Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU)
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die Anwendung der Regelungen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (§ 146 Abs. 5. § 147 Abs. 2, 5, 6, § 200 Abs. 1 AO und § 14 Abs. 4 UStG) Folgendes:
I. Datenzugriff
Nach § 147 Abs. 6 AO ist der FinBeh das Recht eingeräumt, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellte Buchführung des Stpfl. durch Datenzugriff zu prüfen. Diese neue Prüfungsmethode tritt neben die Möglichkeit der herkömmlichen Prüfung. Das Recht auf Datenzugriff steht der FinBeh nur im Rahmen steuerlicher Außenprüfungen zu. Durch die Regelungen zum Datenzugriff wird der sachliche Umfang der Außenprüfung (§ 194 AO) nicht erweitert; er wird durch die Prüfungsanordnung (§ 196 AO, § 5 BpO) bestimmt. Gegenstand der Prüfung sind wie bisher nur die nach § 147 Abs. 1 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen. Es ist jedoch erforderlich, die Prüfungsmethoden den modernen Buchführungstechniken anzupassen. Dies gilt umso mehr, als in zunehmendem Maße der Geschäftsverkehr papierlos abgewickelt wird und ab dem der Vorsteuerabzug aus elektronischer Signatur und Anbieter-Akkreditierung nach dem Signaturgesetz möglich ist.
Die Einführung dieser neuen Prüfungsmethode ermöglicht zugleich rationellere und zeitnähere Außenprüfungen.
1. Umfang und Ausübung des Rechts auf Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO
Das Recht auf Datenzugriff beschränkt sich ausschließlich auf Daten, die für die Besteuerung von Bedeutung sind (steuerlich relevante Daten).
Die Daten der Finanzbuchhaltung, der Anlagenbuchhaltung und der Lohnbuchhaltung sind danach für den Datenzugriff zur Verfügung zu halten.
Soweit sich auch in anderen Bereichen des DV-Systems steuerlich relevante Daten befinden, sind sie durch den Stpfl. nach Maßgabe seiner steuerlichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten zu qualifizieren und für den Datenzugriff in geeigneter Weise vorzuhalten.
Bei unzutreffender Qualifizierung von Daten kann die FinBeh im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens verlangen, dass der Stpfl. den Datenzugriff auf diese steuerlich relevanten Daten nachträglich ermöglicht. Das allgemeine Auskunftsrecht des Prüfers (§§ 88, 199 Abs. 1 AO) und die Mitwirkungspflichten des Stpfl. (§§ 90, 200 AO) bleiben unberührt.
Bei der Ausübung des Rechts auf Datenzugriff stehen der FinBeh nach dem Gesetz drei Möglichkeiten zur Verfügung. Die Entscheidung, von welcher Möglichkeit des Datenzugriffs die FinBeh Gebrauch macht, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen; falls erforderlich, kann sie auch mehrere Möglichkeiten in Anspruch nehmen:
Sie hat das Recht, selbst unmittelbar auf das DV-System dergestalt zuzugreifen, dass sie in Form des Nur-Lesezugriffs Einsicht in die gespeicherten Daten nimmt und die vom Stpfl. oder von einem beauftragten Dritten eingesetzte Hard- und Software zur Prüfung der gespeicherten Daten einschließlich der Stammdaten und Verknüpfungen (Daten) nutzt (unmittelbarer Datenzugriff). Dabei darf sie nur mit Hilfe dieser Hard- und Software auf die elektronisch gespeicherten Daten zugreifen. Dies schließt eine Fernabfrage (Online-Zugriff) auf das DV-System des Stpfl. durch die FinBeh aus.
Der Nur-Lesezugriff umfasst das Lesen, Filtern und Sortieren der Daten ggf. unter Nutzung der im DV-System vorhandenen Auswertungsmöglichkeiten.
Sie kann vom Stpfl. auch verlangen, dass er an ihrer Stelle die Daten nach ihren Vorgaben maschinell auswertet oder von einem beauftragten Dritten maschinell auswerten lässt, um den Nur-Lesezugriff durchführen zu können (mittelbarer Datenzugriff). Es kann nur eine maschinelle Auswertung unter Verwendung der im DV-System des Stpfl. oder des beauftragten Dritten vorhandenen Auswertungsmöglichkeiten verlangt werden.
