NWB Nr. 6 vom Seite 332

Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen – eine vergleichende Darstellung

Anforderungen, Beschränkungen und Ausnahmen

Patrick Geißler *

Der BFH hat mit mehreren Urteilen die Behandlung nachträglich anfallender Schuldzinsen bei den Einkünften nach § 17 EStG sowie § 21 EStG unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung grundlegend geändert. Die Finanzverwaltung hat sich diesen Urteilen weitestgehend angeschlossen. Somit scheint eine Gleichbehandlung des nachträglichen Schuldzinsenabzugs bei Gewinn- und Überschusseinkunftsarten nach jahrzehntelanger Abweichung vollzogen. Der nachfolgende Beitrag zeigt hingegen auf, dass nicht sämtliche Schuldzinsen nachträglich abziehbar sind und stellt die jeweiligen Anforderungen, Beschränkungen und Ausnahmen für ausgewählte Einkunftsarten dar.

Arbeitshilfen:

In der NWB Datenbank können Sie unter der NWB DokID NWB YAAAE-57242 den Grundlagenbeitrag „Betrieblicher Schuldzinsenabzug – Eingeschränkter Schuldzinsenabzug – Zinsschranke“ aufrufen.

Eine Kurzfassung dieses Beitrags finden Sie in .

I. Hintergrund

[i]Grundlage: objektives NettoprinzipIm Einkommensteuerrecht gilt das objektive Nettoprinzip, welches jedem Steuerpflichtigen das Recht einräumt, die mit seinen Erträgen zusammenhängenden Aufwendungen abzuziehen. Diesem Themenfeld wird jedoch erst in den Fällen besondere Aufmerksamkeit zuteil, wenn keine Erträge vorliegen, von denen die Aufwendungen abgezogen werden können. Die Problematik ergibt sich insbesondere dann, wenn die Tätigkeit der Einkommenserzielung, sei es eine unternehmerische Tätigkeit nach § 15 EStG oder eine Einkunftserzielung aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG, mit Hilfe eines Darlehens finanziert wird, dieses jedoch nicht oder nur teilweise während der Dauer der Tätigkeit abgelöst wurde und somit darüber hinaus besteht. Fraglich ist, ob die Zinsaufwendungen, welche nach Beendigung der Einkünfteerzielung anfallen, [i]Negative Einkünfte oder Kosten der privaten Lebensführungin einem Veranlassungszusammenhang mit der früheren Tätigkeit stehen – und somit weiterhin steuerlich abzugsfähig sind – oder als Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 EStG gelten.

[i]Rechtsgrundlage § 24 Nr. 2 EStGEinnahmen, die aufgrund einer früheren Tätigkeit erzielt werden oder aus einem früheren Rechtsverhältnis entstanden sind, fallen unter den Anwendungsbereich von § 24 Nr. 2 EStG und müssen somit trotz Beendigung der Tätigkeit nachträglich als Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG versteuert werden. Bereits der Reichsfinanzhof (Urteil vom - VI 692/38, RStBl 1939 S. 233) hat ausgeführt, dass dies auch für negative Einkünfte gilt. Diesem Grundsatz hat der BFH und folgend auch die Finanzverwaltung jedoch bei bestimmten Einkunftsarten teils grundlegend widersprochen. S. 333

II. Behandlung der nachträglichen Schuldzinsen im Rahmen der Gewinneinkunftsarten

1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb sowie selbständiger Tätigkeit

