FG Köln Urteil v. - 5 K 1080/13 EFG 2017 S. 707 Nr. 8

Umsatzsteuer

Frage der USt-Pflicht bei Verkäufen über Online-Plattform; Kleinunternehmerregelung

Leitsatz

1. § 19 UStG regelt nicht, wie bei Neugründungen von Unternehmen zu verfahren ist. Nach Sinn und Zweck der Regelung ist jedoch in dem Fall, in dem ein Unternehmer neu beginnt, auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres, also des Erstjahres, abzustellen, der 17.500 € nicht überschreiten darf.

2. Maßgeblich für die Zuordnung zum Anlagevermögen ist grds. die Funktion und wirtschaftliche Bedeutung, die dem Vermögen innerhalb des Betriebsorganismus zufällt.

Gesetze: UStG § 19 Abs 1, UStG § 1 Abs 1

Instanzenzug: ,

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger bei Verkäufen über Online-Plattformen umsatzsteuerpflichtig tätig geworden ist oder ob die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) zur Anwendung kommt.

Der Kläger gründete mit Wirkung zum ….08.2003 mit dem Partner K die XK GbR in D, A-Straße … (nachfolgenden GbR). Gegenstand des Unternehmens ist der Einzelhandel mit …. Seit der Auflösung der GbR am ….03.2008 wird das Unternehmen als Einzelunternehmen vom Kläger fortgeführt. Im Jahr 2010 fand beim Kläger eine Steuerfahndungsprüfung des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung D (nachfolgend Steufa) statt. Nach den Ermittlungen der Steufa war der Kläger bereits vor Gründung der GbR mit eigenen Accounts bei Online-Plattformen registriert und hatte dort Umsätze erzielt bzw. durch den späteren Geschäftspartner K erzielen lassen. Hierbei handelt es sich um die Mitgliedskonten R (Umsätze in den Streitjahren 2006 und 2007 von 25.278,79 € bzw. 5.265,16 €), U (Umsätze 2002 und 2003) sowie W (Umsätze ab 2003 ff.). Zudem räumte der Kläger ein, dass er in den Jahren 2002 und 2003 Teile seiner Sammlung über seinen Freund O gegen eine Provision von 10 % veräußert habe. Wegen weiterer Einzelheiten und der Ermittlungsergebnisse wird auf den Kurzbericht der Steufa vom nebst Anlagen verwiesen. Der Beklagte folgte den Ermittlungsergebnissen der Steufa und erließ am die erstmaligen Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2006 und 2007.

Die hiergegen gerichteten Einsprüche wurden mit Entscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen. Diesbezüglich führte der Beklagte wie folgt aus:

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterlägen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführe. Unternehmer sei gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübe. Gewerblich oder beruflich sei nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehle. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) sei im Einzelfall aufgrund des Gesamtbildes der Verhältnisse zu beurteilen, ob die Voraussetzungen einer nachhaltigen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG erfüllt seien. Dabei sei insbesondere zu würdigen die Dauer und Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden, das Unterhalten verschiedener Online-Plattform-Accounts sowie eines Geschäftslokals. Insoweit sei die Anzahl der Geschäftsvorfälle nur eines von mehreren zu würdigenden Kriterien. Nach den Feststellungen der Steufa habe der Kläger in den Streitjahren 2006 und 2007 aus vielen Onlineverkäufen Umsätze von 25.278 € in 2006 und 5.265 € in 2007 erzielt und dabei einen erheblichen Organisationsaufwand betrieben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass ein Verkäufer, wie auch der Kläger, sich als Wiederverkäufer für jeden einzelnen im Internet zur Versteigerung anstehenden Gegenstand Gedanken zu dessen möglichst genauer Bezeichnung, zu seiner Platzierung in der einschlägigen Produktgruppe und über ein Mindestgebot machen müsse. Zudem müsse zur Erhöhung der Verkaufschancen und des erzielbaren Erlöses in aller Regel mindestens 1 digitales Bild angefertigt werden. Außerdem müsse der Verkäufer den Auktionsablauf in regelmäßigen Abständen überwachen oder überwachen lassen, um rechtzeitig auf Nachfragen reagieren zu können. Zudem müsse nach Auktionsende der Zahlungseingang überwacht werden, um die Ware anschließend zügig zu verpacken und zu versenden. Deshalb sei davon auszugehen, dass eine intensive und langfristige Verkaufstätigkeit unter Nutzung bewährter Vertriebsmaßnahmen auf der Online-Plattform vorliege, die als nachhaltig im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG zu beurteilen sei.

Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Klage trägt der Kläger wie folgt vor:

Die grundsätzliche Umsatzsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 UStG werde zwar nicht bestritten. Dennoch seien die streitigen Verkäufe von großen Teilen der Sammlung von …sportgeräten des Klägers nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen, da die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG anzuwenden sei. In diesem Zusammenhang sei auch die Frage von Bedeutung, ob die Sammlerstücke als Anlagevermögen oder Umlaufvermögen zu beurteilen sei. Denn der Umsatz im Sinne des § 19 UStG sei der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, der um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens gekürzt werde. Entgegen der Ansicht des Beklagten seien die gesammelten Gegenstände kein Umlaufvermögen, sondern Anlagevermögen. Denn einen professionellen Sammler bezeichne man auch als Museum. Bei bilanzierenden Museen würden die Sammlerstücke aber im Anlagevermögen und nicht im Umlaufvermögen ausgewiesen. In diesem Zusammenhang habe der Beklagte auch nicht dargelegt, zu welchen Zeitpunkten seiner Ansicht nach die gesammelten Stücke in das Betriebsvermögen übergegangen seien.

Für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung sei auch von Bedeutung, wann die Neugründung des Unternehmens erfolgt sei bzw. das Unternehmen begonnen habe. Hierzu mache der Beklagte keinerlei Ausführungen. Üblicherweise beginne ein Unternehmen mit der Planung, dann mit der Organisation, der Finanzierung und dem Einkauf und erst zum Schluss erfolge die eigentliche gewinnorientierte Verkaufstätigkeit. Wenn jeder Sammler auch gleichzeitig Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne sei, stelle sich die Frage, ob nicht die Unternehmereigenschaft dann unterbrochen werde, wenn über eine längere Zeitspanne hinweg kein Verkauf stattfinde mit der Folge, dass jeweils danach eine Neugründung des Unternehmens stattfinde. Feststellungen darüber, wann die Startphase nun wirklich begonnen habe und wann diese endete, seien aber nicht erfolgt. Zwar sei der Betrag von 17.500 € in § 19 Abs. 1 UStG nach dem Wortlaut eine feste, nicht veränderbare Größe, während der Betrag von 50.000 € eine Prognose beinhalte. Vorliegend sei der Betrag von 17.500 € auch als Prognoseergebnis zu verstehen. Denn der Unternehmer müsse bereits zu Anfang der Leistungserbringung wissen, ob die Kleinunternehmerregelung gelte oder nicht. Die Höhe der Verkäufe von Sammlungsstücken im Jahr 2006 habe aber nicht nur von den Marktverhältnissen abgehangen, sondern auch von externen Faktoren, z.B. über der Bereitschaft der Bank, eine höhere Finanzierung zu gewähren oder der Bereitschaft des Geschäftspartners, den Kaufpreis zu senken oder einer längerfristigen Stundung zuzustimmen. Bei der Beurteilung müsse man sich stark am Wortlaut des § 19 Abs. 1 UStG orientieren, wo die Begriffe Betrieb, Betriebseröffnung bzw. Neugründung nicht vorkämen, wohl aber auf die Unternehmereigenschaft abgestellt werde. Habe der Vorjahresumsatz 0 Euro betragen, so sei dieser Umsatz nicht größer als 17.500 €.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuerbescheide 2006 und 2007, jeweils vom , sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend wie folgt vor: Die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG komme nicht zur Anwendung, da der Umsatz 2006 mit 25.278,79 € die Grenze von 17.500 € überstiegen habe. Zwar seien die Umsätze des Jahres 2007 niedriger als 50.000 €, aber für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung müssten beide Voraussetzungen zwingend erfüllt sein.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die Umsatzsteuerbescheide für 2006 und 2007 sind rechtmäßig. Die vom Kläger erzielten streitigen Verkaufserlöse unterliegen entgegen der Ansicht des Klägers der Umsatzsteuer, da die Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG keine Anwendung findet.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 S. 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Dass der Kläger Unternehmer in den Streitjahren Unternehmer im Sinne dieser Vorschriften war, ist zwischen den Beteiligten mittlerweile nicht mehr streitig. Denn auch der Kläger geht davon aus, dass die grundsätzliche Umsatzsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 UStG besteht.

