FG Berlin-Brandenburg Urteil v. - 8 K 8153/15 EFG 2019 S. 1093 Nr. 13

Mehr als zwölfmonatige Tätigkeit für einen Arbeitgeber als Voraussetzung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG: Zusammenrechnung der Zeiten mehrerer Arbeitsverhältnisse bei nur formalem Arbeitgeberwechsel von der Tochter- zur Muttergesellschaft

Leitsatz

1. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG sind nur solche, die für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden. Soweit zu beurteilen ist, ob eine mehr als zwölf Monate dauernde Tätigkeit vorlag, sind die Zeiten eines früheren und des aktuellen Arbeitsverhältnisses zusammenzurechnen, wenn das bestehende (frühere) Arbeitsverhältnis lediglich formal mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt worden ist (Übertragung der BFH-Rechtsprechung zu § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG auf § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG).

2. Hat der Steuerpflichtige im Auftrag und als Treuhänder der Muttergesellschaft eine Tochtergesellschaft mitgegründet, bei der er als Geschäftsführer tätig war, hat er seine Gesellschaftsanteile bereits rund sieben Monate später ohne Zahlung eines Kaufpreises auf die Muttergesellschaft übertragen, ist ihm für seine Beteiligung an einem „Inzentivprogramm” der Muttergesellschaft die Tätigkeit bei der Tochtergesellschaft angerechnet worden und ist der Steuerpflichtige unmittelbar nach seiner Tätigkeit für die Tochtergesellschaft mit einem geringfügig erhöhten Gehalt von der Muttergesellschaft für den Bereich „General management” eingestellt worden, so sind die Arbeitsverhältnisse mit der Tochter- und anschließend der Muttergesellschaft für den Zwölfmonatszeitraum des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zusammenzurechnen.

Gesetze: EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, EStG § 34 Abs. 1, EStG § 34 Abs. 2 Nr. 2, EStG § 34 Abs. 2 Nr. 4

Instanzenzug: Verfahren Beschluss

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die ermäßigte Besteuerung einer Zahlung des Arbeitgebers.

Im Dezember 2009 startete die B… GmbH aus C… ein zunächst deutschlandweites Coupon-Netzwerk. Ab Februar 2010 erstreckte die B… GmbH ihre Aktivitäten auf das Gebiet von Österreich unter der Internetadresse www. … .at.

Der Kläger gründete zusammen mit Herrn D… am die E… GmbH mit Sitz in F…. Bei der E… GmbH handelte es sich um eine Kapitalgesellschaft österreichischen Rechts. Der Kläger und Herr D… übernahmen jeweils eine Stammeinlage in Höhe von 17.500 EUR, womit beide zu jeweils 50 % am Stammkapital der E… GmbH beteiligt waren. Das Gericht nimmt auf die Handelsregisteranmeldung des Notars G… aus F… Bezug (Blatt 91 ff. der Einkommensteuerakte). Die E… GmbH bestätigte dem Kläger, dass er im Zeitraum vom bis für diese als Geschäftsführer tätig gewesen sei. Ausweislich einer Verdienstbescheinigung erzielte der Kläger eine Grundvergütung von 3.000 EUR (brutto) sowie Sonderzahlungen in Höhe von ca. 2.200 EUR (brutto) im Juli und Oktober 2010. Das Gericht nimmt auf die Bescheinigung vom (Blatt 65 der Gerichtsakte) und auf die Gehaltsbescheinigung (Blatt 85 der Einkommensteuerakte) Bezug.

Bereits am übertrugen der Kläger und Herr D… ihre Geschäftsanteile an der E… GmbH an die B… GmbH. In der österreichischen Notarurkunde wurden der Kläger und Herr D… als Treuhänder bezeichnet. Ferner wurde angegeben, dass beide im Auftrag der B… GmbH die E… GmbH errichtet und diese Gründung im Januar bis April 2010 vorbereitet hätten. Die Stammeinlage sei mit Mitteln der B… GmbH geleistet worden. Dem habe eine mündliche Treuhandvereinbarung zugrunde gelegen. Die B… GmbH zahlte für die Abtretung der Anteile keinen Kaufpreis an den Kläger und Herrn D…. Das Gericht nimmt auf den Abtretungsvertrag Bezug (Blatt 57 ff. der Gerichtsakte).

