Keine Erschütterung des Anscheinsbeweises für die Privatnutzung eines Betriebs-Kfz bei Nutzung eines gleichwertigen Privat-Kfz durch die Ehefrau
Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger kann sich zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht auf ein für private Fahrten zur Verfügung stehendes Fahrzeug berufen, wenn ihm dieses Fahrzeug beispielsweise aufgrund seiner Familienverhältnisse nicht ständig und uneingeschränkt zur Verfügung steht. Demzufolge kann der Anscheinsbeweis für die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs nicht unter Verweis auf ein in Status und Gebrauchswert vergleichbares Fahrzeug entkräftet werden, wenn auch der Ehegatte des Steuerpflichtigen das vergleichbare und für private Fahrten verfügbare Fahrzeug regelmäßig nutzt. Durch die regelmäßige Nutzung durch den Ehegatten wird der Steuerpflichtige von der Nutzung ausgeschlossen, ihm steht das für private Fahrten gedachte Fahrzeug nicht uneingeschränkt zur Verfügung (Anschluss an , EFG 2017, 1083 und 7 K 3919/14, juris, beide rechtskräftig).
Bei Veranlagungssteuern wie der Einkommensteuer bedeutet die unterschiedliche Behandlung eines gleichartigen Sachverhalts in verschiedenen Veranlagungszeiträumen auch bei einem früheren nachhaltigen Verhalten (im Streitfall: Kein Ansatz eines Privatnutzungsanteils seit Betriebseröffnung über einen Zeitraum von 12 Jahren) weder einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz noch einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Das Finanzamt ist daher an die Behandlung in einem früheren Veranlagungszeitraum nicht gebunden.
Gesetze: EStG § 6 Abs 1 Nr 4 S 2
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Streitig ist der Ansatz eines Privatanteils für die Nutzung eines betrieblichen Pkw im Streitjahr 2016.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger betreibt seit 2004 unter der Bezeichnung … ein IT-Unternehmen und ermittelt insoweit seinen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Einnahmeüberschussrechnung. Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2016 ebenfalls geringe Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit und darüber hinaus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Bereits im Zuge der Veranlagung des Betriebseröffnungsjahres 2004 hatte der Kläger dem beklagten Finanzamt gegenüber schriftlich am … Oktober 2005 Folgendes mitgeteilt:
„…bei den Kraftfahrzeugkosten ist kein Privatanteil anzusetzen. Dieser Anteil ist verschwindend gering. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt, da es nahezu 100% betriebsbedingte Fahrten sind. Daher hat kein Ansatz für private Nutzung zu erfolgen.”
Der fehlende Ansatz eines Anteils für die private Nutzung eines Firmen-Pkw wurde in der Folge weder im Jahr 2004 noch in den Folgejahren bis einschließlich 2015 vom Beklagten moniert.
Am…September 2014 erwarb der Kläger einen VW-Touareg 4,2 l V 8 TDI, den er seinem Betriebsvermögen zuordnete. Der Ansatz eines privaten Nutzungsanteils im Rahmen der Gewinnermittlung erfolgte - wie in den Vorjahren hinsichtlich anderer Firmenfahrzeuge - nicht. Diese steuerliche Behandlung wurde vom Beklagten in den Jahren 2014 und 2015 weiterhin nicht beanstandet.
Am…August 2017 gaben die Kläger ihre Einkommensteuererklärung 2016 beim beklagten Finanzamt ab. Mit Einkommensteuerbescheid vom…Oktober 2017 veranlagte der Beklagte die Kläger zusammen zur Einkommensteuer 2016. Dabei erhöhte der Beklagte den Gewinn des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit erstmals wegen der privaten Nutzung des betrieblichen Pkw (VW-Touareg) um 8.640 € zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 1.313,28 € (= 9.953,28 €). Hierbei ging der Beklagte – zwischen den Beteiligten unstreitig - von einem Neuwagen-Bruttolistenpreis in Höhe von 72.300 € aus.
Hiergegen wendeten sich die Kläger mit ihrem Einspruch vom…November 2017. Sie gaben an, der VW-Touareg werde vom Kläger nahezu ausschließlich betrieblich genutzt. Für die private Nutzung stünden ihm zwei weitere Fahrzeuge zur Verfügung, zum einen ein Volvo XC 90 (ehemaliges Firmenfahrzeug, nun auf die Klägerin zugelassen), der von der Klägerin genutzt werde, zum anderen ein Opel Corsa (auf den Kläger zugelassen), der am Wohnort der Kläger jederzeit zur Verfügung gestanden habe.
