Finanzgerichtsverfahren:
Rechtsweg für Klagen auf Korrektur einer Lohnsteuerbescheinigung
Leitsatz
Für Klagen eines Arbeitnehmers gegen seinen früheren Arbeitgeber auf Korrektur der ausgestellten Lohnsteuerbescheinigung ist nicht der Rechtsweg zu den Finanzgerichten, sondern der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.
Gesetze: ArbGG § 22 Abs 1 Nr 3 lit e, GVG § 13, GVG § 17a Abs 2 Satz 1, FGO § 33
Tatbestand
Gründe
I.
Der Kl. begehrt die Änderung seiner Lohnsteuer(LSt)-Bescheinigung für das Jahr 2008.
Der Kläger (Kl.) befand sich seit 2004 in einem Verbraucherinsolvenzverfahren, das am endete. Er war im ersten Quartal des Jahres 2008 arbeitslos. In der Zeit vom bis zum war er bei der Firma A GmbH (nachfolgend: GmbH) in N als Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Beklagte (Bekl.) ist Geschäftsführer der GmbH.
Ausweislich der am für den Monat April 2008 ausgestellten Verdienstbescheinigung (bl. 28 GA) erhielt der Kl. von der GmbH ein Bruttogehalt von 1.366,50 EUR. Nach dieser Bescheinigung zog die GmbH vom Bruttolohn des Kl. Lohnsteuer in Höhe von 87,50 EUR, Kirchensteuern in Höhe von 7,87 EUR sowie einen Solidaritätszuschlag in Höhe von 1,30 EUR ab. Nach Abzug der Steuerbelastung von insgesamt 96,67 EUR sowie den weiteren gesetzlichen Abgaben in Höhe von 280,83 EUR ergab sich für den Kl. ein Auszahlungsbetrag von 989,00 EUR. Weitere Verdienstbescheinigungen stellte die GmbH nicht aus. In den Folgemonaten erhielt der Kl. seitens der GmbH monatliche Auszahlungen in Höhe von ca. 990 EUR.
In der LSt-Bescheinigung für das Kalenderjahr 2008 (Bl. 27 GA) wies die GmbH für den Kl. für den Zeitraum bis einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 12.298,50 EUR sowie einbehaltene LSt in Höhe von 198,00 EUR und einbehaltene Kirchensteuer in Höhe von 17,82 EUR aus.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung gelang der Kl. nach Hinweis des zuständigen Finanzamtes (FA) zur Auffassung, dass die Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2008 eine um ca. 800,00 EUR zu niedrige Lohnsteuer ausweise. Trotz Androhung von Zwangsgeldern durch das FA, die Lohnsteuerbescheinigung zu ändern, habe der Bekl. die geforderten Änderungen nicht vorgenommen. Der Kl. teilte mit, dass er beim Arbeitsgericht um Rechtsschutz ersucht habe. Die Geschäftsstelle das Arbeitsgerichts habe die Klage nicht zu Protokoll aufnehmen wollen, da das Finanzgericht zuständig sei.
Am erhob der Kl. vor dem Finanzgericht Klage gegen den Bekl. auf Korrektur der für das Kalenderjahr 2008 ausgestellten LSt-Bescheinigung.
Der Berichterstatter hat nach Eingang der Klage im Rahmen eines Erörterungstermins Zweifel an der Zulässigkeit des Finanzgerichtswegs geäußert und darauf hingewiesen, dass eine Verweisung an das örtlich zuständige Arbeitsgericht beabsichtigt sei. Das Gericht hat den Beteiligten gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Verweisung gebeten.
Der Kl. beantragt,
die Bekl. zu verurteilen, die ihm erteilte LSt-Bescheinigung für das Kalenderjahr 2008 dahingehend zu korrigieren, dass zu Ziffer 4 der LSt-Bescheinigung ein um ca. 800 EUR höherer Betrag ausgewiesen wird,
hilfsweise,
den Rechtsstreit an das zuständige Arbeitsgericht zu verweisen.
Der Bekl. hat sich nicht geäußert.
Gründe
II.