Mit Vertrag vom ging der Kläger mit der B… GmbH ein Arbeitsverhältnis ein; der Kläger wurde für den Bereich „General Management” eingestellt. Das Anstellungsverhältnis sollte zum beginnen. Die Bruttovergütung sollte anfänglich 3.300 EUR und ab Mai 2011 3.500 EUR monatlich betragen. Entsprechend erklärte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2010, dass er ab dem im Inland ansässig sei.

Am wurde dem Kläger von der B… GmbH ein „Phantom Share Certificate” (im Weiteren: „Zertifikat”) ausgestellt, das am vom Kläger gegengezeichnet wurde. Nach diesem Zertifikat war der Kläger am „Management Incentive Program 2010” (im Weiteren: „Inzentivprogramm”) der B… GmbH beteiligt und hielt 330 sog. Phantom-Shares zu einem Basispreis von jeweils 1 EUR. Ferner wurde als Startdatum der sowie eine Sperrfrist „vesting”) von 36 Monaten angegeben. Für den Fall eines Börsengangs der B… GmbH bzw. Verkaufs der Anteile an der B… GmbH sollten die Phantom-Shares als ausgeübt gelten. Das Gericht nimmt auf das Zertifikat Bezug (Blatt 18 der Einkommensteuerakte). Grundlage des Zertifikats waren die allgemeinen Bedingungen des Inzentivprogramms der B… GmbH vom . Hiernach sollte Führungskräften eine zusätzliche Vergütungsmöglichkeit eingeräumt werden. Die gesamten auszugebenden Phantom-Shares sollten 5 % des Kapitals entsprechen (1.790 EUR) und zum Bezug von Einmalzahlungen führen, die den erzielten Veräußerungsgewinnen bei einem Unternehmensverkauf (mindestens 50 % der Anteile) bzw. Börsengang (sog. Exit) der zivilrechtlichen Gesellschafter entsprechen sollte. Für den Bezug der Phantom-Shares sollten die Mitarbeiter kein Entgelt leisten. Die Vergütung sollte nach folgender Formel berechnet werden: P = N × EP × 1 / SC. Damit sollte sich die Vergütung (P) aus der Summe der zu berücksichtigenden Zuflüsse (Exit Proceeds = EP) ableiten, wobei der Anteil der Anzahl der Phantom-Shares (N) ins Verhältnis zur Gesamtzahl an Anteilen an der B… GmbH (Share in Company = SC) entsprach (1 / SC). Keine Vergütung sollte gezahlt werden, wenn der Berechtigte das Arbeitsverhältnis selbst kündigt bzw. die Kündigung durch die B… GmbH aufgrund eines Wechsels des Berechtigten zu einem Wettbewerber erfolgt (sog. „Bad Leaver”). Für den Fall einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen (sog. „Good Leaver”) sollte bei einem Ausscheiden vor Ablauf der Sperrfrist eine Vergütung nur anteilig erfolgen. Das Gericht nimmt auf die „General Terms” des Inzentivprogramms Bezug (Blatt 75 ff. der Gerichtsakte).

Die B… GmbH erzielte in den Jahren 2009 bis 2011 folgende handelsrechtlichen Fehlbeträge: ./. 30.849,31 EUR ( bis ), ./. 8.060.129,76 EUR (2010) und ./. 15.070.909,03 EUR (2011). Das bilanzierte Anlagevermögen belief sich auf 16.100 EUR (), 307.915,78 EUR () und 457.101,35 EUR ().

Ausweislich der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste übertrugen sämtliche Gesellschafter der B… GmbH am 13. September 2011 ihre Anteile (50.925 EUR) an der B… GmbH auf die H… Holdings, die damit alleinige Gesellschafterin wurde. Der Gesamtkaufpreis betrug nach Angaben des Klägers auf der Internetseite seines aktuellen Arbeitgebers (www. … .com – zuletzt abgerufen am ) 114 Mio. US$.

