Unionsrechtliche Umsatzsteuerbefreiung für die Erteilung von Tangounterricht
Leitsatz
1. Der von einer ausgebildeten, selbstständig tätigen Tänzerin einer Gruppe von Tanzschülern erteilte Tangounterricht kann als von einem Privatlehrer erteilter Schul- und Hochschulunterricht i. S. d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL umsatzsteuerfrei sein (Ausführungen zu den unionsrechtlichen Anforderungen an „Schul- und Hochschulunterricht”). Dem Merkmal „Privatlehrer” steht es nicht entgegen, dass die Unterrichtseinheiten mehreren Tanzschülern gleichzeitig erteilt werden. Insoweit ist auch unerheblich, ob die der Unterrichtserteilung zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen unmittelbar mit den Schülern oder mit Dritten (zum Beispiel mit deren Eltern) bestanden haben.
2. Schul- oder Hochschulunterricht wird dann i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von „Privatlehrern erteilt”, wenn die Lehrer dabei für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln und zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den Qualifikationen der Unterrichtenden grundsätzlich ein Zusammenhang besteht [vgl. (Haderer)]. Eine darüber hinausgehende, besondere pädagogische Qualifikation fordert das Unionsrecht nicht.
Gesetze: UStG § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG § 4 Nr. 21 Buchst. bRichtlinie 2006/112/EG Art. 132 Buchst. iRichtlinie 2006/112/EG Art. 132 Buchst. j
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob von der Klägerin erteilter Tangounterricht von der Umsatzsteuer befreit ist.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr Umsätze aus ihren Tätigkeiten als Dolmetscherin, im Filmgeschäft und als Tangolehrerin. Den Tangounterricht erteilte die Klägerin einerseits an der Volkshochschule – VHS – B… und andererseits als Privatlehrerin.
In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr behandelte sie die Umsätze, die sie für die VHS ausgeführt hatte, als umsatzsteuerfrei. Der Beklagte folgte dem zunächst.
Im Juni 2014 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Dabei kam der Prüfer zu der Auffassung, dass die Umsätze aus der Tätigkeit als Tanzlehrerin entgegen der Auffassung der Klägerin nicht steuerfrei seien. Steuerfrei nach § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz – UStG – seien unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen einer privaten Schule oder einer anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtung. Das Erlernen des Tangos diene hingegen der Freizeitgestaltung und die Umsätze der Klägerin aus den VHS-Kursen seien folglich mit dem Regelsteuersatz von 19 % zu besteuern. Im Jahr 2012 hätten sich die Einnahmen auf 4.220 EUR belaufen. Die Bemessungsgrundlage für die steuerpflichtigen Umsätze betrage 3.546 EUR und die darauf entfallende Steuer 673 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht vom verwiesen.
Mit dem Bescheid über Umsatzsteuer für 2012 vom wertete der Beklagte den Bericht aus und setzte für alle Umsätze aus der Tätigkeit der Klägerin als Tanzlehrerin Umsatzsteuer fest.
Mit ihrem Einspruch vom machte die Klägerin geltend, dass sie sich als EU-Bürgerin auf das EU-Recht berufen könne. Sofern das nationale Recht, hier § 4 Nr. 21 UStG nicht zutreffe, sei der Beklagte zur Anwendung des EU-Rechts verpflichtet. Hinsichtlich ihrer Tätigkeit bei der VHS als Tangolehrerin berufe sie sich auf Art. 132 Buchstabe i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem – Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) –. Hinsichtlich ihrer selbständigen Tätigkeit berufe sie sich auf die Steuerfreiheit nach Art. 132 Buchst. j MwStSystRL. Soweit der Beklagte auf den Charakter der Kurse als Freizeitgestaltung hingewiesen habe, führe dies nicht zwingend zur Nichtanwendbarkeit der genannten Vorschriften. Im Übrigen habe es sich entgegen der Behauptung des Beklagten bei den Tangokursen nicht um eine reine Freizeitgestaltung gehandelt. Gleichartige Angebote fänden sich auch im Hochschulbereich wie etwa bei der Freien Universität Berlin Das Ziel der Kurse bestehe darin, Bildung und Wissen sowie die Entwicklung der Persönlichkeit zu fördern. Insoweit handele es sich um Kernaufgaben, die Gegenstand von Maßnahmen der EU zur Qualifizierung der Bevölkerung seien und durch die Befreiung von der Umsatzsteuerbelastung gefördert werden sollten. Der Bundesfinanzhof – BFH – habe in seinem Urteil vom ausgeführt, dass Kurse, die es einem Teilnehmer ermöglichten, die vermittelten Kenntnisse und Fähigkeiten durch Vertiefung und Fortentwicklung zu nutzen, auch dann unter die Steuerbefreiung fielen, wenn von dieser Möglichkeit nur wenige Teilnehmer Gebrauch machten. Zu Unrecht ziele das Bundesministerium der Finanzen – BMF – mit seinen Schreiben darauf ab, die Anwendung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie auf einen kleinen Bereich zu begrenzen. Es sei unzulässig, auf das Ausschlusskriterium der bloßen Freizeitgestaltung abzustellen. Der BFH habe zwischenzeitlich über ähnliche Sachverhalte wie den hier streitigen entschieden und beispielsweise im Urteil vom (XI R 35/11) in Bezug auf Kampfsportkurse festgestellt, dass es auf die Ziele der die Einrichtung besuchenden Personen für die Steuerbefreiung nicht ankomme.