a) Anforderungen
aa) Veranlassungszusammenhang

Nach § 4 Abs. 4 EStG sind Betriebsausgaben solche Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Diese Beurteilung hat für jede Einkunftsart separat zu erfolgen. Aufwendungen sind dann durch eine Einkunftsart veranlasst, wenn sie zu dieser in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend hierfür sind das „auslösende Moment“ sowie die Zuordnung dieses Grundes zu der Erwerbssphäre des Steuerpflichtigen (, BStBl 1990 II S. 817). [i]Betriebliche Veranlassung des DarlehensDieser Veranlassungszusammenhang besteht, wenn ein objektiver Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkünfteerzielung existiert und die Aufwendungen subjektiv der Förderung der Tätigkeit dienen. Hierbei ist allein auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen (, BStBl 1984 II S. 27). Ergibt diese Prüfung, dass das Darlehen nicht zu betrieblichen Zwecken aufgenommen wurde, steht dies dem Betriebsausgabenabzug entgegen und somit auch der Geltendmachung von Schuldzinsen nach Beendigung der Einkünfteerzielung. Sofern das Darlehen jedoch zu betrieblichen Zwecken aufgenommen wurde, müssen die damit zusammenhängenden Zinsaufwendungen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden.

bb) Umwidmung des Darlehens

[i]Zweck der Aufnahme nicht ausschließlich von BedeutungAbweichend kann jedoch auch bei Umwidmung eines Darlehens ein ausreichender Zusammenhang bestehen, obwohl zum Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens nicht hinreichend konkretisiert war, dass dieses der Erzielung von einkommensteuerpflichtigen Einkünften dienen soll (, BStBl 1995 II S. 697). Eine willkürliche Umwidmung kann jedoch nicht zu einem Betriebsausgabenabzug führen, da ein objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen muss. Ein Betriebsausgabenabzug ist möglich, wenn ein kreditfinanziertes Wirtschaftsgut für eine Einkunftsart verwendet wird (, BStBl 2007 II S. 642).

cc) Betriebsaufgabe oder -veräußerung

[i]Zwingende Verwertung von Aktivvermögen zur Tilgung betrieblicher SchuldenVeräußert der Steuerpflichtige seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, Gewerbebetrieb oder sämtliche selbständigen Teile des Vermögens der freiberuflichen Tätigkeit oder gibt er diese auf, sind die Zinsaufwendungen für verbliebene betriebliche Verbindlichkeiten nur dann als nachträgliche Schuldzinsen abziehbar, wenn die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten nicht durch den Veräußerungserlös oder durch die Verwertung von Aktivvermögen beglichen werden können (, BStBl 1999 II S. 353; zum Übergang zur Liebhaberei , BStBl 2002 II S. 809).

Werden Wirtschaftsgüter des (bisherigen) Betriebsvermögens im Privatvermögen weiter verwendet, steht dies dem nachträglichen Schuldzinsenabzug entgegen. Der Steuerpflichtige muss sich in diesem Fall so behandeln lassen, als ob er das Vermögen zur Schuldentilgung genutzt hat (, BStBl 2007 II S. 642). Gleiches muss folglich für die Darlehen im Sonderbetriebsvermögen II gelten, wenn eine Betriebsaufgabe vorliegt oder der Erlös bei einer Veräußerung des Mitunternehmeranteils nicht ausreicht, das Darlehen für die Finanzierung des Mitunternehmeranteils abzulösen (, BStBl 1985 II S. 323). Aktivvermögen des Sonderbetriebsvermögens muss zur Schuldentilgung verwendet werden, wobei dies S. 334nicht für Gesamthandsschulden, sondern nur für Verbindlichkeiten des Sonderbetriebsvermögens gilt (, BStBl 1996 II S. 291).

b) Beschränkungen

[i]Private Überlegungen nicht ausschlaggebendEin Schuldzinsenabzug scheidet in den Fällen aus, in denen ein Steuerpflichtiger die Tilgung grds. vornehmen kann, dies aus privaten Gründen jedoch unterlässt oder wenn ein Steuerpflichtiger aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen (z. B. hohe Vorfälligkeitsentschädigung) nicht bereit ist, ein bestehendes Darlehen zu tilgen, obwohl dies möglich gewesen wäre ( NWB RAAAD-45219).

Sind Betriebs- und Privatvermögen untrennbar miteinander verbunden (z. B. gemischt genutzte Immobilien), ist eine Veräußerung der gesamten Immobilie vorzunehmen. Unterlässt der Steuerpflichtige dies, muss er gegen sich gelten lassen, dass er das betriebliche Darlehen getilgt hat (, BStBl 2007 II S. 642).

