NWB Nr. 50 vom Seite 3770

Zivilrechtliche Handlungsempfehlungen in „Bauträger-Altfällen“

Maßnahmen, um die drohende Verjährung möglicher Ansprüche zu verhindern

Stefan Wolter *

Wie bereits dargestellt (vgl. Wolter/Grollmann, ), weist die steuerliche Seite der Bauträgerfälle grundlegende Konstruktionsprobleme auf. Die Rechtswidrigkeit der nachträglichen Inanspruchnahme des Bauleistenden schlüge zudem auf den zivilrechtlichen Anspruch des Bauleistenden durch. Sofern die Inanspruchnahme des Bauleistenden wegen der Umsatzsteuer unwirksam wäre, bestände ein Entgelt-(ergänzungs-)anspruch gegen den Bauträger nicht. Eine (ober-)gerichtliche Klärung steht aber noch aus. Wegen dieser Ungewissheit sind zivilrechtliche Maßnahmen vom Bauleistenden zu ergreifen, um eine Verjährung des möglicherweise bestehenden Entgeltanspruchs gegen den Bauträger auszuschließen.

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I. Gerichtliche Maßnahmen des Bauleistenden

[i]Vorsorglich verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergreifenVereinzelt wird vertreten, dass die dreijährige Verjährungsfrist der zusätzlichen Ansprüche des Bauleistenden wegen der Umsatzsteuer schon mit dem eigentlichen Entgeltanspruch beginnt (vgl. NWB NAAAE-95839). Diese Auffassung ist zweifelhaft. Eine zivilgerichtliche Klärung dieser Frage steht aber noch aus. Daher sind für Ansprüche aus dem Jahr 2012 vorsorglich verjährungsunterbrechende Maßnahmen geboten, um einer möglichen Verjährung zum entgegenzuwirken. Zunächst besteht die Möglichkeit, wegen der Ansprüche einen Mahnbescheid zu beantragen oder Klage zu erheben. Die Klageerhebung hemmt die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, der Mahnbescheid gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB.

1. Beantragung eines Mahnbescheids

[i]infoCenter „Mahnverfahren“ NWB PAAAB-67470 Das Mahnverfahren ist ein amtliches, gerichtliches Verfahren, das der vereinfachten Durchsetzung von Geldforderungen dient (§§ 688 ff. ZPO). Auf einen entsprechenden Antrag des Gläubigers hin ergeht ein sog. Mahnbescheid, der dem Schuldner vom zuständigen Zentralen Mahngericht zugestellt wird. Sofern der Schuldner hiergegen S. 3771nicht fristgerecht Widerspruch erhebt, wird der Mahnbescheid vollstreckbar, indem das Zentrale Mahngericht auf Antrag einen sog. Vollstreckungsbescheid erlässt. Widerspricht der Schuldner dem Mahnbescheid, erfolgt auf Antrag des Gläubigers der Übergang ins streitige Verfahren, d. h. es schließt sich ein Hauptsacheverfahren an, so als ob der Gläubiger unmittelbar Klage erhoben hätte. Legt der Schuldner erst gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch ein, wird die Sache von Amts wegen an das Prozessgericht abgegeben. In diesem Fall wird der Bauleistende automatisch vom Gericht aufgefordert, seinen Anspruch schriftlich zu begründen.

a) Geschwindigkeit des Mahnverfahrens

Zwar ist in den [i]Mahnverfahren kurzfristig möglichvorliegenden Fällen mit Widerspruch oder Einspruch des Bauträgers zu rechnen. Gleichwohl hat das Mahnverfahren für den Bauleistenden den Vorteil, dass die Verjährung hierdurch auch kurzfristig zum Jahresende unterbrochen werden kann. Denn ein vor Jahresablauf gestellter Mahnantrag hemmt die Verjährung sogar dann, wenn die Zustellung des Mahnbescheids „demnächst“ erfolgt (§ 167 ZPO). Diese Maßnahme kann also noch „auf den letzten Drücker“ ergriffen werden.

