OLG Karlsruhe Urteil v. - 18a U 12/94

Instanzenzug: 8 O 444/91

Tatbestand:

Der Kläger macht Steuerberatungshonorar für das Jahr 1990 in Höhe von 7.902,25 DM geltend, dessen Höhe unstreitig ist. Er behauptet, Bankkredit mit einem Zinssatz von 9,5 % in Anspruch zu nehmen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.502,25 DM nebst 9,5 % Zins seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen erklärt und Widerklage erhoben, weil der Kläger die Rechtsvorgängerfirmen der Beklagten falsch beraten habe und deshalb Investitionszulagen in den Jahren 1985 bis 1987 für die damaligen Unternehmen des Geschäftsführers der Beklagten nicht angefordert worden seien. Sie hat ihren Gesamtschaden inklusive Steuerschaden auf 479802,62 DM berechnet, wegen deren Einzelheiten auf das landgerichtliche Urteil verwiesen wird.

Der Geschäftsführer der Beklagten betrieb bis 1987 ein Ingenieurbüro und eine Einzelfirma H-Systeme, für die der Kläger als Steuerberater tätig war, wobei er mit der Lohn- und Finanzbuchhaltung und der Erstellung der Jahresabschlüsse beauftragt war. Die Unternehmen wurden 1987 zu einem Unternehmen vereinigt und 1990 im Wege der Sacheinlage mit Übernahme sämtlicher Aktiva und Passiva mit Wirkung zum in die Klägerin eingebracht. Sowohl das Ingenieurbüro wie auch die Firma H Systeme betätigten sich in der Entwicklung von kundenspezifischen Schaltungen im Bereich der Mikroprozessortechnik und der Entwicklung von Eigenproduktionen in diesem Bereich. Ab 1988 wurden Investitionszulagen nach § 4 des Investitionszulagengesetzes beantragt und gewährt. In den Jahren 1985 bis 1987 wurde kein solcher Antrag gestellt; der Kläger hatte die Beklagte nicht auf die Möglichkeit der Gewährung von Investitionszulagen hingewiesen. Darauf hat die Beklagte ihren Schadensersatzanspruch gestützt. Daneben hat sie geltend gemacht, dass ihr auch ein Steuerschaden entstanden sei. Dieser Schaden beruhe darauf, dass die Investitionszulage steuerfrei gewährt worden wäre, während die Beklagte Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer auf den Schadensersatz, den der Kläger leisten müssse, zu zahlen habe; zumindest aber müsse der Geschäftsführer der Beklagten seine Entnahmen versteuern und dieser habe seine Ansprüche an die Beklagte abgetreten.

Erstinstanzlich hat die Beklagte behauptet, dem Kläger sei vom Geschäftsführer der Beklagten der Auftrag erteilt worden, ihn über die Möglichkeit der Gewährung von Investitionszulagen zu beraten. Im übrigen hätte es zu den Pflichten des Klägers als Steuerberater gehört, auch ungefragt über diese Möglichkeit zu belehren.

Die Beklagte hat widerklagend beantragt,

1. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 141697,51 DM nebst 12,75 % Zinsen seit dem zu zahlen;

2. weitere 109927,87 DM nebst 12,75' % Zinsen seit dem wegen nicht geltend gemachter Investitionszulage 1985 zu zahlen;

3. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten sämtlichen, aus der Nichtgeltendmachung der Investitionszulage für das Jahr 1985 entstehenden Steuerschaden zu ersetzen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er hat bestritten, mit der Beratung über Möglichkeiten der Beantragung von Investitionszulagen beauftragt gewesen zu sein. Mit diesen Fragen sei der Unternehmensberater Prof. Dr. W befasst gewesen. Der Kläger hat geltend gemacht, er sei nicht verpflichtet gewesen, ungefragt und ohne entsprechenden Auftrag zu prüfen, ob die damaligen Firmen des Geschäftsführers der Beklagten investitionszulagenberechtigt gewesen seien. Die Beratung darüber gehöre nicht zu den Steuerberatungstätigkeiten nach § 1 des Steuerberatungsgesetzes. Auch habe er keine genaue Kenntnis über die Tätigkeiten der beiden Firmen gehabt, ihm sei nur bekannt gewesen, dass der Geschäftsführer der Beklagten auf dem Bereich der Forschung und Entwicklung tätig gewesen sei. Eine solche Tätigkeit aber führe nicht automatisch zu einer Subventionsberechtigung, da bei der Gewährung von Investitionszulagen nur Wirtschaftsgüter berücksichtigt würden, die ausschließlich der Forschung und Entwicklung dienten. Der Kläger hat dazu bestritten, dass die von der Beklagten angeführten und ihrer Schadensersatzberechnung zugrunde gelegten Wirtschaftsgüter ausschließlich diesen Aufgaben gedient hätten, vielmehr hätten die Firmen auch Handel betrieben und Einzelleistungen produziert, die nicht Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten waren. Dies hätte dazu geführt, dass Investitionszulagen nicht hätten gewährt werden können.

Der Kläger hat fürsorglich den behaupteten Zins- und Steuerschaden bestritten und geltend gemacht, dass der Steuerschaden im übrigen nicht vom Schutzbereich der behaupteten Pflichtverletzung umfasst sei. Schließlich hat er sich noch auf Verjährung berufen.

Das Landgericht hat durch Teilgrundurteil die Widerklageanträge 1 und 2 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt; auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Mit der Berufung begehrt der Kläger zunächst, den Widerklageantrag Ziff. 1 in Höhe von 76935,65 DM als derzeit unbegründet abzuweisen, weil der Beklagten unstreitig bisher in dieser Höhe kein Steuerschaden entstanden sei.

Inhaltlich wendet sich die Berufung. gegen die Annahme einer Hinweispflicht im vorliegenden Fall. Einen Hinweis auf steuerlich bedeutsame Umstände - ohne gesonderten Auftrag - schulde der Steuerberater nur, soweit es ausschließlich um die Ersparnis von Steuern ginge. Die Hinweispflicht beschränke sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausdrücklich auf die Gegenstände und Sachverhalte, die unmittelbar zu dem erteilten Auftrag gehörten.

Bestritten wird weiter, dass die Beklagte in den Jahren 1984 bis 1987 investitionszulagenberechtigt war. Außerdem trägt der Kläger vor, dass der Geschäftsführer der Vorgängerfirmen der Beklagten schon 1984 über die Möglichkeit der Beantragung von Investitionszulagen informiert gewesen sei. Dazu wird darauf verwiesen, dass die Firma H -Systeme im Jahr 1985 sog. FuE-Mittel beantragt habe (1 123). Damit entfalle zumindest die Kausalität zwischen einem unterlassenen Hinweis und dem behaupteten Schaden.

Schließlich wird weiter Verjährung eingewandt und geltend gemacht, es fehle an der hinreichenden Bezeichnung der Ansprüche im Mahnbescheid.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Teilgrundurteil abzuändern und die Widerklageanträge 1 und 2 abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts.

