FG Münster Urteil v. - 15 K 1952/15 U EFG 2019 S. 1488 Nr. 17

Umsatzsteuer

Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Umsätze einer Kfz-Werkstatt (Meisterlehrwerkstatt)

Leitsatz

Kfz-Reparaturdienstleistungen und die Lieferung von Kfz-Ersatzteilen unterliegen generell dem Regelsteuersatz von 19 %. Es sind keine Teilmärkte innerhalb des Wettbewerbs der Kfz-Werkstätten ersichtlich, für die ein anderer als der Regelsteuersatz gilt. Der Stpfl. tritt daher in unmittelbaren Wettbewerb zu mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer und dies unabhängig davon, welcher Marktumfang (lokal, deutschland- oder EU-weit) zugrunde gelegt wird.

Gesetze: UStG § 12 Abs 2 Nr 8 Buchstabe a; MwStSystRL Art 98; UStG § 12 Abs 1

Tatbestand:

Strittig ist im Wesentlichen, ob die Umsätze aus der vom Kläger betriebenen Kfz-Meisterlehrwerkstatt M (Kfz-Werkstatt) nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ermäßigt zu versteuern sind.

Der Kläger ist ein für die Streitjahre 2009 bis 2011 vom Beklagten als gemeinnützig anerkannter Verein. Er verfolgt satzungsgemäß den Zweck, der Jugend Bildung und Kulturgut in lebendiger Beziehung zur sozialen und wirtschaftlichen Wirklichkeit zu vermitteln. Die Jugend soll durch die Vermittlung gesellschaftlicher Normen und Werte befähigt werden, sich im Dienste der Gemeinschaft, in Familie und Beruf, in Volk und Staat zu bewähren. Der Kläger ist bestrebt, diese Ziele durch das Familienprinzip zu realisieren.

In Umsetzung dieser Ziele brachte der Kläger in den Streitjahren Jugendliche in Familien und in von ihm unterhaltenen und betreuten Wohngruppen unter. Die in den Wohngruppen lebenden Jugendlichen leisteten in der vom Kläger betriebenen Kfz-Werkstatt in I Praktika ab und führten dabei unter Aufsicht von Kfz-Meistern u.a. Reparaturarbeiten an Kfz aus.

Die Leistungen der Kfz-Werkstatt umfassten – ausweislich der vom Kläger eingereichten Ausgangsrechnungen – neben dem im Rahmen der Reparaturen in Rechnung gestellten Arbeitslohn vor allem die Weiterberechnung der Ersatzteile, wie z.B. „Ladedruckfühler”, „Getriebeöl”, „Glühbirne”, „Ölfilter”, „Motoröl 10W40”, „Zündkerzen”, „Getriebelager”, „Achsmanschette”, „Batterie 12V 55AH”, „Heckleuchte links”, „Reifen Hankook 195/65R15”, „Satz Wischerblätter vorne” u.a. In sämtlichen Rechnungen wurde Umsatzsteuer mit einem Umsatzsteuersatz von 7 % offen ausgewiesen.

In den vom Kläger eingereichten Umsatzsteuererklärungen wies er Umsätze aus der Kfz-Werkstatt i. H. von 10.007 € in 2009, 122.939 € in 2010 und 165.471 € in 2011 aus. Auf die Umsätze wandte er unter Verweis auf § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG den ermäßigten Steuersatz an. Gleichzeitig erklärte er Vorsteuern in 2009 von 4.255,26 €, in 2010 von 22.969,25 € und in 2011 von 27.963,82 €.

Beginnend im Januar 2013 nahm der Beklagte beim Kläger eine Umsatzsteuersonderprüfung vor. Ausweislich des Berichts vom traf der Prüfer im Wesentlichen folgende Feststellungen: Die Kfz-Werkstatt sei buchhalterisch als separater Zweckbetrieb geführt worden. Die Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG habe der Kläger erfüllt. Die Umsätze der Kfz-Werkstatt würden neben vereinzelten KfzVerkäufen vor allem in Reparaturleistungen bestehen. Für diese Leistungen finde der Regelsteuersatz Anwendung, da derartige Umsätze bei Ausführung durch Konkurrenzbetriebe nicht begünstigt seien. Abschnitt 12.9. Abs. 11 des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) sei nicht einschlägig, da die Umsätze der Kfz-Werkstatt zu mehr als 50 % aus Leistungen bestehen würden, für die in Konkurrenzbetrieben der Regelsteuersatz gelte.

