Heimatflughafen als erste Tätigkeitsstätte einer Flugzeugführerin im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG
Leitsatz
Der Stationierungs- oder Heimatflughafen, der einem Flugzeugführer von seinem Arbeitgeber im Arbeitsvertrag oder durch eine die arbeitsvertragliche Regelung ausfüllende Weisung unbefristet zugewiesen wird und an dem er seine Einsätze regelmäßig beginnt und beendet, ist seine erste Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom (BGBl I 2013, 285). Auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung des Begriffs der "regelmäßigen Arbeitsstätte" kommt es nach der gesetzlichen Neuregelung nicht mehr an.
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a, EStG § 9 Abs. 2, EStG § 9 Abs. 4
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die als Flugzeugführerin beschäftigte Klägerin Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwand für ihre Fahrten zum und vom Stationierungsflughafen als Werbungskosten geltend machen kann.
Die Klägerin ist seit dem ... 2007 als Flugzeugführerin bei der A angestellt und hatte ihren Wohnsitz in der Schweiz in der Nähe von B. Im Arbeitsvertrag wurde vereinbart, dass die Klägerin zunächst in C (C...) beschäftigt werde (§ 1 Abs. 1 des Vertrages), dass die A sie aber auch auf anderen Flugzeugmustern, an anderen Orten sowie vorübergehend bei anderen Unternehmen im Konzern einsetzen könne (§ 1 Abs. 2). Auf den weiteren Inhalt des Arbeitsvertrages vom ... 2007 wird Bezug genommen (...).
Mit dem letzten Versetzungsschreiben vor dem Streitjahr vom (...) versetzte die A die Klägerin aufgrund ihrer Umschulung auf den A340 ab dem vom Flughafen D (D...) zum Flughafen C (C...). Nach dem Streitjahr wurde die Klägerin auf ihren Antrag hin wieder nach D versetzt.
Im Operations Manual Part A (OM-A) der A ist Folgendes bestimmt (Kapitel 7, Revision 36, ...):
7.DE.100 Geltungsbereich
Im OM-A Kapitel 7 sind die Anforderungen an A als Betreiber gewerblichen Luftverkehrs und deren Besatzungsmitglieder in Bezug auf Flug- und Dienstzeitbeschränkungen und Ruhevorschriften für Besatzungsmitglieder festgelegt. Dieses OM-A Kapitel 7 ist der gesetzlich geforderte und behördlich genehmigte Flugzeitspezifikationsplan der A, der allen geltenden Rechtsvorschriften entspricht. (...)
7.DE.105 Begriffsbestimmungen
(...)
14. 'Heimatbasis' (home base): der von A gegenüber dem Besatzungsmitglied benannte Ort, wo das Besatzungsmitglied normalerweise eine Dienstzeit oder eine Abfolge von Dienstzeiten beginnt und beendet und wo A normalerweise nicht für die Unterbringung des betreffenden Besatzungsmitglieds verantwortlich ist; (...).
7.DE.200 Heimatbasis
Die Heimatbasis ist ein einzelner Flughafenstandort, der mit einem hohen Grad an Beständigkeit zugewiesen ist.
A weist die Heimatbasis individuell im Arbeitsvertrag zu. (...)
Ferner sind unter 7.DE.205.a OM-A - in Abhängigkeit vom Flugzeugtyp und vom Abflughafen - die Zeiten für die erforderlichen Briefings festgelegt, die zwischen 60 und 100 Minuten liegen. Nach Kapitel 14 Ziffer 14.3.1.1 OM-A muss jedes Besatzungsmitglied über einen dienstlichen Wohnsitz im Einzugsbereich seines Einsatzortes verfügen, von dem aus der Flugdienst während des Bereitschaftsdienstes innerhalb von 60 Minuten nach Benachrichtigung angetreten werden kann (...). Für die Beförderung zum und vom Dienst am Einsatzort ist nach Kapitel 14 Ziff. 14.3.3.1 OM-A das einzelne Besatzungsmitglied verantwortlich.
Im Streitjahr 2014 war die Klägerin als First Officer (Copilotin) tätig und ausschließlich im internationalen Flugverkehr eingesetzt. Sie hatte insgesamt 24 Einsätze bei 139 Arbeitstagen, darunter fünf Bereitschaftsdienste, einen Bürodienst, einen Simulatorcheck und eine medizinische Untersuchung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Flugstunden-Übersichten der A für das Streitjahr Bezug genommen (...). Sämtliche Flugeinsätze, die zwischen einem und sechs Tage dauerten, begann und beendete die Klägerin am Flughafen C. Zu den dienstlichen Einsätzen reiste die Klägerin im Streitjahr an insgesamt je ... Tagen mit dem Flugzeug oder mit ihrem eigenen Pkw von ihrem Wohnort B in der Schweiz an bzw. dorthin wieder ab. Bei einem frühen Dienstbeginn reiste sie am Vortag an und übernachtete in einem Hotel in C. Entsprechend verfuhr sie bei einem späten Dienstende und bei unmittelbar aufeinander folgenden Bereitschaftsdiensten und Schulungen. Von der A erhielt die Klägerin Abwesenheitsgeld für die Einsätze im Streckendienst, beginnend mit dem planmäßigen Abflug und endend mit der in den flight-logs angegebenen Blockzeit (§ 2 Abs. 3 des Tarifvertrages der A, ...).