Im Rahmen einer E-Mail vom…Februar 2018 teilte der Kläger gegenüber dem Beklagten hierzu wörtlich mit:
„Der Opel steht mir immer zur Verfügung. Er steht in B.. Meine Frau fährt ihr eigenes Auto, den XC 90.”
Diesen Sachverhalt bestätigte der Vertreter der Kläger im Einspruchsverfahren, Rechtsanwalt …, in seinem Schreiben an den Beklagten vom…Februar 2018.
Der Volvo XC 90 sei gegenüber dem VW-Touareg als gleichwertig anzusehen. Darüber hinaus schließe die Nutzung des Volvo XC 90 durch die Klägerin eine private Nutzung durch den Kläger nicht aus. Für die ausschließlich betriebliche Nutzung spreche, dass mit dem VW-Touareg ständig Material der Kunden transportiert werde, um diesen im Störfall unmittelbar helfen zu können. Zu diesem Zweck seien die Rücksitze fast ständig umgelegt. Für eine private Nutzung des Fahrzeugs müsse dieses somit leergeräumt werden. Hinzu komme, dass die Kunden und Projekte des Klägers etwa 600 km entfernt ansässig bzw. belegen seien. Zur Ausübung seiner Tätigkeit fahre der Kläger etwa 1.700 km in der Woche. Für eine private Nutzung sei daher kein Raum.
Zudem rügten die Kläger, dass der Beklagte in den zurückliegenden Veranlagungszeiträumen offenbar auch von einer ausschließlich betrieblichen Nutzung des VW-Touareg ausgegangen sei und bislang von der Anwendung der so genannten 1 %-Regelung abgesehen habe.
Der Einspruch hatte jedoch keinen Erfolg. Das Finanzamt wies den Einspruch mit der Einspruchsentscheidung vom…April 2018 als unbegründet zurück. Der Beklagte ging dabei davon aus, dass ein Anscheinsbeweis für eine private Nutzung des VW-Touareg spreche. Es handele sich um ein Fahrzeug, das typischerweise auch zum privaten Gebrauch geeignet sei. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger Material bzw. Waren für Kunden in diesem Fahrzeug im Kofferraum oder auf der Rücksitzbank transportiert habe. Der VW-Touareg sei nicht in einer Weise umgebaut gewesen, dass dies eine Privatnutzung ausgeschlossen hätte. Aufgrund der Angaben der Kläger im Einspruchsverfahren stehe fest, dass das Privatfahrzeug der Kläger, der Volvo XC 90, dem Kläger im Streitjahr nicht zur uneingeschränkten privaten Nutzung ständig zur Verfügung gestanden habe. Vielmehr sei dieses Fahrzeug offenbar vorrangig von der Klägerin genutzt worden. Eine Widerlegung des Anscheinsbeweises scheide diesbezüglich somit aus. Der Anscheinsbeweis werde schließlich auch nicht dadurch widerlegt, dass dem Kläger ein Opel Corsa zur Verfügung gestanden habe. Dieses Fahrzeug sei hinsichtlich seines Nutzungswerts nicht mit dem VW-Touareg vergleichbar.
Dass das Finanzamt in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen eine in der Gewinnermittlung des Klägers fehlende Nutzungswertbesteuerung nicht beanstandet habe, entfalte aufgrund des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung keine Folgewirkung für das Streitjahr. Insbesondere sei daraus kein dauerhafter Verzicht auf eine Nutzungswertbesteuerung herzuleiten.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Kläger ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiterverfolgen. Zur Begründung nehmen sie im Wesentlichen Bezug auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren. Darüber hinaus weisen die Kläger nochmals darauf hin, dass der private Nutzungsanteil des Firmen-Pkw gegenüber der geschäftlichen Nutzung zu vernachlässigen sei. Dies habe das Finanzamt bereits 2004 eingesehen und akzeptiert. Bei der Nutzung des Firmen-Pkw seien keine Veränderungen eingetreten. Eine private Nutzung habe praktisch nicht stattgefunden.
Die Kläger beantragen,
den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2016 vom…Oktober 2017 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom…April 2018 dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit um 9.953,28 € niedriger angesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seinen Einspruchsbescheid.