Der Kläger sei auch kein Zweckbetrieb i. S. der § 68 Nr. 3 Buchst. a) bis c) der Abgabenordnung (AO), da die Jugendlichen weder schwerbehindert im Sinne des § 132 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches (SGB) IX noch behinderte Menschen seien, die gefördert würden. Der Kläger erfülle auch nicht die Voraussetzungen des § 68 Nr. 5 AO, da der Kläger die Beschäftigungsquote von 40 % nicht überschreite. Der Kläger übersehe, dass die Jugendlichen nur Teilzeittätigkeiten ausgeführt hätten, während die Betreuer und die weiteren vom Kläger festangestellten Personen überwiegend in Vollzeit gearbeitet hätten.

Außerdem würden – entsprechend den Vorgaben höchstrichterlicher Rechtsprechung (, Sammlung amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFHE – 237, 279; Bundessteuerblatt – BStBI – II 2012, 630) – die Reparaturleistungen nicht unmittelbar den satzungsmäßigen Zweck des Klägers erfüllen bzw. seien nicht im Sinne des § 68 Nr. 5 AO für die Erfüllung der Fürsorgeerziehung und der freiwilligen Erziehungshilfe unerlässlich.

Am erließ der Beklagte entsprechend den Prüfungsfeststellungen Umsatzsteueränderungsbescheide für 2009 bis 2011 und setzte die Umsatzsteuer unter Anwendung des Regelsteuersatzes für 2009 auf ./. 2.545,64 € (1.009,13 € mehr als erklärt), für 2010 auf ./. 360,39 € (12.397,21 € mehr als erklärt) und für 2011 auf 385,13 € (16.686,15 € mehr als erklärt) fest.

Dagegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte dieser aus, dass seit der ab 2007 geltenden Neufassung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG die Steuerermäßigung für Zweckbetriebe im Sinne des § 68 Nr. 3 AO nur dann noch eingreife, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch Ausführung von Umsätzen diene, die in unmittelbaren Wettbewerb mit der Regelsatzbesteuerung unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer stünden. Eine Steuerermäßigung scheitere daran, dass der Kläger nicht unmittelbar durch die Kfz-Werkstatt seine steuerbegünstigten Zwecke selbst verwirklicht habe. Der Kfz-Werkstatt könne lediglich ein unterstützender Charakter beigemessen werden, wofür auch deren Betriebseinstellung und ihr Verkauf durch den Vertrag vom sprächen. Die Zweckbetriebseigenschaft im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) Satz 3 1. Alt. UStG sei umsatzsteuerrechtlich zu bestimmen. Der Grundsatz der umsatzsteuerrechtlichen Neutralität verbiete es, im Wettbewerb miteinander stehende Waren und Dienstleistungen hinsichtlich der Belastung mit der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Die Umsätze der Kfz-Werkstatt seien mit dem Regelsteuersatz zu besteuern, da die Reparaturleistungen der Konkurrenzunternehmen in I und Umgebung der Besteuerung mit dem Regelsteuersatz unterlägen. Ein Zweckbetrieb diene in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen, wenn er sich zu mehr als 50 % aus derartigen Einnahmen finanziere und den für Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG geltenden Betrag von 17.000 € im Jahr je Beschäftigtem, der zu der Gruppe der zu betreuenden Personen zähle, übersteige. In den Jahren 2010 und 2011 übersteige die Kfz-Werkstatt diese Umsatzgrenze deutlich.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass die Kfz-Werkstatt eine Einrichtung der Fürsorgeerziehung und der freiwilligen Erziehungshilfe im Sinne des § 68 Nr. 5 AO sei, in der betreute Personen im Rahmen des gesetzlichen Erziehungsziels an die Arbeit und ein geordnetes Leben gewöhnt würden. Nur mit den streitigen Umsätzen könne er seine Satzungszwecke erfüllen. Die von § 68 Nr. 5 i.V.m. § 68 Nr. 3 AO analog geforderte Beschäftigtenquote von mindestens 40 % sei in den Streitjahren erfüllt worden. Er habe vor Eröffnung des Betriebs der Kfz-Werkstatt bzw. vor Abgabe oder unmittelbar nach der Abgabe der ersten Umsatzsteuererklärung für die Kfz-Werkstatt mit dem Beklagten die Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes abgeklärt. Auf Grund der Verhandlungen sei der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, wenn die Beschäftigungsquote von mindestens 40 % eingehalten werde. Der Beklagte, Herr …, habe ihm das (BStBI I 2007, 218) übersandt und darin die Ausführungen unter II. „Leistungen, mit denen selbst lediglich steuerbegünstige Zwecke verwirklicht werden” und unter IV. „Einzelfälle” gelb markiert. Auf Grund der Gelbmarkierungen habe für alle Streitjahre die 40 %-Grenze erreicht werden müssen. Den Vorgang einschließlich der Erfüllung der 40 %-Beschäftigungsquote von Jugendlichen habe er mit der Bediensteten … des Beklagten abgestimmt. Auf Grund der seinem Schreiben vom beigefügten Praktikumsnachweise habe der Kläger einen Umsatzsteuerbescheid unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes erhalten.

