Einkommensteuer
Altersentlastungsbetrag, Verlustausgleich, Verlustfeststellung
Leitsatz
Der Altersentlastungbetrag nach § 24a EStG ist im Rahmen des Verlustausgleichs nach § 2 Abs. 3 EStG mit anderen Einkünften zu verrechnen und kann auch einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte erhöhen. Dieser Umstand ist bei der Verlustfeststellung nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG zu berücksichtigen.
Gesetze: EStG § 10d Abs 4 Satz 4; EStG § 24a; EStG § 2 Abs 3
Instanzenzug: BFH IX R 3/19
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG negative Einkünfte zum Zwecke des Verlustabzuges nach § 10d EStG erhöht.
Der am ….04.1949 geborene Kläger war … nichtselbstständig tätig und wurde mit seiner am ….11.1948 geborenen Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2015 Arbeitslohn, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen und gewerbliche Einkünfte überwiegend aus Beteiligungen von zunächst insgesamt 95.605 €, die Klägerin erzielte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 4.024 €. Ferner erzielte der Kläger negative Versorgungsbezüge von -139.926,48 € (98.789,52 € abzüglich Versorgungsfreibetrag 2808 € und abzüglich Werbungskosten 235.908 €) sowie Renteneinkünfte von 10.605 €. Die Klägerin erzielte Renteneinkünfte in Höhe von 3.504 €. Mit Steuerbescheid vom setzte der Beklagte die Einkommensteuer für das Streitjahr auf 0 Euro fest unter Berücksichtigung einer Summe der Einkünfte nach Verlustausgleich beim Kläger von -26.381 € und bei der Klägerin von 0 Euro. Nach Berücksichtigung von Altersentlastungsbeträgen nach § 24a EStG (berechnet auf der Grundlage der Einkünfte, die keine Versorgungsbezüge und keine Renteneinkünfte sind) in Höhe des Höchstbetrages von 1.216 € beim Kläger und von 1.095 € bei der Klägerin ergab sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte beim Kläger von -27.597 € und bei der Klägerin von – 1095 €.
Ebenfalls mit Bescheid vom stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den für den Kläger i.H.v. 26.381 € fest. Eine Feststellung für die Ehefrau unterblieb. Die Altersentlastungsbeträge blieben unberücksichtigt.
Die insoweit gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 und den Verlustfeststellungsbescheid auf den geführten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom zurück unter Verweis auf den Wortlaut des § 10d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG, in dem von negativen Einkünften die Rede sei. Solche seien die Altersentlastungsbeträge nicht. In den Einkommensteuerrichtlinien 2015 zu § 10d Abs. 1 EStG sei dies ausdrücklich so geregelt.
Mit ihrer Klage begehren die Kläger die Berücksichtigung der Altersentlastungsbeträge bei der Berechnung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den . Unter Verweis auf das (BStBl II 2006, 511) tragen die Kläger vor, Zweck des Altersentlastungsbetrags sei es, diejenigen der Besteuerung zu Grunde gelegten Einkünfte zu begünstigen, welche nicht wie Versorgungsbezüge oder Leibrenten bereits anderweitig begünstigt seien. Der Altersentlastungsbetrag werde vor dem Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 2 Abs. 3 EStG). Nach § 10d Abs. 1 S. 1 EStG würden negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen würden, rück- bzw. vorgetragen. Insoweit stütze der Gesetzeswortlaut, entgegen der Meinung des Finanzamtes, eindeutig ihre Auffassung. Der Altersentlastungsbetrag solle die positiven Einkünfte von älteren Steuerpflichtigen ermäßigen. Er werde daher nach § 24a Abs. 1 EStG von der positiven Summe der Einkünfte ermittelt. Die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, ergebe den Gesamtbetrag der Einkünfte. Wenn sich danach ein negativer Betrag ergebe, sei dieser als Verlustabzug im Sinne des § 10d EStG festzustellen. Entgegen der Auffassung des Beklagten erhöhe der Altersentlastungsbetrag mithin nicht die negativen Einkünfte sondern mindere vielmehr die positiven Einkünfte. Diese Auffassung werde im Übrigen auch in der Fachliteratur vertreten.