Gründe
1. Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2016 vom in Gestalt des Einspruchsbescheides vom ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
a. Der Beklagte hat den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb zu Recht Einnahmen aus der Privatnutzung eines betrieblichen Kfz in Höhe von 9.953,28 € hinzugerechnet.
aa. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG kann die Privatnutzung abweichend von Satz 2 mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Diese Regelungen gelten auch, wenn der Steuerpflichtige – wie im Streitfall – seinen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.
Die Bewertungsregel des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für den Ansatz der Privatnutzung eines Kfz kommt nach der Rechtsprechung nicht zum Tragen, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat (, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 239, 443, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2013, 365; vom VIII R 60/06, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2009, 1974). Das Finanzgericht muss sich deshalb grundsätzlich die volle Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon bilden, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat, wenn es § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anwenden will (, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365).
Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, jedoch auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins (, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; , BFH/NV 1999, 1330). Etwas anderes gilt, wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, das typischerweise zum privaten Gebrauch nicht geeignet ist (, BFHE 224, 108, BStBl II 2009, 381). Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, ist aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat (, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; vom VIII R 60/06, BFH/NV 2009, 1974).
Der Beweis des ersten Anscheins kann nach der Rechtsprechung durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung des betrieblichen Kfz nicht stattgefunden hat (, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; , BFH/NV 2012, 573). Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt (, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365; vom VI R 19/05, BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116; , BFH/NV 2012, 573).
Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn lediglich behauptet wird, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden (vgl. , BFH/NV 2012, 573). Auch ein eingeschränktes privates Nutzungsverbot vermag den Anscheinsbeweis regelmäßig nicht zu entkräften. Über die Frage, ob der für eine Privatnutzung sprechende Beweis des ersten Anscheins erschüttert ist, entscheidet das Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (, BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365).
bb. Durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung sind der Anscheinsbeweis, der für eine private Nutzung spricht, und die Umstände, die zu einer Erschütterung dieses Anscheinsbeweises führen können, präzisiert worden. Hiernach spricht die allgemeine Lebenserfahrung auch dann für eine private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs, wenn dem Steuerpflichtigen zwar für private Fahrten ein Fahrzeug zur Verfügung steht, aber dieses Fahrzeug dem betrieblichen Fahrzeug in Status und Gebrauchswert nicht vergleichbar ist. Allerdings ist unter diesen Umständen der für eine private Nutzung sprechende Anscheinsbeweis umso leichter zu erschüttern, je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen ausfallen. Denn bei einer Vergleichbarkeit der Fahrzeuge ist keine nachvollziehbare Veranlassung ersichtlich, für private Fahrten das betriebliche Fahrzeug zu nutzen (, BFH/NV 2009, 1974; vom VIII R 42/09, BFHE 239, 443). Außerdem kann der Steuerpflichtige sich zur Erschütterung des Anscheinsbeweises nicht auf ein für private Fahrten zur Verfügung stehendes Fahrzeug berufen, wenn ihm dieses Fahrzeug beispielsweise aufgrund seiner Familienverhältnisse nicht ständig und uneingeschränkt zur Verfügung steht. Demzufolge kann der Anscheinsbeweis für die private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs nicht unter Verweis auf ein in Status und Gebrauchswert vergleichbares Fahrzeug entkräftet werden, wenn auch der Ehegatte des Steuerpflichtigen das vergleichbare und für private Fahrten verfügbare Fahrzeug regelmäßig nutzt. Durch die regelmäßige Nutzung durch den Ehegatten wird der Steuerpflichtige von der Nutzung ausgeschlossen, ihm steht das für private Fahrten gedachte Fahrzeug nicht uneingeschränkt zur Verfügung (, EFG 2017, 1083 und 7 K 3919/14, juris, beide rechtskräftig).
cc. Von diesen – für Einzelunternehmer entwickelten – Grundsätzen ist nicht aufgrund der für die Lohnsteuer geltenden Rechtsprechung abzuweichen. Nach der Rechtsprechung des BFH streitet bei der Lohnbesteuerung eines Arbeitnehmers der Beweis des ersten Anscheins weder dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein Dienstwagen aus dem vom Arbeitgeber vorgehaltenen Fuhrpark zur privaten Nutzung zur Verfügung steht, noch dafür, dass er einen solchen unbefugt auch privat nutzt (, BFHE 229, 228, BStBl II 2010, 848). Dieser Grundsatz kann aber nicht auf die Besteuerung eines Einzelunternehmers übertragen werden, weil sich der Einzelunternehmer das Fahrzeug nicht selbst zur Privatnutzung überlässt. Da es sich um eine einzige Person handelt, fehlt der erforderliche Interessengegensatz, wie er zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht. Aus diesem Grund hat der BFH in seinem Urteil vom VIII R 42/09 (BFHE 239, 443, BStBl II 2013, 365), welches die Besteuerung von Gesellschaftern einer Freiberufler-Sozietät betraf, weiterhin den Anscheinsbeweis nach Maßgabe der vorgenannten Rechtsprechung zugrunde gelegt und angewandt.
b. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls steht zur Überzeugung des Senats fest, dass eine private Nutzung des VW Touareg im Streitjahr tatsächlich stattgefunden hat und daher die private Nutzung des Kfz gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG gewinnerhöhend anzusetzen ist.
Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger ein betriebliches Kfz, der VW Touareg, zur privaten Nutzung zur Verfügung stand. Zunächst hat der Kläger selbst nochmals in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass eine private Nutzung in sehr geringem Umfang – insbesondere im Verhältnis zu der betrieblichen Fahrleistung – erfolgt ist. Davon abgesehen ist der VW Touareg nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch zu privaten Zwecken tatsächlich genutzt worden.
Dafür spricht im Streitfall der Beweis des ersten Anscheins.
aa. Bei dem VW Touareg handelt es sich um ein Fahrzeug, das typischerweise auch zum privaten Gebrauch geeignet ist. Denn tatsächlich handelt es sich bei dem VW Touareg um ein Fahrzeug, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild typischerweise auch privat genutzt werden konnte. Der VW Touareg war nicht in einer Weise umgebaut, dass dies eine Privatnutzung ausgeschlossen hätte (wie das bei einem sog. Werkstattwagen der Fall wäre). Allein der vom Kläger vorgetragene Umstand, dass Material und Werkzeug/Arbeitsmittel im Kofferraum und auf der umgeklappten Rückbank transportiert werden, führt nicht zu einer Vergleichbarkeit mit einem sog. Werkstattfahrzeug. Der Senat geht davon aus, dass im Übrigen mit wenigen Handgriffen eine vollumfängliche Nutzungsmöglichkeit – auch zu privaten Zwecken – hergestellt werden könnte.
Entsprechend der zitierten Rechtsprechung ist daher grundsätzlich von dem Eingreifen des Anscheinsbeweises im Streitfall auszugehen.
bb. Der Kläger hat diesen Anscheinsbeweis nicht widerlegt bzw. entkräftet. Der Senat konnte nicht festzustellen, dass die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens vorlag.
Der Senat stimmt den Klägern zwar in der Einschätzung zu, dass ein Volvo XC 90 – ungeachtet der hohen Laufleistung - mit dem Fahrzeug des Klägers, einem VW Touareg, in Bezug auf den Status sowie den Gebrauchs- oder Nutzungswert durchaus vergleichbar ist.
Zur Überzeugung des Senats steht aber bereits nach dem eigenen Vortrag der Kläger im Einspruchsverfahren fest, dass das Privatfahrzeug Volvo XC 90 dem Kläger im Streitjahr nicht zur uneingeschränkten privaten Nutzung ständig zur Verfügung stand. Vielmehr wurde dieses Fahrzeug nach den eigenen Bekundungen der Kläger in erster Linie durch die Klägerin, auf die das Fahrzeug im Streitjahr zugelassen war, genutzt. So hat der Kläger selbst im Rahmen einer E-Mail vom…Februar 2018 dem Beklagten gegenüber mitgeteilt, dass die Klägerin „ihr eigenes Auto, den XC 90, fährt”. Diesen Sachverhalt hat der Vertreter der Kläger im Einspruchsverfahren im Schriftsatz vom…Februar 2018 vollumfänglich bestätigt.