Ferner könnten die Jugendlichen nur dann an ein geordnetes Leben herangeführt und in ein solches Leben integriert werden, wenn sie in der Kfz-Werkstatt eine Ausbildung bzw. ein Praktikum machen würden. Der Zweckbetrieb Kfz-Werkstatt könne nur existieren, wenn er, der Kläger, mit dem Betrieb der Werkstatt Einnahmen erziele. Die Kfz-Werkstatt führe zwar Reparaturumsätze aus, die im Wettbewerb mit anderen – der Regelbesteuerung unterliegenden – Unternehmen stünden. Die von der Kfz-Werkstatt erzielten Umsätze seien aber für die Erreichung seines, des Klägers, satzungsmäßigen Zwecks unabdingbar gewesen. Die mit der Kfz-Werkstatt erzielten erheblichen Verluste hätten deren Veräußerung erforderlich gemacht. Grund für die Verluste sei der hohe Personalaufwand für die fachliche und persönliche Betreuung der Jugendlichen gewesen. Eine Bescheinigung nach § 132 Abs. 1 SGB XI könne nicht vorgelegt werden, da klägerseitig § 68 Nr. 5 AO nur analog angewandt würde. Die in der Kfz-Werkstatt beschäftigten Jugendlichen würden zum nach dem SGB VII (Jugendhilfe) betreuten Personenkreis gehören und mit dem Ziel betreut, die psychischen Behinderungen der Jugendlichen bis zum 18. bzw. dem 21. oder dem 27. Lebensjahr zu beseitigen. Die Anzahl der Beschäftigten (40 %-Grenze) sei klägerseitig nur analog § 68 Nr. 3 Buchst. c) UStG angewandt worden. Über die dem Beklagten gemeldete Anzahl von Jugendlichen hinaus sei im Rahmen von Praktika eine Vielzahl weiterer Jugendlicher in der Kfz-Werkstatt tätig gewesen.

