Inlandsregelung zur Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen - § 27 Abs. 19 UStG ist verfassungsgemäß
Leitsatz
§ 27 Abs. 19 UStG stellt als Übergangsvorschrift eine Sonderregelung zu § 174 Abs. 3 AO zur Änderung bestandskräftiger indes noch nicht festsetzungsverjährter Besteuerungszeiträume dar.
§ 27 Abs. 19 UStG entspricht verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Regelung begründet keine echte sondern lediglich eine sog. unechte Rückwirkung.
Die Änderungssperre des § 176 Abs. 2 AO steht der Änderung nach § 27 Abs. 19 UStG nicht entgegen.
Gesetze: AO § 174 Abs. 3, AO § 176 Abs. 2, UStG 2005 § 27 Abs. 19, UStG 2005 § 13b, GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist vorläufig nicht rechtskräftig
Tatbestand
Streitig ist die Besteuerung von Bauleistungen.
Die Klägerin erbrachte in 2009 Bauleistungen (Abbruchleistungen) an die Fa. S. (nachf. Rechnungsempfängerin) über insgesamt 5.171,-- EUR netto. Bei Erteilung der Rechnungen gingen sowohl die Klägerin als auch die Rechnungsempfängerin davon aus, dass die Rechnungsempfängerin die für die Bauleistungen entstandene Umsatzsteuer nach § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 i. V. m. § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG schuldet.
Die Klägerin hat unter dem eine Steuererklärung und unter dem eine berichtigte Steuererklärung für 2009 abgeben, denen das Finanzamt mit Bescheiden vom bzw. vom gefolgt ist. Aufgrund einer vom - durchgeführten Außenprüfung ergingen für die Jahre 2009 - 2011 unter dem Änderungsbescheide.
Mit Schreiben vom beantragte die Rechnungsempfängerin bei dem für sie zuständigen Finanzamt unter Hinweis auf das , BStBl II 2014, 128) nicht mehr Steuerschuldnerin für die an sie erbrachten Umsätze zu sein und die aufgrund der erteilten Rechnungen entrichtete Umsatzsteuer von 982,49 EUR zu erstatten.
Der Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben mit, dass aufgrund des Antrags der Rechnungsempfängerin die Regelung des § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 i. V. m. § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG nicht mehr anzuwenden sei. Vielmehr schulde jetzt die Klägerin als leistende Unternehmerin gemäß § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG die Umsatzsteuer auf die von ihr erbrachten Bauleistungen. Dementsprechend erhöhte das Finanzamt die steuerpflichtigen Leistungen der Klägerin um 5.171,-- EUR und erließ mit Datum vom einen nach § 27 Abs. 19 UStG geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2009. Der streitige Steuerbetrag von 982,49 EUR resultiert aus zwei Abrechnungen (Rn.Nr. 1631/09 und 1638/09) in Höhe von netto 4.171,00 EUR und 1.000,00 EUR.
Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der Klage. Sie trägt vor:
Das Wirtschaftsjahr 2009 sei bereits durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung geprüft worden. Im Anschluss sei der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben worden. Eine Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2009 sei daher gemäß § 173 Abs. 2 AO nicht mehr möglich.
Zudem stehe einer Änderung der Steuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG der Vertrauensschutz gemäß § 176 AO entgegen. Sowohl sie (Klägerin) als auch der Rechnungsempfänger seien im Dezember 2009 davon ausgegangen, dass es sich bei der erbrachten Leistung um eine Bauleistung handele und beide Vertragsparteien Bauleistende seien. Dementsprechend sei der Auftrag nach § 13b UStG (netto) abgerechnet und bezahlt worden.
Eine nachträgliche Geltendmachung des (zivilrechtlichen) Anspruchs auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber der Rechnungsempfängerin gehe ins Leere, weil dieser sich auf die Verjährung berufe. Insoweit wird auf ein Schreiben des Rechtsanwalts W. (Bevollmächtigter der Rechnungsempfängerin) vom Bezug genommen.
Die dreijährige zivilrechtliche Verjährungsfrist beginne mit Ablauf des Jahres, in dem die Leistung ausgeführt worden sei. Dementsprechend sei im Streitfall spätestens mit Ablauf des Kalenderjahrs 2013 Verjährung eingetreten.