Hinweis

[i]infoCenter „Rechtsberatung durch Steuerberater“ NWB IAAAB-36691 Der Steuerberater sollte in dieser Konstellation beachten, dass die zivilrechtliche Auseinandersetzung mit dem Bauträger nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht von einem Steuerberater geführt werden darf. Wenn dem Steuerberater ein Fehler unterlaufen sollte, wären etwaige Schadensersatzansprüche des Mandanten nicht von der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung gedeckt. Der Mahnantrag sollte also entweder vom Mandanten selbst oder – noch besser – von einem Rechtsanwalt gestellt werden.

b) Kosten des Mahnverfahrens

Die Gerichtskosten für [i]Gebühren des Mahnverfahrens anrechenbarein Mahnverfahren sind gering – sie betragen nur 0,5 Gebühren der Anlage zum Gerichtskostengesetz (GKG). Zudem werden die Gebühren im Hauptsacheverfahren auf die Gerichtsgebühren angerechnet. Stellt ein Rechtsanwalt den Mahnantrag, erhält er 1,0 Gebühren nach Anlage 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Auch diese Gebühr wird im Klageverfahren angerechnet.

2. Klageerhebung gegen den Bauträger

a) Leistungsklage oder Feststellungsklage

[i]Geringerer Streitwert, aber Leistungsklage wegen Vollstreckbarkeit meist vorteilhafterAuch eine Klageerhebung wäre bereits möglich, selbst wenn noch nicht sicher ist, ob der zivilrechtliche Anspruch gegen den Bauträger überhaupt besteht. Alternativ zur Leistungsklage, also zur Klage auf Zahlung, kommt eine Feststellungsklage in Betracht. Denn es besteht keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage. Anders als die Leistungsklage setzt die Feststellungsklage aber ein sog. Feststellungsinteresse voraus (§ 256 ZPO). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses besteht, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das angestrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen ( NWB DAAAD-38084), d. h. wenn der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann (, NJW 1984 S. 1118). In der vorliegenden Konstellation ist dies der Fall. Vorteil der Feststellungsklage ist, dass als Streitwert regelmäßig nur 80 % der Hauptforderung angesetzt werden (§ 3 ZPO). S. 3772

Hinweis

Da der Streitwert die Grundlage für die Gebühren bildet, ist die Feststellungsklage häufig etwas günstiger. Nachteil ist, dass der Kläger – hier der Bauleistende – keinen vollstreckbaren Titel erhält. Sofern der Streitwert nicht immens ist, ist daher grds. der Leistungsklage den Vorzug zu geben.

b) Inhaltliche Begründung der Leistungsklage
aa) Klage auf Zahlung des Ergänzungsentgelts i. H. von 19 % der Nettosumme

Naheliegende Begründung des Zahlungsanspruchs ist der mögliche Entgeltergänzungsanspruch des Bauleistenden. Hier stellt sich allerdings das Problem, dass die Zivilgerichte inzident prüfen müssten, ob die steuerrechtliche Behandlung durch die Finanzverwaltung zutreffend und rechtmäßig war. Eine Entgeltanpassung kann also nur dergestalt erfolgen, dass der Leistungsempfänger die materiell zutreffende Umsatzsteuer schuldet (vgl. , NJW-RR 1990 S. 1199; NWB XAAAC-02082; Rohde/Knobbe, NJW 2012 S. 2160). Oder noch einmal ganz deutlich: Der Bauträger kann zivilrechtlich zur Zahlung der Umsatzsteuer als ergänzende Vergütung nur verpflichtet sein, wenn steuerrechtlich feststeht, dass eine korrespondierende Umsatzsteuerzahllast des Bauleistenden besteht.

[i]Steuerrechtliche Vorfrage blockiert Entscheidung über die EntgeltergänzungIn der vergleichbaren Konstellation eines Zivilrechtsstreits über die korrekte Behandlung der Umsatzsteuer in einer Rechnung ist umstritten, ob hier eine vorrangige Kompetenz der Finanzgerichtsbarkeit entsteht oder ob daneben eine eigene Entscheidungskompetenz der Zivilgerichte besteht. Aktuell vertritt der BGH hierzu die Auffassung, dass die Frage zivilgerichtlich nicht entschieden werden kann, sofern die steuerliche Behandlung strittig ist und die Frage nicht bestandskräftig durch die Finanzbehörde entschieden wurde (unlängst NWB DAAAE-70241, Rn. 13 f.; Wolter/Grollmann, NWB 50/2015 S. 3762 m. w. N.). Wenn die Zivilgerichte schon über umsatzsteuerliche Fragen des Rechnungsinhalts nicht entscheiden, liegt es nahe, über steuerliche Vorfragen des Anspruchs dem Grunde nach erst recht nicht zu entscheiden. Das Zivilgericht kann und wird das Verfahren ggf. wegen Vorgreiflichkeit aussetzen (§ 148 ZPO).