[i]Wirkung von § 4 Abs. 4a EStG ungeklärtBisher nicht geklärt ist die Anwendbarkeit von § 4 Abs. 4a EStG innerhalb der Berücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen. Sofern vor der Betriebsaufgabe Überentnahmen getätigt wurden, können diese zu einer Beschränkung des nachträglichen Betriebsausgabenabzugs führen.

c) Ausnahmen

[i]Verwertungs-, Auszahlungs- oder Tilgungshindernisse stehen Betriebsausgabenabzug nicht entgegenDem Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung steht die Ausnahme eines Verwertungs-, Auszahlungs- oder Tilgungshindernisses entgegen, welches seinen Ursprung in der betrieblichen Sphäre hatte. Unterliegen die Verbindlichkeiten einem Rückzahlungshindernis oder stehen dem Aktivvermögen Verwertungshindernisse gegenüber, so dass eine Verrechnung nicht möglich ist, wird die Verbindlichkeit weiterhin als betrieblich veranlasst behandelt, bis die Hindernisse entfallen sind. Dies gilt auch für die Fälle, in denen ein Veräußerungserlös nicht ausgezahlt wird, mit der Folge, dass die Schuldzinsen weiterhin als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können (, BStBl 1985 II S. 323).

d) Zusammenfassung

Abb. 1: Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Tätigkeit

S. 335

2. Nachträgliche Schuldzinsen bei wesentlichen Beteiligungen (§ 17 EStG)

[i]Schuldzinsen für Finanzierung einer wesentlichen Beteiligung führen zu negativen Einkünften nach § 20 EStG ...Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 EStG der Gewinn aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft. Nachdem der BFH in seiner früheren Rechtsprechung von einer Trennung zwischen Vermögens- und Ertragsebene ausgegangen ist (, BStBl 1982 II S. 37), hat er sich von dieser Trennung abgewendet und führt nun aus, dass sich bei einer Kapitalanlage in Form einer wesentlichen Beteiligung die Renditebetrachtung aus den erwarteten Ausschüttungen sowie der Wertsteigerung der Beteiligung ergibt, da sich diese in einer Wechselwirkung zueinander befinden (, BStBl 1986 II S. 596). Bei fehlenden Ausschüttungen oder negativen wirtschaftlichen Ergebnissen und damit einhergehenden möglichen Veräußerungsverlusten im Rahmen von § 17 EStG hat der wesentlich Beteiligte dennoch eine grundsätzliche Einkünfteerzielungsabsicht. Aufgrund dessen ordnet der BFH die Aufwendungen der Ertragsebene zu, so dass der Abzug von Finanzierungsaufwendungen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG vorzunehmen ist.

[i]... für nachträgliche Schuldzinsen gilt dies nichtDer BFH sah diesen Veranlassungszusammenhang jedoch stets dann durchbrochen, wenn die Beteiligung veräußert oder aufgegeben wurde, da ab diesem Zeitpunkt der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart entfällt und die Zinsaufwendungen die Gegenleistung für Kapital darstellen, welches nicht mehr der Einkommenserzielung dient ( NWB YAAAC-63044). Die Zuordnung der Zinsaufwendungen erfolgt ab dem Zeitpunkt der Veräußerung somit grds. zur nichtsteuerbaren Vermögensebene. Daher konnten nachträgliche Schuldzinsen nach Aufgabe der Beteiligung nicht mehr bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

[i]Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle als Begründung der RechtsprechungsänderungVon der bisherigen Rechtsprechung ist der BFH jedoch mit Urteil vom - VIII R 20/08 (BStBl 2010 II S. 787) abgewichen und begründet diese neue Sichtweise mit der stetigen Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle im Rahmen von § 17 EStG von über 25 % auf inzwischen 1 %, aufgrund dessen keine rechtliche Grundlage mehr für die divergierende Behandlung zum Betriebsausgabenabzug nach §§ 13, 15, 18 EStG existiere. Der Gesetzgeber habe durch die Verbreiterung der Besteuerungsgrundlagen einen Paradigmenwechsel eingeleitet, welcher der bisherigen Rechtsprechung des BFH die gesetzliche Grundlage entziehe, da Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinne durch den Gesetzgeber gleich behandelt werden und somit keine Trennung zwischen Vermögens- und Ertragsebene mehr existiere. Hiernach sind nachträgliche Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehbar, wenn ein Veräußerungs- oder Liquidationserlös nicht ausreicht, um das über den Zeitpunkt der Aufgabe oder der Veräußerung bestehende Darlehen abzulösen.

