Teilwertabschreibung auf Fertigerzeugnisse nach retrograder Methode
FG Münster bestätigt BFH-Rechtsprechung zum Teilwertbegriff
Handels- wie [i]Lüdenbach, Abschreibungen bei Saisonwaren, StuB 14/2019 S. 556 NWB LAAAH-22506 steuerrechtlich ist im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten eine Bewertung aller Vermögensgegenstände und Schulden vorzunehmen und zu ermitteln, ob und inwieweit der (Vergleichs-)Wert zum Bilanzstichtag vom jeweiligen Buchwert abweicht. Mit Urteil vom [1] hat das FG Münster das konkrete Vorgehen eines Unternehmens bei der steuerlichen Bewertung seiner fertigen Erzeugnisse und Waren nach der retrograden Methode beleuchtet und ist dabei auch umfassend auf die bisherige BFH-Rechtsprechung eingegangen. Im Folgenden werden die wesentlichen aus dem FG-Urteil zu ziehenden praxisrelevanten Schlussfolgerungen für das methodische Bewertungsvorgehen besprochen.
Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .
I. Methoden zur Teilwertermittlung
1. Handelsbilanz
Für die [i]Willeke, Vorratsvermögen (HGB, EStG, IAS/IFRS), infoCenter NWB LAAAB-14463 Handelsbilanz wird nach § 253 Abs. 4 HGB für die Bewertung des Vorratsvermögens das sog. strenge Niederstwertprinzip vorgegeben. Soweit zum Bewertungsstichtag der Börsen- oder Marktpreis unter dem Buchwert [2] liegt, ist der niedrigere Wert anzusetzen. Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen, tritt der niedrigere beizulegende Wert an seine Stelle. Nach § 255 Abs. 4 HGB ist ein niedrigerer beizulegender Zeitwert mithilfe anerkannter Bewertungsmethoden zu bestimmen.
Für [i]Cremer, Fertigerzeugnisse – Bewertung, Lexikon NWB TAAAG-58882 unfertige und fertige Erzeugnisse sind dabei die Verhältnisse auf dem Absatzmarkt heranzuziehen. Als anerkannte Methode gilt dabei eine retrograde Bewertung, bei der sich der beizulegende Zeitwert als Differenz zwischen dem voraussichtlichen Veräußerungserlös und den bis zur Veräußerung noch entstehenden Kosten ergibt. Da es nach diesen Vorgaben lediglich um die Berücksichtigung erwarteter Verluste geht, bleiben Gewinnmargen unberücksichtigt bzw. werden nicht zusätzlich in Abzug gebracht. S. 1023
2. Steuerbilanz
In der [i]Steuerbilanzielles Wahlrecht zur Teilwertbewertung Steuerbilanz einer Kapitalgesellschaft dürfen fertige Erzeugnisse und Waren nach § 8 Abs. 1 KStG i. V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG bei voraussichtlich dauernder Wertminderung [3] mit ihrem niedrigeren Teilwert bewertet werden. Im Unterschied zur handelsrechtlichen Vorgabe besteht zum einen also ein Wahlrecht und zum anderen muss die Wertminderung voraussichtlich dauerhaft eingetreten sein. [4]
Teilwert ist gem. § 8 Abs. 1 KStG i. V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen (im Anschluss fortgeführten) Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde.