Im Schriftsatz vom trug der Kläger abweichend vom bisherigen Vorbringen vor, dass die Veräußerung der Kfz-Werkstatt nicht aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen erfolgt sei, sondern einen anderen Grund gehabt habe. Die Handwerkskammern hätten entschieden, dass im Kfz-Handwerk nur noch Mechatroniker ausgebildet werden könnten. Diese Ausbildung setze das Abitur bzw. mindestens einen guten Realschulabschluss voraus. In der Regel würden aber die vom ihm, dem Kläger, betreuten Jugendlichen diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

unter Änderung der Bescheide vom und der Einspruchsentscheidung vom die Umsatzsteuer für 2009 um 1.009,11 €, die Umsatzsteuer für 2010 um 12.397,21 € und die USt für 2011 um 16.686,15 € herabzusetzen,

hilfsweise, die Umsätze der Kfz-Werkstatt aufgrund Unionsrecht steuerfrei zu stellen,

äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, es gebe keine verbindliche Zusage, die Umsätze der Kfz-Werkstatt mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern. Materiell-rechtlich seien die Umsatzsteuerbescheide aus den vorgerichtlich genannten Gründen rechtmäßig. Die Richtigkeit seiner Rechtsauffassung würden die (BFHE 255, 261; BStBI II 2017, 1173) bzw. vom V R 11/15 (BFHE 255, 293; BStBI II 2018, 113) stützen, da nach beiden Urteilen § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG eng auszulegen sei. Der ermäßigte Steuersatz dürfe auf Grund von Art. 98 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in Verbindung mit dem Anhang III dieser Richtlinie nicht auf andere als auf gemeinnützige Leistungen angewandt werden. Das Kennenlernen des gewöhnlichen Arbeitsalltags und die Gewöhnung an ein geordnetes Leben entsprächen zwar den Satzungszielen des Klägers. Diese Ziele hätten aber nicht ausschließlich durch Tätigkeiten der Jugendlichen in der Kfz-Werkstatt, sondern auch durch die Vermittlung der Jugendlichen an Praktika in Drittbetrieben erreicht werden können.

Am wurde die Sach- und Rechtslage vor dem Berichterstatter erörtert. Auf das Protokoll des Termins wird Bezug genommen. Beide Beteiligte erklärten in diesem Termin, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

II. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet (1.) und im Hilfsantrag unzulässig (2.).

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2009 bis 2011 vom und die Einspruchsentscheidung vom sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat – ohne dass einer Änderung der Bescheide verfahrensrechtliche Gründe entgegenstehen (a)) – auf die Umsätze des Klägers mit der Kfz-Werkstatt zu Recht den Regelsteuersatz angewandt (b)).

a) Der Beklagte durfte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerjahreserklärungen des Klägers für 2009 bis 2011 nach § 164 Abs. 2 Satz 1 i. V. mit Abs. 4 Satz 1 AO ändern, ohne dass er hierzu einer weiteren Rechtsgrundlage bedurfte (vgl. , Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2010, 2246).

Auch der Grundsatz von Treu und Glauben steht dem Erlass der strittigen Bescheide nicht entgegen. Es gibt keine wirksame verbindliche Zusage des Beklagten, die Umsätze des Klägers mit der Kfz-Werkstatt ermäßigt zu besteuern. Zwar ist die Finanzbehörde nach Treu und Glauben gebunden, wenn sie einem Steuerpflichtigen verbindlich zusichert, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerliche Behandlung zweifelhaft erscheint und für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich bedeutsam ist, in einem bestimmten Sinne zu beurteilen. Voraussetzung für die Bindung ist aber, dass der für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte die Auskunft erteilt (vgl. , BFH/NV 2001, 296). Zum entscheidungsbefugten Personenkreis gehören Sachgebietsleiter oder Vorsteher des Finanzamts (vgl. , BFHE 239, 38; BStBl II 2013, 71). Der Senat kann nicht feststellen, dass die vom Kläger als seine Gesprächspartner benannten Bediensteten, Frau … und Herr …, zur Erteilung einer verbindlichen Auskunft befugt waren. Unerheblich ist insoweit, ob ein Steuerpflichtiger seine Gesprächspartner zur Erteilung einer verbindlichen Zusage für befugt hielt. Ein Steuerpflichtiger kann sich hinsichtlich der Entscheidungskompetenz seines Gesprächspartners nicht auf guten Glauben berufen, vielmehr muss er sich zu Beginn des Gesprächs darüber vergewissern, dass sein Gesprächspartner über die hinreichende Entscheidungskompetenz verfügt (vgl. , BFH/NV 1993, 99; bestätigt durch , BFHE 239, 38; BStBl II 2013, 71).

b) Auf die Umsätze des Klägers aus der Kfz-Werkstatt ist nach § 12 Abs. 1 UStG der Regelsteuersatz anzuwenden. Der Kläger kann sich nicht auf die Ermäßigung des Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG berufen.