Sie nimmt hin, dass ihr der Nachweis einer ausdrücklichen Auftragserteilung für die Beratung über Investitionszulagen nicht geglückt ist. Jedoch habe der Kläger im Jahr 1984 gewusst, dass die Beklagte Zuschüsse für FuE-Vorhaben beantragte. Deshalb sei der Kläger auch zum Hinweis auf das Investitionszulagengesetz verpflichtet gewesen. Dies ergebe sich auch aus einer "check-Liste", an Hand derer ein sorgfältiger Steuerberater vorzugehen habe; insoweit wird auf AS I 225 verwiesen. Die Beklagte legt die Hinweispflicht des Steuerberaters umfassend dahin aus, dass der Steuerberater nicht nur generell auf die Investitionszulagenmöglichkeit hinweisen müsse, sondern auch auf die Voraussetzungen der Gewährung und die Umstände, unter denen der Verlust der Zulage drohe. Außerdem wäre es Pflicht des Klägers gewesen, auf das Erfordernis der strikten Trennung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von der sonstigen unternehmerischen Tätigkeit in den Firmen des Geschäftsführers der Beklagten hinzuweisen, damit die Investitionszulage nicht gefährdet gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom (II 17), vom (II 65) und vom (II 81) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Forderungen der Beklagten bereits verjährt sein können und ob die Anschaffungen der damaligen Firmen investitionszulageberechtigt waren, weil schon dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen den Kläger besteht. Der Kläger hat eine Beratungspflicht aus dem mit den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten bestehenden Steuerberatungsvertrag nicht verletzt.

Inhalt und Umfang der Pflichten des steuerlichen Beraters richten sich jeweils nach dem im Einzelfall zwischen ihm und dem Mandanten geschlossenen Vertrag (BGH NJW 1990, 2057; WM 1987, 661). Dabei ist in Literatur und Rechtsprechung unbestritten, dass der Steuerberater eine Pflicht zur erschöpfenden Beratung des Mandanten hat (vergl. Späth, Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters Rdn. 131 m. N.); diese Belehrungspflichten bestehen aber nur innerhalb eines Steuerberatervertrages.. Keine Beratungspflicht besteht über wirtschaftliche Fragen und Risiken (Späth aaO; Gräfe/Lenzen/Rainer, Steuerberaterhaftung 2. Aufl. Rdn. 260); dies gilt auch für die Belehrung in Fragen der Vermögensanlage und der Lebensvorsorge, sowie über theoretische Steuerersparnismöglichkeiten unabhängig von dem konkreten wirtschaftlichen oder steuerlichen Gestaltungswunsch des Mandanten (Gräfe/Lenzen/Rainer aaO).

Gemessen an diesen Grundsätzen bestand für den Kläger keine Pflicht, auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Investitionszulagen hinzuweisen. Den Beweis dafür, dass der Kläger insofern einen ausdrücklichen Beratungsauftrag von dem Geschäftsführer der Beklagten erhalten hatte, hat diese nicht zu führen vermocht. Der Kläger war allein mit der Lohn- und Finanzbuchhaltung und der Erstellung des jeweiligen Jahresabschlusses beauftragt. Dazu gehört dann auch der Hinweis auf die Möglichkeit von Steuerersparnismöglichkeiten, soweit der Steuerberater Hinweise auf Tatbestände im beratenen Unternehmen hat, die solche Möglichkeiten eröffnen. In diesen Fällen muss er, wenn er nicht bereits alle notwendigen Informationen hat, beim Mandanten nachfragen (vergl. BGH DB 1967, 244; Späth aaO Rdn. 131). Jedoch verpflichtet der Auftrag auf Erstellung der Buchführung, der Abschlüsse und der Steuererklärungsentwürfe den Steuerberater nicht dazu, die 'persönlichen und geschäftlichen Verhältnisse des Mandanten auf ihrer Steuerschädlichkeit zu überprüfen und so ggf. Tatsachen zu finden, die Steuerersparnisse ermöglichen (Späth aaO Rdn. 152 m-H. auf OLG Köln BHStB R 566.11).

