BFH Urteil v. - X R 261/93 BStBl 1996 II S. 180

Vereinbarungen unter nahen Angehörigen sind nur dann der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht

Leitsatz

Verluste, die aus einer Leistungsbeziehung zwischen nahen Angehörigen (hier: Regelung der PKW-Nutzung unter Ehegatten) stammen, sind einkommensteuerrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn die zugrundeliegende Leistungsbeziehung dem sog. Fremdvergleich standhält. Bei dieser Prüfung sind mehrere inhaltlich und zeitlich eng zusammenhängende Verträge nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen.

Gesetze: AO 1977 § 38, EStG § 2 Abs. 1 Satz 1, EStG § 12 Nr. 2, EStG § 22 Nr. 3

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte als Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsbeistand Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Sozietät und Einzelpraxis). Die Klägerin war in der Einzelpraxis des Klägers als Insolvenzsachbearbeiterin angestellt. Das Gehalt betrug 500 DM bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 50 Stunden pro Monat. Die pauschale Lohn- und Kirchensteuer bezahlte der Kläger als Arbeitgeber.

Im März 1986 kaufte die Klägerin einen PKW für brutto 16 330 DM. Mit Mietvertrag vom vermietete sie den PKW für die Zeit vom bis an den Kläger. Zweck der Vermietung war gemäß § 1 des Mietvertrags die Nutzung als Geschäftswagen im Rahmen der Einzelpraxis. Die Miete betrug monatlich 360 DM netto zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Überlassung des PKW an Dritte war dem Kläger vertraglich untersagt mit Ausnahme der Überlassung an seine Arbeitnehmer als Dienstwagen. Der Kläger hatte als Mieter sämtliche PKW-Kosten zu tragen.

Ebenfalls am vereinbarten die Kläger für die Zeit vom bis zum die Überlassung des PKW an die Klägerin zur dienstlichen und privaten Nutzung. Das Entgelt für die private Nutzung wurde auf 1 % des Kaufpreises oder 160 DM monatlich festgelegt.

Die Klägerin erklärte aus der Vermietung des PKW im Streitjahr 1986 einen gewerblichen Verlust in Höhe von 863 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte den Verlust nicht an, da ein Mißbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 der Abgabenordnung - AO 1977 -) vorliege. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, die einmalige Vermietung des PKW sei keine gewerbliche Tätigkeit, vielmehr als sonstige Leistung gemäß § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassen. Infolge des Verlustabzugsverbots des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG wirke sich der Verlust jedoch nicht auf die Höhe der Einkommensteuer aus, so daß offenbleiben könne, ob die gesamte Vertragskonstruktion ein Mißbrauch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten sei.

Mit der Revision machen die Kläger geltend, das Abzugsverbot des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG sei verfassungswidrig. Außerdem sei kein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten gegeben.

Die Kläger beantragen, das Verfahren auszusetzen oder ruhen zu lassen, bis das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1818/91 zum Verlustabzugsverbot des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG entschieden habe, in der Sache selbst das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer um 430 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Gründe

II.

1. Die Sache ist entscheidungsreif. Eine Verfahrensunterbrechung kommt nicht in Betracht, weil es auf die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG in diesem Rechtsstreit nicht ankommt.

2. Die Revision ist jedenfalls deshalb unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil der Mietvertrag zwischen der Klägerin und dem Kläger steuerlich nicht anzuerkennen ist - mit der Folge, daß die daraus erzielten (positiven oder negativen) Einkünfte unter keine der in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG aufgezählten Einkunftsarten fallen.

3. Nach ständiger Rechtsprechung sind Vereinbarungen unter nahen Angehörigen der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht. Das gilt nicht nur für Wohnungsmietverträge (, BFHE 165 359, BStBl II 1992, 75, und vom IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834), sondern auch für die Vermietung von beweglichen Gegenständen.

Die im Streitfall von den Klägern als Eheleute am getroffenen Vereinbarungen sind zwischen Fremden in dieser Form und mit diesem Inhalt nicht denkbar.

a) Die an ein und demselben Tag geschlossenen Verträge dürfen steuerrechtlich bei der Prüfung am Maßstab des Fremdvergleichs nicht isoliert und lediglich anhand ihrer zivilrechtlichen Bezeichnung (Mietvertrag einerseits, PKW-Überlassungsvertrag andererseits) gewürdigt werden. Denn das abgabenrechtlich maßgebende Erfordernis der Tatbestandsverwirklichung (§ 38 AO 1977; § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG) und das aus § 12 Nr. 2 EStG folgende Abzugsverbot für privat veranlaßte Zuwendungen gebieten es, nicht auf die formale zivilrechtliche Gestaltung, sondern auf das per Saldo eigentlich Gewollte, den wirklichen Geschehensablauf abzustellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die abgegebenen Erklärungen ihrer äußeren Form nach ein Bündel von Willenserklärungen sind, die auf ganz oder teilweise einander widersprechende - gegenläufige - Rechtsfolgen abzielen und einander infolgedessen zumindest teilweise in ihrer Wirkung aufheben (vgl. , BFHE 174, 45, BStBl II 1994, 451 unter 4.).

b) Zum Wesen des Mietvertrags gehört, daß sich die Mietzahlungen als Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des überlassenen Gegenstandes darstellen (vgl. § 535 des Bürgerlichen Gesetzbuches; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 21 Rz. 2). Zur Kfz-Gestellung gehört, daß ein PKW des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer zur privaten Nutzung überlassen wird (Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz, § 19 Rz. 280 ,,Kraftfahrzeuge''; , BStBl I 1982, 814, Tz. 7). Die Verträge zwischen den Klägern erfüllen diese Voraussetzungen nur dem äußeren Anschein nach und nur bei isolierter Betrachtung. Die aber verbietet sich aus den genannten Gründen schon wegen der engen zeitlichen und inhaltlichen Verknüpfung der am getroffenen Abreden: Nach dem Mietvertrag wird der PKW dem Kläger zur Nutzung überlassen. Nach dem gleichzeitig geschlossenen PKW-Überlassungsvertrag stellt der Kläger den selben PKW sogleich wieder der Klägerin zur Nutzung zur Verfügung. ,,Per Saldo'' also ist alles beim alten geblieben. Die Klägerin hat die uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des PKW genauso ,,wieder erhalten'', wie sie ihr als Eigentümerin von Anfang an zustand. Die Klägerin hat diese Nutzungsmöglichkeit in keiner Phase aus der Hand gegeben, der Kläger durch die Abreden effektiv keinerlei Einfluß auf die Sachnutzung erworben.

Zwischen fremden Dritten ist ein derartiges rechtliches ,,Hin und Her'' mit dem Ergebnis, daß der Vermieter eines PKW diesen letztlich doch wie ein Eigentümer selbst nutzt, nicht üblich. Ein vernünftiger sachlicher, dem Ausgleich gegenläufiger Interessen dienender Grund für die gekünstelte und umständliche Rechtskonstruktion ist nicht erkennbar. Ebensowenig kann es unter Fremden üblicherweise dazu kommen, daß ein Arbeitgeber den PKW eines Arbeitnehmers zur eigenen Nutzung mietet, obgleich von Anfang an die uneingeschränkte Nutzung durch den Arbeitnehmer vorgesehen ist. Soweit es nur darum geht, daß ein Arbeitgeber die Fahrtkosten für berufliche Fahrten eines Arbeitnehmers ersetzt, ist eine Kostenerstattungsabrede die angemessene und übliche Lösung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BStBl 1996 II Seite 180
BFH/NV 1996 S. 90 Nr. 5
GAAAA-95486