Zu Verwertung von Erfindungen gebildete Bruchteilsgemeinschaft als umsatzsteuerlicher Unternehmer
Anforderung an einen unberechtigten Steuerausweis bei unwidersprochenem Erhalt von Gutschriften mit Umsatzsteuerausweis
Leitsatz
1. Haben Ärzte gemeinsam Erfindungen gemacht und zur Verwertung dieser Erfindungen gemeinschaftlich Lizenzverträge mit einem Lizenznehmer abgeschlossen, so ist nicht der einzelne Arzt, sondern eine aus den Ärzten bestehende Bruchteilsgemeinschaft Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG. Das gilt auch dann, wenn die jeweiligen Mitglieder der Bruchteilsgemeinschaft die Verträge abgeschlossen, darin die Verteilung des Entgelts geregelt haben und die Anteile am Entgelt unmittelbar an die einzelnen Gemeinschafter und nicht etwa auf ein gemeinsames Konto der Bruchteilsgemeinschaft geflossen sind.
2. Hat der Lizenznehmer ungeachtet der Unternehmereigenschaft der Bruchteilsgemeinschaft über die Lizenzentgelte Gutschriften an den einzelnen Arzt erteilt und hat der Arzt diesen Gutschriften nicht widersprochen, so schuldet der jeweilige Arzt die in den Gutschriften ausgewiesene Umsatzsteuer aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises i. S. d. § 14 Abs. 3 UStG (i. d. F. bis ) bzw. des § 14c UStG (ab ).
3. Die Anforderungen an einen unberechtigten Steuerausweis erfüllt eine Rechnung bereits dann, wenn sie den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist. Einer Rechnung stehen Gutschriften durch den Leistungsempfänger gleich, wenn die Erteilung einer Gutschrift vorher vereinbart worden ist und der Empfänger der Gutschrift dieser nicht widerspricht.
Gesetze: UStG 1999 § 14c Abs. 3UStG 1999 § 14 Abs. 5 S. 1UStG 1999 § 14 Abs. 5 S. 3UStG 2004 § 14c Abs. 2UStG 2004 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG 2004 § 2 Abs. 1UStG 2004 § 14 Abs. 2 S. 2UStG 2004 § 14 Abs. 2 S. 3
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand
Gründe
I.
Der Kläger ist im Klinikum … tätig. Zusammen mit weiteren Kollegen hat er Systeme zur endoskopischen Gewebecharakterisierung mitentwickelt. Seit 1996 ist die … GmbH & Co. KG (KG) im Rahmen von Lizenzverträgen für die Vermarktung dieser Erfindungen tätig. Mit dem Kläger, Dr. X, Dr. Y und Dr. Z schloss sie den Vertrag vom und die Nachfolgevereinbarung vom ab; die Erfindungen betrafen die Früherkennung von A-Tumoren. In diesen Verträgen sind als Lizenzgeber jeweils alle Erfinder genannt; sie werden in den Verträgen einheitlich als „Lizenzgeber” bezeichnet. Die Abrechnungen der Lizenzgebühren erfolgen vertragsgemäß jeweils zum 31. Dezember jeden Jahres und die Auszahlungen jeweils zum 31. März des Folgejahres unmittelbar auf das Konto des jeweiligen Erfinders. Die KG sollte Gutschriften erstellen. Den Vertrag vom schlossen der Kläger, Dr. Z und Dr. U als Lizenzgeber ab; dabei ging es um Erfindungen zur Früherkennung von B-Tumoren. Die Vereinbarung enthält vergleichbare Regelungen wie die anderen Verträge.
Ab dem Jahr 1998 erklärte der Kläger die Lizenzgebühren als Einzelunternehmer und wandte den ermäßigten Steuersatz an. Er gab die Steuererklärungen für die Jahre 1998 bis 2002 in 2004, für das Jahr 2003 in 2005, für das Jahr 2004 in 2006, für das Jahr 2005 in 2007 und für die übrigen Jahre später ab. Sie führten für alle Streitjahre zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, die bestandskräftig wurden. Der Kläger erklärte für die Jahre 2006 bis 2010 keine Vorsteuerbeträge und eine Steuer in Höhe von 1.925,56 EUR für 2006, von 1.701,56 EUR für 2007, von 2.577,12 EUR für 2008, von 1.896,37 EUR für 2009 und von 1.975,33 EUR für 2010.