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom als unbegründet zurück. Zur Begründung führte aus, dass nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchstabe bb UStG die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen umsatzsteuerfrei seien, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinige, dass sie auf einen Beruf oder eine einer juristischen Person des öffentlichen Rechts obliegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiteten. Die Norm beruhe auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL. Mit Urteil vom habe der BFH entschieden, dass für die Annahme eines Schul- und Hochschulunterrichts entscheidend sei, ob vergleichbare Leistungen in Schulen erbracht würden und ob die Leistungen der bloßen Freizeitgestaltung gedient hätten. Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde sei ein Indiz dafür, dass Leistungen, die tatsächlich dem Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprächen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung hätten. Dieses Urteil berücksichtige bereits die EU- Richtlinie vom . Eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde habe die Klägerin trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Nach Aktenlage seien die Tangokurse auch nach EU-Recht nicht umsatzsteuerfrei, weil sie nicht auf einen Beruf vorbereiteten, sondern der bloßen Freizeitgestaltung dienten.
Mit Schreiben vom legte die Klägerin Einspruch gegen den Umsatzsteuer-Bescheid für 2010 ein und führte zur Begründung aus, dass dies geschehe, um gegebenenfalls bei einer für sie günstigen Entscheidung des Finanzgerichts die für sie gültige Rechtslage nutzen zu können. Das Vorliegen einer Bescheidung einer Landesbehörde sei nicht erforderlich, weil dies in der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nicht gefordert werde. Vielmehr habe der Gerichtshof der Europäischen Union – EuGH – mit Urteil vom festgestellt, dass die Richtlinie so auszulegen sei, dass die Mehrwertsteuerfreiheit von gewerblichen Bildungsdienstleistungen zu gewähren sei, wenn die Zielsetzung der nicht öffentlichen Einrichtungen berücksichtigt werde.
Mit ihrer am erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass der Beklagte im Rahmen der Prüfung den Sachverhalt unzureichend aufgeklärt habe. Die in der Einspruchsentscheidung herangezogene nationale Gesetzesgrundlage rechtfertige die Ablehnung der Umsatzsteuerfreiheit nicht. Der Beklagte irre, wenn er ausführe, dass § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchstabe bb UStG auf Art. 132 Abs. 1 i MwStSystRL beruhe. Dies benachteilige sie, die Klägerin. Die Forderung des Beklagten, eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vorzulegen, ergebe sich nicht notwendig aus der Richtlinie, sondern allein aus der überholten Vorschrift des § 4 Nr. 21 UStG.
Der Beklagte stütze sich allein darauf, dass die Kurse nicht geeignet seien, auf einen Beruf vorzubereiten, sondern allein der Freizeitgestaltung dienten. Einen konkreten Beleg hierfür habe der Beklagte nicht vorgelegt. Unstreitig habe sie, die Klägerin, in ihren Tangokursen die Fähigkeiten vermittelt, die es den interessierten Teilnehmern ermöglichten, nicht nur die erlernten Kursinhalte zu praktizieren, sondern auch als Baustein einer Berufsausbildung zum Tanzlehrer zu nutzen. Die Ausbildung erstrecke sich auf Theorie und Praxis des Tango sowie die Darstellung seiner historischen Entwicklung.
Dass sich die Umsatzsteuerfreiheit aus dem vom Beklagten angeführten ergebe, hätte dieser selbst erkennen können. Denn danach sei jede Schulungsmaßnahme von der Umsatzsteuer befreit, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse diene. Für einen am Beruf des Tangolehrers Interessierten seien die von ihr, der Klägerin, erteilten Kurse Beginn einer Ausbildung. Ihre persönliche Eignung ergebe sich aus den von ihr erworbenen Qualifikationen und Zertifikaten.