Zu den Aufgaben der Klägerin als Copilotin gehörte es, vor jedem Abflug an dem 60- bis 100-minütigen Briefing der Flugbesatzung teilzunehmen, die Wettermeldungen zu überprüfen, sich an der Beurteilung der Wetterlage zu beteiligen, alle notwendigen Unterlagen und Informationen zur Durchführung des Fluges einzuholen, den Flugplan zu überprüfen, sich mit dem technischen Status des Flugzeugs vertraut zu machen, dafür zu sorgen, dass alle Flugunterlagen vollständig an Bord verfügbar waren, die Abflugdaten zu errechnen und die an Bord befindliche Kraftstoffmenge mit der vorgeschriebenen Menge zu vergleichen. Nach dem Flug musste sie den Kommandanten bei der Vervollständigung der Flugunterlagen unterstützen, auf Anweisung schriftliche Berichte erstellen und benutzte Unterlagen wieder zurücklegen. Wegen der Einzelheiten wird auf Kapitel 1 Ziffern 1.7.2.1 und 1.7.2.3 OM-A Bezug genommen (...).
Die A teilte dem Beklagten auf Anfrage mit E-Mail-Schreiben vom (...) mit, dass beim fliegenden Personal der A eine arbeitsrechtliche Zuordnung zu einem konkreten Flughafen (Stationierungsort) bestehe, von wo der Mitarbeiter regelmäßig seinen Dienst beginne und beende. In Einzelfällen erfolgten abweichende Zuordnungen über Weisungen des Arbeitgebers, wobei der Stationierungsort im Versetzungsschreiben benannt sei, sodass auch in diesen Fällen eine eindeutige Zuordnung und damit eine erste Tätigkeitsstätte gegeben sei. Die Zuordnung ergebe sich somit aus den Dienstverträgen bzw. ergänzenden Versetzungsschreiben.
Am reichte die Klägerin beim Beklagten die Einkommensteuererklärung für 2014 ein und machte hierin u. a. folgende Reisekosten als Werbungskosten geltend:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Übernachtungen
am Dienstort:
|
...
€
|
Fahrt-
und Flugkosten:
Mietwagen
(Fahrten Hotel - Flughafen):
|
...
€
|
Tankkosten
für Mietwagen und Kosten Vignette (... €):
|
...
€
|
26
Fahrten Wohnung B - Flughafen B (... km):
|
...
€
|
Flugkosten
Wohnung B - Flughafen C:
|
...
€
|
Fahrtkosten
öffentliche Verkehrsmittel:
|
...
€
|
7
Fahrten Wohnung B - Flughafen C (... km):
|
...
€
|
Verpflegungsmehraufwendungen:
Spesendifferenzen
lt. Streckeneinsatzabrechnungen:
|
...
€
|
je
... Reisen von und nach C (12,00 € pro Reisetag):
|
...
€
|
Der Beklagte erließ am den Einkommensteuerbescheid für 2014, in dem er lediglich die Kosten für die Übernachtungen (... €) und die Flüge (... €) in voller Höhe berücksichtigte und Verpflegungsmehraufwendungen nur in Höhe der Spesendifferenz von ... € (festgesetzte Steuer: ... €). Die Fahrtkosten für die Wege zwischen der Wohnung in B und dem Flughafen in B bzw. dem Flughafen in C berücksichtigte der Beklagte in Höhe der Entfernungspauschale mit ... € (26 Tage x ... km x 0,30 €/km) und ... € (7 Tage x ... km x 0,30 €/km).
Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, dass die A der Klägerin den Flughafen C arbeitsvertraglich als erste Tätigkeitsstätte zugewiesen habe, sodass Verpflegungsmehraufwendungen für die An- und Abreisetage zum Einsatzflughafen nicht angesetzt und die Fahrten zwischen der Wohnung und dem Einsatzflughafen nur in Höhe der Entfernungspauschale berücksichtigt werden könnten.
Hiergegen legte die Klägerin am Einspruch ein und trug unter Verweis auf Tz. 1c des (BStBl I 2015, 26) vor, dass es sich beim Stationierungsort des fliegenden Personals nicht um eine erste Tätigkeitsstätte handele; diese sei, wie vor der Änderung des Reisekostenrechts, das Flugzeug, das aber keine ortsfeste betriebliche Einrichtung sei. Daher seien die Aufwendungen für die Fahrten zwischen der Wohnung und dem Flughafen nach Reisekostenrecht zu berücksichtigen und zusätzlich Verpflegungsmehraufwendungen auch für die Tage der Anreise zum Flughafen bzw. der Rückkehr zum Wohnort.