In den Jahren 1998 bis einschließlich 2005 erstellte die KG jährliche Gutschriften, die an den Kläger adressiert waren. Dort gab sie zunächst die insgesamt den Erfindern zustehende Lizenzgebühr und die darauf insgesamt entfallende Umsatzsteuer (errechnet aus dem nicht ermäßigten Steuersatz) an. Hieraus berechnete sie einen Gesamtbruttobetrag. Sodann führte sie den auf ihn entfallenden Bruttobetrag auf, wies aber nicht die auf ihn entfallende Umsatzsteuer gesondert aus. Ab dem Jahr 2006 änderte die KG hinsichtlich des Vertrages vom ihre Gutschriften; für die übrigen Verträge behielt sie ihre bisherige Praxis bei. Nunmehr gab sie in den Gutschriften die gesamte Lizenzgebühr für die Erfinder an, errechnete hieraus den auf den Kläger entfallenden Anteil, wies dann die sich auf diesen Anteil beziehende Steuer gesondert aus und errechnete daraus den sich für ihn ergebenden Bruttobetrag. Die KG wies für den Kläger Steuer im Jahr 2006 von 1.684,19 EUR, im Jahr 2007 von 1.503,04 EUR, im Jahr 2008 von 2.928,35 EUR, im Jahr 2009 von 2.027,44 EUR und im Jahr 2010 von 2.136,69 EUR aus. Den Gutschriften widersprach der Kläger nicht.
Nach Durchführung einer Außenprüfung bei der KG übersandte das Finanzamt R dem Beklagten (dem Finanzamt –FA–) eine Kontrollmitteilung mit der Feststellung, das die Leistungen in Form von Gutschriften durch den Lizenznehmer mit dem nicht ermäßigten Steuersatz abgerechnet worden seien.
Das FA änderte daraufhin die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Jahre 1998 bis 2010 und veranlagte den Unterschiedsbetrag zwischen dem ermäßigten und dem allgemeinen Steuersatz als unzutreffend ausgewiesenen Steuerbetrag. Mit Bescheiden vom für die Jahre 1998 bis 2000 und 2002 bis 2010 sowie mit Bescheid vom 19. September 2011 für das Jahr 2001 setzte das FA die Umsatzsteuer für 1998 auf 3.275,85 EUR, für 1999 auf 4.462,04 EUR, für 2000 auf 7.427,54 EUR, für 2001 auf 4.908,40 EUR, für 2002 auf 4.643,80 EUR, für 2003 auf 2.416,02 EUR, für 2004 auf 3.396,58 EUR, für 2005 auf 4.724,06 EUR, für 2006 auf 4.059,87 EUR, für 2007 auf 5.414,11 EUR, für 2008 auf 6.289,66 EUR, für 2009 auf 4.628,24 EUR und für 2010 auf 4.820,94 EUR fest.
Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug der Kläger unter anderem vor, dass er nicht der alleinige Lizenzgeber sei.
Das FA änderte mit Einspruchsentscheidung vom die Steuer für 2007 wegen eines Übertragungsfehlers auf 4.152,83 EUR und wies ihn im Übrigen als unbegründet zurück. Auf die Umsätze des Klägers sei nicht der ermäßigte Steuersatz, sondern der Regel-Steuersatz anzuwenden. Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten, weil von einer Steuerhinterziehung auszugehen sei.
Am erhob der Kläger Klage. Er trägt vor, dass nicht er, sondern die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft, die jeweils die Lizenzverträge mit der Firma Storz abgeschlossen hätte, die Leistende im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sei. Zudem sei die Versteuerung nach dem ermäßigten Steuersatz keine neue Tatsache für das FA.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide vom über die Umsatzsteuer für 1998 bis 2000 und 2002 bis 2010 sowie den Bescheid vom 19. September 2011 für 2001 und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung. Es ergänzt, aufgrund der für die Streitjahre abgegebenen Steuererklärungen habe es davon ausgehen müssen, dass die vereinnahmten Umsätze dem ermäßigten Steuersatz unterlägen. Erst nach erstmaliger Vorlage der Lizenzverträge am habe das FA erkannt, dass auf die Umsätze der Regelsteuersatz anzuwenden sei. Der Kläger sei in den Jahren 1997 bis 2002 im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung mit seinen Einkünften aus selbständiger Tätigkeit aus der GbR … in Unterhaching durch das damalige Finanzamt München II veranlagt worden, auch die Umsatzsteuer sei beim Finanzamt München II einheitlich festgesetzt worden. Da der Kläger gegen die Feststellungsbescheide 1997 bis 2002 Einspruch eingelegt habe, könne nicht nachvollzogen werden, warum er nun darauf beharre, dass sowohl ertragsteuer-rechtlich als auch umsatzsteuerrechtlich eine Gemeinschaft vorliege. Im Übrigen seien im gegenseitigen Einvernehmen im Jahr 2006 die Feststellungsbescheide und die Umsatzsteuerbescheide für die angenommene GbR ersatzlos aufgehoben worden; die entsprechenden Veranlagungen hätten bei den Wohnsitzfinanzämtern erfolgen sollen. Soweit der Kläger nun vortrage, dass nicht er alleine, sondern zusammen mit den anderen Lizenzgebern Leistender gewesen sei, müsse er sich entgegenhalten lassen, dass er die Umsätze im Zusammenhang mit dem Lizenzvertrag stets im Rahmen seines Einzelunternehmens erklärt habe.
Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren rechtlichen Vortrags wird auf die Einspruchsentscheidung vom , die vom FA vorgelegten Akten, und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Zwar ist die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft der Erfinder und nicht der Kläger Unternehmer und damit steuerpflichtig. Allerdings schuldet der Kläger die festgesetzte Steuer, weil sie in Gutschriften für ihn (zu Unrecht) ausgewiesen ist.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland ausführt. Wer Leistender und wer Leistungsempfänger ist, richtet sich regelmäßig nach den zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen (, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648). Auch eine Gemeinschaft (§§ 741 ff des Bürgerlichen Gesetzbuches) kann trotz ihrer fehlenden zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG sein (, BFHE 187, 78, BStBl II 2008, 497; vgl. , BFH/NV 2015, 128). Da sie aber zivilrechtlich nicht selbst handeln kann, tritt die Gemeinschaft umsatzsteuerrechtlich bereits dann als Unternehmerin auf, wenn alle Gemeinschafter gemeinsam handeln (vgl. , BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729; vom V R 63/89, BFH/NV 1994, 589).
Im Streitfall bildeten die jeweiligen Erfinder Bruchteilsgemeinschaften (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 des Patentgesetzes). Alle jeweiligen Mitglieder schlossen die Verträge mit der KG ab; sie handelten also gemeinschaftlich. Unternehmerin war daher die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft und nicht der einzelne Erfinder. Da die Bruchteilsgemeinschaften zivilrechtlich nicht rechtsfähig waren, konnten sie als solche keine Verträge schließen.
Ohne entscheidende Bedeutung ist, dass in den Verträgen die Verteilung des Entgeltes geregelt und die Anteile daran unmittelbar an die einzelnen Gemeinschafter flossen und nicht das gesamte Entgelt auf ein gemeinsames Konto überwiesen wurde. Denn allein maßgeblich ist, ob die Gemeinschafter gemeinschaftlich gehandelt und damit ob sie gemeinsam die Verträge abschlossen. Ferner kommt es nicht darauf an, dass der Kläger -irrtümlich- selbst Umsätze als Einzelunternehmer erklärte.
2. Der Kläger schuldet Umsatzsteuer aus unberechtigtem Steuerausweis.
a) Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist, schuldet den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand in einer anderen Urkunde, mit der er wie ein leistender Unternehmer abrechnet, einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt (§ 14 Abs. 3 UStG in der Fassung bis ). Entsprechend ist dies seit in § 14c Abs. 2 UStG geregelt. Zweck dieser Vorschriften ist es, Missbrauch durch Ausstellung von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und Vorsteuerabzug zu begegnen. Gegenstand der Regelung ist die Gefährdung des Steueraufkommens durch Abrechnungsdokumente, die die elementaren Merkmale einer Rechnung aufweisen oder den Schein einer solchen erwecken und den Empfänger zum Vorsteuerabzug verleiten. Eine Gefährdung tritt dabei nicht nur ein, wenn eine alle Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllende Rechnung vorliegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Steuerfestsetzung um ein Massenverfahren handelt, bei dem die Verwaltung nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen aller geltend gemachten Vorsteuerbeträge vollumfänglich auch hinsichtlich aller einzelnen Merkmale des § 14 Abs. 4 UStG vor der regelmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung zu prüfen (vgl. , BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734 zu § 14c UStG). Die Anforderungen an einen unberechtigten Steuerausweis erfüllt eine Rechnung bereits dann, wenn sie den Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger, eine Leistungsbeschreibung sowie das Entgelt und die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 233, 94, BStBl II 2011, 734; vom V R 29/14, BFH/NV 2015, 706).
Einer Rechnung stehen Gutschriften durch den Leistungsempfänger gleich, wenn – wie im Streitfall – die Erteilung einer Gutschrift vorher vereinbart wurde und der Empfänger der Gutschrift dieser nicht widerspricht (vgl. § 14 Abs. 5 Sätze 1 und 3 UStG in der Fassung bis und § 14 Abs. 2 Sätze 2 und 3 UStG in der Fassung ab ). Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH, wonach für den Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer grundsätzlich identisch sein müssen (vgl. , BFH/NV 2000, 353), nicht, dass dies auch bei einer Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 3 UStG in der Fassung bis und des § 14c UStG in der Fassung ab der Fall sein muss. Dies lässt sich bereits deren Zweck entnehmen, einem unberechtigten Steuerausweis zu begegnen; ein solcher liegt auch vor, wenn die Rechnung oder Gutschrift einen Leistenden ausweist, der die Leistung nicht ausführte.