Im [i]Berücksichtigung eines Unternehmergewinns Hinblick auf die steuerlich ebenfalls zulässige und in den EStR explizit beschriebene retrograde Wertermittlungsmethode des steuerlichen Teilwerts ist es über die handelsrechtlichen Vorgaben hinaus zulässig und vorgesehen, vom voraussichtlichen Veräußerungserlös neben den noch anfallenden betrieblichen Kosten zusätzlich den Unternehmergewinn abzuziehen. Dabei gilt nach R 6.8 Abs. 2 Sätze 3-6 EStR Folgendes:
„Sind Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens, die zum Absatz bestimmt sind, durch Lagerung, Änderung des modischen Geschmacks oder aus anderen Gründen im Wert gemindert, ist als niedrigerer Teilwert der Betrag anzusetzen, der von dem voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlös nach Abzug des durchschnittlichen Unternehmergewinns und des nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden betrieblichen Aufwands verbleibt. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass der Teilwert dem Betrag entspricht, der sich nach Kürzung des erzielbaren Verkaufserlöses um den nach dem Bilanzstichtag noch anfallenden Teil des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlags ergibt.“
Bei Teilwertabschreibungen [i]Durchbrechung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes auf Aktiva wird der Maßgeblichkeitsgrundsatz der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) durch die Vorgabe des § 5 Abs. 6 EStG durchbrochen; die Bewertungsvorgaben des Steuerrechts gehen den handelsrechtlichen Bestimmungen vor – auch wenn es sich um Wahlrechte handelt. [5] Für die Bewertung von Rückstellungen gelten indes nach Auffassung der Finanzverwaltung regelmäßig die handelsrechtlichen Werte als Wertobergrenze. [6]
II. Ausgangssachverhalt
Gegenstand der [i]Teilwertabschlag für Saisonwaren FG-Entscheidung war das Bewertungsvorgehen bei einem Unternehmen (im folgenden „U“), dessen geschäftliche Tätigkeit in dem An- und Verkauf von Saisonwaren bestand. Ausweislich der Berichte über die Prüfung der handelsrechtlichen Jahresabschlüsse und Lageberichte erfolgte die Ermittlung eines Teilwertabschlags für die Saisonwaren im Lager und in den Filialen wie folgt:
Ausgangspunkt der Bewertung waren die Einstandspreise, die unter Berücksichtigung von Skonti, Boni und Warenbezugskosten ermittelt wurden und nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren.S. 1024
Auf diese [i]Berechnung des Teilwertabschlags Preise wurde von U ein Teilwertabschlag vorgenommen, bei dessen Ermittlung folgende Faktoren berücksichtigt wurden:
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Voraussichtlicher Veräußerungserlös | |
- | Branchenübliche Rohmarge (
Achtung: vom FG verworfen, siehe unten)
|
- | Lagerzeitabhängige Kosten |
Zur Ermittlung der voraussichtlichen Verkaufspreise wurde auf kaufmännisches Erfahrungswissen zurückgegriffen; [7] ein zunächst aufgetretener Fehler – versehentlich wurden Brutto- statt Nettoverkaufspreise herangezogen – wurde noch im Laufe des Einspruchsverfahrens entdeckt und korrigiert.
Zur Ermittlung [i]Erhöhung der Rohmarge auf Branchenwerte eines branchenüblichen Rohgewinns hatte U die eigene Rohmarge und Umsatzrendite analysiert und festgestellt, dass letztere mit (zu den einzelnen Bilanzstichtagen schwankenden) Renditewerten zwischen 0,36 % und 3,42 % unter branchenüblichen Umsatzrenditen lag. Diese branchenüblichen Renditen wurden zu den einzelnen Stichtagen zwischen 4,9 % und 8,2 % veranschlagt.
In einem weiteren Schritt wurde rechnerisch ermittelt, welchen Wert die Rohmarge von U aufweisen müsste, um zum Ausweis branchenüblicher Umsatzrenditen zu gelangen. Es ergaben sich rechnerische Erhöhungen des „Soll-Rohertrags“ im Vergleich mit dem Ist-Rohertrag des Unternehmens zwischen 3,94 % und 9,94 %.
Die lagerzeitabhängigen [i]Gängigkeitsklassen für Lagerkosten Kosten hat U zunächst in Gängigkeitsklassen mit entsprechenden (durchschnittlichen) Lagerdauern eingeteilt. Die lagerbedingten Kosten (dies sind in der Praxis insbesondere Raum- und Energiekosten des Lagers, ggf. anteilige Kosten von Lageristen sowie Finanzierungskosten) wurden vergangenheitsorientiert aus den Gewinn- und Verlustrechnungen entnommen. Das erfahrungs- bzw. istzahlenorientierte Vorgehen und das Ergebnis dieser Analyse blieben unstrittig.