[i]Veranlassungszusammenhang besteht über die Aufgabe oder Veräußerung der Beteiligung hinausDer ursprüngliche Veranlassungszusammenhang besteht über die Aufgabe bzw. Veräußerung des Anteils an der Kapitalgesellschaft weiter. Dass kein Betriebsvermögen vorhanden sein kann, welches für die Ablösung des Darlehens verwertet wird oder dass das Darlehen als Privatvermögen zu qualifizieren ist, während die Veräußerung der Beteiligung hingegen – wie Betriebsvermögen – dem Besteuerungszugriff unterliegt, hat keine Bedeutung (BFH VIII R 20/08).

a) Anforderungen

[i]Anforderungen an den WerbungskostenabzugFür die Berücksichtigung von nachträglichen Schuldzinsen – sowohl für originäre als auch nachträgliche Anschaffungskosten einer Beteiligung – muss die Darlehensaufnahme in einem objektiven und subjektiven wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Beteiligung stehen. Zudem muss eine grundsätzliche Einkünfteerzielungsabsicht vorhanden sein, deren Kriterien nach denselben Maßstäben zu prüfen sind, die auch für Gewerbetreibende gelten. Eine Einkünfteerzielungsabsicht kann selbst bei Verlustperioden grds. nur dann S. 336verneint werden, wenn der wesentlich Beteiligte die Beteiligung nur aus Gründen hält, die in seinen persönlichen Neigungen liegen (BFH VIII R 234/84). Von besonderer Bedeutung muss sein, dass der Liquidations- oder Veräußerungserlös nicht ausreicht, um das Darlehen abzulösen. Hier gilt ebenso der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung. Privat veranlasste Überlegungen zur Nichtablösung haben auch hier keine Bedeutung.

b) Beschränkungen

[i]Dauerhafte Ertragslosigkeit steht dem Schuldzinsenabzug entgegenDer Werbungskostenabzug ist grds. dann ausgeschlossen, wenn bei einer Gesellschaft von dauerhafter Ertraglosigkeit auszugehen ist. Hierbei ist sowohl die Ertrags- als auch die Vermögensebene zu betrachten. Für die Annahme der dauerhaften Ertraglosigkeit bedarf es konkreter Anhaltspunkte, die darlegen, dass mit der Beteiligung kein Überschuss erzielt werden kann. Die Feststellungslast trägt derjenige, der den Werbungskostenabzug begehrt und somit stets der Steuerpflichtige. Dieser muss nachweisen, dass keine dauerhafte Ertraglosigkeit vorliegt ( NWB UAAAD-53720).

[i]Eingeschränkte Abzugsfähigkeit ab 2002Sofern von keiner dauerhaften Ertraglosigkeit auszugehen ist, kann der Werbungskostenabzug in Anspruch genommen werden. Dies wurde jedoch durch die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG a. F.) ab 2002 beschränkt, welches den Abzug von Werbungskosten – und somit auch der nachträglichen Zinsaufwendungen – nach § 3c Abs. 2 EStG a. F. auf 50 % reduziert.

[i]Generelles Abzugsverbot ab 2009Mit Einführung der Abgeltungsteuer zum wurde die Möglichkeit des nachträglichen Schuldzinsenabzugs weitergehend beschränkt. Gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG ist der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ausgeschlossen (, BStBl 2014 II S. 975).

c) Ausnahmen

Dem generellen Werbungskostenabzugsverbot von Schuldzinsen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 kann durch Option zur Anwendung der tariflichen Einkommensteuer sowie des Teileinkünfteverfahrens nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG entgegengewirkt werden, sofern der Steuerpflichtige zu mindestens 25 % oder alternativ zu 1% beteiligt ist und zudem beruflich für die Kapitalgesellschaft tätig ist.

