die Zahnbehandlung vorzulegen, eine Zwischenabrechnung für die bis zum erbrachten Leistungen sowie eine Endabrechnung, legten die Kläger die Abrechnung des Zahnarztes vom (Heil- und Kostenplan Teil 2a), vom (Heil- und Kostenplan Teil 2b) und ein Schreiben der …-Betriebskrankenkasse vom vor. Als Grund für die Vorauszahlung der Zahnbehandlungskosten nannten die Kläger eine mit dem Zahnarzt abgeschlossene Festpreisvereinbarung in Höhe von 45.000 EUR, um Sicherheit darüber zu erhalten, in welcher Höhe sich die zu erbringenden Eigenleistungen des Klägers belaufen würden. Aufgrund der getroffenen Festpreisvereinbarung sei es für den Kläger klar gewesen, dass sich die Gesamtkostensumme nicht mehr verändern werde und sich allenfalls kleine Nachzahlungen wegen geringfügiger Zahnarztleistungen ergeben könnten.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom ).

Dagegen richtet sich die Klage. Die Kläger tragen zur Begründung vor, für die im Juli 2009 begonnene Behandlung, welche erst im Juli 2011 habe abgeschlossen werden können, sei zunächst die Höhe der zu erwartenden Eigenkosten für den Kläger nicht absehbar gewesen. Deshalb habe er eine verbindliche Festkostenvereinbarung angestrebt. Diese sei Ende 2009 zustande gekommen unter der Voraussetzung, dass der vereinbarte Festkostenbetrag von 45.000 EUR innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt bezahlt werde. Daher sei der mit der Rechnung vom ausgewiesene Gesamtbetrag von 45.000 EUR per an die Zahnklinik überwiesen worden. Die Vereinbarung sei wirtschaftlich sinnvoll gewesen, um einen Überblick über die vom Kläger selbst zu tragenden voraussichtlichen Kosten zu erhalten, dies umso mehr, als ein von der Krankenversicherung geleisteter Zuschuss von insgesamt nur rund 1190 EUR zu erwarten gewesen sei. Unter Einbeziehung auch der zu erwartenden Steuerermäßigung nach § 33 EStG habe sich ergeben, dass diese zahnärztliche Maßnahme für den Kläger unter Einsatz eines Teilbetrages aus der erhaltenen Abfindung finanzierbar gewesen sei. Sowohl die der Klarheit und Bestimmtheit dienende Festpreisvereinbarung als auch die Erzielung einer maximalen Steuervergünstigung sei letztlich der ausschlaggebende wirtschaftliche Grund bzw. Anlass der Vorausleistung zur Abgeltung sämtlicher künftig anfallender Gesamtmaßnahmekosten in Höhe von 45.000 EUR gewesen. Die Zahnarztleistungen seien entsprechend der vorherigen Festpreisvereinbarung in der Zeit bis Mitte 2011 vollumfänglich erbracht worden, wobei sich weder Überzahlungen noch Nachzahlungen ergeben hätten. Bei der im Rahmen des § 33 EStG anzuwendenden Regelung des § 11 EStG könne nach der Rechtsprechung kein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO vorliegen. Ursache für die lange Behandlungsdauer und die Kostenhöhe sei der in die Behandlung einzubeziehende übrige Gesundheitszustand des Klägers. Die Kläger legen ein Konvolut von Rechnungen des behandelnden Zahnarztes über die streitgegenständliche Zahnbehandlung vor, auf die hinsichtlich der Einzelheiten Bezug genommen wird. Bei der vom Finanzamt vertretenen Auffassung sei es unklar, wie der im Streitjahr nicht berücksichtigte Teil der Kosten zu behandeln sei. Gegebenenfalls werde eine analoge Anwendung des IV C 3 – S 2221/12/10010:004, BStBl I 2013, 1087 beantragt.