III. Einwände der Betriebsprüfung
Das [i]Betriebsprüfung beanstandet Bewertungsvorgehen beschriebene Bilanzierungsvorgehen bildete zunächst die Grundlage der Steuerveranlagungen, die nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurden die Schätzwerte der voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlöse akzeptiert. Bemängelt wurden jedoch die folgenden Aspekte des Bewertungsvorgehens und entsprechend durch den Betriebsprüfer in seinem Bericht und anschließend in den Steuerveranlagungen rechnerisch geändert:
Bei der Ermittlung bzw. Berücksichtigung der abzuziehenden Rohertragsmarge sei nicht auf die (höheren) Branchenvergleichswerte, sondern auf die unternehmensspezifischen Verhältnisse abzustellen: Denn bei der Teilwertvermutung sei davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb in seiner gegebenen Gestaltung fortführe und somit die unternehmensspezifischen Daten zu Umsatz, Gewinn und Rohmarge heranzuziehen seien.
Die anteilig [i]Kein Abzug lagerzeitbedingter Kosten für das erste Jahr einer Lagerhaltung ermittelten und im Rahmen eines Wertabschlags berücksichtigten lagerzeitbedingten Kosten seien rechnerisch bereits bei dem rohmargenbedingten Abschlag enthalten. Solche Kosten fielen jedes Jahr an (jeweils für die am vorangegangenen Bilanzstichtag vorhandenen Waren) und würden daher im Ergebnis doppelt berücksichtigt. Dies würde sich auch bei analoger Anwendung der in R 6.8 Abs. 2 Satz 6 EStR definierten Formelmethode ergeben. [8] S. 1025
IV. Entscheidung des
1. Teilwertvermutungen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung
Das [i]FG Münster, Urteil v. 21.11.2018 - 13 K 444/16 K,G,F NWB EAAAH-07704 FG Münster geht zunächst auf die in ständiger Rechtsprechung des BFH entwickelten Teilwertvermutungen für Gegenstände des Umlaufvermögens ein:
Im Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung entspricht der Teilwert den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. [9]
Bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens entspricht der Teilwert grundsätzlich den Wiederbeschaffungskosten. Der Teilwert hängt bei Wirtschaftsgütern, die zum Absatz bestimmt sind, aber auch von dem voraussichtlich erzielbaren Veräußerungserlös ab. [10]
Im Rahmen [i]Cremer, Teilwertabschreibung im Umlaufvermögen (Vorratsvermögen), Lexikon NWB GAAAF-01769 einer absatzmarktorientierten Bewertung kann der Werteverfall retrograd aus dem voraussichtlich zu erzielenden Veräußerungserlös ermittelt werden. Soweit dieser Erlös nicht mehr die Selbstkosten der Waren zuzüglich des im Betrieb durchschnittlichen Unternehmergewinns deckt, liegt der Teilwert um diesen Fehlbetrag niedriger. In diesem Falle ist eine Teilwertabschreibung in Höhe der Differenz erlaubt, ggf. geboten. [11]
Bei der Kalkulation der Selbstkosten sind die zukünftig bis zur Veräußerung anfallenden Selbstkosten einzubeziehen, [12] so dass der gesetzliche Teilwertbegriff die Vorwegnahme zukünftiger Aufwendungen vorsieht. [13]
In einem [i]Happe, Teilwertabschreibungen auf das Vorratsvermögen, BBK 17/2015 S. 802 NWB FAAAF-00485 jüngeren Urteil [14] hat der BFH noch einmal zusammengefasst, wie die Berechnung eines niedrigeren Teilwerts entsprechend der ständigen Rechtsprechung durchzuführen ist:
Schätzung der voraussichtlichen Veräußerungserlöse auf Grundlage des kaufmännischen Erfahrungswissens, das durch ausreichende und repräsentative Aufzeichnungen über tatsächliche Preisherabsetzungen auf Waren zu belegen ist.
