FG Baden-Württemberg Urteil v. - 11 K 1210/16 EFG 2020 S. 1 Nr. 1

Keine gemeinsame Bekanntgabe von Einkommensteuerbescheiden an Ehegatten nach Abgabe getrennter Steuererklärungen mit Antrag auf besondere Veranlagung

Leitsatz

1. Durch die Abgabe zweier getrennter Einkommensteuererklärungen mit Antrag auf Durchführung besonderer Veranlagungen nach § 26c EStG erklären Eheleute konkludent, dass sie keine gemeinsame Bekanntgabe von Bescheiden wünschen. Denn bei einer ihrem Antrag entsprechenden Einzelveranlagung wäre eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7 Satz 1 AO von vornherein ausgeschlossen gewesen. Nicht anders verhält es sich, wenn das Finanzamt gegen den erklärten Willen der Eheleute eine Zusammenveranlagung durchführt.

2. Ein den Eheleuten unter ihrer gemeinsamen Anschrift gemeinsam bekanntgegebener Bescheid über Aussetzungszinsen ist dem Ehemann gegenüber unwirksam, wenn nur die Vollziehung der Steuerschuld der Ehefrau aufgrund eines von dieser gestellten Antrags ausgesetzt war. Eine von dem Ehemann darauf geleistete Zahlung erfolgt ohne Rechtsgrund.

Gesetze: AO § 122 Abs. 7 S. 1, AO § 37 Abs. 2, AO § 237, EStG § 26 Abs. 1, EStG § 26b, EStG § 26c

Instanzenzug: , BFH VII R 39/19 Verfahren

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung der vom Kläger gezahlten Beträge für Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für das Jahr 2000 sowie Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2000.

Der bis dahin einzelveranlagte Kläger, ein Finanzbeamter, hat am geheiratet. Am reichte seine Ehefrau unter ihrer bisherigen Steuernummer [St.Nr. Ehefrau] beim Beklagten eine ausschließlich von ihr unterschriebene Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 ein, in der sie unter der Rubrik „Steuerpflichtige Person (Stpfl.), bei Ehegatten: Ehemann” ihre eigenen persönlichen Daten eintrug, unter „Ehefrau” die ihres Ehemannes. Im Übrigen machte sie nur Angaben zu ihren eigenen Einkünften. Zudem beantragte sie eine besondere Veranlagung für das Jahr der Eheschließung gemäß § 26c des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Am gleichen Tag () reichte auch der Kläger unter Verwendung seiner bisherigen Steuernummer [St.Nr. Kl] eine ausschließlich von ihm unterzeichnete Einkommensteuererklärung für das Jahr 2000 ein, in der er unter den allgemeinen Angaben beim Steuerpflichtigen die persönlichen Daten zu seiner Person eintrug und unter der Rubrik „Ehefrau” die seiner Frau. Auch er beantragte eine besondere Veranlagung für das Jahr der Eheschließung und machte ausschließlich Angaben zu seinen eigenen Einkünften.

Daraufhin erließ der Beklagte (im Folgenden das Finanzamt) zunächst am einen an beide Ehegatten gerichteten Bescheid unter der neu vergebenen Steuernummer [St.Nr. neu Ehegatten], in dem es lediglich die Einkünfte der Ehefrau berücksichtigte, die in der Spalte „Ehemann” erfasst wurden, den Splittingtarif anwandte und die Einkommensteuer auf 0 EUR festsetzte. Den Bescheid gab es den Eheleuten in nur einer Ausfertigung bekannt. Die Festsetzung führte nach Anrechnung der vom Lohn der Ehefrau einbehaltenen Abzugsbeträge für Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer zu einer Erstattung in Höhe von 2.908,48 DM (1.487,08 EUR), die das Finanzamt auf das in der Steuererklärung der Ehefrau angegebene Konto bei der Bank I Nr. … überwies. Der Bescheid blieb unangefochten.

Am veranlagte das Finanzamt darüber hinaus den Kläger unter Verwendung dessen bisheriger Steuernummer [St.Nr. Kl] seinem Antrag entsprechend. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden. Das aus dem Bescheid resultierende Guthaben in Höhe von 450,92 EUR (397,27 EUR Einkommensteuer, 21,85 EUR Solidaritätszuschlag und 31,80 EUR Kirchensteuer) wurde dem Kläger auf dessen Konto erstattet.