Der Rechtsstreit wird an das sachlich und örtlich zuständige Arbeitsgericht N gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG nach Anhörung der Beteiligten verwiesen.
Für Klagen eines Arbeitnehmers gegen seinen früheren Arbeitgeber auf Korrektur der ausgestellten Lohnsteuerbescheinigung ist nicht der Finanzgerichtsweg gemäß § 33 FGO, sondern nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. e Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) i. V. m. § 13 GVG der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet.
Nach § 1 FGO wird die Finanzgerichtsbarkeit durch unabhängige, von den Verwaltungsbehörden getrennte, besondere Verwaltungsgerichte ausgeübt.
Der sachliche Aufgabenbereich des Finanzgerichtes wird durch § 33 FGO konkretisiert. Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten (mit Ausnahme der Straf- und Bußgeldverfahren) gegeben, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Dagegen gehören Rechtsstreitigkeiten, die das bürgerlichrechtliche Verhältnis zwischen Rechtspersonen des Privatrechts betreffen und in denen es um bloße Reflexwirkungen von Abgabenvorschriften in den Bereich des Privatrechts geht, vor die ordentlichen Gerichte, soweit nicht besondere Gerichtsbarkeiten (z.B. Arbeitsgerichte) eingerichtet sind (vgl. dazu Gräber/Koch, FGO, 6. Auflage 2006, § 33 FGO, Rn. 1).
Der Begriff der Abgabenangelegenheiten in § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 FGO umfasst die Verwaltungstätigkeit der Finanzbehörden des Bundes und der Länder gegenüber gewaltunterworfenen Bürgern (vgl. , BStBl. II 1990, 582). Solche Abgabenangelegenheiten sind nur die mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten, wenn sie im Spannungsfeld der Eingriffsverwaltung zwischen und Bürger und Staat auftreten. Die Eröffnung des Finanzrechtswegs setzt nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO voraus, dass die Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur ist und an diesem Streit eine Finanzbehörde beteiligt ist (vgl. Birkenfeld, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 33 FGO, Rn. 156; vgl. auch § 63 Abs. 1 FGO, wonach die finanzgerichtliche Klage gegen eine Behörde zu richten ist).
Entscheidend für die Frage, welche Gerichtsbarkeit zuständig ist, ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom GmS-OGB 2/73, NJW 1974, 2087). Wenn an dem Rechtsstreit ausschließlich Privatrechtssubjekte beteiligt sind, scheidet eine Zuordnung des Rechtsstreits zum öffentlichen Recht grundsätzlich aus (vgl. Az: 1 K 1376/07, EFG 2007, 1707 m. w. N.). Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen etwa des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (vgl. , NJW 2003, 2629).
Nach der einhelligen Auffassung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der steuerrechtlichen Literatur handelt es sich bei dem Streit über die zutreffende Eintragung, Ergänzung oder Berichtigung von Daten in der LSt-Bescheinigung um einen bürgerlichen Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Arbeitspapiere, für den ausschließlich die Gerichte für arbeitsrechtliche Sachen zuständig sind (vgl. , BStBl. II 1993, 760; , JURIS; , EFG 2006, 238; , EFG 2007, 1707; , BStBl. II 2008, 434; Gräber/Koch, 6. Aufl., 2006, § 33 FGO, Rn. 30, „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis”).
Der 5. Senat des BAG geht im Beschluss vom (NJW 2003, 2629) davon aus, dass der Arbeitgeber nach § 41b Einkommensteuergesetz – EStG – öffentlichrechtlich verpflichtet sei, auf der LSt-Karte u. a. die Dauer des Dienstverhältnisses zu bescheinigen und die LSt-Bescheinigung dem Arbeitnehmer auch auszuhändigen. Prägend für die inhaltliche Ausgestaltung der LSt-Bescheinigung sei damit nicht die auf § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) beruhende Nebenpflicht des Arbeitgebers, sondern die lohnsteuerrechtliche Verpflichtung. Die arbeitsrechtliche Nebenpflicht werde inhaltlich durch Regelung des EStG ausgestaltet. Nach Auffassung des BAG liegt in diesen Fällen keine bürgerlichrechtliche, sondern eine steuerrechtliche Streitigkeit vor, mit der Folge, dass die Finanzgerichte hierfür zuständig seien.