Hinweis

[i]Antragstellung für Anwendung des Teileinkünfteverfahrens im Jahr der Veräußerung oder AufgabeEin Antrag kann nur in dem Jahr gestellt werden, in dem eine Beteiligung vorhanden ist, d. h. der Antrag kann letztmalig in dem Jahr gestellt werden, in dem die Beteiligung existiert. Der Antrag hat Wirkung für das Jahr der Antragstellung sowie die folgenden vier Jahre. Die Finanzverwaltung vertritt jedoch die Ansicht, dass ein Abzug von Schuldzinsen nur dann möglich ist, wenn die Voraussetzung – das Halten einer Beteiligung – in jedem Jahr der fünfjährigen Option erfüllt ist (OFD Rheinland, Kurzinfo ESt 11/2012 vom NWB XAAAE-08184). Demnach wäre lediglich im Jahr der Aufgabe oder Veräußerung ein Abzug der Zinsaufwendungen möglich. Diese Auffassung ist m. E. aufgrund des o. g. nicht haltbar.

Beispiel

Gesellschafter A war an der X-GmbH zu 100 % beteiligt. Er hatte die Beteiligung fremdfinanziert und veräußerte diese zum zu einem Preis, mit welchem das Refinanzierungsdarlehen nicht vollständig abgelöst werden konnte. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Abzug der nachträglichen Schuldzinsen grds. möglich, jedoch mit Einführung der Abgeltungsteuer typisierend ausgeschlossen. Um dennoch die Schuldzinsen nachträglich abziehen zu können, ist im Jahr 2009 ein Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG erforderlich. Aufgrund dieses Antrags ist ein Abzug der Schuldzinsen für 2009 sowie die folgenden vier Jahre zu 60 % möglich. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist ein Abzug der Schuldzinsen jedoch letztmalig im Jahr 2009 möglich.S. 337

[i]§ 3c EStG a. F. beschränkt Werbungskostenabzug bei Ertraglosigkeit nichtObwohl ab 2002 das Halbabzugs- bzw. ab 2009 das Teilabzugsverbot den Werbungskostenabzug beschränkt, ist nach dem (BStBl 2010 II S. 220) ein vollständiger Abzug der Werbungskosten möglich, wenn keine Erträge erzielt werden, da § 3c Abs. 2 EStG a. F. an das Vorhandensein tatsächlicher Erträge anknüpft. Mit Wirkung ab 2011 ist jedoch bereits die Einkünfteerzielungsabsicht (§ 3c Abs. 2 Satz 2 EStG) für die Beschränkung des Werbungskostenabzugs ausreichend.

[i]Verwertungs-, Auszahlungs- oder Tilgungshindernisse stehen dem Werbungskostenabzug nicht entgegenLiegen Rückzahlungs-, Verwertungs- oder Auszahlungshindernisse vor, dürfen aufgrund der grundsätzlichen Gleichbehandlung von nachträglichen Schuldzinsen bei Einkünften nach §§ 13, 15, 18 und 17 EStG diese auch dem Werbungskostenabzug – vorbehaltlich anderer Beschränkungen – nicht entgegenstehen, sofern die Ursachen nicht in der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen liegen. Wird beispielsweise der vereinbarte Veräußerungspreis einer Beteiligung durch den Käufer nicht gezahlt, sind die entstehenden Schuldzinsen weiterhin abzugsfähig.