Mit Einspruchsentscheidung vom wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Klägerin habe ihre erste Tätigkeitsstätte in C, weil der Flughafen eine ortsfeste betriebliche Einrichtung der A und die Klägerin aufgrund dienst- und arbeitsrechtlicher Festlegungen dem Flughafen zugeordnet sei. Luftfahrtunternehmen und gewerbliche Luftverkehrsbetreiber seien nach Verordnung (EG) Nr. 859/2008 der Kommission vom , Anhang III, Abschnitt Q, OPS 1.1090 Nr. 3.1. und OPS 1.1095 Nr. 1.7. verpflichtet, jedem Besatzungsmitglied eine Heimatbasis zuzuweisen, an der das Besatzungsmitglied normalerweise eine Dienstzeit oder eine Abfolge von Dienstzeiten beginne und beende und wo der Betreiber normalerweise nicht für die Unterbringung des Besatzungsmitglieds verantwortlich sei. Dies habe die A als Arbeitgeberin der Klägerin in ihren Dienst- und Arbeitsanweisungen umgesetzt und z. B. im OM-A besondere Bestimmungen für den Einsatzort (home base) festgelegt. Längere Bereitschaftsdienste erfolgten nur am dienstlichen Wohnsitz (OM-A 13.3.1.1) und damit ausschließlich im Einzugsbereich der home base. Abwesenheitsgeld (Verpflegungsmehraufwendungen, OM-A ) werde durch die A nur für die Zeiten eines Streckeneinsatzes zwischen dem Abflug vom Heimatflughafen und der Landung am Heimatflughafen gezahlt. Daher könne die Klägerin die Kosten für die Fahrten vom und zum Flughafen C lediglich in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungskosten abziehen. Die geltend gemachten Aufwendungen für Mietwagen, Treibstoff und Mautgebühren seien nicht abzugsfähig. Die Verpflegungsmehraufwendungen seien ebenso wenig zu berücksichtigen, da sie nicht auf Zeiten entfielen, in denen die Klägerin außerhalb ihrer Wohnung und ihrer ersten Tätigkeitsstätte tätig gewesen sei.
Die Klägerin hat am Klage erhoben und trägt vor:
Bei den streitgegenständlichen Aufwendungen handele es sich um Reisekosten bei Auswärtstätigkeit, da der Stationierungsort des fliegenden Personals keine erste Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) sei. Vor der Änderung des Reisekostenrechts habe der BFH bei Bordpersonal von Flugzeugen nicht den zugewiesenen Stationierungsort als regelmäßige Arbeitsstätte angesehen, sondern das Flugzeug als den Ort, an dem der Schwerpunkt der Leistung zu erbringen sei (vgl. Urteil vom VI R 68/12). Durch die Umbenennung der "regelmäßigen Arbeitsstätte" in "erste Tätigkeitsstätte" ergäben sich keine Änderungen.
Sie, die Klägerin, sei dem Flughafen C nicht dauerhaft zugeordnet. Denn die Zuordnung durch den Arbeitgeber müsse sich auf die Tätigkeit des Angestellten beziehen. Vorliegend basiere die Zuordnung jedoch, wie in der Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt, auf der entsprechenden Verpflichtung der A nach der EU-Verordnung und den Flugbestimmungen der European Aviation Safety Agency (EASA). Aus diesem Grunde seien die Bestimmungen zum Heimatflughafen im OM-A unter der Rubrik "gesetzliche und behördliche Vorgaben" aufgeführt. Darauf, dass die Arbeitgeberin und der Mitarbeiter den inländischen Stammflughafen auswählten, komme es somit nicht an. Darüber hinaus habe im Jahre 2007 auch deshalb keine willentliche Zuordnung getroffen werden können, weil der Begriff der ersten Tätigkeitsstätte erst im Streitjahr in das Gesetz aufgenommen worden sei.
Die Mitarbeiter des fliegenden Personals seien keiner Betriebsstätte zugeordnet, sondern lediglich einem bestimmten Flughafen als notwendiger betrieblicher Organisationseinheit, die die Arbeitgeberin in Befolgung der gesetzlichen Vorgaben einrichten müsse. Von dieser Organisationseinheit aus erfolgten sämtliche dienstlichen Anweisungen, die Dienstzeiten sowie die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten; auch die Spesenabrechnung bedürfe dieser entsprechenden Organisation. Dennoch komme es häufig vor, dass Mitarbeiter des fliegenden Personals von einem anderen als dem Stammflughafen aus ihren Dienst anträten (Beweis: Zeugnis des Vorstandsvorsitzenden der A E...). Eine derartige organisatorische Zuordnung sei ohnehin nur bei Arbeitgebern erforderlich, die an mehreren Standorten vertreten seien. Die konkrete dienstliche Zuordnung zu einer Tätigkeit an ständig wechselnde, nicht ortsfeste betriebliche Einrichtungen des Arbeitgebers, die Flugzeuge, erfolge erst aufgrund der monatlich im Voraus von dieser Organisationseinheit, hier dem C..., erstellten Dienstpläne. Die A sei deshalb ebenfalls der Auffassung, dass es sich bei dem Stationierungsort nicht um eine erste Tätigkeitsstätte handele (Beweis: Zeugnis des Vorstandsvorsitzenden der A E...).