Das FG Berlin/Brandenburg habe in einem vergleichbaren Fall einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) stattgegeben und erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel an der Anwendbarkeit des § 27 Abs. 19 UStG geäußert (Beschluss vom - 5 V 5026/15, UR 2015, 592). So habe das Gericht in dem AdV-Beschluss ausgeführt, dass die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 19 UStG eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung begründen könnte. Außerdem sei das Gericht davon ausgegangen, dass eine Weiterbelastung der Umsatzsteuer an den Bauträger als Rechnungsempfänger regelmäßig wegen zivilrechtlicher Verjährung ausgeschlossen sei.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom und Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2009 in der Fassung vom die Umsatzsteuer um 982,49 EUR herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Gesetzgeber habe mit § 27 Abs. 19 UStG eine Vorschrift geschaffen, die sowohl eine Regelung zur Steuerfestsetzung enthalte (§ 27 Abs. 19 Satz 1 und 2 UStG) als auch die Möglichkeit der Abtretung vorsehe (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG). Ziel der Norm sei einerseits, die unstreitig entstandene Umsatzsteuer festzusetzen, und andererseits, diese Forderung mit Rücksicht auf die Situation des leistenden Unternehmers auch durchzusetzen.
Um die Klägerin finanziell nicht zu belasten, ihre schutzwürdigen Interessen zu berücksichtigen und ihr ggf. einen Zivilrechtsstreit mit der Leistungs- und Rechnungsempfängerin zu ersparen, sei ihr vom Finanzamt mit Schreiben vom die Möglichkeit der Abtretung angeboten worden.
Aus den von der Klägerin überlassenen Unterlagen gehe nicht hervor, dass diese versucht habe, ihren zivilrechtlichen Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuern gegenüber ihrer Leistungsempfängerin geltend zu machen. Ebenso gehe aus dem Schreiben des Rechtsanwalts der Leistungsempfängerin vom nicht hervor, dass sich diese auf die Einrede der Verjährung berufen habe.
Die Klägerin habe gegenüber ihrer Leistungsempfängerin einen zivilrechtlichen Umsatzsteuernachforderungsanspruch, der noch nicht verjährt sei. Der zivilrechtliche Umsatzsteuernachforderungsanspruch der Klägerin gegen die Leistungsempfängerin beruhe auf den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB. Geschäftsgrundlage sei die übereinstimmende Vorstellung beider Vertragsparteien gewesen, dass die Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer schulde. Nachdem sich diese Vorstellung beider Vertragsparteien als unrichtig erwiesen habe, könne die Klägerin im Wege der Vertragsanpassung einen Umsatzsteuernachforderungsanspruch gegen ihren Vertragspartner (Leistungsempfängerin) geltend machen. Dieser Anspruch unterliege einer selbständigen Verjährung nach den Bestimmungen der §§ 194 ff BGB. Die regelmäßige Verjährung beginne nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich erst zum Schluss des Jahres, in dem Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Die anspruchsrelevante Tatsache sei vorliegend das , BStBl. II 2014, 128). Folglich würde die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 195 BGB für den (zivilrechtlichen) Umsatzsteuernachforderungsanspruch erst Ende 2013 beginnen und frühestens Ende 2016 enden.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2009 gemäß § 27 Abs. 19 UStG ist zu Recht erfolgt.
Gemäß § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ist für den Fall, dass Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt, die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein.
Sowohl die Klägerin (Leistungserbringerin) als auch die Leistungs- und Rechnungsempfängerin (Fa. S.) sind bei Leistungserbringung davon ausgegangen, dass die Fa. S. gemäß § 13b UStG die Umsatzsteuer in Zusammenhang mit den von der Klägerin erbrachten Bauleistungen (Abbrucharbeiten) in 2009 schuldet. Nach Bekanntwerden des , BStBl II 2014, 128) stellte sich diese Annahme als unrichtig heraus, weil die Leistungs- und Rechnungsempfängerin als Bauträger nicht selbst Werklieferungen ausführte. Die Fa. S. hat mit Schreiben vom von dem für sie zuständigen Finanzamt die Erstattung des streitigen Umsatzsteuerbetrages von 982,49 EUR gefordert. Der Beklagte hat daraufhin den Änderungsbescheid nach § 27 Abs. 19 UStG erteilt.
1. § 27 Abs. 19 UStG stellt als Übergangsvorschrift eine Sonderregelung zu § 174 Abs. 3 AO zur Änderung bestandskräftiger aber noch nicht festsetzungsverjährter Besteuerungszeiträume dar (Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 13b Rz. 157; ausführlich ders., DB 2015, 572, 576 m. w. N.).