d) Zusammenfassung

Abb. 2: Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung

S. 338

III. Behandlung der nachträglichen Schuldzinsen im Rahmen der Überschusseinkunftsarten

1. Einkünfte aus Kapitalvermögen

a) Anforderungen

[i]Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei Einkünften aus Kapitalvermögen möglichSchuldzinsen sind bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig, wenn die Aufwendungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit dieser Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Dies beinhaltet einen objektiven und subjektiven Veranlassungszusammenhang. Hierbei ist grds. auf den Zweck der Schuldaufnahme abzustellen (, BStBl 1982 II S. 37). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, stellen Schuldzinsen grds. Werbungskosten dar. Der Abzug nachträglich anfallender Schuldzinsen wurde durch den BFH in ständiger Rechtsprechung jedoch nicht zugelassen, soweit diese auf die Zeit nach der Einkünfteerzielung entfallen (, BStBl 1997 II S. 424). Fraglich ist indes, ob die Rechtsprechungsänderung (BFH VIII R 20/08) zu nachträglichen Schuldzinsen bei der Aufgabe oder Veräußerung von wesentlichen Beteiligungen auf sämtliche Kapitaleinkünfte übertragbar ist (zustimmend Köhler, BB 37/2010 S. 2223).

b) Beschränkungen

[i]Übertragung der neuen Rechtsprechung fraglichSollte die Rechtsprechung des BFH auf sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen zu übertragen sein, steht dem – entsprechend den Ausführungen zu § 17 EStG – die Beschränkung der Abzugsfähigkeit durch die Abgeltungsteuer entgegen. Ob der nachträgliche Schuldzinsenabzug für Beteiligungen unter der Wesentlichkeitsschwelle von 1 % möglich ist, ist ebenfalls fraglich, da diese bis zur Einführung der Abgeltungsteuer grds. nur innerhalb einer Spekulationsfrist von einem Jahr steuerbar waren. Eine Änderung dieser Besteuerung erfolgte erst durch die Einführung der Abgeltungsteuer. Da sich der BFH bei den Einkünften nach § 17 EStG auf die Erweiterung der steuerlichen Bemessungsgrundlage für die Anerkennung von nachträglichen Schuldzinsen bezogen hatte, ist dies für Fälle des § 20 EStG, in denen eine Beteiligung von weniger als 1 % am Grund- oder Stammkapital einer Kapitalgesellschaft vorhanden war, fraglich (ablehnend Fuhrmann, NWB 37/2010 S. 2942). Da der BFH jedoch die Anwendbarkeit der neuen Rechtsprechung für Fälle des § 17 EStG vor 1999 und somit vor Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle bejaht hat ( NWB WAAAE-66011), könnte ein nachträglicher Schuldzinsenabzug auch für Beteiligungen unter 1 % vor Einführung der Abgeltungsteuer möglich sein.

[i]Grundsätzliches Werbungskostenabzugsverbot ab 2009Aufgrund der Einführung der Abgeltungsteuer ist jedoch ab 2009 auch dies nicht möglich, da dem generellen Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG keine Optionsmöglichkeit nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gegenübersteht. Diese liegt nur vor, wenn eine mindestens 1%ige Beteiligung besteht. Offen ist, ob ein Abzug von Werbungskosten in Fällen des § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG möglich ist, sofern der individuelle Steuersatz [i]Mustereinspruch NWB PAAAE-39438 unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags unter 25 % liegt (zustimmend NWB TAAAE-29692; Revision eingelegt, Az. beim BFH: VIII R 13/13).

c) Ausnahmen

[i]Ausnahme vom Werbungskostenabzugsverbot bei GesellschafterdarlehenEin nachträglicher Schuldzinsenabzug ist m. E. nur in den Fällen denkbar, in denen das Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG lex-specialis suspendiert wird. Diese Suspendierung erfolgt beispielsweise nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG bei Gesellschafterdarlehen, deren Zinseinnahmen bei dem mindestens zu 10 % beteiligten Gesellschafter mit der tariflichen Einkommensteuer zu besteuern sind. Dies führt wiederum zur Abzugsfähigkeit der Zinsaufwendungen eines Refinanzierungsdarlehens, S. 339da die Anwendung von § 20 Abs. 9 EStG ausgeschlossen wird. Diese Möglichkeit ergibt sich bei laufenden Zinseinkünften sowie den entsprechenden Zinszahlungen des Refinanzierungsdarlehens. Da jedoch Ausfälle von Gesellschafterdarlehen zu nachträglichen Anschaffungskosten führen können (hierzu Fuhrmann, NWB 51/2009 S. 3990), sind wiederum die Grundsätze nach § 17 EStG zu prüfen. Wird die Beteiligung nicht aufgegeben, sondern veräußert und besteht das Darlehensverhältnis weiterhin, sind die Zinsen für das Refinanzierungsdarlehen grds. aufgrund des Werbungskostenabzugsverbots ab 2009 nicht zu berücksichtigen, da es sich ab dem Zeitpunkt der Veräußerung um ein einfaches Darlehensverhältnis handelt.