Wenn der Beklagte die Umsatzsteuerfreiheit von Umsätzen für Musikunterricht nach dem anerkenne, müsse er dies konsequenterweise auch für Tangounterricht tun. In beiden Fällen handelt es sich um Kultur übermittelnde und ausbildende Unterrichtshandlungen. Für beide Kulturtätigkeiten gebe es Berufe und demzufolge Ausbildungsgänge und Strukturen. An vielen Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland werde Tangounterricht erteilt. Die Ausbilder hätten ihrerseits selbst eine mehrjährige Ausbildung genossen. Im Übrigen verweise sie, die Klägerin, auf die Stellungnahmen ihres Ehemannes.
Der Beklagte legte den Einspruch der Klägerin betreffend Umsatzsteuer 2010 als Antrag auf Änderung aus und lehnte diesen mit Bescheid vom ab. Er wiederholte insoweit die hinsichtlich der Umsatzsteuer 2012 vorgebrachten Argumente. Darauf hat die Klägerin mit ihrem am bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom die Klage hinsichtlich des Jahres 2010 erweitert. Das zunächst insofern unter dem Aktenzeichen 5 K 5001/16 geführte Verfahren hat der Senat mit Beschluss vom zum hiesigen Verfahren verbunden.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 2012 unter Aufhebung des Bescheides vom und der Einspruchsentscheidung vom dahingehend neu festzusetzen, dass die Umsätze der Klägerin aus den von ihr erteilten Tangokursen unberücksichtigt bleiben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt ergänzend aus, dass die Klägerin für ihre Behauptung, dass ihre Tanzkurse nicht der Freizeitgestaltung dienten, die Feststellungslast trage. Es sei nicht nachvollziehbar, warum diese sich nicht um eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde bemüht habe. Bei der Stellungnahme ihres Ehemannes handele es sich nicht um die eines unabhängigen Gutachters.
Der Bundesfinanzhof habe in seinem Beschluss vom bestätigt, dass Unterrichtsleistungen nach nationalem Recht umsatzsteuerpflichtig seien und lediglich ernstliche Zweifel daran geäußert, ob in diesem Fall das günstigere Unionsrecht anwendbar sei.
Hinsichtlich des Streitjahres 2010 stimme er, der Beklagte, einer Sprungklage nicht zu.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Verfahrensakte sowie der Gerichtsakte 5 K 5001/16 folgende Akten des Beklagten vorgelegen: ein Band „Umsatzsteuerakten” (blattiert bis Bl. 124) sowie ein Band „Berichte über Umsatzsteuer-Sonderprüfungen” (unblattiert).
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid vom ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zu Unrecht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erbrachten Unterrichtsleistungen umsatzsteuerpflichtig sind.
Die Leistungen der Klägerin sind zwar nach nationalem Recht nicht steuerfrei. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG liegen nicht vor, weil weder eine staatliche Genehmigung nach Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz – GG – noch eine landesrechtliche Erlaubnis vorliegt. Eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde im Sinne von § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG liegt nicht vor. Auch die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG greift nicht ein, da es sich bei der Klägerin weder um eine Hochschule im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes noch eine öffentliche allgemeinbildende oder berufsbildende Schule oder private Schule oder andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung handelt, die die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a UStG erfüllt.
Die Klägerin kann sich jedoch mit Erfolg auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL und dessen unmittelbare Anwendung berufen. Danach befreien die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht. Die Möglichkeit, sich allgemein auf diese Bestimmung berufen zu können, ist in der Rechtsprechung des BFH und des EuGH geklärt (s. nur , Deutsches Steuerrecht – DStR – 2017, 1655 m.w.N.).
Die Klägerin ist Privatlehrerin. Die MwStSystRL definiert den Begriff des Privatlehrers nicht. Aus ihr ergibt sich lediglich, dass eine befreite Unterrichtstätigkeit „privat” ausgeübt werden muss. Der EuGH hat hierzu entschieden, dass Schul- oder Hochschulunterricht dann im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL von „Privatlehrern erteilt” wird, wenn die Lehrer dabei für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handeln und zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den Qualifikationen der Unterrichtenden grundsätzlich ein Zusammenhang besteht ( – Haderer, Slg. 2007, I-4841, Rn 30 f.). Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze hat die Klägerin die Tangokurse „als Privatlehrer erteilt”, weil sie auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelte und der konkrete Inhalt des von ihr erteilten Unterrichts in unmittelbarem Zusammenhang mit ihren Qualifikationen als ausgebildete Tänzerin stand. Die vorgelegten Bescheinigungen belegen, dass die Klägerin fachlich hinreichend befähigt ist, Unterricht zu erteilen, der nicht lediglich den Charakter einer Freizeitbeschäftigung aufweist. Eine darüber hinausgehende, besondere pädagogische Qualifikation fordert das Unionsrecht nicht (so auch , Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2015, 1576, m.w.N.; Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen durch , BFH/NV 2016, 435).