Zum Nachweis, dass eine Festkostenvereinbarung getroffen worden sei, legen die Kläger ein Schreiben der … ohne Datum vor, in dem für die Behandlung ein „Festpreis mit VertrauensGarantie” in Höhe von 45.002 EUR genannt wird mit folgender Fußnote: „das voraussichtliche Honorar ist auf der Grundlage des derzeitigen Befundes berechnet. Sollte sich dieser nicht ändern, ist der oben genannte Betrag ein Festpreisangebot. Die Garantiebedingungen können am Empfang der Praxis eingesehen werden. Bei gesetzlich versicherten Patienten entspricht die oben genannte Summe dem maximal selbst zu bezahlenden Anteil. Die gesetzliche Krankenkasse beteiligt sich an den chirurgischen Kosten nicht. Für die prothetische Versorgung gewährleistet die gesetzliche Krankenkasse einen Zuschuss”.

Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung bei den außergewöhnlichen Belastungen sei derzeit ein Verfahren beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz unter dem Aktenzeichen 4 K 1970/10 anhängig. Im Hinblick auf eine bundeseinheitliche Regelung bezüglich der Verfahrensweise werde angeregt, die Bearbeitung insoweit vorerst zurückzustellen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2009 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens Krankheitskosten in Höhe von insgesamt 48.534 EUR ohne Kürzung um die zumutbare Belastung abgezogen werden und die Einkommensteuer auf dieser Grundlage neu berechnet wird. Hilfsweise wird die Zulassung der Revision beantragt.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen und führt zur Begründung an, dass aus den nunmehr vorgelegten Unterlagen klar ersichtlich sei, dass die Behandlung zum größten Teil erst in den Kalenderjahren 2010 und 2011 erfolgt sei. Die darauf entfallenden Kosten seien dem Kläger damit im Jahr 2009 nicht zwangsläufig entstanden. Ausweislich der vorgelegten Rechnungen erfolgten im Kalenderjahr 2009 kieferorthopädische Behandlungen an vier Tagen, die Gesamtkosten dieser Behandlung beliefen sich auf 6681,08 EUR. Das Finanzamt habe im Schätzungswege jedoch bereits 15.000 EUR für Leistungen des Zahnarztes als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Vorauszahlungen auf Behandlungskosten, welche zeitnah, d.h. im ersten Halbjahr 2010 angefallen seien, seien ebenfalls mit dem vom Finanzamt angesetzten Betrag abgegolten. Aus dem Umstand, dass die Heil- und Kostenpläne erst am und erstellt und dieses Kostenzuschüsse erst am von der Betriebskrankenkasse genehmigt worden seien, die Eingliederung des Zahnersatzes erst Ende 2011 erfolgt sei und die Schlussabrechnungen betreffend die Heil- und Kostenpläne Nummer drei und Nummer vier erst am erstellt worden seien ergebe sich, dass die Erstellung und auch Bezahlung der „Pauschalrechnung” Höhe von 45.000 EUR im Dezember 2009 nur zur Erzielung eines steuerlichen Vorteils erfolgt sei, da die Berücksichtigung des Gesamtbetrages im Rahmen des § 33 EStG aufgrund der hohen Abfindungszahlungen 2009 zu einer enormen steuerlichen Vergünstigung führen würde. Obwohl die Rechnung vom nicht detailliert aufgeschlüsselt sei, habe der Kläger gleichsam ins „Blaue hinein” Zahlungen geleistet, ohne genau zu wissen, welche Leistungen er erhalten werde. Auch einer Kostenvereinbarung müsse ein Kostenplan zu Grunde liegen. Wirtschaftliche außersteuerliche Gründe für die Bezahlung der Gesamtsumme in 2009 seien nicht erkennbar. Es sei im Übrigen anhand der nunmehr vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang die Sanierung des gesamten Gebisses im Rahmen der einheitlichen Maßnahme medizinisch indiziert gewesen sei. Nach § 33 Abs. 1 EStG seien nur solche Kosten berücksichtigungsfähig, die zum Zwecke der Heilung oder mit dem Ziel aufgewendet werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Vorbeugende Maßnahmen gehörten nicht zu den Krankheitskosten.

Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 AO angenommen.