Sie kann ferner verlangen, dass ihr die gespeicherten Unterlagen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger zur Auswertung überlassen werden (Datenträgerüberlassung). Der zur Auswertung überlassene Datenträger ist spätestens nach Bestandskraft der aufgrund der Außenprüfung ergangenen Bescheide an den Stpfl. zurückzugeben oder zu löschen.
2. Umfang der Mitwirkungspflicht nach §§ 147 Abs. 6 und 200 Abs. 1 Satz 2 AO
Der Stpfl. hat die FinBeh bei Ausübung ihres Rechts auf Datenzugriff zu unterstützen (§ 200 Abs. 1 AO). Im Einzelnen gilt Folgendes:
Beim unmittelbaren Datenzugriff (Abschn. I Nr. 1 Buchst. a) hat der Stpfl. dem Prüfer die für den Datenzugriff erforderlichen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen und ihn für den Nur-Lesezugriff in das DV-System einzuweisen. Die Zugangsberechtigung muss so ausgestaltet sein, dass dem Prüfer dieser Zugriff auf alle steuerlich relevanten Daten eingeräumt wird. Sie umfasst u. a. auch die Nutzung der im DV-System vorhandenen Auswertungsprogramme. Enthalten elektronisch gespeicherte Datenbestände andere, z. B. steuerlich nicht relevante personenbezogene oder dem Berufsgeheimnis (§ 102 AO) unterliegende Daten, so obliegt es dem Stpfl. oder dem von ihm beauftragten Dritten, durch geeignete Zugriffsbeschränkungen sicherzustellen, dass der Prüfer nur auf steuerlich relevante Daten des Stpfl. zugreifen kann. Die Zugangsberechtigung hat auch die Nutzung der im DV-System vorhandenen Auswertungsprogramme zu umfassen.
Das DV-System muss die Unveränderbarkeit des Datenbestands gewährleisten (§ 146 Abs. 4 AO; Abschn. V des BMF-Schreibens zu den GoBS v. , BStBl I S. 738 = BBK F. 7 S. 999). Eine Veränderung des Datenbestands und des DV-Systems durch die FinBeh ist somit ausgeschlossen.
Beim mittelbaren Datenzugriff (Abschn. I Nr. 1 Buchst. b) gehört zur Mithilfe des Stpfl. beim Nur-Lesezugriff (Abschn. I Nr. 1 Buchst. a Abs. 2) neben der Zurverfügungstellung von Hard- und Software die Unterstützung durch mit dem DV-System vertraute Personen. Der Umfang der zumutbaren Mithilfe richtet sich nach den betrieblichen Begebenheiten des Unternehmens. Hierfür können z. B. seine Größe oder Mitarbeiterzahl Anhaltspunkte sein.
Bei der Datenträgerüberlassung (Abschn. I Nr. 1 Buchst. c) sind der FinBeh mit den gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen alle zur Auswertung der Daten notwendigen Informationen (z. B. über die Dateistruktur, die Datenfelder sowie interne und externe Verknüpfungen) in maschinell auswertbarer Form zur Verfügung zu stellen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen sich die Daten bei Dritten befinden.
3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Die FinBeh hat bei Anwendung der Regelungen zum Datenzugriff den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Dies bedeutet u. a.:
Bei vor dem archivierten Daten kann sie beim unmittelbaren Datenzugriff (Abschn. I Nr. 1 Buchst. a Abs. 1) und beim mittelbaren Datenzugriff (Abschn. I Nr. 1 Buchst. b) nicht verlangen, dass diese Daten für Zwecke ihrer maschinellen Auswertung (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO i. V. mit § 147 Abs. 6 AO) nochmals in das DV-System eingespeist (reaktiviert) werden, wenn dies mit unverhältnismäßigem Aufwand für den Stpfl. verbunden wäre. Dies kommt z. B. in Betracht bei fehlender Speicherkapazität, nochmaliger Erfassung der Daten, Archivierung der Daten außerhalb des aktuellen DV-Systems, Wechsel des Hard- oder Software-Systems. Müssen hiernach die Daten nicht reaktiviert werden, braucht der Stpfl. auch nicht die für eine maschinelle Auswertung der betreffenden Daten erforderlichen Hard- und Software zur Verfügung zu halten, wenn sie nicht mehr im Einsatz ist. Dies gilt auch, wenn die Aufbewahrungsfrist (§ 147 Abs. 3 AO) noch nicht abgelaufen ist.