Mit wiederum an beide Ehegatten gerichtetem Bescheid vom hob das Finanzamt den Bescheid vom über die Zusammenveranlagung unter Verweis auf § 129 der Abgabenordnung (AO) mit der Begründung auf, es liege eine offenbare Unrichtigkeit vor. Dem ebenfalls in nur einer Ausfertigung bekannt gegebenen Aufhebungsbescheid war eine Abrechnung beigefügt, in der die zuvor auf das Konto der Ehefrau des Klägers erstatteten Beträge für Einkommensteuer in Höhe von 2.777 DM (1.419,86 EUR), Solidaritätszuschlag hierzu in Höhe von 47,08 DM (24,07 EUR) und römischkatholische Kirchensteuer in Höhe von 84,40 DM (43,15 EUR; insgesamt 1.487,08 EUR) zurückgefordert und zum fällig gestellt wurden.

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt nunmehr ausschließlich gegenüber der Ehefrau des Klägers Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer fest und erstattete ein Restguthaben in Höhe von insgesamt 85,63 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen (ESt-Akte Bl.17).

Gegen die Aufhebung des Bescheides vom mit Bescheid vom legte die Ehefrau des Klägers am selben Tag Einspruch ein und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung des Aufhebungsbescheides, die das Finanzamt mit einem an beide Ehegatten gerichteten Bescheid vom in voller Höhe bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens gewährte. Den Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid wies das Finanzamt mit einer ausschließlich an die Ehefrau des Klägers gerichteten Entscheidung zurück, woraufhin diese eine beim Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 3 K 57/02 geführte Klage erhob. Im Hinblick auf dieses Klageverfahren gewährte das Finanzamt auf einen erneuten Antrag der Ehefrau des Klägers hin ausschließlich ihr gegenüber am ab dem Tag der Fälligkeit und bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Klage befristet Aussetzung der Vollziehung.

Das Finanzgericht gab der Klage 3 K 57/02 mit Urteil vom statt und hob den Aufhebungsbescheid und die Einspruchsentscheidung auf. Auf die gegen die Nichtzulassung der Revision vom Finanzamt erhobene Beschwerde ließ der die Revision zu und hob im anschließenden Revisionsverfahren mit Urteil vom III R 22/08 das Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage ab. Daraufhin hob das Finanzamt nunmehr mit einem an beide Eheleute gerichteten Schreiben vom die – zuvor ausschließlich der Klägerin gewährte – Aussetzung der Vollziehung auf und stellte die ausgesetzten Beträge (insgesamt 1.487,08 EUR) zum fällig (Rechtsbehelfsakten Bl. 48).

Am überwies der Kläger diesen Betrag von dem auf seinen Namen lautenden Konto bei der Bank II unter Angabe des Verwendungszwecks „ESt 2000 [St.Nr. neu Ehegatten] Kl und [Ehefrau] … (Blatt 54 der Rechtsbehelfsakte). Das Finanzamt verbuchte den Zahlungseingang auf die aus dem Bescheid über die Aufhebung der Zusammenveranlagung noch offenen Rückforderungsbeträge für Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für das Jahr 2000.

Mit einem an beide Ehegatten gerichteten, erneut in nur einer Ausfertigung bekannt gegebenen Bescheid vom setzte das Finanzamt zudem Aussetzungszinsen in Höhe von 714 EUR fest, die zum fällig wurden. Auch dieser Bescheid blieb unangefochten. Am überwies der Kläger den Betrag von seinem Konto unter Angabe des Verwendungszwecks „[St.Nr. neu Ehegatten] ESt 2000 AdV-Zinsen” (Blatt 54 der Rechtsbehelfsakte). Das Finanzamt verbuchte den Betrag auf die festgesetzten Aussetzungszinsen.

Mehr als fünf Jahre später, am , forderte der Kläger vom Finanzamt die Erstattung der von ihm am und gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 2.201,08 EUR. Er sei aufgrund der an beide Ehegatten gerichteten Bescheide davon ausgegangen, als Gesamtschuldner zur Zahlung der gegenüber der Ehefrau festgesetzten Beträge verpflichtet gewesen zu sein. Erst jetzt habe er festgestellt, dass die an beide Ehegatten gerichteten Bescheide rechtswidrig gewesen seien. Das Finanzamt habe zu Unrecht beide Ehegatten zur Zahlung aufgefordert, obwohl allein seine Ehefrau die Leistung erhalten habe.