Bereits am vereinbarte der Kläger mit der B… GmbH einen Aufhebungsvertrag zum Arbeitsvertrag zum . Der Kläger verzichtete auf sämtliche Ansprüche außer der ihm zustehenden Gehaltszahlung für Oktober 2011. Am gleichen Tag vereinbarte der Kläger mit der B… GmbH zudem einen Aufhebungsvertrag zum Inzentivprogramm, da dieses ebenfalls vollständig aufgehoben werden sollte. Gegen die Zusage, keine weiteren Rechte ableiten zu können, erhielt der Kläger eine Einmalzahlung in Höhe von 530.000 EUR. Das Gericht nimmt auf die Aufhebungsverträge Bezug (Blatt 119 ff. der Einkommensteuerakte).

Ausweislich der Lohnsteuerbescheinigung der B… GmbH wurden die 530.000 EUR zum als ermäßigt zu besteuernder Arbeitslohn behandelt und ausgezahlt.

Mit seiner Einkommensteuererklärung für 2011 erklärte der Kläger Arbeitslohn in Höhe von 564.200 EUR (davon 530.000 EUR Entschädigung) sowie – hier unstreitige – Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von ./. 44.138 EUR.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer für 2011 mit Vorbehaltsbescheid vom auf 205.100 EUR fest. Hierbei berücksichtigte er bei der Bemessung der tariflichen Einkommensteuer keine ermäßigte Besteuerung nach § 34 EinkommensteuergesetzEStG–. Er vertrat die Auffassung, dass keine Besteuerung als Arbeitslohn für mehrere Kalenderjahre in Betracht komme, da der Kläger bis zur Abrechnung des Zertifikats nur 11 Monate ( bis Abrechnung am ) bei der B… GmbH beschäftigt gewesen sei.

Der Kläger legte hiergegen fristgerecht Einspruch ein. Mit Einspruchsentscheidung vom wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Es handele sich nicht um eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG, denn nach dieser Vorschrift würden nur Entschädigungen erfasst, die (fiktiv) auf den Zeitraum nach der Beendigung eines Dienstverhältnisses entfallen würden. Zudem würde es sich nicht um eine Entschädigung handeln, denn dafür müsse die Zahlung an die Stelle weggefallender Einnahmen treten. Das Inzentivprogramm hätte dem Kläger auch ohne den Aufhebungsvertrag zum Arbeitsvertrag einen Anspruch gewährt. Eine Zahlung im Sinne des § 24 Nr. 1 Buchstabe b EStG liege nicht vor, da keine Entschädigung für die Aufgabe von Ansprüchen aus einer Gewinnbeteiligung vorliege. Letztlich handele es sich nicht um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Zunächst beruhe die Zahlung nicht auf der erbrachten Arbeitsleistung, sondern auf dem Verzicht des Klägers auf Ansprüche aus dem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm. Zudem liege keine Tätigkeit über zwei Veranlagungszeiträume vor, die einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten umfasse. Die Beschäftigungsdauer sei auch nicht mit der Beschäftigungszeit der E… GmbH zusammen zu rechnen. Es sei nicht ersichtlich, dass das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm auch Tätigkeiten bei anderen Rechtsträgern umfassen sollte.

Mit Bescheid vom hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass eine Entschädigung sowie eine mehrjährige Tätigkeit vorliege. Er sei ab Januar 2010 für die B… GmbH tätig und von ihr beauftragt worden, zusammen mit Herrn D… die Geschäfte auf den österreichischen Markt auszudehnen. Diese Vorbereitungsarbeiten hätten in der Gründung der E… GmbH gemündet. In Vorbereitung der Übertragung der Anteile der E… GmbH auf die B… GmbH sei auch der Anstellungsvertrag mit der B… GmbH geschlossen worden. Auch das Zertifikat verweise auf den Beginn der Tätigkeit am . Damit liege eine 22 monatige Tätigkeit vor.

Es handele sich zudem um eine Entschädigung, denn sie sei als Gegenleistung für den Verzicht auf eine zukünftige Einkünfteerzielung gezahlt worden. Die Vergütung sei als Ausgleich bzw. Ersatz für entgangene Einnahmen aus dem Inzentivprogramm, an dem der Kläger wegen der damit untrennbar verknüpften Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr teilnehmen konnte, gewährt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid über Einkommensteuer 2011 vom , zuletzt geändert am vom und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom , dahingehend zu ändern, dass die dem Kläger zugeflossenen 530.000 EUR bei der Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer als außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 EStG behandelt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung.