Dem Merkmal „Privatlehrer” steht es nicht entgegen, dass die Unterrichtseinheiten mehreren Tanzschülern gleichzeitig erteilt werden ( – Haderer, Slg. 2007, I-4841, Rn. 31). Darüber hinaus ist es unerheblich, ob die der Unterrichtserteilung zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen unmittelbar mit den Schülern oder mit Dritten (zum Beispiel mit deren Eltern) bestanden haben (, DStR 2017, 1655 m.w.N.).
Die Klägerin hat Schulunterricht erbracht. Der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts ist in der MwStSystRL ebenfalls nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des EuGH beschränkt er sich aber nicht auf Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern schließt andere Tätigkeiten ein, bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studierenden zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Die nicht einheitlichen Sprachfassungen des Artikel 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL sind dabei dahingehend auszulegen, dass es sich bei Schul- und Hochschulunterricht um Unterrichtseinheiten zur Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende handeln muss (vgl. , DStR 2017, 1655 mit Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung). Der Begriff bezieht sich auf jede Aus- und Fortbildung, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat. Durch diese Beschränkung wird dem Prinzip der engen Auslegung von Steuerbefreiungen hinreichend Rechnung getragen. Auf die Ziele der die Einrichtung besuchenden Personen kommt es für die Steuerbefreiung nicht an. Entscheidend sind vielmehr die Art der erbrachten Leistungen und ihre generelle Eignung als Schul- oder Hochschulunterricht ( –, BStBl II 2008, 323, vom – V R 52/06, BFH/NV 2008, 725; vom – V R 3/05 –, BStBl II 2012, 267, vom – XI R 35/11, BStBl II 2013, 879 und vom – V R 19/13 –, BFH/NV 2014, 1687).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin Unterrichtsleistungen erbracht. Der an der VHS und ansonsten in eigener Verantwortung der Klägerin durchgeführte Tangounterricht verfolgt nach der Überzeugung des Senats nicht nur bloße Freizeitzwecke. Dies folgt zum einen daraus, dass Tanzen allgemein in den Lehrplänen allgemeinbildender Schulen in den Unterrichtsfächern Darstellendes Spiel, Musik und Sport fest verankert ist und der Tangotanz im Besonderen fester Bestandteil des Hochschulsports ist. Gegen die Annahme einer bloßen Freizeitgestaltung für die Teilnehmer spricht ferner, dass das Kursangebot der Klägerin aufeinander aufbaut und diesen die Möglichkeit bietet, ihre Fertigkeiten kontinuierlich zu vervollkommnen. Schließlich handelt es sich insbesondere bei dem von der Klägerin unterrichteten Tango Argentino um eine besonders anspruchsvolle Form des Tanzes, die nicht zum gängigen Repertoire bloßen Freizeitvergnügens zählt, wie dies etwa beim Seniorentanz der Fall ist.
Am Tangounterricht besteht zudem ein Gemeinwohlinteresse. Durch den Umgang mit verschiedenen Bewegungsgrundformen wird die Wahrnehmungsfähigkeit gefördert. Die schöpferisch-gestaltende Handlungssituation fördert zudem in besonderem Maße die soziale Kontaktfähigkeit. Vielfältige konditionelle und koordinative Übungen schaffen die Grundlagen für eine die Aneignung sportlich-künstlerischer Bewegungselemente. Dem entspricht es, dass ein breites Angebot von Tanzmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche auch nach Auffassung der Bundesregierung als gesundheitspolitisch begrüßenswert gilt (s. den 13. Kinder- und Jugendbericht des Bundesministeriums für Familie, 2009, S. 91 ff., 207 ff.). Dieses Gemeinwohlinteresse besteht gleichermaßen, soweit – wie hier – Erwachsene unterrichtet werden.
Weitere Voraussetzungen, wie etwa eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde über die Eignung des Unterrichts zur Berufsvorbereitung, sieht Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL nicht vor. Die Beschränkungen des Art. 134 MwStSystRL sind nicht anwendbar und stehen einer Steuerbefreiung daher nicht entgegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.
Der Senat hat die Revision zugelassen wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 691 Nr. 8
KÖSDI 2018 S. 20747 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 15/2018 S. 993
UStB 2018 S. 104 Nr. 4
EAAAG-78116