Der Änderungsbescheid nach 27 Abs. 19 UStG datiert vom . Zu diesem Zeitpunkt war die vierjährige Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 1 AO i. V. m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO noch nicht abgelaufen. Die Klägerin hat unter dem eine Steuererklärung und unter dem eine berichtigte Steuererklärung für 2009 abgeben, denen das Finanzamt mit Bescheiden vom bzw. vom gefolgt ist. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wird. Da die (erste) Steuererklärung für 2009 in 2010 eingereicht wurde, beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2010. Die Änderung des Bescheides erfolgte am und mithin noch innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist.
Der Beklagte war an der Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzung 2009 durch die Grundsätze des Vertrauensschutzes nicht gehindert.
2. Der Änderung nach § 27 Abs. 19 UStG steht die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO nicht entgegen.
Nach § 173 Abs. 2 AO können Steuerbescheide, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Grundgedanke dieser Vorschrift ist, dass nach Durchführung einer Außenprüfung davon auszugehen ist, dass der Finanzbehörde alle Tatsachen, die für die Festsetzung der Steuern von Bedeutung sind, bekannt sind. Die Finanzbehörde hatte dann jedenfalls bei der Außenprüfung die Möglichkeit, diese umfassenden Ermittlungen durchzuführen. Ergeben sich nach Auswertung des Ergebnisses dann noch neue Tatsachen, so hat insoweit die Finanzbehörde ihre Möglichkeit, diese Tatsachen bei der Steuerfestsetzung noch zu verwerten, gleichsam verwirkt (Klein/Rüsken, AO, § 173 Anm. 141).
Die Vertrauensschutzregelung des § 173 Abs. 2 AO bezieht sich allerdings ausschließlich auf Änderungen im Sinne von § 173 Abs. 1 AO (neue Tatsachen oder Beweismittel), nicht aber auf Änderungen, die aufgrund anderer Vorschriften erfolgen (, BStBl II 1993, 425).
Im Streitfall erfolgte die Änderung aufgrund der Sonder- und Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 UStG, so dass die Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO nicht greift.
3. Der Änderung nach § 27 Abs. 19 UStG steht auch die Änderungssperre des § 176 Abs. 2 AO nicht entgegenstehen.
§ 176 Abs. 2 AO bestimmt, dass bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden darf, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist.
a) Der Tatbestand des § 176 Abs. 2 AO erfordert, dass die betreffende Beurteilung des obersten Gerichtshofs zeitlich nach dem Erlass des ursprünglichen, aber vor dem Erlass des Änderungsbescheids erfolgt sein muss (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 176 AO, Rdnr. 34, m. w. N.). Der Schutz des § 176 Abs. 2 AO beschränkt sich auf Fälle, in denen im Zeitpunkt der Entscheidung des obersten Gerichtshofs bereits ein Steuerbescheid vorliegt. Unerheblich ist indes, ob die Änderung des Steuerbescheids auf § 164 Abs. 2 AO oder einer anderen Änderungsnorm beruht, da § 176 AO für alle Fälle der Änderung von Steuerbescheiden zu berücksichtigen ist (Rüsken in Klein, AO, § 176 Rdnr. 6, m. w. N.).
Die Finanzverwaltung legte § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG in der im Streitzeitraum 2009 geltenden Fassung zunächst dahingehend aus, dass es für den Wechsel der Steuerschuldnerschaft darauf ankomme, dass der Leistungsempfänger „nachhaltig” bauwerksbezogene Werklieferungen und sonstige Leistungen erbringe und dabei die Summe dieser Leistungen mehr als 10 % seiner steuerbaren Umsätze betrage, wobei die Finanzverwaltung später präzisiert hat, dass dabei auf den „Weltumsatz” des Leistungsempfängers abzustellen sei (vgl. Abschn. 182a Abs. 10 Satz 2 Umsatzsteuerrichtlinien (UStR) 2005, nachfolgend (BStBl I 2009, 1298) und sich daran anschließend Abschn. 13b.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE in der Fassung des BStBl I 2013, 1212).