2. Der Beklagte hat auch zu Recht die Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG verneint. Die Voraussetzungen für die Nichterhebung nach § 19 Abs. 1 UStG liegen nicht vor.

Gemäß § 19 Abs. 1 UStG wird für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der Gesamtumsatz des Vorjahres 17.500 € nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Die Vorschrift regelt nicht, wie bei Neugründungen von Unternehmen zu verfahren ist. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung ist jedoch in dem Fall, in dem ein Unternehmer neu beginnt, auf den voraussichtlichen Umsatz des laufenden Kalenderjahres, also des Erstjahres, abzustellen, der 17.500 € nicht überschreiten darf (stdg. Rspr. , BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142; BFH-Beschlüsse vom V B 164/06, BFHE 219, 400, BStBl II 2008, 263 und vom V B 15/08, BFH/NV 2009, 1284; , EFG 2008, 1503; siehe auch Korn in Bunjes, Kommentar zum UStG, § 19 Rdnr. 10; Widmann in Schwarz/Widmann/Radeisen, Kommentar zum UStG, § 19 Rdnr. 48; Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 19 Rdnr. 57).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da der Umsatz 2006 mit 25.278,79 € die Grenze von 17.500 € überstiegen hat. Dass die Umsätze des Jahres 2007 niedriger als 50.000 € waren, ist nicht relevant, da für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung beide Voraussetzungen zwingend erfüllt sein müssen. Bei der Beurteilung ist das Gericht davon ausgegangen, dass der Kläger mit der streitigen Online-Plattform erstmals im Jahr 2006 unternehmerisch tätig geworden ist und es sich insoweit um das Erstjahr in Sinne der obigen Rechtsprechung handelt. Zwar ist der relevante Umsatz im Erstjahr grundsätzlich auf Basis der vom Unternehmer prognostizierten Zahlen zu prüfen. Da der Kläger, der ursprünglich davon ausgegangen war, dass er bezüglich des Handels auf der Online-Plattform kein Unternehmer war, jedoch keine solche Prognose erstellt hat, kann für die Beurteilung nur auf den tatsächlichen Jahresumsatz für 2006 abgestellt werden, der aber die gesetzliche Grenze von 17.500 € überstiegen hat.

Der Umsatz ist auch nicht nach § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG zu kürzen. Nach dieser Regelung ist Umsatz im Sinne des Satzes 1 der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens.

Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei den über die Online-Plattform verkauften Gegenständen jedoch nicht um Anlagevermögen. Diese gehörten vielmehr zum Umlaufvermögen im Unternehmen des Klägers.

Zum Anlagevermögen gehören diejenigen Wirtschaftsgüter, die dazu bestimmt sind, dem Betrieb dauerhaft zu dienen. Umlaufvermögen sind demgegenüber die zum Verbrauch oder sofortigen Verkauf bestimmten Wirtschaftsgüter (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteile vom IV R 49/07, BFH/NV 2010, 945; vom I R 47/07, BFHE 223, 56, BStBl II 2009, 986; vom IV R 15/04, BFH/NV 2006, 1267; vom X R 80/94, BFH/NV 1999, 359; vom IV R 105/84, BFHE 149, 255, BStBl II 1987, 448). Maßgeblich für die Zuordnung zum Anlagevermögen ist grundsätzlich die Funktion und wirtschaftliche Bedeutung, die dem Vermögen innerhalb des Betriebsorganismus zufällt (, BFHE 215, 276, BStBl II 2008, 137 und vom X R 80/94, BFH/NV 1999, 359, 361). Es kommt für die Abgrenzung von Anlage- und Umlaufvermögen auf die Zweckbestimmung an, mit der ein Wirtschaftsgut im Betrieb eingesetzt wird (BFH-Urteile in BStBl II 2008, 137 und in BFH/NV 1999, 359).

Danach waren die streitigen Gegenstände nach Unternehmensgründung zum Verkauf im Unternehmen des Klägers bestimmt und sind eindeutig dem Umlaufvermögen zuzuordnen. Dass diese Gegenstände zunächst Sammlerobjekte gewesen sein sollen, ist insoweit nicht von Bedeutung, da sie mit Beginn der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers im Jahr 2006 ohne weiteres zu Umlaufvermögen wurden.

Die Umsatzsteuer wurde daher zu Recht erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EFG 2017 S. 707 Nr. 8
GAAAG-42678