b) Nach diesen Grundsätzen enthalten alle Gutschriften einen unberechtigten Steuerausweis und begründen eine Gefährdung des Steueraufkommens. Sie sind alle an den Kläger persönlich gerichtet, obwohl der Leistende die jeweilige Bruchteilsgemeinschaft ist. Daher sind sie unzutreffend. Sie enthalten alle einen Steuerausweis. Unerheblich ist, dass in einem Teil der Gutschriften lediglich die auf alle Erfinder gemeinsam entfallende Steuer und nur der auf den Kläger entfallende Bruttobetrag ausgewiesen wird. Dieser Unterschied kann – über den unzutreffenden Leistenden hinaus – im Rahmen des Vorsteuerabzugs (§ 15 UStG) eine Rolle spielen. Demgegenüber ist für eine Gefährdung im Sinne des § 14 Abs. 3 UStG in der Fassung bis und § 14c UStG in der Fassung ab ausreichend, dass in den Gutschriften Leistungen des Klägers abgerechnet werden und eine Steuer offen ausgewiesen wurde. Denn bereits dies birgt die Gefahr, dass der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug geltend macht und ihm dieser im Rahmen der Massenverwaltung – jedenfalls zunächst – auch gewährt wird.
3. Festsetzungsverjährung stand den Steuerfestsetzungen nicht entgegen.
Sie beginnt mit dem Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist und abweichend hiervon, wenn – wie im Streitfall – eine Steuererklärung abzugeben war, mit Ablauf des Jahres, in dem die Steuererklärung abgegeben wurde, spätestens aber mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung –AO–). Die Umsatzsteuer ist hier für das erste Streitjahr 1998 mit Ablauf des Jahres 2000 entstanden (vgl. § 13 Abs. 1 UStG).
Gem. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist für Umsatzsteuer vier Jahre. Sie beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen worden ist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO).
Eine Steuerhinterziehung begeht, wer den Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder sie pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO). Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Eine Steuerhinterziehung kann nur vorsätzlich begangen werden (vgl. § 15 des Strafgesetzbuches). Für eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bedarf es dabei keiner Absicht oder eines direkten Hinterziehungsvorsatzes; es genügt, dass der Täter die Verwirklichung der Merkmale des gesetzlichen Tatbestands für möglich hält und billigend in Kauf nimmt – Eventualvorsatz – (, BFH/NV 2011, 2221).
Steuererklärungen sind nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, soweit – wie hier – keine mündliche Steuererklärung zugelassen ist (§ 150 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Angaben sind wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu machen (§ 150 Abs. 2 Satz 1 AO). Sie müssen den im Vordruck vorgegebenen Inhalt haben (, BFH/NV 2014, 665 zur Feststellungserklärung ist nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO).
bb) Der von Anfang an steuerlich beratene Kläger gab die Steuererklärungen mit Unterstützung seines Steuerberaters für die Jahre 1998 bis 2002 in 2004, für das Jahr 2003 in 2005, für das Jahr 2004 in 2006, für das Jahr 2005 in 2007 und für die übrigen Jahre später ab. Die Verjährung begann damit für das erste Streitjahr mit Ende des Jahres 2001 zu laufen und war zum Zeitpunkt des Erlasses des Umsatzsteuerbescheids am noch nicht abgelaufen, weil der Kläger eine Steuerhinterziehung begangen hat. Das Gleiche gilt für die übrigen Streitjahre. Er hat in seinen Erklärungen lediglich den ermäßigten Steuersatz angegeben, obwohl er aufgrund der Gutschriften einen höheren Steuerbetrag schuldete.
Ferner handelte der Kläger vorsätzlich. Das Gericht hält es für fernliegend, dass der Kläger und dessen Steuerberater nicht jedenfalls die Möglichkeit erkannten, der ausgewiesene Betrag könne dem FA zustehen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger dies für möglich hielt und dem FA die zusätzlich in den Gutschriften ausgewiesene Steuer verschwieg. Denn der Kläger vereinnahmte das auf ihn entfallende Bruttoentgelt in den Gutschriften, das nach dem ausdrücklich ausgewiesenen allgemeinen Steuersatz berechnet wurde. In seinen Umsatzsteuererklärungen gab er aber – abweichend von den Gutschriften – seine Umsätze nur mit 7 % an. Den Gutschriften widersprach er indessen nicht, sondern behielt den Unterschiedsbetrag zwischen dem allgemeinen und dem ermäßigten Steuersatz für sich.
4. Das FA durfte die Festsetzungen ändern, weil sie unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (vgl. § 164 Abs. 2 AO). Auf das Vorliegen einer neuen Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO kommt es nicht an.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
6. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DStR 2017 S. 10 Nr. 12
DStRE 2017 S. 611 Nr. 10
Ubg 2017 S. 346 Nr. 6
DAAAF-77396