Diese für die maschinelle Auswertbarkeit der Daten erforderliche technische, organisatorische und zeitliche Einschränkung bezieht sich nicht auf die Pflicht des Stpfl. zur Lesbarmachung der Daten (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 147 Abs. 5 AO). Die Lesbarmachung muss während der ganzen Aufbewahrungsfrist sichergestellt sein.
Bei nach dem archivierten Daten ist beim unmittelbaren Datenzugriff (Abschn. I Nr. 1 Buchst. b) die machinelle Auswertbarkeit (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 6 AO) in Form des Nur-Lesezugriffs (Abschn. I Nr. 1 Buchst. a Abs. 2) sicherzustellen. Im Falle eines Systemwechsels ist es nicht erforderlich, die ursprüngliche Hard- und Software vorzuhalten, wenn die maschinelle Auswertbarkeit auch für die nach dem , aber vor dem Systemwechsel archivierten Daten durch das neue oder ein anderes System gewährleistet ist.
Für die Datenträgerüberlassung (Abschn. I Nr. 1 Buchst. c) kann die FinBeh nicht verlangen, vor dem auf nicht maschinell auswertbaren Datenträgern (z. B. Mikrofilm) archivierte Daten auf maschinell auswertbare Datenträger aufzuzeichnen.
II. Prüfbarkeit digitaler Unterlagen
1. Elektronische Abrechnungen i. S. des § 14 Abs. 4 Satz 2 UStG
Die qualifizierte elektronische Signatur mit Anbieter-Akkreditierung nach § 15 Abs. 1 des Signaturgesetzes ist Bestandteil der elektronischen Abrechnung. [1] Der Originalzustand des übermittelten ggf. noch verschlüsselten Dokuments muss jederzeit überprüfbar sein. Dies setzt neben den Anforderungen nach Abschn. VIII Buchst. b) Nr. 2 der GoBS (a. a. O.) insbesondere voraus, dass
vor einer weiteren Verarbeitung der elektronischen Abrechnung die qualifizierte elektronische Signatur im Hinblick auf die Integrität der Daten und die Signaturberechtigung geprüft werden und das Ergebnis dokumentiert wird;
die Speicherung der elektronischen Abrechnung auf einem Datenträger erfolgt, der Änderungen nicht mehr zulässt. Bei einer temporären Speicherung auf einem änderbaren Datenträger muss das DV-System sicherstellen, dass Änderungen nicht möglich sind;
bei Umwandlung (Konvertierung) der elektronischen Abrechnung in ein unternehmenseigenes Format (sog. Inhouse-Format) beide Versionen archiviert und nach den GoBS mit demselben Index verwaltet werden sowie die konvertierte Version als solche gekennzeichnet wird;
der Signaturprüfschlüssel aufbewahrt wird;
bei Einsatz von Kryptographietechniken die verschlüsselte und die entschlüsselte Abrechnung sowie der Schlüssel zur Entschlüsselung der elektronischen Abrechnung aufbewahrt wird;
der Eingang der elektronischen Abrechnung, ihre Archivierung und ggf. Konvertierung sowie die weitere Verarbeitung protokolliert werden;
die Übertragungs-, Archivierungs- und Konvertierungssysteme den Anforderungen der GoBS, insbesondere an die Dokumentation, an das interne Kontrollsystem, an das Sicherungskonzept sowie an die Aufbewahrung entsprechen;
das qualifizierte Zertifikat des Empfängers aufbewahrt wird.
2. Sonstige aufbewahrungspflichtige Unterlagen
Bei sonstigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen i. S. des § 147 Abs. 1 AO, die digitalisiert sind und nicht in Papierform übermittelt werden, muss das dabei angewendete Verfahren den GoBS entsprechen.
