Besteuerung von Geldzuwendungen im Zusammenhang mit nachbarschaftlichen Hilfsleistungen im Bereich Pflege und Betreuung
Leitsatz
Nachbarschaftliche Hilfeleistungen, die nach dem Gesamtbild der Umstände nicht mit Pflegetätigkeiten gleichzusetzen sind, die typischerweise im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbracht werden bzw. eine Gegenleistung auslösen, können der einkommensteuerlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzuordnen sein.
Von dem Bereich der steuerbaren sonstigen Leistung sind die Fälle zu unterscheiden, in denen tatsächlich keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke, sondern private Motive (im Streitfall: langjährige Nachbarschaft und freundschaftliche Verbundenheit) für das Verhalten des Steuerpflichtigen entscheidend sind.
Eine erst nachträglich (im Streitfall: 8 Jahre nach Beginn der Hilfeleistungen) gezahlte „Vergütung” für zuvor erbrachte nachbarschaftliche Hilfeleistungen kann in einem solchen Fall als unentgeltliche Zuwendung (Schenkung) zu werten sein.
Gesetze: EStG § 18 Abs 1 Nr 3; EStG § 22 Nr 3
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung einer Einmalzahlung zur rückwirkenden Abgeltung von „Tätigkeiten” und Kosten im Zusammenhang mit einer 8 Jahre zuvor erteilten Vorsorge-Vollmacht und einer Betreuungsverfügung.
Im Jahr 2006 wurde der Kläger nach eigener Schilderung von seiner damaligen Nachbarin Frau S (geb. ) gebeten, die Vertretung bzw. Betreuung zu übernehmen. Die weitere Verwandtschaft erschien ihr hierfür nicht ausreichend vertrauenswürdig. Der Kläger und seine Ehefrau kannten die verwitwete Frau S dagegen aus der Nachbarschaft bereits seit 1972. Die Ehefrau des Klägers und Frau S waren seit langem befreundet. Aufgrund dessen und aufgrund der langjährigen nachbarschaftlichen Beziehung willigte der Kläger ein. Frau S erteilte dem Kläger daraufhin am eine sogenannte Vorsorgevollmacht. Die Vollmacht umfasste das Recht, bestimmte Maßnahmen in Vermögensangelegenheiten für die zu betreuende Person vorzunehmen (z.B. Verfügung über Vermögensgegenstände jeder Art; Vornahme von Zahlungen und Annahme von Zahlungen und Wertgegenständen, Eingehen von Verbindlichkeiten, Abschluss eines Heimvertrages oder einer ähnlichen Vereinbarung). Am gleichen Tag machte Frau S im Rahmen einer Betreuungsverfügung von ihrem Vorschlagsrecht gemäß § 1897 Abs. 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Gebrauch und bestimmte den Kläger für den Fall, dass die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung erforderlich sein sollte, zu ihrem Betreuer. Der Kläger sollte der Rechnungslegungspflicht unterliegen. Nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung sollte es sich dabei um rein vorsorgliche Maßnahmen handeln, da Frau S sich trotz ihres hohen Alters noch komplett selbst um alle Dinge des täglichen Lebens kümmern konnte und keine Betreuung benötigte. Im Zuge der Erteilung der Vollmachten übergab Frau S dem Kläger ihre Unterlagen zu Bankgeschäften, Versicherungen und Haus. In der Folge half der Kläger Frau S bei der Erledigung schriftlicher Angelegenheiten etwa mit Behörden oder Versicherungen usw. Kurze Zeit nach der Erteilung der Vollmachten zog Frau S aus der Wohnung in der Nachbarschaft aus und – ohne Zutun des Klägers - in ein Wohnheim in das 3 km entfernte L. um. Der Kläger besuchte Frau S dort nach eigenen Angaben regelmäßig zwei- bis dreimal in der Woche, teilweise ohne konkreten Anlass. Neben Schriftverkehr mit Behörden und Versicherungen kümmerte sich der Kläger auch um einzelne Angelegenheiten, teilweise auch ohne ihr Bitten, um ihr eine Freude zu bereiten (z.B. Erwerb eines gebrauchten Fernsehers, Besorgen einer Perücke).
Nach Angaben des Klägers hatte Frau S den Kläger bereits im zeitlichen Zusammenhang mit der Erteilung der Vollmachten im Juli 2006 als Erbe eingesetzt. Zudem sollten seine „Tätigkeiten” in irgendeiner Weise später „vergütet” werden, was aber über die Jahre in Vergessenheit geraten war. Eine diesbezügliche Vereinbarung über die Erbringung von konkreten vom Kläger zu erbringenden Leistungen und deren Umfang sowie die Höhe einer Vergütung hatten der Kläger und Frau S weder bei der Erteilung der Vollmachten noch in der Folgezeit geschlossen.