Das Finanzamt entschied, dass kein Anspruch auf Erstattung bestehe, und lehnte die vom Kläger beantragte Erstattung mit Bescheid vom ab. Das hiergegen vom Kläger angestrengte Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom ).

Mit seiner hiergegen gerichteten, beim Finanzgericht am eingegangenen Klage macht der Kläger geltend, seine Überweisungen seien ohne rechtlichen Grund erfolgt, weil sowohl der Rückforderungsbescheid als auch der Bescheid über die Festsetzung der Aussetzungszinsen vom unwirksam gewesen seien. Die Abrechnungsverfügung mit Leistungsgebot vom sei nicht wirksam zugestellt worden, da sie an ihn und seine Frau adressiert gewesen sei, jedoch keine Empfangsvollmacht für den jeweils anderen Ehegatten bestanden habe. Der Zinsbescheid sei sowohl an seine Ehefrau als auch an ihn gerichtet gewesen, obwohl nur seine Ehefrau die Aussetzung der Vollziehung beantragt habe. Über die Frage, von wem der strittige Betrag an das Finanzamt zurück zu zahlen sei, habe der BFH in dem vorangegangenen Finanzrechtsstreit mit seinem Urteil vom nicht entschieden. Es habe lediglich die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Bescheides vom zum Gegenstand gehabt.

Der Kläger beantragt,

das Finanzamt unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom zu verpflichten, zu seinen Gunsten bestehende Erstattungsansprüche in Höhe von 1.487,08 EUR und 714 EUR festzustellen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung. Dort hatte es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Erstattungsanspruch hinsichtlich der auf Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer für das Jahr 2000 und der auf die Aussetzungszinsen hierzu geleisteten Beträge. Erstattungsberechtigt sei nach § 37 Abs. 2 AO nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt sei. Maßgeblich sei allein, auf wessen Steuerschuld die Zahlung geleistet worden sei. Dies sei nach dem bei den Überweisungen angegebenen Verwendungszweck jedenfalls auch die Ehefrau. Dass nicht auf deren Steuerschuld habe geleistet werden sollen, sei aus dem Verwendungszweck nicht erkennbar gewesen. Als Bearbeiter auf dem Veranlagungsbezirk eines Finanzamts verfüge der Kläger zudem über steuerliche Fachkenntnisse.

Am wurde die Sache mündlich verhandelt. Wegen des Ablaufs wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Gründe

I. Die Klage ist nach § 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Verpflichtungsklage zulässig, denn der Kläger begehrt in der Sache die Verpflichtung des Finanzamts zur Feststellung eines Erstattungsanspruchs unter Beseitigung der ergangenen ablehnenden Entscheidung vom und damit einen Bescheid im Sinne des § 218 Abs. 2 AO, den das Finanzamt zuvor abgelehnt und einen auf die Ablehnung bezogenen Einspruch zurückgewiesen hatte.

II. Die Klage ist auch begründet. Die Ablehnung der vom Kläger begehrten Erstattung ist rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags (§ 37 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat sowohl am einen Betrag von 1.487,08 EUR als auch am einen Betrag von 714 EUR rechtsgrundlos gezahlt.

1. a) Die Zahlung des Betrags von 1.487,08 EUR beruhte auf der Aufhebung des Zusammenveranlagungsbescheides vom mit Bescheid vom . Dieser Aufhebungsbescheid ist dem Kläger nicht wirksam bekannt gegeben worden.

Ausweislich der Akten war der Aufhebungsbescheid an beide Ehegatten unter ihrer gemeinsamen Anschrift gerichtet. Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Sind mehrere Beteiligte von einem Bescheid betroffen, ist dieser grundsätzlich jedem Beteiligten gegenüber einzeln bekannt zu geben (statt vieler Güroff in Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand , § 122, Rn. 9). Die Voraussetzungen für eine erleichterte Bekanntgabe lagen nicht vor.

Unstreitig hatten sich die Ehegatten im Zusammenhang mit der Einreichung ihrer jeweiligen Steuererklärungen für das Jahr 2000 nicht mit einer Bekanntgabe von Verwaltungsakten an einen Beteiligten mit Wirkung für und gegen den jeweils anderen Ehegatten für einverstanden erklärt (§ 122 Abs. 6 AO).