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten hält die Rechtsprechung zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre für geboten (, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2001, 543 m.w.N.). Im Hinblick auf die für den Abzug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch indizierte Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Auch Aufwendungen für Zahnprothesen und Zahnimplantate sind Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastung grundsätzlich abzugsfähig (vgl. , EFG 1981, 293; ; EFG 2008, 544). Nach diesen Grundsätzen fallen auch die Kosten für die vom Kläger in den Jahren 2009 bis 2011 vorgenommenen Zahnbehandlung unter die zwangsläufig entstandenen Kosten im Sinne des § 33 EStG.

Die zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten sind in der Höhe als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, in der sie eine endgültige Belastung des Steuerpflichtigen bedeuten. Der Abzugszeitpunkt richtet sich nach § 11 Abs. 2 EStG. Das bedeutet, dass die außergewöhnliche Belastung grundsätzlich im Veranlagungszeitraum der Verausgabung, vermindert um zu erwartende Ermäßigungen zu berücksichtigen ist (, BStBl II 1982, 744). Nach § 11 Abs. 2 EStG wären im Streitfall daher grundsätzlich die vom Kläger am als Vorauszahlung geleisteten 45.000 EUR für die Zahnbehandlung im Streitjahr 2009 zu berücksichtigen.

Ein zum Abzug im Jahr der Verausgabung in voller Höhe berechtigender Zahlungsabfluss liegt jedoch nach der Rechtsprechung des BFH dann nicht vor, wenn zum Steuerabzug berechtigende Kosten ohne wirtschaftlich vernünftigen Grund vorausgezahlt werden, weil die Vorauszahlung in diesem Fall einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten darstellt (, BStBl II 1987, 219; vom IX R 163/83, BStBl II 1989, 702). Nach § 42 Abs. 2 AO liegt ein Missbrauch vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Liegt ein Missbrauch vor, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).

