FG Münster Urteil v. - 7 K 716/13 E EFG 2016 S. 1164 Nr. 14

Reinvestitionsrücklage

Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG auf einen anderen Betrieb desselben Steuerpflichtigen

Leitsatz

1) Die Übertragung einer nach § 6b Abs. 3 oder Abs. 10 EStG gebildeten Rücklage auf einen anderen Betrieb des Stpfl. ist nicht erst in dem Wirtschaftsjahr zulässig, in dem der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei den Wirtschaftsgütern des anderen Betriebs vorgenommen werden (entgegen R 6b Abs. 2 Satz 3 EStG).

2) Die Übertragung ist bereits zeitlich vor einem Abzug und grundsätzlich sogar unabhängig von einem Abzug von den Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten in dem anderen Betrieb des Stpfl. möglich, jedenfalls aber, wenn im Zeitpunkt der Übertragung bereits mit der Herstellung des Wirtschaftsguts begonnen worden ist.

Gesetze: EStG § 6c, EStG § 6b

Instanzenzug: ,

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist die Auflösung einer Rücklage nach §§ 6b, 6c Einkommensteuergesetz (EStG) und die Ablehnung eines Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Die Eltern des Klägers, die im gesetzlichen Güterstand der Gütergemeinschaft leben, gründeten im Jahr 2003 die A. GmbH & Co. KG, deren Gesellschaftszweck die Errichtung und Vermietung von Mehrfamilienhäusern war. Komplementärin ist die nicht am Gesellschaftskapital beteiligte A. Verwaltungs-GmbH. Kommanditisten mit einer Beteiligung von jeweils 50% waren zunächst die Eltern des Klägers. Zur Geschäftsführung ist nach § 4 des Gesellschaftsvertrages ausschließlich die alleinvertretungsberechtigte A. Verwaltungs-GmbH berechtigt und verpflichtet.

Zum übertrugen die Eltern des Klägers zunächst 90% ihrer Kommandit-Anteile an der A. GmbH & Co. KG zu gleichen Teilen unentgeltlich an ihre drei Kinder. Zum übertrugen sie weitere 1,8% der KG-Anteile und am die verbleibenden KG-Anteile unentgeltlich auf die Kinder, so dass die Kinder seit diesem Zeitpunkt zu je einem Drittel als Kommanditisten an der KG beteiligt sind. Zeitgleich mit der Übertragung der verbleibenden KG-Anteile übertrugen die Eltern aus ihren Sonderbetriebsvermögen das unentgeltlich an die KG überlassene mit einem Sechsfamilienhaus bebaute Grundstück B-Straße 1 in C-Stadt am auf die A. GbR, an der ihre drei Kinder ebenfalls zu gleichen Teilen beteiligt sind. Die A. GbR übernahm nach dem Vertrag vom darüber hinaus ein im Sonderbetriebsvermögen der Eltern bestehendes Darlehen mit einem Soll-Stand von 120.000 €. Die A. GbR führte die unentgeltliche Überlassung des Grundstücks B-Straße 1 an die A. GmbH & Co. KG fort.

Bereits am hatten die Eltern des Klägers ihren landwirtschaftlichen Betrieb unentgeltlich auf den Kläger übertragen. Den Gewinn des landwirtschaftlichen Betriebes ermittelten sowohl die Eltern des Klägers als auch der Kläger durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG.

In der KG-Sonderbilanz der Eltern des Klägers wurde auf den eine Rücklage gem. § 6c EStG in Höhe von 344.770,54 € ausgewiesen. Diese Rücklage war gebildet worden aus dem Veräußerungsgewinn von Grund und Boden im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern des Klägers im Wirtschaftsjahr 2005/2006. In der auf den aufgestellten Sonderbilanz der Eltern des Klägers war das zum fertiggestellte Sechsfamilienhaus B-Straße 1 bilanziert. Die Rücklage nach § 6c EStG in Höhe von 344.770,54 € wurde auf die Herstellungskosten dieses Sechsfamilienhauses übertragen.

Im Jahr 2010 fand eine Betriebsprüfung bei der A. GmbH & Co. KG statt. Im Rahmen der Betriebsprüfung wurde die Rücklage nach § 6c EStG in der Sonderbilanz der Eltern des Klägers auf den nicht anerkannt, da die Übertragung einer Rücklage von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich gewesen sei. Die Rücklage könne nur auf ein anderes Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen übertragen werden. Das Wirtschaftsgut sei jedoch am nicht fertiggestellt gewesen. Im Zeitpunkt der Fertigstellung des Hauses B-Straße 1 im Jahr 2007 sei eine Übertragung der Rücklage nicht mehr möglich gewesen, da die Rücklage aus dem landwirtschaftlichen Betrieb stamme, der Betrieb jedoch am auf den Kläger übertragen worden sei. Die Rücklage sei deshalb spätestens im Wirtschaftsjahr 2009/2010 im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers aufzulösen.