Die Einteilung in Gängigkeitsklassen kann im Einzelfall geeignet sein, Folgerungen für den Teilwert zu ziehen.
Als Selbstkosten sind zunächst die Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, zu denen der Anteil am künftigen betrieblichen Aufwand, der auf das zu bewertende Wirtschaftsgut entfällt, hinzuzuaddieren ist. Dieser Kostenaufschlag kann aus den Jahresabschlussdaten abgeleitet werden.
Schließlich ist der durchschnittliche Unternehmergewinn zu berücksichtigen, der sich ebenfalls aus dem Jahresabschluss ergibt bzw. ableiten lässt. [15]
2. Folgerungen für die betriebliche Praxis
2.1 Unternehmensindividuelle statt branchenüblicher Gewinnmarge
Unter [i]Unternehmensverhältnisse entscheidend Berücksichtigung der beschriebenen Grundlagen hat das FG Münster den Einwand der Finanzverwaltung, wonach die in die Berechnung einfließende Rohertragsmarge auf Grundlage der Verhältnisse des bilanzierenden Unternehmens U, nicht aber auf einen branchenüblichen Wert zu ermitteln ist, als zutreffend beurteilt. Denn die Rechtsprechung lege hier ausgehend von der Teilwertdefinition in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (die auf die Betriebsfortführung abstellt) seit jeher den „im Betrieb durchschnittlichenS. 1026 Unternehmergewinn“ zugrunde. Soweit sich die Teilwertabschreibung also aus dem Ansatz des höheren branchenüblichen Unternehmergewinns ergeben hat, war diese unzulässig und entsprechend zu korrigieren.
Die [i]Ergebnisglättung als Zielsetzung gerichtliche Ablehnung des Ansatzes von U in diesem Punkt ist nicht nur vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Rechtsprechung, sondern auch aus wirtschaftlicher Perspektive nachvollziehbar. Denn wirtschaftlich soll durch die Berücksichtigung einer Gewinnmarge sichergestellt werden, dass bei einem nachlaufenden Verkauf der Lagerbestände weitgehend die gleiche Marge erzielt wird wie in Vorjahren, es also insoweit zu einer Ergebnisglättung kommt. Es ergibt sich eine Perspektive, wonach der Teilwert der Einzelwirtschaftsgüter so zu bemessen ist, dass die überkommenen Gewinnmargen ceteris paribus auch zukünftig erzielbar bzw. erhalten bleiben.
Der von [i]Gewinnanstieg nicht zwingend U gewählte Ansatz würde indes einen zusätzlichen Gewinnanstieg voraussetzen und auch bezogen auf die bewerteten Lagerbestände für die Zukunft rechnerisch höhere Margen ermöglichen, ohne dass ersichtlich wird, warum ein solcher Ergebnisanstieg dem bewerteten Vorratsvermögen zuzurechnen wäre. Strukturelle Ergebnisanstiege bis zum Erreichen branchenüblicher Werte fußen betriebswirtschaftlich regelmäßig nicht auf Einzelsachverhalten, sondern auf alle unternehmerischen Teilbereiche tangierende Maßnahmen, die zudem von U auch erst noch zu ergreifen wären.
Im Erfolgsfalle solcher Maßnahmen würde sich dem Grunde nach aus Sicht eines fiktiven Erwerbers auch nicht der Wert der (Alt-)Lagerbestände, sondern der ertragsabhängige Unternehmenswert insgesamt erhöhen. Ein solcher (Mehr-)Wert wäre im Fall einer Unternehmenstransaktion dann in großen Teilen dem erworbenen immateriellen Firmenwert zuzuordnen.