Der Orginalzustand der übermittelten, ggf. noch verschlüsselten Daten muss erkennbar sein (§ 146 Abs. 4 AO). Die Speicherung hat auf einem Datenträger zu erfolgen, der Änderungen nicht mehr zulässt. Bei einer temporären Speicherung auf einem änderbaren Datenträger muss das DV-System sicherstellen, dass Änderungen nicht möglich sind.
Bei Einsatz von Kryptographietechniken sind die verschlüsselte und die entschlüsselte Unterlage aufzubewahren.
Bei Umwandlung (Konvertierung) der sonstigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen in ein unternehmenseigenes Format (sog. Inhouse-Format) sind beide Versionen zu archivieren und nach den GoBS mit demselbsen Index zu verwalten sowie die konvertierte Version als solche zu kennzeichnen.
Wenn Signaturprüfschlüssel oder kryptographische Verfahren verwendet werden, sind die verwendeten Schlüssel aufzubewahren.
Bei sonstigen aufbewahrungspflichtigen Unterlagen sind der Eingang, ihre Archivierung und ggf. Konvertierung sowie die weitere Verarbeitung zu protokollieren.
III. Archivierung digitaler Unterlagen
Originär digitale Unterlagen nach § 146 Abs. 5 AO sind auf maschinell verwertbaren Datenträgern zu archivieren. Originär digitale Unterlagen sind die in das DV-System in elektronischer Form eingehenden und die im DV-System erzeugten Daten; ein maschinell verwertbarer Datenträger ist ein maschinell lesbarer und auswertbarer Datenträger. Die originär digitalen Unterlagen dürfen nicht ausschließlich in ausgedruckter Form oder auf Mikrofilm aufbewahrt werden. Somit reicht die Aufzeichnung im COM-Verfahren (Computer-Output-Microfilm) nicht mehr aus. Diese Einschränkung gilt nicht, wenn die vor der Übertragung auf Mikrofilm vorhandenen Daten vorgehalten werden, die eine maschinelle Auswertbarkeit durch das DV-System gewährleisten. Nicht ausreichend ist auch die ausschließliche Archivierung in maschinell nicht auswertbaren Formaten (z. B. pdf-Datei).
Eine Pflicht zur Archivierung einer Unterlage i. S. des § 147 Abs. 1 AO in maschinell auswertbarer Form (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO) besteht nicht, wenn diese Unterlage zwar DV-gestützt erstellt wurde, sie aber nicht zur Weiterverarbeitung in einem DV-gestützten Buchführungssystem geeignet ist (z. B. Textdokumente).
Originär in Papierform angefallene Unterlagen, z. B. Eingangsrechnungen, können weiterhin mikroverfilmt werden.
Kann im Falle eines abweichenden Wj die Archivierung ab nachweisbar aus technischen Gründen nicht auf einem maschinell auswertbaren Datenträger (§ 147 Abs. 2 Nr. 2 AO) erfolgen, wird dies nicht beanstandet, wenn der Stpfl. bis spätestens zu Beginn des anschließenden abweichenden Wj des Archivierungspflichten gem. § 147 Abs. 2 Nr. 2 AO nachkommt.
IV. Anwendung
Die Regelungen zum Datenzugriff (Abschn. I) sind bei Außenprüfungen anzuwenden, die nach dem beginnen.
Die Regelungen zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (Abschn. II) gelten
für elektronische Abrechnungen mit Inkrafttreten des § 14 Abs. 4 Satz 2 UStG () und
für sonstige aufbewahrungspflichtige Unterlagen, die nach dem erstellt werden.
Im Übrigen bleiben die Regelungen des BMF-Schreibens zu den GoBS vom (BStBl 1995 I S. 738) unberührt.
BMF v. - IV D 2
- S 0316 - 136/01
Fundstelle(n):
BStBl 2001 I Seite 415
WPg 2008 S. 371 Nr. 9
FAAAA-82366
1Anpassung des § 14 Abs. 4 Satz 2 UStG 1999 an das Signaturgesetz v. , BGBl I S. 876, ist im Entwurf eines StÄndG 2001 vorgesehen.