Hinweis

Die Verjährung wäre hierdurch trotzdem gehemmt. Alle Beteiligten könnten die finanzgerichtliche und wahrscheinlich auch verfassungs- oder europagerichtliche Klärung abwarten.

bb) Klage auf Freistellung von der Umsatzsteuer i. H. von 19/119 des Nettoentgelts

[i]Ist die Umsatzsteuererhebung letztlich unwirksam, wird vorherige Zahlung mit 6 % p. a. verzinst, alternativ besteht ein Freistellungsanspruch gegen den BauträgerAllerdings wird der Bauleistende in vielen Fällen so lange nicht warten wollen. Ist er sehr liquide, zahlt er u. U. selbst die Umsatzsteuer und bekommt im Fall des späteren Obsiegens 0,5 % Zinsen pro Monat. Die meisten Bauleistenden werden aber nicht zahlen können oder wollen. Eine Aussetzung der Vollziehung verursacht ein spiegelbildliches Zinsrisiko im Unterliegensfall. Viele Bauleistende sind daher an einer schnellen Zahlung durch den Bauträger interessiert. Auch hierfür besteht eine Möglichkeit in Gestalt einer Klage auf Freistellung von der Umsatzsteuerzahllast aus den Änderungsbescheiden.

(1) Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme der Vertragsparteien

Die Parteien [i]Es bestehen Schutzpflichteneines Vertrags sind verpflichtet, Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Denn ein Schuldverhältnis erschöpft sich nicht in der Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolgs, sondern ist eine durch Treu und Glauben beherrschte Sonderverbindung. Daher werden die Rechte und sonstigen Rechtsgüter des Vertragspartners geschützt. Hauptquelle dieser Schutzpflichten ist der Grundsatz, dass jede Partei die gebotene Sorgfalt für die Integrität der S. 3773anderen Partei aufzuwenden hat (RG, Urteil vom - Rep. VI 240/11, RGZ 78 S. 239, 240). Die Rechtfertigung für die Annahme von Schutzpflichten liegt in der durch das Schuldverhältnis begründeten besonderen Einwirkungsmöglichkeit auf die zu schützenden Rechtsgüter (vgl. , NJW-RR 1995 S. 23), bei Verträgen zusätzlich in der Annahme, die Parteien hätten sich gegenseitig zum Rechtsgüterschutz verpflichten wollen. Die Schutzpflichten können auch nach Erfüllung der Hauptpflichten fortwirken und sind einklagbar, wenn es sich um selbständige Nebenpflichten handelt oder wenn bei einer unselbständigen Nebenpflicht ein Interesse des Berechtigten an der klageweisen Durchsetzung der Pflicht besteht (Grüneberg, in Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 242, Rn. 25).

(2) Interessenausgleich zwischen Bauträger und Bauleistendem

Die Parteien [i]Interessenausgleich ist möglich: Freistellung gegen Abtretung des möglichen Erstattungsanspruchswaren sich ursprünglich einig, dass die Umsatzsteuer allein Sache des Bauträgers und des Finanzamts wäre. Meist ist sogar eine entsprechende Klausel im Werkvertrag vorhanden. Aufgrund des Erstattungsantrags des Bauträgers wird von dem Bauleistenden – aus seiner Sicht unverhofft – die Umsatzsteuer gefordert. Einerseits hat also der Bauleistende ein Interesse, von allen Umsatzsteuerproblemen freigehalten zu werden und so die vertragliche Aufgabenverteilung wiederherzustellen. Andererseits hat der Bauträger ein berechtigtes Interesse, keine Umsatzsteuer zahlen zu müssen, die rechtswidrig erhoben wird.