Der BFH entschied hingegen mit Urteil vom V R 37/10 (a. a. O.), dass § 13b Abs. 2 Satz 2 UStG 2005 (im Wesentlichen gleichlautend zu § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG in der im Streitjahr 2009 geltenden Fassung) dahingehend auszulegen sei, dass der Leistungsempfänger nur dann Steuerschuldner sei, wenn er die an ihn erbrachte Werklieferung oder sonstige Leistung mit Bauwerksbezug seinerseits zur Erbringung einer derartigen Leistung verwende. Dies treffe auf Bauträger, die steuerfreie Grundstückslieferungen ausführen würden, nicht zu, so dass diese Vorschrift auf sie nicht anzuwenden sei.
Vor diesem Hintergrund liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 176 Abs. 2 AO im Streitfall vor. Die ursprüngliche Umsatzsteuerfestsetzung für 2009 datiert vom und hat sich an der zu diesen Zeitpunkten maßgeblichen Erlasslage der Finanzverwaltung orientiert. Im Anschluss, d. h. am , hat der BFH die Auslegung der Finanzverwaltung als nicht mit geltendem Recht in Einklang stehend bezeichnet. Erst im Anschluss an diese Rechtsprechung ist der Änderungsbescheid vom ergangen.
b) Die Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 2 AO ist jedoch durch § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG in verfassungs- und unionsrechtskonformer Weise ausgeschlossen worden.
§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG verstößt nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG –) folgende Rückwirkungsverbot. Die Vorschrift entfaltet keine echte Rückwirkung.
Das BVerfG unterscheidet bei rückwirkenden Gesetzen in ständiger Rechtsprechung zwischen Gesetzen mit echter Rückwirkung, die grundsätzlich nicht mit der Verfassung vereinbar sind und solchen mit unechter Rückwirkung, die grundsätzlich zulässig sind (vgl. z. B. , BVerfGE 135, 1, Rz 40, m. w. N.).
aa) Eine Rechtsnorm entfaltet echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen"; vgl. z. B. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1, Rz 41, m. w. N.).
Von dem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze bestehen Ausnahmen (ständige Rechtsprechung; vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1, Rz 64, m. w. N.). Das Rückwirkungsverbot gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte oder ein Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig war. Für die Frage, ob mit einer rückwirkenden Änderung der Rechtslage zu rechnen war, ist von Bedeutung, ob die bisherige Regelung bei objektiver Betrachtung geeignet war, ein Vertrauen der betroffenen Personengruppe auf ihren Fortbestand zu begründen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unzulässigkeit echter Rückwirkungen ist beispielsweise dann gegeben, wenn die Betroffenen schon im Zeitpunkt, auf den die Rückwirkung bezogen wird, nicht auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung vertrauen durften, sondern mit deren Änderung rechnen mussten (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1, Rz 65, m. w. N.; vgl. Nacke, NWB 2014, 2699).
bb) Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung”, vgl. , BVerfGE 132, 302, Rz 43, m. w. N.). Sie ist grundsätzlich zulässig. Allerdings können sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind erst überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 132, 302, Rz 43, m. w. N.). Dabei geht der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz nicht so weit, vor jeder Enttäuschung zu bewahren; soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 132, 302, BStBl II 2012, 932, Rz 45, m. w. N.).
cc) Im Steuerrecht liegt eine echte Rückwirkung nur vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. z. B. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 135, 1, Rz 42; in BVerfGE 132, 302, Rz 44, jeweils m. w. N.).
Ob die Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 19 UStG eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abgeändert hat und somit eine verfassungsrechtlich unzulässige „echte” Rückwirkung begründet, ist streitig.
Bejaht wird dies - zumindest in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - vom , UR 2015, 592), , UR 2015, 758) und vom Nds. , MwStR 2015, 655) sowie von vielen Stimmen aus dem Schrifttum, vgl. z. B. Hammerl/Fietz, NWB 2014, 2688; Schneider/Mann, NWB 2014, 3911; Fleckenstein-Weiland, BB 2014, 2391; Langer DStR 2014, 1897; Neeser UVR 2014, 333; Prätzler, MwStR 2014, 680; Tehler, UR 2015, 729; Grune in Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, § 27 Abs. 19 Anm. 35f).
Demgegenüber hält das (U), BB 2015, 2390) die Regelung des § 27 Abs. 19 UStG - zumindest in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - für verfassungskonform, ebenso im Ergebnis Widmann, MwStR 2014, 495; Sterzinger UR 2014, 276; Habammer/Schneider, BB 2015, 1108, 1110; Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 13b Rz. 157; ders., DB 2015, 572, 576 differenzierend Listl/Baumgartner, UR 2014, 913).
dd) Nach Auffassung des erkennenden Senats begründet § 27 Abs. 19 UStG keine echte Rückwirkung. Mit der Vorschrift wird keine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abgeändert.