Aus diesem Vortrag schließt der Senat, dass der Kläger die – insbesondere in zeitlicher Hinsicht – uneingeschränkte alleinige Nutzung des Volvo XC 90 nicht beanspruchen konnte. Um dieses Fahrzeug zu nutzen, musste er sich vielmehr mit der Klägerin absprechen und dabei auf die Belange und die Interessen seiner Ehefrau, der Klägerin, Rücksicht nehmen. Dies schließt eine ständige Verfügbarkeit zu seinen Gunsten aus (ähnlich , G, EFG 2017, 1083, rechtskräftig, für die Nutzung eines Privatfahrzeugs durch die Lebensgefährtin).
cc. Der Anscheinsbeweis wird schließlich nicht dadurch widerlegt, dass dem Kläger ein Opel Corsa ständig am Wohnort zur Privatnutzung zur Verfügung stand. Dieses Fahrzeug ist nämlich offensichtlich weder hinsichtlich des Status` noch hinsichtlich des Nutzungswerts auch nur ansatzweise mit dem VW Touareg vergleichbar.
c. Zu Recht ist der Beklagte schließlich davon ausgegangen, dass er an seine steuerliche Würdigung des Sachverhalts in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen 2014 und 2015 bzw. in den Vorjahren zurück bis 2004 (jeweils kein Ansatz eines Privatnutzungsanteils) im Streitjahr nicht gebunden ist.
Zwar ist der Grundsatz von Treu und Glauben, wonach jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht zu nehmen hat und sich zu seinem früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzen darf, auch im Steuerrecht anzuwenden (vgl. , BFH/NV 2017, 1313 m. w. N.).
Bei Veranlagungssteuern wie der Einkommensteuer bedeutet jedoch die unterschiedliche Behandlung eines gleichartigen Sachverhalts in verschiedenen Veranlagungszeiträumen auch bei einem früheren nachhaltigen Verhalten weder einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz noch einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Das Finanzamt ist daher an die Behandlung in einem früheren Veranlagungszeitraum nicht gebunden (, BFH/NV 1990, 499).
Im Ertragsteuerrecht gilt vielmehr der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung; die Grundlagen für die Festsetzung der Einkommensteuer sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG). Dies ermöglicht der Finanzbehörde in jedem Veranlagungszeitraum eine erneute Überprüfung und ggf. Änderung einer steuerlichen Würdigung aus früheren Veranlagungszeiträumen.
Die Kläger haben daher keinen Anspruch auf die günstige steuerrechtliche Behandlung der Vorjahre. Sie konnten von einem endgültigen Verzicht auf den Ansatz eines Privatanteils durch den Beklagten nicht ausgehen und hierauf auch nicht vertrauen.
So hat der Beklagte – soweit ersichtlich – nicht in schriftlicher Form ausdrücklich erklärt, dass der Kläger zukünftig keinen Privatnutzungsanteil versteuern und kein Fahrtenbuch führen muss. Der Senat sieht dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - die Handhabung in den Steuerbescheiden nicht als eine ausdrückliche Zustimmung zu der Rechtsauffassung des Klägers (wie im Schriftsatz vom geäußert), auf die der Kläger verlässlich hätte vertrauen können. Dies muss auch deshalb gelten, weil der Kläger in regelmäßigen Zeitabständen die Firmenfahrzeuge gewechselt hat und sich möglicherweise auch der Arbeitsumfang und –ort sowie die privaten Lebensverhältnisse geändert haben könnten. Insoweit hat sich im Laufe der Jahre auch der konkrete Sachverhalt verändert. Im Ergebnis konnte daher ein Vertrauenstatbestand in Bezug auf eine Bindung des Beklagten an sein früheres Verhalten nicht geschaffen werden.
d. Dass – wie der Streitfall zeigt – der Ansatz eines geldwerten Vorteils auch bei nur einer geringen privaten Nutzung zu einer hohen Steuerbelastung führen kann, wird vom Gesetzgeber im Rahmen der zulässigen Pauschalierung hingenommen. Dies führt insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, dieser Besteuerung durch Führen eines Fahrtenbuches zu entgehen, nicht zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung (, BFHE 240, 69, BStBl II 2013, 385).
f. Die Höhe des Ansatzes der Privatnutzung ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zu Recht für zwölf Monate des Jahres 2016 einen Betrag von 9.953,28 € den Betriebseinnahmen hinzugerechnet.
Die Höhe der Hinzurechnung nach der 1 %-Methode gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kalendermonat hat der Beklagte auf der Grundlage eines Bruttolistenpreises von 72.300 € berechnet. Die Kläger haben dies nicht beanstandet. Auch nach Aktenlage sind keine Unrichtigkeiten in der Berechnung erkennbar.
Der Kläger hat auch nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG niedrigere Aufwendungen für die Privatnutzung nachgewiesen, indem er die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen hat.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 6 Nr. 37
DStRE 2019 S. 1191 Nr. 19
GStB 2019 S. 327 Nr. 9
DAAAH-16247