Auch eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7 AO an die gemeinsame Anschrift der Ehegatten war nicht zulässig. Betreffen Verwaltungsakte Ehegatten, so reicht es nach dieser Vorschrift für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird (Satz 1 der Vorschrift). Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten jedoch einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen (Satz 2 der Vorschrift).

Vorliegend haben der Kläger und seine Ehefrau zwar eine gemeinsame Anschrift; auch haben sie nicht ausdrücklich eine Einzelbekanntgabe beantragt. Durch die Abgabe zweier getrennter Steuererklärungen haben sie jedoch zumindest konkludent erklärt, dass sie in steuerlichen Angelegenheiten keine gemeinsame Bekanntgabe von Bescheiden wünschen. Denn bei einer ihrem Antrag entsprechenden Einzelveranlagung wäre eine Bekanntgabe nach § 122 Abs. 7 Satz 1 AO von vornherein ausgeschlossen gewesen. Nicht anders verhält es sich, wenn das Finanzamt gegen den erklärten Willen der Eheleute eine Zusammenveranlagung durchführt.

Aus der vom Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung vorgesehenen vereinfachten Bekanntgabe für den Fall, dass eine gemeinsam abzugebende Erklärung nicht eingereicht worden ist und daher die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden (BT-Drucks. 10/36 Seite 42, 43 zu Nr. 17), ergibt sich nichts Anderes. Denn vorliegend hatten der Kläger und seine Ehefrau keine gemeinsame Steuererklärung mehr abzugeben, nachdem bereits jeder von ihnen eine Steuererklärung abgegeben und eine besondere Veranlagung nach § 26c EStG beantragt hatte.

Dem Kläger kann auch nicht die durch das Urteil des BFH eingetretene Rechtskraft des Aufhebungsbescheides entgegengehalten werden. Das Urteil war ausschließlich gegenüber seiner Ehefrau ergangen, so dass es auch nur ihr gegenüber Bindungswirkung entfalten konnte.

b) Selbst wenn man aber aufgrund der vom Finanzamt vorgenommenen Zusammenveranlagung § 122 Abs. 7 Satz 1 AO für anwendbar hielte und das Vorliegen eines konkludenten Antrags auf Einzelbekanntgabe durch die Beantragung einer getrennten Veranlagung verneinen wollte, hätte der Kläger die 1.487,08 EUR rechtsgrundlos gezahlt, da im Zeitpunkt der Zahlung ihm gegenüber bereits Zahlungsverjährung eingetreten war.

Nach § 228 AO unterliegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einer besonderen Zahlungsverjährung von fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, ihre Aufhebung, Änderung oder Berichtigung wirksam geworden ist, aus der sich der Anspruch ergibt (§ 229 Abs. 1 AO).

Bei Annahme einer nach § 122 Abs. 7 AO wirksamen Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides vom wäre der Anspruch spätestens mit Ablauf des Jahres 2007 zahlungsverjährt und zwar unabhängig davon, ob auch die gemeinsame Bekanntgabe der an beide Ehegatten gerichteten Bescheide über die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom als wirksam angesehen wird. Hielte man die Bekanntgabe der die Aussetzung der Vollziehung betreffenden Bescheide für wirksam, wäre die Zahlungsverjährung fünf Jahre nach Ablauf des Jahres der Aufhebung der Vollziehungsaussetzung durch den Bescheid vom eingetreten (Unterbrechung der Verjährung nach § 231 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO mit neuem Verjährungsbeginn mit Ablauf des Jahres 2002 nach § 231 Abs. 3 AO). War die Bekanntgabe des Bescheids über die Vollziehungsaussetzung dagegen unwirksam, begann die Frist bereits mit Ablauf des Jahres 2001 (die Rückzahlung war am fällig) und endete mit Ablauf des Jahres 2006.

2. Die Zahlung der 714 EUR aufgrund des gegenüber beiden Ehegatten erlassenen Zinsbescheides vom ist ebenfalls rechtsgrundlos erfolgt.

Die Zinsfestsetzung bezieht sich dem Inhalt des Bescheides nach nicht auf die erste Vollziehungsaussetzung, die gegenüber beiden Ehegatten erfolgt war (Bescheid vom ), sondern auf die ausschließlich gegenüber der Ehefrau des Klägers ab dem Tag der Fälligkeit angeordneten und bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Klage befristeten Aussetzung der Vollziehung (Bescheid vom ). Dies ergibt sich aus der Angabe des Datums des Schreibens, mit dem die BFH-Entscheidung an das Finanzamt übersandt worden war, in der Rubrik „Verfügung/ gerichtl. Entscheidung vom” ().