2.2 Keine Doppelerfassung lagerzeitabhängiger Kosten
Anders wurde [i]Lagerkosten unterliegen Schwankungen vom FG Münster der Einwand beurteilt, dass es bei der Ermittlung der lagerzeitbedingten Kosten im ersten Jahr der Lagerdauer zu einer Doppelerfassung komme, weil diese Lagerkosten bereits in der Berechnung der Gewinn- bzw. Rohertragsmarge enthalten seien.
Zum einen widerspreche ein solcher Ansatz bereits der ständigen Rechtsprechung des BFH, wonach bei der retrograden Teilwertermittlung die voraussichtlichen Veräußerungserlöse nicht nur um den durchschnittlichen Unternehmergewinn, sondern auch um die bis zur Veräußerung anfallenden Selbstkosten zu vermindern seien. Zum anderen könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die bei der Ermittlung des Rohgewinnsatzes (des Vorjahres) berücksichtigten Lagerkosten den im ersten Jahr nach dem Bilanzstichtag anfallenden Lagerkosten entsprechen.
Gegen eine solche Annahme spreche im Urteilsfall auch, dass das bilanzierende Unternehmen U die Kosten für jedes Jahr – unabhängig von den Kosten des Vorjahres – neu errechnet habe. Schließlich sei ein solcher Faktor – wenn überhaupt – nicht bei der Ermittlung des Abschlags für zukünftige Lagerkosten, sondern bei der Ermittlung der üblichen Rohgewinnmarge zu berücksichtigen. Bei einer Betrachtung der diesbezüglichen absoluten Werte müsse man aber zu dem Schluss kommen, dass eine solche Berücksichtigung quantitativ unterhalb üblicher Rundungsdifferenzen läge.
Das [i]FG widerspricht Betriebsprüfung FG Münster hat hier eine potenzielle Änderung der Rohgewinnmarge um 0,24 % (bei einer Rohgewinnmarge von 54,59 %) ermittelt. Im Ergebnis wurde also dem klagenden steuerpflichtigen U Recht gegeben und die Änderungen der Betriebsprüfung insoweit verworfen. S. 1027
Ohne [i]Keine Berücksichtigung von Verlustmargen dass es hierzu Ausführungen des FG gab, liegt es angesichts der Teilwertdefinition auf der Hand, dass im Verlustfall die unternehmensindividuelle (Gesamt-)Verlustmarge bei der Teilwertermittlung unberücksichtigt bleibt, dieser Bewertungsbestandteil also nur im Fall von positiven Margen heranzuziehen ist. Im Fall von Verlustmargen wären vielmehr die Verlustursachen zu identifizieren und – soweit diese wirtschaftlich einer Überbewertung des Umlaufvermögens bzw. einem verlustträchtigen Warenverkauf zuzurechnen sein sollten – ggf. über verkaufspreis- bzw. selbstkostenbegründete Teilwertabschreibungen abzubilden. Soweit es sich aber um Sachverhalte handelt, die anderen Bilanzposten oder dem Bereich steuerlich nicht bilanzierungsfähiger Drohverluste zuzurechnen sind, würde dies nicht die Vorratsbewertung betreffen.
Im Ergebnis [i]Bestätigung der BFH-Rechtsprechung hat das FG Münster die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ermittlung des Teilwerts bei absatzorientierter Bewertung von Gegenständen des Umlaufvermögens entwickelte Vorgehensweise angewandt und bestätigt. Insoweit kann auch auf die diesbezügliche Richtlinie R 6.8 Abs. 2 EStR sowie auf die einschlägigen Urteile und Literatur verwiesen werden.
Aufgrund der Komplexität sind aber als wertvolle Erinnerung und Bestätigung der Rechtslage folgende wesentlichen Praxishinweise ableitbar:
Die handels- und steuerrechtlichen Bewertungsmethoden unterscheiden sich und können – insbesondere bei hohen unternehmensindividuellen Gewinnmargen – steuerrechtlich zu höheren (Teilwert-)Abschreibungen führen, als dies handelsrechtlich der Fall ist.