[i]Darlehensverhältnisse zwischen nahen Angehörigen können zu nachträglichen Schuldzinsen führenEine weitere Möglichkeit, nachträgliche Schuldzinsen geltend zu machen, existiert bei Darlehen zwischen nahen Angehörigen (zur Begrifflichkeit , BStBl 2014 II S. 986), welches beim Darlehensnehmer zu Betriebsausgaben oder Werbungskosten führt und die hiermit zusammenhängenden Schuldzinsen (z. B. bei einer Refinanzierung des Darlehens) beim Darlehensgeber nicht der Werbungskostenabzugsbeschränkung nach § 20 Abs. 9 EStG unterliegen. Die Zinsaufwendungen sind nach den obigen Grundsätzen abzugsfähig, da § 20 Abs. 9 EStG nicht gilt. [i]Löbe, NWB 52/2014 S. 3955Fällt das Darlehen aus, aufgrund dessen das Refinanzierungsdarlehen nicht abgelöst werden kann, müssen die Zinsaufwendungen auch nachträglich in voller Höhe abgezogen werden dürfen.

d) Zusammenfassung

Abb. 3: Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei Einkünften aus Kapitalvermögen

2. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

a) Anforderungen

[i]Anwendung der Rechtsprechung zu § 17 EStG auf Einkünfte nach § 21 EStGDer BFH ist – im Einklang mit der früheren Rechtsprechung zu § 17 EStG – grds. nicht von einer Möglichkeit des nachträglichen Schuldzinsenabzugs bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ausgegangen und hat dies mit selbiger Kausalkette begründet, da die nichtsteuerbare Veräußerung den Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzinsen und Einkünfteerzielung beende.

[i]Hilbertz, NWB 26/2014 S. 1934Aufgrund der Erweiterung des Besteuerungszeitraums bei privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auf zehn Jahre ist jedoch auch hier eine S. 340Abziehbarkeit von nachträglichen Schuldzinsen erforderlich. Wegen der Gleichbehandlung der Ermittlung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts aus dem Privat- bzw. Betriebsvermögen sind Gewinn- und Überschusseinkunftsarten gleichgestellt, was wiederum eine Gleichbehandlung des nachträglichen Schuldzinsenabzugs erfordert. Zunächst urteilte der  (BStBl 2013 II S. 275) zu steuerbaren Veräußerungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, weitete seine Rechtsprechung jedoch auch auf die nichtsteuerbaren Veräußerungsvorgänge aus ( NWB KAAAE-64191). Nach dieser neuen Rechtsprechung wird der Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzinsen und der Einkünfteerzielung nicht durch die Veräußerung durchbrochen.

[i]Wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Darlehen und EinkünfteerzielungSomit können nachträgliche Schuldzinsen zum Abzug zugelassen werden, wenn zwischen Darlehensaufnahme und Einkünfteerzielung ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht und der Veräußerungserlös nicht ausreicht, um das Darlehen zu tilgen. Auch hier ist der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung zu beachten. Auszahlungs-, Verwertungs- oder Tilgungshindernisse stehen einem Werbungskostenabzug nicht entgegen, sofern die Hindernisse mit der Einkünfteerzielung in Zusammenhang stehen. Dies ist in den Fällen denkbar, in denen ein Veräußerungserlös nicht gezahlt oder auf einem Notaranderkonto zurückbehalten wird.

b) Beschränkungen

[i]Kein nachträglicher Schuldzinsenabzug bei Aufgabe der Einkünfteerzielung vor VeräußerungEin nachträglicher Schuldzinsenabzug scheidet aus, wenn die Absicht der Einkünfteerzielung bereits vor Veräußerung der Immobilie entfallen ist, wobei diese Prüfung objektbezogen vorzunehmen ist ( NWB PAAAE-65011). Fraglich ist, inwieweit Leerstände Einfluss auf die Einkünfteerzielungsabsicht haben; die Nachweispflicht der Einkünfteerzielungsabsicht trägt der Steuerpflichtige (, BStBl 2013 II S. 279; s. hierzu Heinrich, NWB 8/2013 S. 486).