Der erkennende Senat schließt sich der in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung herrschenden Auffassung an. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit liegt nicht vor. Das Begehren des Kl. zielt nach seinem sachlichen Gehalt ausschließlich auf die Klärung der Frage, in welcher Höhe sein früherer Arbeitgeber Lohnsteuer einbehalten und an das Finanzamt (FA) abgeführt hat. Denn die LSt-Bescheinigung ist ein Abbild des vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer geführten Lohnkontos. Die Bescheinigung hat lediglich die Funktion eines Beweismittels darüber, ob und wie der Arbeitnehmer das Lohnkonto des Arbeitnehmers geführt hat und ob die LSt überhaupt einbehalten worden ist und dieser Betrag auch an das FA abgeführt wurde. Dementsprechend gibt es keine Bindung des FA an den Inhalt der Bescheinigung (vgl. , BFH/NV 2000, 1080). Die Ausstellung der LSt-Bescheinigung stellt eine arbeitsrechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers auf Herausgabe eines Arbeitspapieres dar. Der Anspruch des Arbeitnehmers ist jedoch nicht darauf beschränkt, das Arbeitspapier mit irgendeinem Inhalt zu erhalten, sondern umfasst auch die Ausstellung eines inhaltlich zutreffenden Arbeitspapiers.
Darüber hinaus ist der Bekl. keine Behörde. In diesem Rechtsstreit ist kein Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt. Denn der Bekl. ist weder Träger öffentlicher Verwaltung noch hatte er bei der Ausstellung der Lohnsteuerbescheinigung die Stellung eines „Beliehenen” oder eines „Verwaltungshelfers”. Zwar hat die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Ausstellung und Aushändigung der Lohnsteuerbescheinigung ihren Grund in öffentlich-rechtlichen Schutzvorschriften, doch hat der Arbeitgeber diese Tätigkeiten in eigener Zuständigkeit und nicht als „Beliehener” oder „Werkzeug” der Finanzverwaltung auszuführen (vgl. , EFG 2004, 1704).
Zwar ist im EStG geregelt, wie der Arbeitgeber das Lohnkonto zu führen hat. Diese dem Arbeitgeber durch das EStG auferlegte Pflicht hat jedoch nur eine Reflexwirkung auf die Ausstellung der LSt-Bescheinigung für den Arbeitnehmer. Das Klagebegehren betrifft die Erfüllung einer arbeitsgerichtlichen Nebenpflicht und damit die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und dem ehemaligen Arbeitgeber als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit über Arbeitspapiere, für die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3e Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist. Das Einkommensteuer(ESt)-Recht begründet keine Rechtsansprüche des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber. Die LSt-Bescheinigung, zu deren Erstellung der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 41b EStG verpflichtet ist, ist eine Urkunde, die dem leichteren Nachweis steuerlicher Verhältnisse bei der ESt-Veranlagung dient. Sie ist ein Beweispapier über den LSt-Abzug, so wie er tatsächlich stattgefunden hat, und nicht, wie er – etwa nach Auffassung des Arbeitnehmers – hätte durchgeführt werden müssen (vgl. , BFH/NV 2009, 175).
Der Berichterstatter hat Bedenken hinsichtlich der Passivlegitimation geäußert. Denn zwischen den Beteiligten bestand zu keinem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis. Der Senat als sachlich unzuständiges Gericht ist nicht befugt, darüber zu befinden, ob die vorliegende Klage unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten zulässig und begründet ist. Aus diesem Grunde ist der erkennende Senat daran gehindert, eine Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zu treffen.
Die Beschwerde wird gemäß § 155 FGO i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zugelassen, weil der erkennende Senat von einer Entscheidung eines Obersten Gerichtshofes des Bundes (, NJW 2003, 2629) abweicht.
Fundstelle(n):
EFG 2011 S. 1735 Nr. 19
FAAAD-85471