Der Beklagte berücksichtigte deshalb im Einkommensteuerbescheid 2009 vom die Auflösung der Rücklage in Höhe von 344.770 € zzgl. 24% Zinsen (82.744 €) zur Hälfte. Zusammen mit dem erklärten Gewinn der Wirtschaftsjahre 2008/2009 von 4.355 € und 2009/2010 von 2.746 €, den der Beklagte ebenfalls jeweils zur Hälfte im Streitjahr berücksichtigte, ergaben sich festgesetzte Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 217.307 €.

Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein. Im Rahmen eines Gesamtplans sei beabsichtigt gewesen, die Rücklage nach § 6c EStG und das Grundstück zunächst zurückzubehalten. Erst nach Fertigstellung des Mehrfamilienhauses und Übertragung der Rücklage auf dessen Herstellungskosten hätten die Mitunternehmeranteile mit reduzierten Buchwerten auf die drei Kinder übertragen werden sollen. Zunächst sei die Rücklage in das Sonderbetriebsvermögen der Eltern des Klägers überführt worden. Erst danach seien der landwirtschaftliche Betrieb und die Anteile an der A. GmbH & Co. KG in zwei Rechtsakten übertragen worden.

Mit Schreiben vom stellten die Kläger darüber hinaus einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung der Einkommensteuer 2009 und 2010 aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO. Im Streitfall seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6b EStG erfüllt und auch der Normzweck der Vorschrift werde gewahrt, da die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt werde. Die Rücklagenauflösung verstoße gegen das Übermaßverbot und den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.

Mit Bescheid vom lehnte der Beklagte den Antrag nach § 163 AO ab. Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom wies der Beklagte sowohl den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 als auch den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf abweichende Steuerfestsetzung gem. § 163 AO als unbegründet zurück.

Die in 2006 vorgenommene Übertragung der Rücklage vom landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern des Klägers in das Sonderbetriebsvermögen der Eltern des Klägers sei steuerlich nicht anzuerkennen, da gemäß R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR eine nach § 6b Abs. 3 EStG gebildete Rücklage auf einen anderen Betrieb erst in dem Wirtschaftsjahr übertragen werden könne, in dem der Abzug von den Anschaffungs- und Herstellungskosten bei Wirtschaftsgütern des anderen Betriebes vorgenommen werde. Der landwirtschaftliche Betrieb der Eltern sei aber vor Fertigstellung des Reinvestitions-Wirtschaftsgutes im Jahr 2007 bereits zum auf den Kläger übertragen worden. Eine (anteilige) Übertragung der § 6b-Rücklage aus dem landwirtschaftlichen Einzelunternehmen des Klägers auf das Reinvesitionsobjekt im Gesamthandsvermögen der A. GmbH & Co. KG sei ebenfalls nicht möglich. Das Mehrfamilienhaus B-Straße 1 sei unentgeltlich aus dem Sonderbetriebsvermögen der Eltern des Klägers in das Gesamthandsvermögen der A. GmbH & Co. KG übertragen worden. Eine anteilige Übertragung der Rücklage scheide vor diesem Hintergrund aus, da der Kläger keine Anschaffungskosten getragen habe.

Auch ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen komme nicht in Betracht. Die Übertragung der Rücklage sei aufgrund der Regelung des R 6b.2 Abs. 3 EStR nicht möglich gewesen. Diese Regelung sei bereits in den Einkommensteuerrichtlinien 1990 enthalten und daher im Übertragungszeitpunkt nicht neu gewesen. Die Beteiligten hätten zur steuerfreien Übertragung der stillen Reserven des veräußerten Wirtschaftsgutes eine andere Gestaltung wählen können.