Der BFH hat mit seinem Urteil vom (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) erkannt, dass abweichend von der bisherigen Verwaltungsauffassung (vgl. dazu IV B 9 - S7279/0, BStBl I 2009, 1298) eine Verlagerung der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen gemäß § 13b UStG auf einen Bauträger als Leistungsempfänger tatsächlich nicht eintritt. Als Reaktion auf das für den Fall, dass der Bauträger unter Hinweis auf dieses Urteil die Erstattung der zu Unrecht gemäß § 13b UStG einbehaltenen Umsatzsteuer begehrt, die korrespondierende Umsatzsteuerfestsetzung des Bauunternehmers aber nach allgemeinen Regeln nicht mehr änderbar ist, drohende „fiskalische Fiasko” (vgl. Wäger, UR 2014, 81; Sterzinger, UR 2014, 797; ders., UR 2015, 293), hat der Gesetzgeber die Änderungsmöglichkeit des § 27 Abs. 19 UStG eingeführt ( (U), BB 2015, 2390).
Die Änderungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 19 UStG ist als verfahrensrechtliche Sonderregelung zu § 174 Abs. 3 AO zu verstehen. Mit der Änderung nach § 27 Abs. 19 UStG wird eine widerstreitende Steuerfestsetzung dergestalt korrigiert, dass statt des Leistungsempfängers der Leistungserbringer als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird.
aaa) Bei verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeiten unterscheidet der BFH die echte von der unechten Rückwirkung danach, ob die Festsetzungsfrist für die zu ändernden Bescheide bereits abgelaufen ist.
So hatte der , DStR 2015, 1151) jüngst zu klären, ob die verfahrensrechtliche Korrekturvorschrift des § 32a Körperschaftssteuergesetz - KStG - gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstößt. Mit der Einführung des § 32a KStG durch das Jahressteuergesetz - JStG - 2007 (BStBl I 2007, 28) beseitigte der Gesetzgeber die die durch den Übergang vom Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren entstandene Rechtsfolge, dass bei Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) auf Ebene der Kapitalgesellschaft bestandskräftige Einkommensteuerbescheide des Gesellschafters nicht mehr geändert werden können. Nach § 32a Abs. 1 Sätze 1 und 2 KStG kann, soweit gegenüber einer Körperschaft ein Steuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA erlassen, aufgehoben oder geändert wird, ein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid gegenüber dem Gesellschafter, dem die vGA zuzurechnen ist, oder einer diesem nahestehenden Person erlassen, aufgehoben oder geändert werden. Die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Unanfechtbarkeit des Steuerbescheids der Körperschaft.
Der BFH entschied, dass § 32a KStG eine unechte Rückwirkung begründe, sofern es um die Änderung nicht verjährter Einkommensteuerbescheide geht. Anders falle die verfassungsrechtliche Beurteilung jedoch dann aus, wenn die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer nach § 169, 170, 171 bereits bei Inkrafttreten des § 32a Abs. 1 Sätze 1 und 2 KStG abgelaufen sei (echte Rückwirkung - , DStR 2015, 1151 m. w. N.).
bbb) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den hier vorliegenden Streitfall ist von einer unechten Rückwirkung auszugehen. Der zu ändernde Umsatzsteuerbescheid 2009 war weder bei Inkrafttreten des § 27 Abs. 19 UStG () noch im Zeitpunkt der Erteilung des Änderungsbescheides () festsetzungsverjährt (siehe Ausführungen unter 1.)
ee) Die unechte Rückwirkung des § 27 Abs. 19 UStG ist mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar. Eine unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig. Indem der Gesetzgeber mit der Regelung des § 27 Abs. 19 UStG der materiellen Richtigkeit der Besteuerung den Vorrang vor der Rechtssicherheit einräumt, überschreitet er unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes nicht die Grenze des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums.