Bei der Gewährung von Zulagen nach dem Investitionszulagengesetz handelt es sich nicht um eine Steuervergünstigung sondern um eine Subvention (BVerwG NJW 1985, 1972). Sie wird zwar vom Finanzamt aus den (allgemeinen) Einnahmen an Einkommensteuer oder Körperschaftssteuer gewährt, ist aber - unbeschadet des Umstands, dass Anspruchsberechtigte n ur Steuerpflichtige i.S. des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftssteuergesetzes sein können - kein Anspruch aus einem Steuerverhältnis (BVerwG aaO) . So ist es auch zwischen den Parteien unstreitig, dass - sofern der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten auf die Möglichkeit der Beantragung einer Investitionszulage hingewiesen hätte - der Kläger nicht im Rahmen des bestehenden Auftrags die nachfolgende Tätigkeit der Ermittlung des Umfangs der subventionstauglichen Vorgänge hätte erledigen müssen, sondern dass insoweit es eines gesonderten Auftrags bedurft hätte. Deshalb geht auch der Hinweis der Beklagten auf vorgelegte "check-Liste" für das Jahr 1989 fehl; ein vorgehen nach dieser Liste, zu dem der Kläger nicht verpflichtet war, hätte allenfalls zu einem gesonderten Auftrag neben dem bestehenden Mandatsverhältnis der reinen Lohn- und Finanzbuchhaltung sowie der Erstellung der Jahresabschlüsse führen können. Erst nach Erteilung eines solchen Auftrags aber hätte dem Kläger die Prüfung oblegen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Firmen des Geschäftsführers der Beklagten investitionszulagenberechtigt waren. Eine Hinweispflicht auf das Investitionszulagengesetz ergab sich für den Kläger auch nicht daraus, dass er im Jahr 1985 den Bestätigungsvermerk über FuE Tätigkeit unterzeichnet hat; dieser Vermerk hatte lediglich zum Inhalt, dass die Angaben auf dem Sammelbeleg sowie die Angaben in einem Vordruck bezüglich der Beschäftigungs- und Umsatzzahlen wie auch der Besitz- und Beteiligungsverhältnisse an dem antragstellenden Unternehmen mit den zur Verfügung gestellten Unterlagen übereinstimmten. Damit hielt sich diese Erklärung noch innerhalb des bestehenden Mandates, jedoch ergab sich daraus keinerlei Pflicht des Klägers, die Voraussetzungen der FuE-Tätigkeit und die Folgen zu überprüfen oder zu bedenken.

Eine Pflicht zur Beratung oder auch zu einem Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung von Investitionszulagen ergab sich auch nicht daraus, dass das Investitionszulagengesetz zu den Steuergesetzen gezählt hätte, und die Beratung hinsichtlich der Beantragung einer Investitionszulage eine Hilfeleistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 StBerG darstellte. Entscheidend ist hier wiederum, dass diese Beratung - die dem Kläger zwar gestattet gewesen wäre, aber einen neuen Auftrag vorausgesetzt hätte -nicht zu dem konkret erteilten Mandat gehörte. Die Gewährung einer Investitionszulage hätte auch steuerlich keinerlei Auswirkungen gehabt, weil nach § 5 Abs. 2 des Investitionszulagengesetzes die Investitionszulagen nicht zu den Einkünften im Sinne des Einkommenssteuergesetzes gehörten und die steuerlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht minderten; solche Zulagen waren also wie auch die Parteien im Senatstermin übereinstimmend angegeben haben - steuerneutral und wären in dem Jahresabschluss nur für die Handelsbilanz als (neutrale) sonstige Erträge auszuweisen gewesen. Allein die in dem Investitionszulagengesetz gewählten einzelnen steuerrechtlichen Anknüpfungspunkte der Gewährung durch, das Finanzamt, die Eröffnung des Finanzrechtswegs u.ä. machten damit die Beantragung einer Investitionszulage als Subvention nicht zu einer steuerlichen Angelegenheit, die ohne gesonderten Auftrag von dem Mandat der Lohn- und Finanzbuchhaltung und der Erstellung des Jahresabschlusses mit erfasst ist und auf die sich dann auch eine Hinweispflicht erstrecken würde (a.A. wohl Gräfe/Lenzen/Rainer Rdn. 262 - aber ohne nähere Begründung).

Die Kostenentscheidung für die Berufungsinstanz folgt aus § 91 ZPO; die Kostenentscheidung für das landgerichtliche Verfahren war dem Schlussurteil vorzubehalten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Fundstelle(n):
DAAAE-84141