Mit der am erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie argumentieren, dass R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR der Überführung der Rücklage in das Sonderbetriebsvermögen nicht entgegenstehe, da mit dieser Regelung nur verhindert werden solle, dass die Auflösung der Rücklage zur Ersparnis von Gewerbesteuer erfolge. Ferner habe der Kläger das Objekt B-Straße 1 zumindest teilentgeltlich zusammen mit seinen Geschwistern erworben, so dass entsprechend seines Anteils eine Rücklagenübertragung zulässig sei. Jedenfalls sei es aber aus Gründen der sachlichen Billigkeit geboten, die Steuer gem. § 163 AO abweichend festzusetzen. Die Eltern des Klägers hätten alternativ zur gewählten Gestaltung auch zunächst die Reinvestition im Sonderbetriebsvermögen vollziehen und erst dann in einem zweiten Schritt den landwirtschaftlichen Betrieb auf den Kläger übertragen können. Alternativ hätten die Eltern auch das Grundstück vor dem Bau des Hauses übertragen können. Die Herstellungskosten für die Bebauung wären dann von den Kindern getragen worden. In beiden Fällen wäre eine Übertragung der § 6b-Rücklage möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund sei die Steuerfestsetzung sachlich unbillig.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erklärungsgemäß in Höhe von 3.550 € festgesetzt werden;

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer 2009 aus Billigkeitsgründen erklärungsgemäß festzusetzen;

hilfsweise, im Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

hilfsweise, im Fall des Unterliegens oder Teilunterliegens die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.

In der Sache hat am eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden, auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat bereits mit ihrem Hauptantrag Erfolg.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 und die Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Beklagte hat die gem. §§ 6c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. 6b Abs. 3 EStG gebildete Rücklage zu Unrecht gem. § 6b Abs. 3 Satz 5 und Abs. 7 EStG gewinnwirksam im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers aufgelöst.

Nach § 6b Abs. 1 EStG können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden u.a. auf die Herstellungskosten von Gebäuden, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr entstanden sind, übertragen werden. Soweit eine Übertragung nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Bis zur Höhe der Rücklage können sodann die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6b EStG begünstigter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Jahren angeschafft oder hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. In Höhe des Kürzungsbetrages ist die Rücklage aufzulösen (, BStBl II 2013, 313). Jahr der Herstellung ist gem. § 9a EStDV das Jahr der Fertigstellung ( Schießl, in: Blümich, EStG, § 6a Rdn. 250). In Höhe des Kürzungsbetrages ist die Rücklage aufzulösen (, BStBl II 2013, 313). Die Vorschrift des § 6b EStG findet gem. § 6c Abs. 1 Satz 1 EStG entsprechende Anwendung, wenn der Gewinn – wie im Streitfall – gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird.

Ist eine Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs noch vorhanden, so ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG zu diesem Zeitpunkt mit einem Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, gewinnerhöhend aufzulösen.

Im Streitfall war die Rücklage am Schluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres nicht mehr im landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers vorhanden. Die Eltern des Klägers haben die Rücklage im Jahr 2006 wirksam aus dem landwirtschaftlichen Betrieb in ihr Sonderbetriebsvermögen der A. GmbH & Co. KG übertragen.

Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass der Übertragung der Rücklage aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Eltern in deren Sonderbetriebsvermögen bei der A. GmbH & Co. KG die Verwaltungsvorschrift des R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR entgegensteht, so folgt der Senat dem nicht.

Gem. R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR kann eine nach § 6b Abs. 3 oder Abs. 10 EStG gebildete Rücklage auf einen anderen Betrieb erst in dem Wirtschaftsjahr übertragen werden, in dem der Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei den Wirtschaftsgütern des anderen Betriebes vorgenommen wird. Dies wäre im Streitfall gem. § 9a EStDV das Jahr 2007 als das Jahr der Fertigstellung des Hauses B-Straße 1.

Durch diese Regelung soll nach Auffassung in der Literatur verhindert werden, dass die Verlagerung und Auflösung der Rücklage nur zur Ersparnis von Gewerbesteuer erfolgt, z.B. zum Ausgleich eines (anderenfalls gewerbesteuerlich nicht mehr abziehbaren) Verlustes im anderen Betrieb ( Marchal, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6b Rdn. 46).

Die sich aus der Verwaltungsvorschrift in R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR ergebende zeitliche Einschränkung der Übertragung der Rücklage findet jedoch nach Auffassung des Senates keine Grundlage im Gesetz. Eine Übertragung der Rücklage ist nach Auffassung des Senates daher auch bereits zeitlich vor einem Abzug und grundsätzlich sogar unabhängig von einem Abzug von den Anschaffungs- und Herstellungskosten im anderen Betrieb möglich. Jedenfalls aber muss die Übertragung einer Rücklage in den Fällen möglich sein, wenn – wie im Streitfall – im Zeitpunkt der Übertragung bereits mit der Herstellung des Wirtschaftsgutes begonnen worden ist.