aaa) Unabhängig von einer konkreten Vertrauensposition wiegt ein etwaiges Vertrauen Steuerpflichtiger darauf, dass der Gesetzgeber vor Ablauf der Festsetzungsfrist keine Regelung einführt, die zu einer Korrektur der Umsatzsteuerfestsetzung führt, nicht so schwer, dass der Gesetzgeber an einer solchen Maßnahme gehindert wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das BVerfG bei der Frage nach der Zulässigkeit der Aufhebung oder Änderung bestandskräftiger Verwaltungsentscheidungen stets die Befugnis des Gesetzgebers zur Ausgestaltung des hierbei jeweils auftretenden Konflikts zwischen Rechtssicherheit, Rechtsfrieden, Gerechtigkeit und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung betont hat (vgl. BVerfG-Entscheidungen vom - 1 BvL 28/62, BVerfGE 15, 313, 319; vom - 1 BvR 62/61, BVerfGE 19, 150, 166; vom - 2 BvR 23/65, BVerfGE 27, 297, 305 f., 309; vom 1 BvR 571/07, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGK - 15, 545). Danach kann sich ein Steuerpflichtiger nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten Position eine Rücksichtnahme billigerweise nicht beanspruchen konnte. Dies ist vorliegend der Fall.
bbb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wurde das Vertrauensschutzprinzip durch § 27 Abs. 19 UStG im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit zugunsten der Rechtsrichtigkeit in noch zulässiger Weise eingeschränkt (so zutreffend (U), BB 2015, 2390). § 27 Abs. 19 UStG betrifft den Fall, dass sich der Vertragspartner des Steuerpflichtigen, ein Bauträger, für diese vor Februar 2014 an ihn ausgeführte Umsätze auf die Entscheidung des , BStBl II 2014, 128) beruft und die Erstattung der zu Unrecht gemäß § 13b UStG einbehaltenen Umsatzsteuer begehrt. Die Regelung ist durch die hiermit verbundene Gefahr von Steuerausfällen in diesen Altfällen hinreichend gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass in Fällen bereits festsetzungsverjährter Umsatzsteuerfestsetzungen auch nach § 27 Abs. 19 UStG keine Änderung mehr möglich ist.
ccc) Gemäß § 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4 UStG kann das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt. Die Abtretung wirkt hiernach an Zahlungs statt, wenn
1. der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer ausstellt,
2. die Abtretung an das Finanzamt wirksam bleibt,
3. dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wird, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat, und
4. der leistende Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt.
Hierdurch wird dem leistenden Unternehmer die Möglichkeit eröffnet, den zivilrechtlichen Anspruch gegenüber dem Leistungsempfänger (Bauträger) auf die (noch ausstehende) Zahlung der Umsatzsteuer an das FA an Zahlungs statt abzutreten.
ddd) Im Streitfall hätte die Klägerin die Möglichkeit gehabt, ihren zivilrechtlichen - noch nicht verjährten - Umsatzsteuernachforderungsanspruch an das Finanzamt abzutreten.
(1) Der Umsatzsteuernachforderungsanspruch des Leistungserbringers gegen den Leistungsempfänger beruht auf dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -. Danach besteht ein Anspruch auf Vertragsanpassung, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändern, die Parteien bei Kenntnis dieser Umstände den Vertrag mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten und dem durch die Änderung der Verhältnisse benachteiligten Teil ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Vertragsgrundlage war in den sog. Altfällen, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schuldet. Übereinstimmende Vorstellungen der Beteiligten über die steuerliche Rechtslage und deren Kontinuität stellen eine Geschäftsgrundlage dar (vgl. Roth in MüKo BGB, § 313 Rn. 180 mit Nachweisen).
Obwohl § 313 BGB nach seinem Wortlaut nur einen Anspruch auf Vertragsanpassung beinhaltet, kann nach herrschender Meinung ein sich aus der gebotenen Vertragsanpassung ergebender Zahlungsanspruch unmittelbar geltend gemacht werden (Roth in MüKo BGB, Band 2, Rn. 87 ff.; Teichmann in BGB RGRK, Band 5/1a, Rn. 153 ff.). Der Leistungserbringer hat daher nach § 313 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer als Teil der Werklohnforderung gegen den Leistungsempfänger (Lippross, NWB 2015, 677, 685; Habammer/Schneider, BB 2015, 1108, 1109).
Die Klägerin und ihr Vertragspartner (Fa. S.) sind im Zeitpunkt des Vertragsschlusses von einer Umsatzsteuerschuld des Leistungsempfängers (Fa. S.) ausgegangen. Nachdem sich diese Annahme aufgrund des , BStBl II 2014, 128) als unzutreffend erwiesen hatte, steht der Klägerin gemäß § 313 BGB ein Umsatzsteuernachforderungsanspruch gegenüber ihrem Vertragspartner zu.