Erst am kam es zu einer vom Kläger vorformulierten und von Frau S unterzeichneten „Vergütungsvereinbarung”, bei der die unter A.) genannte Frau S als Vollmachtgeberin und Betreute und der – unter B.) genannte - Kläger als Bevollmächtigter und Betreuer bezeichnet wurden. Diese Vereinbarung hatte folgenden Inhalt:
„Vorbemerkung:
Die dieser Vereinbarung zugrundeliegenden Verträge wurden am geschlossen. Die Vertragsschließenden waren sich von vornherein darüber einig, dass die Tätigkeit des B.) von A.) zu vergüten ist. Eine Regelung sollte aber erst erfolgen, wenn Art und Umfang der Tätigkeit erkennbar werden würden. Dabei ist es bis jetzt verblieben.
Dies vorausgeschickt schließen die Beteiligten folgende
Vereinbarung:
Die Vergütung wird einvernehmlich pauschal auf 50 €/Monat festgesetzt.
Die Vergütung steht B.) rückwirkend ab zu; sie beläuft sich für die Zeit bis zum auf (100 Monate x 50 =) 5.000 €.
B.) ist berechtigt, über die Vergütung im Rahmen seiner Vollmacht jederzeit zu verfügen.
Sollte sich der Betreuungsaufwand künftig erhöhen, ist eine Vergütung entsprechend anzupassen.
Lehrte, den Unterschriften
Anpassung der Vergütung
Die Vergütung wird mit Wirkung zum auf 60 €/Monat angehoben.
Lehrte, den Unterschriften”
Nach Angaben des Klägers war Anlass für diese Vereinbarung, dass ein Ratensparvertrag von Frau Sack in 2016 aufgelöst werden sollte und ihr dann Geldmittel für eine „Vergütung” zur Verfügung standen.
Aufgrund der bestehenden Bankvollmacht überwies der Kläger am einen Betrag in Höhe von 5.000 € vom Konto der Frau S auf sein Konto.
Am schrieb der Kläger nach einem Zerwürfnis mit dem Betreff „Kündigung der Vorsorgevollmacht/ des Betreuungsvertrags vom ” an Frau S, verzichtete hierin auf sein Erbe und machte im Rahmen einer „Schlussrechnung” weitere Beträge in Höhe von 1.480 € aus der Vereinbarung vom / geltend. Auch diesen Betrag buchte er im Rahmen der Bankvollmacht vom Konto der Frau S ab und überwies ihn in zwei Teilbeträgen auf sein Konto.
Mit der Einkommensteuererklärung 2016 legte der Kläger die vorgenannten Vollmachten und die Vergütungsvereinbarung dem beklagten Finanzamt vor und erfragte die steuerlichen Folgen.
Im Zuge der Veranlagung berücksichtigte der Beklagte den Betrag von 5.000 € als Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit und gewährte diesbezüglich die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 2.400 €, so dass sich die steuerpflichtigen Einkünfte insoweit auf 2.600 € beliefen.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein. Er rügte die Nichtberücksichtigung von Betriebsausgaben. Diese würden sich auf mindestens 50 v.H. der Vergütung belaufen, so dass sich im Ergebnis lediglich ein steuerlicher Gewinn von 100 € ergeben würde.
Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26 EStG zu Unrecht gewährt worden sei. Da auch ein Abzug von pauschalen Betriebsausgaben in Höhe von 50 v.H. der Vergütung nicht möglich sei, wies der Beklagte den Kläger auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung zu seinen Lasten hin.
Noch im Einspruchsverfahren legte der Kläger anschließend eine „Berichtige Anlage Kostenschätzung aus Betreuertätigkeit” vor. Danach waren dem Kläger Kosten – im Wesentlichen Fahrtkosten für Besuche - für die 100 Monate Betreuungstätigkeit in Höhe von insgesamt 5.300 € und damit ein Verlust entstanden.