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG ist auf Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke gemäß §§ 51 bis 68 AO verfolgen, der ermäßigte Steuersatz anzuwenden (Grundsatz). Das gilt nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden (Ausnahme). Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden (Rückausnahme), gilt die Steuermäßigung nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetrieben ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht (alternative Bedingungen der Rückausnahme).

Unionsrechtliche Grundlage für die Regelung ermäßigter Steuersätze ist Art. 98 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden, wobei die ermäßigten Steuersätze nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar sind.

Als Grundlage für die Regelung in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG kommt nur Nr. 15 des Anhangs III der MwStSystRL in Betracht. Die Vorschrift erfasst die „Lieferung von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit, soweit sie nicht gemäß den Artikeln 132, 135 und 136 von der Steuer befreit sind”. Insoweit hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) festgestellt, dass die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut der Nr. 15 nicht auf alle gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden dürfen, sondern nur auf diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind (, Kommission/Frankreich, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 2010, 883, Rn. 43; vgl. auch , BStBl II 2012, 630). Darüber hinaus hat der BFH festgestellt, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) Satz 1 UStG insoweit richtlinienwidrig ist, als die Vorschrift nicht nur die Leistungen, die steuerbegünstigte Körperschaften für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit erbringen, sondern alle Leistungen dieser Körperschaften umfasst (, BFH/NV 2015, 528, Rn. 47)

aa) Zwar gehört der Kläger – zwischen den Beteiligten unstrittig – zu den Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke gemäß §§ 51 bis 68 AO verfolgen (Grundsatz), so dass der persönliche Anwendungsbereich des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) UStG eröffnet ist. Die Kfz-Werkstatt war aber auch – was unter den Beteiligten ebenso wenig strittig ist – ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 Satz 1 AO (Ausnahme). Der Kläger erbrachte mit der Kfz-Werkstatt in den Streitjahren Kfz-Reparaturen gegen Entgelt, was eine selbständige und nachhaltige, gewerbliche oder berufliche Tätigkeit und damit sowohl eine unternehmerische Tätigkeit als auch einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt.

bb) Nicht entscheidungserheblich ist, ob die Kfz-Werkstatt des Beklagten nach § 68 Nr. 5 AO oder nach allgemeiner Definition des § 65 AO als Zweckbetrieb anzusehen ist.

cc) Denn, sollte die Kfz-Werkstatt als Zweckbetrieb einzustufen sein, erzielt diese mit den Kfz-Reparaturen in erster Linie zusätzliche Einnahmen, die in unmittelbaren Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer stehen und verwirklicht hierdurch auch nicht unmittelbar ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) Satz 3 UStG – Bedingungen der Rückausnahme).

Entscheidend ist insoweit, ob der Kläger mit seinen Leistungen in Wettbewerb zu anderen Unternehmern tritt, die vergleichbare Leistungen ohne Anspruch auf Ermäßigung am Markt anbieten. Für diese weite Auslegung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) Satz 3 UStG spricht dabei, dass der ermäßigte Steuersatz nur insoweit anzuwenden ist, als er zu keiner oder nur einer geringen Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung führt (, Kommission/Königreich Niederlande, HFR 2011, 492, Rn. 52; , BFHE 259, 9, BStBl II 2018, 55, Rn. 33).

Kfz-Reparaturdienstleistungen und die Lieferung von Kfz-Ersatzteilen unterliegen generell dem Regelsteuersatz von 19 %. Es sind keine Teilmärkte innerhalb des Wettbewerbs der Kfz-Werkstätten ersichtlich, für die ein anderer als der Regelsteuersatz gilt. Der Kläger tritt daher in unmittelbaren Wettbewerb zu mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer und dies unabhängig davon, welcher Marktumfang (lokal, deutschland- oder EU-weit) zugrunde gelegt wird.