(2) Der sich aus § 313 BGB ergebende Anspruch unterliegt einer selbständigen Verjährung nach den allgemeinen Bestimmungen der §§ 194 ff. BGB (Roth in MüKo BGB, Band 2, § 313 Rn. 109; Teichmann in BGB RGRK, Band 5/1a, § 313 Rn. 152).
Die regelmäßige Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich erst zum Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (, WM 2008, 1077, 1078). In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (, BGHZ 179, 260 Rn. 47, vom - VIII ZR 279/11, WM 2013, 1286 Rn. 48 und vom - KZR 13/13, NJW 2014, 3092 Rn. 23). Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (, BGHZ 160, 216, 232 und Urteil vom - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115).
(3) Das , UR 2015, 592) und das Nds. , juris) gehen davon aus, dass die Verjährungsfrist für einen etwaigen zivilrechtlicher Nachforderungsanspruch mit Ausführung der Bauleistung beginnt. Rechtsirrtümer, wie im Streitfall hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereich des § 13b UStG, sollen den Verjährungsbeginn nicht hindern (so FG Niedersachsen, a. a. O.). Nach dieser Auffassung wäre der Umsatzsteuernachforderungsanspruch bereits verjährt.
(4) Diese Auffassung überzeugt nicht. Der Anspruch auf Vertragsanpassung nach § 313 BGB ist Folge der übereinstimmenden rechtsirrigen Vorstellungen der Beteiligten über die damalige steuerliche Rechtslage. Erst durch das , BStBl II 2014, 128) konnte der Leistungserbringer/Gläubiger wissen, dass er die auf den Umsatz entfallende Steuer schuldet und gleichzeitig gegenüber seinem Vertragspartner einen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer hat. Deshalb beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist für den (zivilrechtlichen) Umsatzsteuernachforderungsanspruch erst Ende 2013 und endet frühestens mit Ablauf 2017 (Lippross, NWB 2015, 677, 685; Streit/Fietz, NWB 2015, 2576, 2580; vgl. Fleckenstein/Weiland, BB 2014 S. 2391; offengelassen von Prätzler, MwStR 2014 S. 680, der für den Beginn der Verjährung ggf. auf die Schaffung der Neuregelung des § 27 Abs. 19 UStG, also den Ablauf des Jahres 2014 abstellen will).
Eine frühere Durchsetzung des zivilrechtlichen Zahlungsanspruchs war der Klägerin (Gläubigerin) nicht zuzumuten, weil es eine Verwaltungsauffassung gab, wonach auch Bauträger Bauleistende und damit Schuldner nach § 13b UStG sein können. Der BFH hat erst mit Urteil vom (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung und entgegen der damaligen Verwaltungsauffassung entschieden, dass Bauträger - unabhängig von der 10-% Grenze - nicht Bauleistende i. S. d. § 13b UStG sind.
eee) Das Finanzamt hat kein Ermessen, ob es die Abtretung annimmt oder nicht (Heuermann, DB 2015, 572, 577, Lippross, NWB 2016, 677, 686; Sterzinger UR 2014, 810). Trotz des Wortlauts ergibt sich aus dem Prinzip des Vertrauensschutzes eine gebundene Verwaltung. Die Abtretung führt zu einem „Nullsummenspiel”, das keinerlei Vertrauen enttäuscht (Heuermann, a. a. O.). Deshalb muss das Finanzamt die Abtretung akzeptieren. Da das Gesetz lediglich auf den Bestand der abgetretenen Forderung abstellt (§ 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 2 UStG), trägt das Finanzamt das Risiko, die Forderung z. B. wegen Insolvenz des Leistungsempfängers nicht durchsetzen zu können (Heuermann, a. a. O.).
fff) Die Regelung des § 27 Abs. 19 UStG genügt auch den Anforderungen des aus dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Rechtssicherheit folgenden Gebots der Belastungsvorhersehbarkeit. Das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (, BVerfGE 133, 143).
Durch den Ausschluss des § 176 Abs. 2 AO droht auch keine unbegrenzte Heranziehungsmöglichkeit, weil eine Änderungsmöglichkeit nach § 27 Abs. 19 UStG nach Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung, wie bereits ausgeführt, nicht mehr gegeben ist und daher nur ein genau umrissener Zeitraum der Leistungserbringung betroffen ist.