Bei der [i]Eggert, Bearbeitung und Plausibilisierung von Vorräten, KMU-Jahresabschluss – Best Practice Teil 6, BBK 12/2019 S. 586 NWB XAAAH-16865 steuerlich gebotenen Berücksichtigung der Gewinnmarge ist auf die unternehmensindividuellen Verhältnisse abzustellen. Ein Rückgriff auf Branchendurchschnittswerte ist unzulässig. Bei der Ermittlung ist auf die Ist-Zahlen der Vergangenheit (=Jahresabschlüsse) abzustellen.
Insbesondere bei den zukünftig erwarteten Verkaufserlösen handelt es sich um Schätzwerte, deren Ermittlung und Ansatz anhand aussagekräftiger Analysen der Ist-Verhältnisse der Vergangenheit zu belegen ist.
Die konkrete Berechnung des Teilwerts nebst Nachweisführung für die Berechnungsgrundlagen ist komplex und entsprechend fehleranfällig. Die Bewertung betragsmäßig wesentlicher Vorratsbestände sollte daher einer besonderen Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger und ggf. Berater unterliegen.
Fundstelle(n):
BBK 2019 Seite 1022 - 1027
DAAAH-32862
1,F NWB EAAAH-07704.
2Der Buchwert entspricht nach § 255 Abs. 1 HGB bei Waren den Anschaffungskosten, bei unfertigen und fertigen Erzeugnissen nach § 255 Abs. 2 HGB den Herstellungskosten.
3Zu Begriff und Abgrenzungen siehe , BStBl 2016 I S. 995 NWB BAAAF-81512.
4Handelsrechtlich genügt die Feststellung einer Wertminderung zum Bewertungsstichtag. Zukünftige Werterholungen bleiben nach dem strengen Niederstwertprinzip unberücksichtigt.
5Vgl. , BStBl 2010 I S. 597 NWB BAAAD-45152.
6Vgl. NWB YAAAE-13323 sowie R 6.11 Abs. 3 EStR. Zu der Frage ist unter dem Aktenzeichen des BFH: XI R 46/17 NWB SAAAG-70418 allerdings noch ein Revisionsverfahren anhängig; Vorinstanz: NWB QAAAG-41201 mit Bestätigung der Auffassung der Finanzverwaltung.
7In der Praxis hat der Nachweis einer erfahrungsbasierten sachgerechten Schätzung ein erhebliches Gewicht, die geschätzten Werte waren aber im besprochenen Urteilsfall unstrittig.
8Zur ausführlichen Begründung vgl. ,F NWB EAAAH-07704. Da der Punkt vom FG zutreffend abgelehnt wurde, wird hier von einer umfassenden Wiedergabe abgesehen.
9Vgl. R 6.7 Satz 2 EStR; H 6.7 Nr. 1 „Teilwertvermutungen“ EStH; , BStBl 1988 II S. 892 NWB CAAAA-92690; ,F NWB EAAAH-07704, Abschnitt I.1).
10Vgl. H 6.7 Nr. 4 „Teilwertvermutungen“ EStH; , BStBl 1984 II S. 35 NWB BAAAA-91918 sowie NWB FAAAE-89032, Rz. 22.
11Vgl. NWB FAAAE-89032, Rz. 22, sowie ,F NWB EAAAH-07704, Entscheidungsgründe m. w. N. aus der Rechtsprechung.
12Vgl. , BStBl 1999 II S. 681 NWB BAAAA-96626, Rz. 9.
13Vgl. , BStBl 1995 II S. 336 NWB SAAAA-95187, Rz. 10.
14 NWB FAAAE-89032, Rz. 23.
15Vgl. NWB FAAAE-89032, Rz. 23, m. w. N.