Zu beachten sei ferner, dass nicht nur die Arbeitgeberin nach dem Arbeitsvertrag die Möglichkeit habe, sie, die Klägerin, an einen anderen Flughafen zu versetzen, sondern dass auch sie selbst jederzeit eine Versetzung beantragen könne, sodass die Annahme einer dauerhaften, allein auf arbeitgeberseitiger Weisung beruhenden Zuordnung ausscheide. So sei sie mittlerweile auf eigenen Wunsch nach D versetzt worden, weil der Flughafen in der Nähe ihres jetzigen Wohnortes liege.
Zutreffend sei, dass sie, die Klägerin, vor jedem Flug ein Briefing am Flughafen vorzunehmen habe, das nach den gesetzlichen Vorgaben 60 bis 100 Minuten dauern solle. Nach der Rechtsprechung des BFH seien die Tätigkeiten am Flughafen jedoch von untergeordneter Bedeutung und damit irrelevant. Selbst bei Zugrundelegung einer 100-minütigen Vorbereitung bei durchschnittlich vier Tagen Arbeitszeit pro Flug ergäbe sich ein prozentualer Anteil von lediglich unter 2 %.
Die A habe nicht die Möglichkeit zu bestimmen, dass es sich bei dem zugewiesenen Stammflughafen nicht um eine erste Tätigkeitsstätte handeln solle. Die Finanzverwaltung (vgl. Rz. 12) sehe diese Möglichkeit ausschließlich für rein organisatorische Zuordnungen vor. Auch sei es dem Arbeitgeber nicht möglich festzulegen, dass es keine erste Tätigkeitsstätte gebe (Negativfestlegung). Hierauf liefe es jedoch hinaus, wenn die A dem Stammflughafen die Eigenschaft als erste Tätigkeitsstätte abspräche, denn das Flugzeug sei keine ortsfeste betriebliche Einrichtung und komme als erste Tätigkeitsstätte somit nicht in Betracht.
Schließlich sprächen aufgrund der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften die Ausführungen des zur ertragsteuerlichen Beurteilung von Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte für das Nichtvorliegen einer ersten Tätigkeitsstätte. Danach seien, wenn der Steuerpflichtige auf einem Flugzeug betrieblich tätig werde, die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte grundsätzlich unbeschränkt als Betriebsausgaben abziehbar.
Fehle es, wie vorliegend, an einer dauerhaften Zuordnung zu einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, komme die Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte nur unter quantitativen Gesichtspunkten in Betracht. Da wesentlicher Schwerpunkt ihrer, der Klägerin, Tätigkeit weiterhin der Dienst an Bord des Flugzeugs sei, lägen diese Voraussetzungen nach der insoweit weiter geltenden bisherigen Rechtsprechung des BFH ebenfalls nicht vor. Ebenso wenig sei der Flughafen C als Sammelpunkt i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG einzuordnen; hierfür fehle es an einem arbeitstäglichen Aufsuchen dieses Ortes.
Zusätzlich als Werbungskosten zu berücksichtigen seien daher folgende Aufwendungen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
7
Fahrten B - C x ... km x 0,30 €:
|
...
€
| |
26
Fahrten Wohnung-Flughafen B x ... km x 0,30 €:
|
...
€
| |
Tankkosten
und Mautgebühren:
|
...
€
| |
Verpflegungsmehraufwendungen
... Tage x 12,00 € x 2:
|
...
€
| |
gesamt:
|
...
€
|
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von ... € berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt der Beklagte auf die Einspruchsentscheidung Bezug und führt ergänzend aus:
Die Klägerin sei dem Flughafen C dauerhaft zugeordnet, und dies nicht ausschließlich aus rechtlichen Gründen. Nach der EU-Verordnung müsse nur überhaupt ein Heimatflughafen bestimmt werden. Nicht geregelt sei, welcher Flughafen dies sein solle und nach welchen Kriterien er zu bestimmen sei.
Diese Entscheidung treffe allein der jeweilige Arbeitgeber, der sich vor allem durch Wirtschaftlichkeits- und Praktikabilitätserwägungen leiten lasse. Auch sei der zugewiesene Heimatflughafen nicht lediglich eine betriebliche Organisationseinheit der Arbeitgeberin. Er sei vielmehr eine ortsfeste betriebliche Einrichtung, an der die Klägerin tätig werde. Selbstverständlich finde der Hauptteil der Tätigkeit der Klägerin nicht am Flughafen, sondern in Flugzeugen statt, doch gebe es neben dem Führen des Flugzeugs eine Vielzahl von Tätigkeiten, die zur Ausübung des Berufs der Klägerin erforderlich seien und am Flughafen erbracht werden müssten. So habe die Klägerin die Wettermeldungen zu überprüfen, den Operational Flight Plan zu erstellen bzw. zu überprüfen, der Aufgabe des Air Traffic Service Flugplans nachzukommen und am Briefing vor jedem Flug teilzunehmen, sodass sie mindestens 60 bis 100 Minuten vor dem Abflug am Flughafen anwesend sein müsse.
Durch die Dienstpläne würden lediglich die konkreten Arbeitszeiten (Beginn und Ende eines Streckenumlaufes) und die innerhalb eines Umlaufes anzufliegenden Ziele festgelegt. An der grundsätzlichen Zuweisung des Heimatflughafens und an den im Flughafen auszuübenden Tätigkeiten könnten die Dienstpläne jedoch nichts ändern.