Für die Frage der Belastungsvorhersehbarkeit ist weiter zu berücksichtigen, dass nicht die Frage der Steuerpflicht des Umsatzes, sondern die Frage der Steuerschuldnerschaft von allen Beteiligten - Leistender, Leistungsempfänger, Finanzverwaltung - unrichtig beurteilt wurde. Auch dürfte es sich bei der der Umsatzsteuerpflicht unterliegenden Bauleistung nicht um einen in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossenen Vorgang handeln. Abweichend von der ursprünglich getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarung, dass der Leistungsempfänger die unstreitig geschuldete Umsatzsteuer für die Werklieferung an das Finanzamt entrichtet, beantragt der Leistungsempfänger nunmehr die Erstattung der in Erfüllung der Vereinbarung mit dem Werkunternehmer an das Finanzamt entrichteten Umsatzsteuer. Hierin liegt eine tatsächliche Änderung des Sachverhaltes, unabhängig davon, ob diese - im Verhältnis zum Bauunternehmer - als abredewidrig oder - im Verhältnis zum Fiskus - als Geltendmachung der korrekten Besteuerung nach dem Gesetz zu beurteilen ist (vgl. , UR 2015, 592; Lippross in UR 2014, 717 722 f).
Hinzu kommt, dass der Leistende seine Zahlungsverpflichtung durch Abtretung seines Anspruchs gegen den Leistungsempfänger auf den Teil des Entgeltes, welcher der Umsatzsteuer entspricht, genügen kann, und das Finanzamt regelmäßig zur Annahme der Abtretung verpflichtet ist, so dass die Erfüllungswirkung des § 47 AO eintritt. Der Gesetzgeber dürfte damit eine zumutbare Regelung getroffen haben, wie der Leistende eine finanzielle Belastung aus den Änderungsanträgen des Leistungsempfängers vermeiden kann ( (U), BB 2015, 2390; vgl. auch Lippross in UR 2014, 717, 722; Sterzinger, UR 2014, 797, 811).
Auch mit einer Zinsbelastung des Leistenden ist nicht zu rechnen. Bei der Verzinsung der nachträglichen Steuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 Satz 1 gilt der Antrag des Leistungsempfängers auf Erstattung der zunächst von ihm entrichteten Umsatzsteuer als rückwirkendes Ereignis i.  S.  d. § 233a Abs. 2a AO. Der Zinslauf von Nachzahlungszinsen nach § 233a beginnt in diesen Fällen folglich erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist ( MwStR 14, 527).
ggg) Die nach deutschem Verfassungsrecht gebotenen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit, entsprechen den gleichlautenden europarechtlichen, die für alle Rechtsakte der Union gelten. Für den europarechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens ist zu berücksichtigen, dass dieses im Regelfall keine finanzielle Belastung bei den von diesen Maßnahmen betroffenen Personen bewirkt, während es zum anderen ermöglicht, beträchtliche Mehrwertsteuerausfälle zu verhindern ( BLV Wohn-und Gewerbebau, C-395/11, DB 2012, 2911). Damit ist das Ziel des Gesetzgebers, beträchtliche Mehrwertsteuerausfälle zu verhindern, im Rahmen der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen, auch wenn eine Abbedingung des Vertrauensschutzes ausschließlich nach Kassenlage mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht mehr vereinbar sein dürfte (, UR 2015, 592).
Der EuGH hatte bereits über den Fall zu entscheiden, dass die am Leistungsaustausch beteiligten Parteien rechtsirrig von der Anwendbarkeit des Reverse-Charge-Verfahrens ausgegangen waren. Er entschied, dass eine Steuerschuldnerschaft des Leistungserbringers unionsrechtlich unproblematisch ist, sofern dieser die Umsatzsteuer von seinem Leistungsempfänger erstattet bekommt ( - SC Fatorie SRL, MwStR 2014, 125 mit Anm. Leonard).
§ 27 Abs. 19 UStG genügt diesen unionsrechtlichen Vorgaben, weil der Leistungserbringer aufgrund der o. g. Ausführungen einen - nicht verjährten - zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung gegenüber seinem Vertragspartner hat. Das Finanzamt ist zur Annahme der Abtretung verpflichtet und trägt ein etwaiges Insolvenzrisiko des Leistungsempfängers.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2016 S. 213 Nr. 4
DB 2016 S. 11 Nr. 3
EFG 2016 S. 338 Nr. 4
NWB-Eilnachricht Nr. 4/2016 S. 243
EAAAF-67440