Außerdem gehören derartige Leistungen bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a) Satz 3 UStG nicht zu den begünstigungsfähigen Leistungen. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der engen Auslegung der Steuersatzermäßigungen als Ausnahmetatbestand (, BFHE 237, 279, BStBl II 2012, 630) sind andere als gemeinnützige Leistungen unionsrechtlich vom Anwendungsbereich der Steuersatzermäßigung für gemeinnützige Körperschaften von vornherein ausgeschlossen sind (, BFHE 255, 293, BStBl II 2018, 113 zur Beherbergung allein reisender Erwachsener in Jugendherbergen; , BFH/NV 2015, 528 zur Veräußerung von Scannern und die Erbringung von Archivierungsdienstleistungen durch einen Integrationsbetrieb; vgl. auch Heuermann in: Sölch/Ringleb, UStG, März 2019, § 12 Rn. 606). Die Erbringung von Kfz-Reparaturdienstleistungen gegenüber an der Kinder- und Jugenderziehung unbeteiligten Dritten ist keine Leistung im Bereich der sozialen Sicherheit. Dies könnten allenfalls Leistungen gegenüber den in der Kfz-Werkstatt tätigen Jugendlichen sein, für die die Betreuer respektive der Kläger für die Betreuer ein Entgelt bzw. Zuschüsse von staatlichen Einrichtungen, wie z.B. Sozialversicherungsträgern, erhalten. Die Kfz-Reparaturdienstleistungen gegenüber Dritten, die sich in nichts von den dem Regelsteuersatz unterliegenden Leistungen anderer Kfz-Reparaturwerkstätten unterscheiden, sind keine hiernach begünstigten Leistungen. Durch diese Leistungen verwirklicht der Kläger nicht unmittelbar seine steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst.

2. Soweit sich der Kläger auf die Umsatzsteuerfreiheit nach Art. 132 MwStSystRL beruft ist die Klage aufgrund fehlender Beschwer unzulässig.

a) Nach § 40 Abs. 2 FGO ist die Klage gegen einen Steuerbescheid nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Eine derartige Rechtsverletzung liegt bei einer Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid grundsätzlich nur vor, wenn der Steuerpflichtige sich entweder durch die Höhe der festgesetzten Steuer oder dadurch beschwert fühlt, dass die Steuerpflicht bejaht worden ist (, BFH/NV 1994, 747 m. w. N.).

b) Unterstellt, die Leistungen des Klägers wären steuerfrei, so wäre der Kläger Steuerschuldner nach § 14c Abs. 1 UStG, ohne dass diese Steuerschuld entfallen wäre.

Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet er gemäß § 14c Abs. 1 Satz 1 UStG auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden (§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG). Unionsrechtlich beruhen diese Vorschriften auf Art. 203 MwStSystRL, wonach jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist, die Mehrwertsteuer schuldet.

Über die Leistungen der Kfz-Werkstatt hat der Kläger Rechnungen unter Ausweis von Umsatzsteuer, d.h. des ermäßigten Steuersatzes, ausgestellt. In dieser Höhe schuldet der Kläger die Umsatzsteuer in jedem Fall. Eine Berichtigung ist – jedenfalls in den Streitjahren – nicht erfolgt. Könnte sich der Kläger auf die Umsatzsteuerfreiheit berufen, würde – bei gleichzeitigem Ansatz des ermäßigten Steuersatzes auf die erklärte Bemessungsgrundlage über § 14c UStG – unter Außerachtlassung der bislang gezogenen Vorsteuern, die im Falle der Steuerbefreiung nicht mehr abziehbar wären, der Kläger schlechter gestellt, als er derzeit stünde. Für einen derartigen Antrag fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

Anmerkung

ECLI:DE:FGMS:2019:0618.15K1952.15U.00

Fundstelle(n):
EFG 2019 S. 1488 Nr. 17
UStB 2019 S. 268 Nr. 9
GAAAH-28270