Die Möglichkeit der Klägerin, die Versetzung an einen anderen Flughafen zu beantragen, verhindere die dauerhafte Zuordnung an einen Flughafen nicht. Diese Zuordnungsentscheidung treffe allein die Arbeitgeberin, wenn auch ggf. auf Antrag der Klägerin. Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin diese Zuordnungsentscheidung nicht dauerhaft habe treffen wollen, lägen nicht vor.
Die Ausführungen in dem von der Klägerin zitierten BMF-Schreiben führten zu keinem anderen Ergebnis, weil die zugrunde liegenden Sachverhalte nicht vergleichbar seien. In Ermangelung eines weisungsberechtigten Arbeitgebers könne es bei selbständig Tätigen nicht zur Zuordnung einer Tätigkeitsstätte kommen.
Auf die quantitativen Kriterien nach § 9 Abs. 4 Satz 4 Nr. 1 und 2 EStG komme es danach nicht mehr an.
Auf die Sitzungsniederschriften des Erörterungstermins am und der mündlichen Verhandlung am wird Bezug genommen (...).
Dem Gericht haben ein Band Einkommensteuer- und zwei Bände Rechtsbehelfsakten vorgelegen (St.-Nr. .../.../...).
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat die geltend gemachten zusätzlichen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Flughafen (2.) und Verpflegung (3.) zu Recht nicht berücksichtigt.
1. Die Klägerin war im Streitjahr gemäß § 1 Abs. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig und unterlag mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die sie an Bord von im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugen ausgeübte, die von der A als einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wurden, gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG der inländischen Besteuerung.
2. Die Aufwendungen der Klägerin für die Fahrten zwischen ihrem Wohnort B und dem Flughafen B bzw. dem Flughafen C sind mit der vom Beklagten bereits berücksichtigten Entfernungspauschale abgegolten.
aa) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom (BGBl I 2013, 285) mit Wirkung ab dem sind Werbungskosten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte i. S. des Absatzes 4 der Vorschrift. Zur Abgeltung dieser Aufwendungen ist für jeden Arbeitstag, an dem der Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 € anzusetzen. Demgegenüber sind Aufwendungen des Arbeitnehmers für beruflich veranlasste Fahrten, die nicht Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte sind, mit den tatsächlichen Aufwendungen oder mit pauschalen Kilometersätzen nach dem Bundesreisekostengesetz anzusetzen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 1 und 2 EStG); dieser Kilometersatz belief sich im Streitjahr auf 0,30 € pro gefahrenen km.
bb) Nach § 9 Abs. 4 EStG ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist (Satz 1). Die Zuordnung i. S. des Satzes 1 wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen und Weisungen bestimmt (Satz 2). Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll (Satz 3). Fehlt eine solche dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft typischerweise arbeitstäglich (Satz 4 Nr. 1) oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll (Satz 4 Nr. 2).
Danach war der Flughafen C im Streitjahr die erste Tätigkeitsstätte der Klägerin.
aa) Der Flughafen C ist eine ortsfeste betriebliche Einrichtung. Darauf, ob es sich um eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, hier der A, handelt, kommt es nach der jetzigen Gesetzesfassung nicht mehr an; es würde genügen, wenn es sich um eine betriebliche Einrichtung des Flughafenbetreibers handelte.
bb) Die Klägerin war dem Flughafen C zugeordnet.
aaa) Nach dem zwischen der Klägerin und ihrer Arbeitgeberin geschlossenen Arbeitsvertrag hatte die Arbeitgeberin das Recht, die Klägerin an anderen Orten als dem im Arbeitsvertrag festgelegten Ort (dem Flughafen C) einzusetzen. Von diesem Recht hat sie Gebrauch gemacht, indem sie die Klägerin mit Versetzungsschreiben vom vom Flughafen D wieder an den auch bereits im Arbeitsvertrag als Arbeitsort festgelegten Flughafen C zurückversetzt hat. Die Zuordnung beruht somit auf einer arbeitsvertraglichen Regelung und einer diese ausfüllenden Weisung der Arbeitgeberin.
bbb) Die in Ziff. 1.7 des Anhangs III Abschnitt Q OPS 1.1095 der Verordnung (EG) Nr. 859/2008 vom (EU-OPS; ABl. L 254 vom , 1) geregelte Verpflichtung von Luftfahrtunternehmen, für jedes Besatzungsmitglied eine Heimatbasis festzulegen, d. h. einen Stationierungsort im Sinne eines Einsatzortes, an dem die Dienstzeiten beginnen und enden und an dem der Unternehmer grundsätzlich nicht für die Unterbringung zu sorgen hat, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist allein, dass der Arbeitgeber tatsächlich eine arbeitsvertragliche Zuordnung getroffen hat, unabhängig davon, ob er gesetzlich zur Zuweisung eines Arbeitsortes verpflichtet war oder nicht.