Hinweis

[i]Versagung des Schuldzinsenabzugs bei nichtsteuerbaren Veräußerungen Die Finanzverwaltung hat sich der neuen Rechtsprechung des BFH insoweit angeschlossen, als das der Abzug nachträglicher Schuldzinsen in den Fällen der steuerbaren Veräußerung anerkannt wird ( BStBl 2013 I S. 508). Ein Abzug nachträglicher Schuldzinsen bei der Veräußerung der Immobilie nach Ablauf der Spekulationsfrist wird jedoch bisher versagt. Bis zu einer anderweitigen Verlautbarung des BMF oder der Veröffentlichung des im Bundessteuerblatt bleibt daher nur der Klageweg für betroffene Steuerpflichtige offen.

c) Ausnahmen

[i]Voller Werbungskostenabzug bei Darlehen zur Finanzierung von Erhaltungsaufwendungen bis 2013Eine Ausnahme besteht bis zum Veranlagungszeitraum 2014 in der vollständigen Abziehbarkeit von Zinsaufwendungen darlehensfinanzierter Erhaltungsaufwendungen (, BStBl 2001 II S. 528). Entsprechenden Darlehen steht der Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung nicht entgegen, so dass Zinsaufwendungen auch dann als Werbungskosten abgezogen werden können, wenn das Darlehen für die Finanzierung der Erhaltungsaufwendungen aus privaten Gründen nicht getilgt wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre. Dies wurde jedoch durch das (BStBl 2014 I S. 108) für die Fälle ausgeschlossen, in denen das Veräußerungsgeschäft nach dem abgeschlossen wurde.

[i]Reinvestition in neue EinkunftsquelleSofern das Darlehen nicht durch den Veräußerungserlös getilgt wird, können die Darlehenszinsen dennoch zu Werbungskosten führen, wenn der Veräußerungserlös in ein neues Vermietungsobjekt reinvestiert wird. Fraglich ist jedoch, inwieweit ein Schuldzinsenabzug infrage kommt (hierzu Hilbertz, NWB 26/2014 S. 1934). S. 341

d) Zusammenfassung

Abb. 4: Nachträglicher Schuldzinsenabzug bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

Fazit

Obwohl der BFH den nachträglichen Schuldzinsenabzug bei Gewinn- und Überschusseinkunftsarten angeglichen hat, sind dennoch nicht sämtliche Schuldzinsen nach der Veräußerung des Objekts der Einkünfteerzielung abziehbar. Von übergeordneter Bedeutung ist stets der Veranlassungszusammenhang zwischen der Darlehensaufnahme und der Einkünfteerzielung. Sofern ein solcher nicht besteht bzw. durch andere Begebenheiten durchbrochen wird, sind die Schuldzinsen nicht abziehbar. Beschränkungen bestehen insbesondere im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgrund der Einführung der Abgeltungsteuer, da ab 2009 grds. alle Werbungskosten vom Abzug ausgeschlossen sind. Dies wirkt der für Steuerpflichtige positiven Rechtsprechung – insbesondere zu § 17 EStG – entgegen. Hier bedarf es einer Überwachung der künftigen Rechtsprechung sowie einer genauen Überprüfung, inwieweit mit Optionsanträgen ein Werbungskostenabzug erreicht werden kann.

Autor

Patrick Geißler,
M.Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbes. Betriebliche Steuerlehre von Prof. Dr. Thomas Egner, Steuerberater, an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sowie Lehrbeauftragter an der DHBW Heilbronn.

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 332 - 341
EAAAE-83147