Da der Kläger trotz des Hinweises auf die Verböserung den Einspruch nicht zurücknahm, wies der Beklagte den Einspruch im Wesentlichen als unbegründet zurück. Der Beklagte setzte dabei Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in Höhe von 4.616 € an. Nach den Ermittlungen des Beklagten entfielen nur 384 € an Aufwendungen auf das Streitjahr.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger sein Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor:
Er sei seit dem Veranlagungszeitraum 2006 als sogenannter Generalbevollmächtigter für eine ältere Dame tätig geworden. Für diese Tätigkeit habe er im Zeitraum Juli 2006 – Oktober 2014 eine Zahlung von 5.000 € erhalten. Dem Kläger seien jedoch PKW-Kosten und Verwaltungskosten pro Jahr in Höhe von 698 € entstanden. Daraus resultiere ein Gesamtverlust in Höhe von ./. 300 €. Bezüglich der Berechnungen wird auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom Bezug genommen. Bei den PKW-Kosten handele es sich um wöchentlich 3 Fahrten zum Wohnort der betreuten Person. Hinzu kämen geschätzte Verwaltungskosten in Höhe von 100 € pro Jahr.
Diese Betriebsausgaben habe der Kläger erst im Jahr 2016 geltend gemacht, weil auch in diesem Jahr erst die Einnahmen zugeflossen seien. Die Ausgaben seien jedoch zum Großteil in den Vorjahren entstanden. Eine Kostenerstattung sei von vornherein vorgesehen gewesen. Die schriftliche Vereinbarung über deren Höhe sei jedoch erst in 2014 getroffen worden, weil sich der Kläger bis dahin nicht über die Frage der Angemessenheit im Klaren gewesen sei. Im Hinblick auf die persönlichen Beziehungen sei die Vergütung hauptsächlich als pauschaler Kostenersatz gedacht und weniger als eine Vergütung für die Tätigkeit. Eine Gewinnerzielungsabsicht habe dem Kläger ferngelegen. Die Abschlagzahlung in Höhe von 5.000 € sei erst am erfolgt, weil seinerzeit ein Ratensparvertrag der Betreuten fällig gewesen sei. Mangels Gewinnerzielungsabsicht hätten die Betriebsausgaben auch in den Vorjahren nicht geltend gemacht werden können. Eine Versteuerung der 5.000 € ohne Berücksichtigung von in den Vorjahren angefallenen Betriebsausgaben verstoße gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2016 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus der Tätigkeit als Generalbevollmächtigter in Höhe von 4.616 € nicht der Besteuerung unterworfen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung des Klageabweisungsantrags trägt der Beklagte wie folgt vor:
Entgegen dem Vortrag des Klägers seien die Vergütungen nicht als pauschaler Kostenersatz vereinbart worden. Entsprechend der Vergütungsvereinbarung vom sei von einer „Vergütung” des Klägers auszugehen. Zudem sei unter Tz. 4 der Vergütungsvereinbarung vereinbart worden, dass bei einem höheren Betreuungsaufwand die Vergütung entsprechend anzupassen sei. Mit Wirkung zum 1. Juli 2016 habe sich schließlich die monatliche Vergütung von 50 € auf 60 € erhöht. Demnach habe sich der Kläger konkret für die Betreuung eine Vergütung zahlen lassen, so dass hier von Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen sei. Bezüglich der Abziehbarkeit der mit den Einnahmen in Zusammenhang stehenden, in den Jahren 2006 – 2014 angefallenen Aufwendungen, sei auf das Abflussprinzip des § 11 EStG hinzuweisen. Aufgrund der Zahlungsweise (Einmalbetrag für mehrjährige Tätigkeiten) liege jedoch eine Zusammenballung von Einkünften vor. Die Einkünfte des Zeitraums – in Höhe von 5.000 € könnten demnach im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG begünstigt besteuert werden.
Gründe
1. Die Klage ist begründet.
Der Einkommensteuerbescheid 2016 vom in Gestalt des Einspruchsbescheides vom ist rechtswidrig, soweit dort Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in Höhe von 4.616 € steuererhöhend erfasst sind, und verletzt insoweit den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO-).
Bei der streitbefangenen Einmalzahlung von 5.000 € handelt es sich nicht um Einkünfte, die dem Einkünftekatalog des § 2 Abs. 1 Nrn. 1 bis 7 EStG zugeordnet werden können. Die Zahlung ist weder als Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 des Einkommensteuergesetzes – EStG- noch als Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen.
a. Das EStG belastet nur die in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG aufgezählten sieben Einkunftsarten. Dieser Einkünftekatalog typisiert den Ausgangstatbestand der Einkommensteuer wirklichkeitsnah und realitätsgerecht, nennt die die Einkommensteuer begründenden Erwerbsgrundlagen abschließend. Einnahmen außerhalb dieses Erwerbsgeschehens sind nicht steuerbar (, BStBl. II 2012, 581).