Dass der Gesetzgeber eine betriebliche Einrichtung, die dem Arbeitnehmer aufgrund einer entsprechenden rechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Festlegung eines Arbeitsortes zugeordnet wurde, nicht als erste Tätigkeitsstätte hätte qualifizieren wollen, wie die Klägerin meint, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen; der Wortlaut sieht keine derartige Einschränkung vor.
In teleologischer Hinsicht oder aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine derartige Reduktion des Gesetzes ebenso wenig geboten. Die in der Beschränkung des Fahrtkostenersatzes liegende Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip ist sachgerecht und folgerichtig, wenn sich der Arbeitnehmer auf die immer gleichen Wege einstellen und so (etwa durch Fahrgemeinschaften, öffentliche Verkehrsmittel oder eine zielgerichtete Wohnsitznahme in der Nähe der regelmäßigen Arbeitsstätte) auf eine Minderung der Wegekosten hinwirken kann (vgl. , BFHE 236, 426, BStBl II 2012, 827; vom VI R 36/10, BFHE 234, 160, BStBl II 2012, 36). Dies ist dem Arbeitnehmer, dem ein Arbeitsort dauerhaft zugewiesen wurde, aber unabhängig davon möglich, ob der Arbeitgeber zu der Zuordnung rechtlich verpflichtet war oder nicht.
ccc) Dass die A die Zuordnungsentscheidung im Streitfall bereits mit dem Versetzungsschreiben vom und damit vor Inkrafttreten des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG i. d. F. vom am getroffen hat, hindert die Einordnung des Flughafens C als erste Tätigkeitsstätte ebenso wenig.
Der Gesetzgeber hat keine Übergangsregelung in der Weise getroffen, dass arbeitsvertragliche Festlegungen eines Arbeitsortes aus der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes von der Anwendung auszunehmen wären. Hierzu bestand unter Vertrauensschutzgesichtspunkten auch kein Anlass, weil die Steuerpflichtigen und ihre Arbeitgeber in der Zeit zwischen Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes ausreichend Gelegenheit hatten, im Bedarfsfall entsprechend geänderte Vereinbarungen zu treffen.
Auch ist für die Anwendung der Bestimmung nicht erforderlich, dass dem Arbeitgeber die steuerliche Auswirkung der Zuordnung bewusst ist. Der im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitsort ist regelmäßig und auch ohne einen entsprechenden Willen des Arbeitgebers als eine - eine erste Tätigkeitsstätte begründende - Zuordnungsentscheidung zu werten (vgl. Hermes, nwb 27/2016, 2022).
ddd) Der Senat kann offen lassen, ob die Arbeitgeberin der Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, mit steuerlicher Wirkung zu bestimmen, dass der Flughafen C als "home base" nur in Erfüllung dieser rechtlichen Verpflichtung bzw. nur in organisatorischer Hinsicht festgelegt werde und hierdurch keine erste Tätigkeitsstätte begründet werden solle (vgl. hierzu Hermes, nwb 27/2016, 2022; Geserich, HFR 2014, 783; BStBl I 2014, 1412, Tz. 12). Denn die Arbeitgeberin hätte von dieser Möglichkeit für das Streitjahr jedenfalls keinen Gebrauch gemacht, weil sie die Zuordnung nicht entsprechend eingeschränkt hat. Aus dem E-Mail-Schreiben vom an den Beklagten ergibt sich im Gegenteil, dass die Arbeitgeberin auch keinen entsprechenden Willen hatte und selbst davon ausgeht, dass es sich bei den in den Versetzungsschreiben festgelegten Flughäfen um erste Tätigkeitsstätten im steuerlichen Sinne handele.
Soweit die Klägerin schriftsätzlich den Vorstandsvorsitzenden der A als Zeugen dafür benannt hat, dass die A der Auffassung sei, dass es sich bei dem Stationierungsort nicht um die erste Tätigkeitsstätte handele, brauchte der Senat diesem Beweisangebot nicht nachzukommen. Zum einen hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Zum anderen kommt es nicht darauf an, welche Auffassung die A zu dieser Frage hat. Denn der arbeitsvertraglich zugewiesene Arbeitsort ist per se die erste Tätigkeitsstätte, wenn keine anderslautende Vereinbarung getroffen wird (Hermes, nwb 27/2016, 2022). Dass, wann, mit welchem genauen Inhalt und in welcher Form mit ihr, der Klägerin, eine abweichende Vereinbarung getroffen worden wäre, hat sie jedoch nicht vorgetragen und unter Beweis gestellt. Hierüber brauchte der angebotene Zeuge ohne weitere Angaben der Klägerin auch nicht befragt zu werden. Beweisermittlungs- oder -Ausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, brauchen regelmäßig dem Gericht eine Beweisaufnahme nicht nahe zu legen (, BFH/NV 2016, 1282, m. w. N.).
cc) Die Zuordnung war auch dauerhaft, weil in dem Versetzungsschreiben vom keine Befristung für die Zuweisung des Flughafens C vorgesehen wurde. Der arbeitsvertragliche und in dem Versetzungsschreiben wiederholte Vorbehalt der Arbeitgeberin, die Klägerin jederzeit an einem anderen Ort einsetzen zu können, ändert nichts daran, dass die Versetzung nicht befristet wurde und damit dauerhaft war (vgl. DStR 2016, 964).
dd) Schließlich sollte die Klägerin am Flughafen C in hinreichendem Umfang tätig werden.
aaa) Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Qualifikation als erste Tätigkeitsstätte nicht mehr darauf an, ob hier der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit liegt.