Die Kläger beantragen,
den verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den unter Einbeziehung der Altersentlastungsbeträge gemäß § 24a EStG in Höhe von 1216 € und 1095 € zu berechnen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unter Verweis auf die Einspruchsentscheidung trägt er ergänzend vor, nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut in § 10d Abs. 1 EStG würden nur negative Einkünfte vor- und zurückgetragen. Im Gesetzestext sei nicht die Rede davon, dass der negative Gesamtbetrag der Einkünfte vor- oder zurückgetragen werde. Diese Auffassung werde auch durch die Ausführungen in R 10d Abs. 1 EStR 2015 bestätigt. Das vom Kläger zitierte sei hier nicht einschlägig. In dem dortigen Urteilsfall sei es um die Berechnung der Bemessungsgrundlage zur Errechnung des Altersentlastungsbetrags gegangen und nicht um die Frage, inwieweit der Altersentlastungsbetrag bei dem zu berechnenden Verlustvor- oder -rücktrag zu berücksichtigen sei.
Nach der Auswertung von Mitteilungen über zwischenzeitlich erlassene Grundlagenbescheide ist für das Streitjahr ein geänderter Einkommensteuerbescheid mit Datum vom ergangen. Die ausgeglichene Summe der Einkünfte beim Kläger beläuft sich nunmehr auf -16.019 €, der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrags auf -17.235 €. Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Klägerin ist bei -1095,– € verblieben. Auch die geänderten Bemessungsgrundlagen sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
Ebenfalls mit Bescheid vom wurde der verbleibende Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG auf 16.019 € für den Kläger festgestellt. Für die Klägerin ist ausdrücklich keine gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 4 EStG durchgeführt worden.
Im Einzelnen wird auf die durch das Gericht beigezogenen Steuer- und Rechtsbehelfsakten, insbesondere die ergangenen Steuerbescheide verwiesen.
Mit Schreiben vom haben die Kläger, mit Schreiben vom hat der Beklagte auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht nach § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.
Die gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den gerichtete Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die im geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom berücksichtigten Altersentlastungsbeträge von 1.216 € für den Kläger und 1.095 € für die Klägerin in dem hier streitgegenständlichen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den vom nicht verlusterhöhend berücksichtigt.
Nach § 10d Abs. 4 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind nach § 10d Abs. 4 S. 2 EStG die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 abgezogenen und die nach Abs. 2 abziehbaren Beträge, vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag. Nach § 10d Abs. 4 S. 4 EStG sind die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraumes, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, zu Grunde gelegt worden sind. Dies gilt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur für die nach horizontalem und vertikalem Verlustausgleich verbleibende negative Summe der Einkünfte, sondern auch für die im Einkommensteuerbescheid dieses Veranlagungszeitraums bei der Berechnung des Gesamtbetrages der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG berücksichtigten Altersentlastungsbeträge nach § 24a EStG, auch wenn sich hierdurch ein nicht ausgeglichener Verlust weiter erhöht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 10d EStG.
Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, dass dem Wortlaut der Vorschrift eine Beschränkung des Verlustabzugs auf die negativen Einkünfte ohne Berücksichtigung der Abzugsbeträge nach § 24a EStG zu entnehmen sei. Vielmehr sind nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 10d EStG zunächst die negativen Einkünfte mit allen Besteuerungsgrundlagen, die nach § 2 Abs. 3 EStG in den Gesamtbetrag der Einkünfte eingehen, auszugleichen. Sodann ist von den bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen Einkünften der Verlustabzug durchzuführen, vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen. Da nach § 2 Abs. 3 EStG der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG bereits in den Gesamtbetrag der Einkünfte einfließt, nimmt er am Verlustausgleich nicht nur in der Weise teil, dass er mit positiven Einkünften zu verrechnen ist, sondern auch mit der Wirkung, dass er einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte erhöht. § 2 Abs. 3 EStG unterscheidet weder für die Ausgangsgröße „Summe der Einkünfte” noch für die Endgröße „Gesamtbetrag der Einkünfte” zwischen positiven und negativen Einkünften. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr hat der Beklagte die Altersentlastungsbeträge dementsprechend auch berücksichtigt. Ein nach horizontalem und vertikalem Verlustausgleich im Entstehungsjahr verbleibender negativer Gesamtbetrag der Einkünfte ist damit die Ausgangsgröße für den allgemeinen Verlustabzug (so auch Heuermann in K/S/M, § 10d EStG, B 53, Mai 2012 m.w.N.). Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass eine negative „Summe der Einkünfte” durch die Abzugsbeträge zu einem noch höheren negativen „Gesamtbetrag der Einkünfte” führt. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn nach dem Gesetzeswortlaut nur solche negativen Einkünfte in den Verlustabzug Eingang fänden, die bei der Ermittlung der „Summe der Einkünfte” nicht ausgeglichen würden. In diesem Fall wäre nicht der „Gesamtbetrag der Einkünfte” sondern die „Summe der Einkünfte” Ausgangsgröße für den Verlustabzug nach § 10d EStG.
Auch Sinn und Zweck der Berücksichtigung von Altersentlastungsbeträgen nach § 24a EStG steht diesem Ergebnis nicht entgegen.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Altersentlastungsbetrag eingeführt wurde, um eine steuerliche Entlastung derjenigen Steuerpflichtigen zu erreichen, die nicht Versorgungsempfänger und nicht Rentenempfänger sind, da bei den Versorgungsempfängern ein Versorgungsfreibetrag zu berücksichtigen ist und bei Rentenempfängern die Steuerentlastung durch die Besteuerung lediglich des Ertragsanteils erfolgt (dies gilt auch weiterhin in koordinierter Form bis zum Auslaufen der diesbezüglichen Regelungen im Jahr 2040). Sowohl die Steuerentlastung bei der Rentenbesteuerung als auch der Versorgungsfreibetrag bleiben auch bei einer negativen Summe der Einkünfte erhalten, da beide Komponenten bereits bei der Einkünfteermittlung Berücksichtigung finden und dementsprechend einnahmemindernd in der Summe der Einkünfte enthalten sind, unabhängig davon ob diese positiv oder negativ ist. Da der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG ohnehin nur aus einer positiven Summe der Einkünfte berechnet wird, bleibt dem Steuerpflichtigen durch die Berücksichtigung beim Verlustabzugs auch bei einer negativen Summe der Einkünfte lediglich die Steuererleichterung erhalten, die dem Versorgungsempfänger und dem Rentenempfänger dadurch gewährt wird, dass sie bei Letzteren an einer anderen Stelle in die Berechnungen einfließen. Dass der Altersentlastungsbetrag erst nach dem horizontalen und vertikalen Verlustausgleich bei der Bildung des Gesamtbetrages der Einkünfte zum Abzug gelangt ist allein der Tatsache geschuldet, dass er sich – wie auch im Streitfall – häufig von einer Summe aus mehreren Einkunftsarten errechnet und daher erst an einer Stelle zum Abzug gebracht werden kann, an der die verschiedenen zu Grunde liegenden Einkunftsarten ausgeglichen worden sind. Dies ist bei der Bildung des Gesamtbetrags der Einkünfte nach Verlustausgleich der Fall.
In dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 wurden die Altersentlastungsbeträge dementsprechend – wie von den Klägern beantragt – in Höhe von 1.216 € für den Kläger und 1.095 € für die Klägerin verlusterhöhend berücksichtigt. Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind sie nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG so zu berücksichtigen, wie sie in der Steuerfestsetzung des Veranlagungszeitraumes, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, zu Grunde gelegt worden sind, d.h. in der von den Klägern beantragten Höhe.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 S. 1 FGO zuzulassen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
ECLI:DE:FGK:2018:1212.10K1730.17.00
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2019 S. 16 Nr. 11
EFG 2019 S. 533 Nr. 7
EStB 2019 S. 287 Nr. 7
GStB 2019 S. 213 Nr. 6
KÖSDI 2019 S. 21221 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 16/2019 S. 1071
FAAAH-11158