Die Einkommensteuer ist keine Bereicherungssteuer; nicht jeder Vermögenszuwachs begründet eine Einkommensteuerbarkeit. Vielmehr nimmt der Staat über die Einkommensteuer am Erfolg individuellen Erwerbsstrebens durch Nutzung einer den Zugang zum Markt verschaffenden Erwerbsgrundlage teil. Ist die Erwerbsgrundlage nicht auf Vermögensmehrung ausgelegt oder zielt die Nutzung dieser Erwerbsgrundlage nicht auf das Erwirtschaften eines Vermögenszuwachses, so dienen Vorkehrungen und Tätigkeit nicht der Einkünfteerzielung, sondern anderen Zwecken, in der Regel der Gestaltung des persönlichen Lebens. Die nicht auf Erwerb, nicht auf den Erfolg eines Einkommens angelegte Tätigkeit ist einkommensteuerrechtlich unerheblich (vgl. Kirchhof in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 2019, § 2 EStG Rz. 39, 85).
b. Der Senat konnte im Streitfall ein individuelles Erwerbsstreben des Klägers durch Nutzung einer den Zugang zum Markt verschaffenden Erwerbsgrundlage nicht feststellen.
aa. Zu Unrecht geht das Finanzamt davon aus, dass der Kläger im Streitfall Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit als Berufsbetreuer erzielt (vgl. hierzu , BStBl. II 2010, 906).
Erfasst werden hier aber in der Regel nur die vom Betreuungsgericht gemäß § 1896 BGB bestellten Berufsbetreuer. Der Besteuerung unterliegen dabei die vom Betreuungsgericht gewährten Vergütungssätze für konkret nachzuweisende Betreuungsleistungen.
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall – wovon nun auch der Beklagte ausgeht - nicht gegeben. Der Senat konnte nicht feststellen, dass der Kläger überhaupt irgendwelche Betreuungsleistungen in diesem Sinne erbracht hat, die insoweit zu Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) führen könnten.
bb. Eine Zuordnung zur Einkunftsart der sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) – hier könnten nur die Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG betroffen sein - kommt im Ergebnis ebenfalls nicht in Betracht.
Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten noch zu den Einkünften i.S. der Nummern 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen.
(1) Eine sonstige Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich betrifft, Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und eine Gegenleistung auslöst. Danach kommt jedes wie auch immer geartete aktive, passive oder nicht wirtschaftliche Verhalten in Betracht. Dauer und Häufigkeit der Leistungen sind ebenso wenig von Bedeutung wie ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Auch eine nur einmalige Tätigkeit kann den Tatbestand erfüllen (, BStBl II 2008, 469 m.w.N.). Allerdings führt nicht jede Einnahme, die durch ein Verhalten ausgelöst wird, zu Einkünften im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG. Sie muss vielmehr das Ergebnis einer Erwerbstätigkeit oder Vermögensnutzung sein und setzt damit ein erwerbswirtschaftliches Verhalten im Sinne von § 2 EStG voraus (, BFH/NV 2009, 1253 unter II.2.c). Das verlangt aber nicht, dass der Leistende bereits beim Erbringen seiner Leistung eine Gegenleistung erwarten müsste. Ausreichend ist vielmehr, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem Verhalten gewährte Gegenleistung als solche annimmt (, BFH/NV 2009, 1253).
Von dem Bereich der steuerbaren sonstigen Leistung sind danach die Fälle auszuscheiden, in denen tatsächlich keine erwerbswirtschaftlichen Zwecke des Steuerpflichtigen, sondern private Motive für das Verhalten des Steuerpflichtigen entscheidend sind.
An dem Willen zur Einkünfteerzielung sowie an dem hierauf gerichteten Leistungsaustausch fehlt es grundsätzlich, wenn sich die maßgeblichen Handlungen im Bereich einer privaten Lebensgemeinschaft vollziehen; so zum Beispiel, wenn Angehörige im Rahmen des familiären Zusammenlebens oder auf der Grundlage einer nichtehelichen Wirtschaftsgemeinschaft Pflegeleistungen erbringen. Solche Dienste sind der einkommensteuerlich unbeachtlichen Privatsphäre zuzuordnen (, BStBl. II 1999, 776 m.w.N.).