(1) Nach der zu der bis 2013 geltenden vorherigen Regelung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG i. d. F. vom , BGBl I 2009, 3366) ergangenen Rechtsprechung des BFH war für den dort verwendeten Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte, wenn der Arbeitnehmer in mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers tätig war, maßgebend, welche Tätigkeit er an den verschiedenen Arbeitsstätten im Einzelnen wahrnahm oder wahrzunehmen hatte; der regelmäßigen Arbeitsstätte musste hinreichend zentrale Bedeutung gegenüber den weiteren Tätigkeitsorten zukommen (, BFH/NV 2016, 196; vom VI R 36/10, BFHE 234, 160, BStBl II 2012, 36). Ein Flugzeugführer wurde danach schwerpunktmäßig im Flugzeug und nicht im Flughafen tätig (, BFH/NV 2014, 1029).
(2) Diese Rechtsprechung ist durch die gesetzliche Neuregelung obsolet geworden (vgl. Schramm/Harderer-Buschner, nwb 1/2014, 26; Lochte in Frotscher/Geurts, EStG, § 9 Rz. 252a; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 9 Rz. 53; Niermann, DB 2013, 1015; BStBl I 2014, 1412). Der Gesetzgeber wollte durch die Abkehr von der qualitativen Beurteilung zur Steuervereinfachung beitragen und Rechtssicherheit schaffen. Es sollte nur noch eine "erste" Tätigkeitsstätte je Dienstverhältnis geben, deren Bestimmung durch den Arbeitgeber oder anhand von quantitativen Elementen statt der vom BFH verwendeten qualitativen Elemente erfolgen sollte (BT-Drs. 17/10774 S. 1, 9 f., 15).
bbb) Zu der Frage, in welchem Umfang der Arbeitnehmer an der ihm vom Arbeitgeber zugeordneten Tätigkeitsstätte tätig werden muss, um sie als erste Tätigkeitsstätte i. S. der neuen Rechtslage qualifizieren zu können, werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Nach der Gesetzesbegründung soll es unerheblich sein, in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Tätigkeit an der arbeits- oder dienstrechtlich dauerhaft zugeordneten Tätigkeitsstätte oder an anderen Tätigkeitsstätten ausübt (BT-Drs. 17/10774, S. 15; vgl. auch von Beckerath in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 9 Rz. 53). Die Finanzverwaltung sieht eine Zuordnung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen nicht als ausreichend an und fordert darüber hinausgehend, dass der Arbeitnehmer an der vom Arbeitgeber festgelegten Tätigkeitsstätte zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden soll, z. B. in Form von Hilfs- und Nebentätigkeiten wie dem Abgeben von Stundenzetteln oder Krankmeldungen ( BStBl I 2014, 1412, Rz. 6). In der Literatur wird z. T. weitergehend verlangt, dass der Arbeitnehmer an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausübt, wofür organisatorische Tätigkeiten wie die Abgabe von Krankmeldungen nicht genügen sollen (Niermann, DB 2013, 1015; Thürmer in Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 9 EStG Rz. 550). Schließlich verstößt § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a EStG nach einer anderen in der Literatur vertretenen Auffassung zumindest in Fällen, in denen der Arbeitnehmer an der festgelegten Tätigkeitsstätte nur unwesentliche Arbeiten verrichtet, gegen das objektive Nettoprinzip, da der Arbeitnehmer bei lediglich vorübergehender Tätigkeit nicht die Möglichkeit habe, die Fahrtkosten gering zu halten (Bergkemper, FR 2013, 1017; Kreft in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 9 EStG Rz. 9a).
ccc) Nach Auffassung des erkennenden Senates ergibt sich das Erfordernis einer tatsächlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers an der ortsfesten betrieblichen Einrichtung aus dem Begriff "Tätigkeitsstätte" (so auch Loschelder in Schmidt, EStG, 35. Aufl., § 9 Rz. 255) sowie aus der Bestimmung des § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG, die die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Tätigkeit regelt, dabei aber voraussetzt, dass der Arbeitnehmer an der Einrichtung erscheinen und überhaupt tätig werden soll. Nicht ausreichend wäre daher eine lediglich gedankliche Zuordnung, etwa aus organisatorischen Gründen. Aus der hilfsweise in Fällen fehlender dienst- oder arbeitsrechtlicher Festlegung auf eine Tätigkeitsstätte anzuwendenden Bestimmung des § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG und den dort genannten quantitativen Kriterien folgt im Umkehrschluss allerdings, dass diese Vorgaben bei Vorliegen einer dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegung nicht erfüllt sein müssen und auch ein geringer Umfang der Tätigkeit bereits genügt.