Nach § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG ist der Abzug nach Abs. 3 bei Wirtschaftsgütern, die zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören oder der selbständigen Arbeit dienen, nicht zulässig, wenn der Gewinn bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs entstanden ist. Aus dem Umkehrschluss zu § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG folgt, dass eine Übertragung stiller Reserven, die bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs oder eines Betriebs im Rahmen der Einkunftsart „selbständige Arbeit” aufgedeckt worden sind, auf Wirtschaftsgüter anderer Betriebe im Rahmen dieser Einkünfte oder auf Wirtschaftsgüter eines Gewerbebetriebes ebenso zulässig ist wie die Übertragung der bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebes aufgedeckten stillen Reserven auf Wirtschaftsgüter eines anderen Gewerbebetriebes des Steuerpflichtigen (so ausdrücklich auch die Gesetzesbegründung in Bundestags-Drucks. IV/2400 S. 64 f.). Die Vorschrift des § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG soll verhindern, dass gewerbliche Gewinne durch Verlagerung auf nicht gewerbesteuerpflichtige Betriebe endgültig der Gewerbesteuer entzogen werden (, BStBl II 2012, 877; Jachmann, in: Kirchhof, EStG, § 6b Rdn. 25).

Im Streitfall stammt die Rücklage aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, so dass die Regelung des § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG dem Abzug nach § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten im Gewerbebetrieb nicht entgegensteht.

Der Tatsache, dass in der Terminologie des § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG und der Gesetzesbegründung jeweils auf den „Abzug” von den Anschaffungs- und Herstellungskosten abgestellt wird und nicht allgemein von einer „Übertragung der Rücklage” gesprochen wird, kommt nach Auffassung des Senates keine entscheidende Bedeutung zu. Der Begriff „Abzug” knüpft lediglich an die Terminologie der Absätze 1 und 3 des § 6b EStG an. Der Abzug soll nach dem Gesetz den Regelfall bilden, die Auflösung mit der Folge des Gewinnzuschlags bildet hingegen die Ausnahme. Eine Aussage dahingehend, dass eine Übertragung der Rücklage erst im Zeitpunkt und nur im Umfang des Abzugs möglich ist, wird von § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG nicht getroffen. Nach Auffassung des Senates gilt vielmehr im Wege des Erst-Recht-Schlusses, dass in den Fallkonstellationen, in denen ein Abzug aufgrund der Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 2 EStG schon nicht möglich ist, auch keine Übertragung der Rücklage (ohne Abzug) möglich ist. Denn die Übertragung der Rücklage ohne Abzug führt in diesen Fällen regelmäßig zu einer zeitlich früheren unzulässigen Gewinnverlagerung in den nicht gewerbesteuerpflichtigen Bereich.

Der über die Vorschrift des § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG hinaus gehende Zweck der Regelung des R 6b.2 Abs. 8 Satz 3 EStR, der nach der Auffassung in der Literatur darin bestehen soll zu verhindern, dass die Verlagerung und Auflösung der Rücklage nur zur Ersparnis von Gewerbesteuer erfolgt, z.B. zum Ausgleich eines (anderenfalls gewerbesteuerlich nicht mehr abziehbaren) Verlustes im anderen Betrieb, hat weder Niederschlag im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung gefunden. Insoweit sind nach Auffassung des Senates auch die allgemeinen Missbrauchsbekämpfungsvorschriften der Abgabenordnung ausreichend, da es – anders als im Anwendungsbereich des § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG – nicht grundsätzlich bzw. regelmäßig, sondern nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen (wie dem Bestehen gewerbesteuerlicher nicht anders nutzbarer Verluste) zu einer Minderbesteuerung kommen kann.

Für einen solchen Missbrauch bestehen im Streitfall auch keine Anhaltspunkte, insbesondere bestand im Betrieb der A. GmbH & Co. KG kein gewerbesteuerlicher Verlust. Ferner ist die Rücklage auch zeitlich später (nach Fertigstellung des Hauses im Sommer 2007) tatsächlich von den Herstellungskosten des Objekts B-Straße 1 abgezogen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 16/2016 S. 770
DStR 2017 S. 6 Nr. 42
DStRE 2018 S. 69 Nr. 2
EFG 2016 S. 1164 Nr. 14
GStB 2016 S. 238 Nr. 7
KSR direkt 2016 S. 12 Nr. 7
KÖSDI 2016 S. 19943 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 27/2016 S. 2016
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2016 S. 517
FAAAF-76380