Im Streitfall liegt kein wirtschaftlich vernünftiger außersteuerrechtlicher Grund dafür vor, dass der Kläger die gesamten Kosten der sich über einen Zeitraum von fast zwei Jahren erstreckenden Zahnbehandlung bereits bei Beginn der Behandlung – zu einem Zeitpunkt, in dem der größte Teil der Behandlung noch bevorstand und insbesondere die kostenintensiven prothetischen Maßnahmen noch nicht erbracht wurden – im Dezember 2009 vorausbezahlt hat. Dass – wie vorgetragen – in Höhe der vorausbezahlten Summe von 45.000 EUR mit der behandelnden Zahnklinik bzw. dem Zahnarzt eine Festkostenvereinbarung getroffen worden ist, trifft bei näherer Prüfung der getroffenen Vereinbarung nicht zu. Eine Festkostenvereinbarung könnte als wirtschaftlich vernünftiger Grund für eine Vorauszahlung der gesamten Behandlungskosten anzuerkennen sein, wenn sich das genaue Ausmaß der Behandlung noch nicht mit hinreichender Sicherheit absehen lässt und dem Steuerpflichtigen dadurch das Risiko genommen wird, dass die Behandlungskosten aufgrund unvorhersehbarer Maßnahmen höher werden als geplant. Eine solche Vereinbarung wurde jedoch nicht getroffen. In der Rechnung vom , aufgrund derer der Kläger die Zahlung geleistet hat, ist von einem Festpreis nicht die Rede. Vielmehr wird in dieser pauschal ein Betrag von 45.000 EUR in Rechnung gestellt, wobei in der Aufschlüsselung von „Abschlagszahlungen” für Chirurgie Oberkiefer, Provisorium Unterkiefer und von „Vorauszahlungen” Zahnersatz Oberkiefer, Unterkiefer und „Vorauszahlungen” Chirurgie Unterkiefer die Rede. Eine Abschlagszahlung ist im Rechtsverkehr (vgl. § 632a Bürgerliches Gesetzbuch) eine Form der Teilzahlung für bereits erbrachte Leistungen, die unter dem Vorbehalt der endgültigen Abrechnung steht. Eine Vorauszahlung stellt dagegen eine Bezahlung der Vergütung dar, bevor der Unternehmer die von ihm geschuldete Leistung erbracht hat. Das von den Klägern vorgelegte Schreiben der Klinik ohne Datum mit der Mitteilung der vom Kläger selbst zu tragenden Summe von 45.002 EUR bezeichnet diesen Betrag zwar als „Festpreis mit Vertrauens-Garantie”. Aus dem Kleingedruckten in der Fußnote des Schreibens ergibt sich jedoch, dass es sich tatsächlich um keinen Festpreis handelt. Vielmehr wird dort ausgeführt, dass das voraussichtliche Honorar auf der Grundlage des derzeitigen Befundes berechnet ist. Sollte sich dieser nicht ändern, stellt der genannte Betrag ein Festpreisangebot dar. Damit steht der genannte Preis unter dem Vorbehalt, dass sich der Befund, auf dessen Grundlage das Honorar berechnet wurde, nicht ändert und stellt damit nichts anderes als einen Kostenvoranschlag dar. Ein Kostenvoranschlag, der den Kläger über die zu erwartenden Kosten informiert und von der Krankenkasse regelmäßig gefordert wird, setzt jedoch, was keiner besonderen Begründung bedarf, keine Vorauszahlung der berechneten Summe voraus. Damit verbleibt als Grund für die Vorauszahlung im Dezember 2009, wie auch von den Klägern selbst eingeräumt wird, die Erzielung eines maximalen Steuervorteils, der sich vor allem daraus ergibt, dass der Kläger wegen der im Streitjahr erhaltenen Abfindung in Höhe von 250.000 EUR einer hohen Steuerprogression unterlag. Eine Gestaltung, die alleine der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist, ist jedoch unangemessen und damit missbräuchlich im Sinne von § 42 AO (Druen in Tipke/Kruse, AO, § 42 Rz. 33 m.w.N.). In Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts angemessen wäre es vielmehr gewesen, wenn der Kläger keine Vorauszahlung für die Zahnbehandlung geleistet hätte, sondern – wie üblich – erst bezahlt hätte, nachdem die zahnärztliche Behandlung erbracht worden ist. Auch eine Bezahlung gesondert abrechenbarer Teilleistungen, nachdem die jeweiligen Teilleistungen erbracht worden sind, wäre noch wirtschaftlich angemessenen gewesen. Mit einer Vorauszahlung des gesamten zu erwartenden Rechnungsbetrages setzte sich jedoch der Kläger dem Risiko aus, dass er bei einer mangelhaft erbrachten Leistung des Zahnarztes nicht mehr die Möglichkeit hat, die Vergütung zu verweigern um ein Druckmittel gegenüber dem Zahnarzt zu haben, Nachbesserungsmaßnahmen zu erbringen bzw. wenn dies nicht möglich ist, das Honorar ganz oder teilweise zu kürzen (§ 628 Abs. 1 Satz 2 BGB; vgl. , NJW 2011, 1674).

Rechtsfolge der Anwendung des § 42 AO im Streitfall ist, dass als außergewöhnliche Belastung nur der Teil der Kosten der Zahnbehandlung im Streitjahr abzugsfähig ist, der im Falle einer angemessenen Gestaltung entstanden wäre. Es braucht nicht darüber abschließend entschieden werden, ob es noch alles angemessen angesehen werden könnte, wenn der Zahnarzt dem Kläger den noch im Streitjahr vorgenommene Teil der Behandlung in Rechnung gestellt hätte, denn das Finanzamt hat im Schätzungswege von den gesamten Behandlungskosten im Streitjahr 15.000 EUR berücksichtigt. Dies ist unstreitig mehr, als auf die noch im Jahr 2009 durchgeführte Behandlung entfällt.

2. Die Kürzung der dem § 33 EStG unterfallenden Aufwendungen um die zumutbare Belastung ist nicht verfassungswidrig. Der Senat sieht deshalb keinen Grund, die Frage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht – BVerfGG – vorzulegen. Zur Begründung wird auf das , EFG 2012, 2205 verwiesen. Dass der 6. Senat des BFH in jenem Verfahren auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin die Revision zugelassen hat (Az. VI R 32/13), ist kein Grund, das vorliegende Verfahren nach § 74 Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, da BFH-Entscheidungen keine allgemeine Bindungswirkung zukommt (Brandis in Tipke/Kruse, FGO, § 74 Rz. 14).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wegen der beim BFH anhängigen Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 48/2014 S. 3603
HAAAE-72026