Eine Abwägung dieser Interessen kann vorliegend allerdings unterbleiben, weil es eine Lösung gibt, die den Interessen beider Vertragsparteien gleichermaßen gerecht wird: Die Interessen des Bauleistenden können gewahrt werden, indem der Bauträger verpflichtet wird, ihn von der Umsatzsteuernachforderung des Finanzamts freizustellen. Die Interessen des Bauträgers können umgekehrt gewahrt werden, indem der Bauleistende verpflichtet wird, im Gegenzug den korrespondierenden, möglichen Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt nebst Zinsen an den Bauträger abzutreten und den Rechtsstreit mit dem Finanzamt über die Berechtigung der Steuerfestsetzung (§ 27 Abs. 19 UStG) auf Weisung und [i]Ist die Umsatzsteuerfestsetzung unwirksam, bekommt der Bauträger sein Geld zzgl. 6 % Zinsen von der FinanzverwaltungKosten des Bauträgers zu führen. Stellt sich die Umsatzsteuerfestsetzung später als unwirksam heraus, bekommt der Bauträger den Zahlbetrag zzgl. der Zinsen i. H. von 0,5 % pro Monat sowie die Anwalts- und Gerichtskosten von der Finanzverwaltung. Daher ist die Freistellung des Bauleistenden auch für den Bauträger von Interesse. Bei liquiden Beteiligten sollte daher die Aussetzung der Vollziehung nicht beantragt werden.

Hinweis

Im Ergebnis wird so der Bauleistende von den rechtlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risiken befreit, die aus der Risikosphäre des Bauträgers herrühren. Zugleich erhält der Bauträger alle rechtlichen Möglichkeiten und Chancen hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem Finanzamt. Da diese gegenseitigen Pflichten nicht der Sicherung der Hauptleistung dienen, handelt es sich um selbständige und damit einklagbare Nebenpflichten.

(3) Ergänzung der Freistellungsklage

Idealerweise [i]Ergänzung hinsichtlich des Differenzbetrags aus Freistellungsbetrag und drohender Umsatzsteuersollte diese Leistungsklage auf Freistellung mit einer Feststellungsklage oder darüber hinausgehenden Leistungsklage kombiniert werden, nämlich hinsichtlich des Differenzbetrags aus Freistellungsbetrag ( 19/119 der Nettozahlung) und drohender Umsatzsteuer (19 % auf den Nettobetrag). Ansonsten droht insoweit wiederum die Verjährung. Das Zivilgericht kann dann über die Freistellung in einem Teilurteil nach § 301 ZPO entscheiden und über den Rest – nach Aussetzung gem. § 148 ZPO – in einem Schlussurteil. S. 3774

II. Außer- bzw. vorgerichtliche Maßnahmen

[i]Vor Klage: Ergänzungsvertrag oder Verjährungsaufschub anbietenEine Klage muss nicht erhoben werden, wenn sich die Betroffenen so einigen können. Der Bauleistende bzw. seine Anwälte sollten deshalb kurzfristig die Bauträger kontaktieren und den Abschluss eines Ergänzungsvertrags zur Regelung des Umsatzsteuerproblems anbieten. In diesem Vertrag sollte vertraglich vereinbart werden, was ansonsten eingeklagt werden müsste. Weigert sich der Bauträger, kann und sollte Klage erhoben werden, zumindest für Ansprüche aus dem Jahr 2012. Als kleiner Kompromiss wäre alternativ die Vereinbarung eines Verjährungsmoratoriums möglich. Hierdurch verzichten die Parteien befristet auf die Einrede der Verjährung.

Fazit

Mögliche zivilrechtliche Ansprüche des Bauleistenden gegen den Bauträger drohen zu verjähren. Der Bauleistende sollte daher dem Bauträger den Abschluss eines Ergänzungsvertrags wegen der Umsatzsteuerprobleme anbieten, zumindest aber den eines Verjährungsmoratoriums. Weigert sich der Bauträger, sollte kurzfristig ein Mahnbescheid beantragt werden oder sogleich Klage auf Freistellung von der festgesetzten Umsatzsteuer ( 19/119 der Nettosumme) und spätere Zahlung der überschießenden Umsatzsteuer i. H. von 19 % des Nettoentgelts erhoben werden. Stellt sich die Umsatzsteuerfestsetzung gegen den Bauleistenden als unwirksam heraus, ist die entrichtete Umsatzsteuer zzgl. Zinsen i. H. von 0,5 % pro Monat vom Finanzamt zu erstatten.

Autor

Stefan Wolter, Rechtsanwalt und Dipl. Finanzwirt (FH) ist nach Tätigkeiten in der Finanzverwaltung, der Wissenschaft und der freien Wirtschaft bei einem „Big-Four“-Unternehmen selbständig. Er ist Inhaber der „Anwaltskanzlei Wolter – Kanzlei für Wirtschafts- und Steuerrecht“ in Schenefeld bei Hamburg und ist im steuerrechtsbezogenen Wirtschaftsrecht und im Steuerkonfliktrecht tätig.

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 3770 - 3774
FAAAF-09013