Auch der Zinsbescheid war den Ehegatten in einem gemeinsamen Bescheid bekannt gegeben worden, obwohl nur die Ehefrau einen Aussetzungsantrag gestellt hatte und mit Bescheid vom auch nur ihr gegenüber Aussetzung der Vollziehung gewährt worden war. Dem Kläger gegenüber konnte der Bescheid daher keine Wirksamkeit erlangen, so dass er auch kein Rechtsgrund für die Zahlung des Klägers in Höhe von 714 EUR sein kann.

3. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, er habe mit seinen Zahlungen auf die Schuld seiner Ehefrau leisten wollen.

Zwar hat der Kläger bei der Überweisung des Erstattungsbetrags als Verwendungszweck „ESt 2000 [St.Nr. Ehegatten neu] [Kl und Ehefrau]” und bei der Überweisung des Zinsbetrages in Höhe von 714 EUR als Verwendungszweck „[St.Nr. Ehegatten neu] ESt 2000 AdV-Zinsen” angegeben; auch war ihm im Zeitpunkt der Leistung bekannt, dass der zurückgeforderte Einkommensteuerbetrag ausschließlich auf das Konto der Ehefrau erstattet worden war; gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, er habe zumindest auch auf die Schuld seiner Ehefrau leisten wollen. Insbesondere kann sich das Finanzamt hierbei nicht auf die höchstrichterliche Rechtsprechung stützen.

Nach dieser kann das Finanzamt als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben (§ 26 Abs. 1 EStG), auch wenn keine Anhaltspunkte oder ausdrücklichen Absichtsbekundungen vorliegen, aufgrund der zwischen Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der auf die gemeinsame Steuerschuld zahlt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 222, 235, BStBl II 2009, 38; vom VII R 16/05, BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453, m.w.N.; vom VII R 42/10, BFHE 233, 10, BStBl II 2011, 607; siehe auch Ratschow in Klein, AO, § 37 Rz. 70).

Das bedeutet aber auch, dass die Behörde nicht ohne Prüfung in allen Fällen der Veranlagung von der Tilgung einer Gesamtschuld ausgehen kann. Vielmehr sind auch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Anhaltspunkte für eine Tilgungsbestimmung können sich zum Beispiel aus dem auf dem Überweisungsträger angegebenen Verwendungszweck ergeben, aus der Abwicklung sonstiger, vorausgegangener Steuerzahlungen, aus der Kenntnis des Finanzamts von der Inhaberschaft und der gemeinsamen Verfügungsberechtigung der Eheleute über das Bankkonto oder auch aus Angabe des Erstattungsberechtigten (Erstattungsanschrift, Erstattungskonto) in den Steuererklärungen (, BFH/NV 2011, 1661).

Vorliegend bestehen Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger nicht auf eine gemeinsame Schuld, sondern nur auf seine eigene Schuld geleistet hat. So haben der Kläger und seine Ehefrau für das Jahr der Eheschließung nicht nur getrennte Steuererklärungen abgegeben und erklärt, im Wege der besonderen Veranlagung veranlagt werden zu wollen; sie haben auch in der Folgezeit durch ihr Verhalten deutlich gemacht, dass sie steuerlich unterschiedlich handeln und auch entsprechend behandelt werden wollen. So hat lediglich die Ehefrau des Klägers Einspruch gegen den Zusammenveranlagungsbescheid eingelegt und anschließend Klage erhoben. Auch Aussetzung der Vollziehung des Zusammenveranlagungsbescheides hatte sowohl für die Dauer des Einspruchsverfahrens als auch für die des Klageverfahrens ausschließlich die Ehefrau beantragt. Zudem haben beide Ehegatten für das Jahr 2000 durchgehend eine Zusammenveranlagung abgelehnt.

Unter diesen Umständen durfte das Finanzamt nicht davon ausgehen, dass der Kläger mit seiner Überweisung auch die Schuld der Ehefrau tilgen wollte. Er hatte gezahlt, weil er, wenn auch ohne rechtlichen Grund, vom Finanzamt dazu aufgefordert worden war.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
EFG 2020 S. 1 Nr. 1
FAAAH-35154