ddd) Ob geringfügige Hilfstätigkeiten wie die Abgabe von Krankmeldungen o. Ä. ausreichend wären, kann im Streitfall offen bleiben. Denn die Klägerin hat am Flughafen C in einem hinreichenden Umfang ihre eigentliche Berufstätigkeit ausgeübt. Ausweislich der vorliegenden Flugstunden-Übersichten war sie dort jeweils vor und nach jedem Streckeneinsatz anwesend. Als Copilotin musste sie vor jedem Abflug an dem 60- bis 100-minütigen Briefing teilnehmen und im Flugzeug diverse Vorbereitungstätigkeiten durchführen. Ferner fanden am Flughafen C die routinemäßigen medizinischen Untersuchungen der Klägerin, der Bürodienst, die Bereitschaftsdienste und das Simulatortraining statt. Das genügt für die Annahme einer tatsächlichen Tätigkeit an der ersten Tätigkeitsstätte (vgl. Hermes, nwb 27/2016, 2022, für einen Busfahrer, der das Fahrzeug am Sitz des Arbeitgebers in Empfang nehmen und nach Beendigung der Fahrten dorthin zurückbringen soll).
Ein verfassungswidriger Eingriff in das objektive Nettoprinzip liegt im Streitfall deshalb auch nicht vor. Denn die Klägerin hat den Flughafen C im Streitjahr regelmäßig aufgesucht und sämtliche Streckeneinsätze dort begonnen und beendet. Auch hat sie dort zwar qualitativ und quantitativ nicht überwiegende, aber zeitlich nicht unerhebliche Tätigkeiten ausgeübt. Nach Kapitel 14 Ziffer 14.3.1.1 OM-A war sie sogar verpflichtet, in C einen dienstlichen Wohnsitz zu begründen, von dem aus sie den Flugdienst während des Bereitschaftsdienstes innerhalb von 60 Minuten nach Benachrichtigung antreten konnte. Sie hätte also die Möglichkeit gehabt, ihre Fahrtkosten gering zu halten, indem sie den dienstlichen Wohnsitz zugleich als privaten Hauptwohnsitz gewählt hätte.
Darauf, ob und in welchem Umfang andere Mitglieder des fliegenden Personals an ihrem jeweiligen Stammflughafen tätig werden, kommt es für den Streitfall nicht an. Die von der Klägerin angeregte Beweisaufnahme hierzu konnte demgemäß unterbleiben.
ee) In der Qualifikation des einem angestellten Flugzeugführer arbeitsvertraglich zugeordneten Stationierungsflughafens als erste Tätigkeitsstätte liegt entgegen der Auffassung der Kläger keine sachwidrige Ungleichbehandlung mit Gewerbetreibenden.
Der in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG verwendete Begriff der Betriebsstätte ist abweichend von § 12 Abgabenordnung (AO) als eine regelmäßige Tätigkeitsstätte zu verstehen (Heinicke in Schmidt, EStG, 35. Aufl., § 4 Rz. 584). Dabei ist der Begriff zur Gewährleistung der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung in weitestgehender Annäherung an den Begriff der ersten Tätigkeitsstätte auszulegen (so auch BStBl I 2015, 26, Rz. 1). Eine vollständige Übertragung der Definition der ersten Tätigkeitsstätte ist jedoch nicht möglich, weil es im gewerblichen Bereich an einem Arbeitgeber fehlt, der eine Zuordnung vornehmen könnte (Heinicke in Schmidt, EStG, 35. Aufl., § 4 Rz. 584). Hierin liegt ein sachlicher, eine gewisse Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund.
ff) Auf die in § 9 Abs. 4 Satz 4 EStG genannten quantitativen Gesichtspunkte kommt es danach nicht mehr an.
gg) Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen "sämtliche Aufwendungen" abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst sind. Abgegolten ist damit auch die Mautgebühr bzw. die Gebühr für die Vignette, sodass es nicht darauf ankommt, ob diese Gebühr überhaupt (nur) durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte veranlasst war. Dagegen gilt die Entfernungspauschale gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 3 EStG nicht für Flugstrecken. Die Klägerin kann für die Flüge von B nach C und zurück daher nur die tatsächlichen Flugkosten geltend machen, die im angefochtenen Bescheid bereits berücksichtigt wurden, und nicht die ggf. höhere Entfernungspauschale.
3. a) Nach § 9 Abs. 4a Satz 1 i. V. m. Satz 2 und Satz 3 Nr. 2 EStG sind, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig wird (auswärtige berufliche Tätigkeit), Mehraufwendungen für die Verpflegung in Höhe einer Verpflegungspauschale von 12 € für den An- und Abreisetag anzusetzen, wenn der Arbeitnehmer an diesem, einem anschließenden oder vorhergehenden Tag außerhalb seiner Wohnung übernachtet.
b) Aus den oben unter 2. genannten Gründen ist der Flughafen C jedoch die erste Tätigkeitsstätte der Klägerin. An den Tagen der An- und Abreise zu dieser ersten Tätigkeitsstätte entstanden daher keine abziehbaren Mehraufwendungen für die Verpflegung.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO
2. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Die Anforderungen, die an eine erste Tätigkeitsstätte i. S. des § 9 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 EStG zu stellen sind, sind höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EFG 2017 S. 27 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2017 S. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2017 S. 317
DAAAF-88626