Hierzu zählen auch nachbarschaftliche Hilfsleistungen, die im Rahmen der Pflege und Betreuung einer älteren Person erbracht werden. Diese Hilfeleistungen gehören dann nicht dem Bereich steuerlicher Einkünfteerzielung an, wenn die Handlungen nach dem Gesamtbild der Umstände nicht mit Pflegeleistungen gleichzusetzen sind, die typischerweise um des Entgeltes Willen erbracht werden, eine Entgeltvereinbarung nicht vorliegt und die im Wege der Erbeinsetzung erfolgte Zuwendung den Wert der erbrachten Leistungen übersteigt (vgl. , juris).
(2) Nach Maßgabe dieser Grundsätze gehören auch die nachbarschaftlichen Hilfsleistungen des Klägers nicht dem Bereich steuerlicher Einkünfteerzielung an. Zwar können auch Pflege- und Betreuungsdienstleistungen Gegenstand entgeltlicher Verträge sein. Die Hilfeleistungen des Klägers sind jedoch nach dem Gesamtbild der Umstände nicht mit Pflegetätigkeiten gleichzusetzen, die typischerweise im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbracht werden bzw. eine Gegenleistung auslösen.
Im Vordergrund stand stattdessen die jahrlange nachbarschaftliche Beziehung und die Freundschaft zu seiner Frau, mit anderen Worten die persönliche Verbundenheit, die den Kläger dazu veranlasste, Frau S den von ihr ungeliebten Schriftverkehr abzunehmen und bei Eintritt des Betreuungsfalls ihr als Betreuer zur Seite zu stehen. Nach der glaubhaften Schilderung des Klägers handelte es sich bei der Entgegennahme der Vollmachten um rein vorsorgliche Maßnahmen. Konkrete Betreuungsleistungen sind in diesem Zusammenhang weder vereinbart worden noch sind diese tatsächlich angefallen. Die punktuelle Hilfe beim Schriftverkehr mit Behörden, regelmäßige Besuche, auch zum Kartenspielen und teilweise ohne konkreten Anlass sowie die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geschilderten Hilfeleistungen in Einzelfällen (gebrauchter Fernseher gekauft, Perücke besorgt) gehen nach der Überzeugung des Senats nicht über das hinaus, was üblicherweise im Rahmen einer guten nachbarschaftlichen Beziehung unentgeltlich erbracht wird. So war es im Übrigen über 8 Jahre hinweg auch im Streitfall.
Zwar schließt die Versteuerung als sonstige Einkünfte nicht aus, wenn als Freundschaftsdienst gedachte Leistungen später vergütet werden und diese Vergütung als Gegenleistung angenommen wird (vgl. , BStBl. II 2005, 44 betr. als Gegenleistung für eine Vermittlungstätigkeit angenommene Provision).
Im Streitfall kommt eine Vergleichbarkeit mit dieser vom BFH ausgeurteilten Fallkonstellation jedoch nicht in Betracht. Im Unterschied hierzu kann der Senat im vorliegenden Fall der Zahlung des Betrags von 5.000 € keine konkreten Leistungen des Klägers zuordnen, die nachträglich vergütet wurden. Betreuungsleistungen sind nicht angefallen und waren auch nicht erforderlich (nur Betreuungsverfügung). Auch eine Tätigkeit als Generalbevollmächtigter ist – anders als die schriftliche Vereinbarung vom vermuten lässt – nicht erkennbar. Allein das Innehaben einer Vorsorgevollmacht, die rein vorsorglich für den Betreuungsfall vorgesehen ist, ist keine steuerrelevante Erwerbstätigkeit, die eine Vergütung auslösen kann. Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung begründen auch – anders als der Kläger zu meinen scheint (siehe Vorbemerkung der Vereinbarung vom ) - keine zivilrechtlichen Verträge, aus denen sich ein Gegenleistungs- bzw. Vergütungsanspruch herleiten ließe.
Wird in einem solchen Fall nach über 8 Jahren etwas „vergütet”, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein, kann dieses unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls nicht als klassische Vergütung im Einzelnen zuvor erbrachter Leistungen gewertet werden, sondern vielmehr als „vergüten” im Sinne von „wiedergutmachen”, m.a.W. im Sinne einer freigebigen Geldzuwendung (im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes) und nicht als steuerpflichtige Gegenleistung.
Verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Beklagten, der insoweit die Feststellungslast (Beweislast) für steuererhöhende Umstände trägt.
Nach alledem hatte die Klage in vollem Umfang Erfolg.
2. Die Neuberechnung und Neufestsetzung der Einkommensteuer 2016 wird dem beklagten Finanzamt gemäß § 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO übertragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Fundstelle(n):
ErbStB 2019 S. 344 Nr. 12
UVR 2019 S. 365 Nr. 12
EAAAH-31466