Mit Schriftsatz vom hat die Bevollmächtigte des Klägers erklärt, nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I. Das Gericht konnte am in der mündlichen Verhandlung zur Sache verhandeln und entscheiden, obgleich die Bevollmächtigte des Klägers nicht erschienen war. Die Beteiligten sind bei der Ladung auf die Möglichkeit des § 91 Abs. 2 FinanzgerichtsordnungFGO– hingewiesen worden. Der Schriftsatz der Bevollmächtigten vom enthielt auch keinen Terminsverlegungsantrag.

II. Das Gericht legt den schriftsätzlich gestellten Feststellungsantrag gem. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO dahingehend aus, dass der Kläger die Änderung des angefochtenen Bescheides gem. § 100 Abs. 2 FGO begehrt. Ein Feststellungsantrag wäre unzulässig (§ 41 Abs. 2 FGO).

III. Der angefochtene Bescheid über Einkommensteuer 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO), soweit der Beklagte die Zahlung über 530.000 EUR nicht der ermäßigten Besteuerung nach § 34 EStG unterworfen hat.

1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die erzielte Vergütung in Höhe von 530.000 EUR zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) gehört. Das Gericht schließt sich dem an.

2. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten besonderen Tarif, der sogenannten „Fünftelregelung” (§ 34 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG), zu berechnen. Als ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte kommen insbesondere Entschädigungen im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG (§ 34 Abs. 2 Nr. 2) und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht (§ 34 Abs. 2 Nr. 4, 1. Halbsatz EStG).

Das Gericht kann offenlassen, ob eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG vorliegt, denn es liegt zumindest eine Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit vor.

Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz EStG (in der für das Streitjahr 2011 geltenden Fassung) ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Allerdings reicht es nicht aus, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und dort mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Die Entlohnung muss vielmehr für sich betrachtet zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit sein, die Vergütung folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und veranlagungszeitraumübergreifend geleistet werden. Diese mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben. Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, kommt der Berechnung des Entgelts maßgebliche Bedeutung zu. Darüber hinaus muss die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgen (vgl. zuletzt Bundesfinanzhof –BFH–, Urteil vom , VI R 53/14, Bundessteuerblatt –BStBl.– II 2017, 322, m.w.N.). Soweit ein typischer Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, kann unterstellt werden, dass entsprechende Zahlungen aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen geleistet worden sind (, BStBl. II 2012, 569).

3. Nach diesen Grundsätzen liegt eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit vor.

Auch wenn der Kläger erst am durch Ausgabe des Zertifikats über die 330 Phantom-Shares am Inzentivprogramm teilnahm und hierzu bereits am einen Aufhebungsvertrag schloss, liegt nach Überzeugung des Gerichts eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit vor. Die erzielte Vergütung bezog sich nämlich – wie vom Gesetz vorgegeben – auf eine mehrjährige Tätigkeit (mehr als zwölf Monate über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt). Unbeachtlich ist, dass der Kläger für die B… GmbH nachweislich nur für den Zeitraum bis , mithin einen Tag zu wenig, als Arbeitnehmer tätig geworden war, denn das Gesetz erfordert nicht, dass die Tätigkeit nur für „einen Arbeitgeber” erfolgen darf. Das Gesetz stellt allein auf die Tätigkeit ab.

Der BFH hat zur Auslegung des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG entschieden, dass eine Entschädigung für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht vorliegt, wenn ein Arbeitsverhältnis im Falle eines Betriebsübergangs im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird und damit ein bestehendes Arbeitsverhältnis lediglich formal mit einem neuen Arbeitgeber, aber im Übrigen in Bezug auf den Arbeitsbereich, die Entlohnung und unter Wahrung des sozialen Besitzstandes im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird (, Sammlung der amtlich nicht veröffentlichten Entscheidungen des BFH –BFH/NV– 2007, 415; dem folgend , BFH/NV 2008, 944).

Da § 34 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 EStG einen gleichen gesetzgeberischen Zweck verfolgen (ermäßigte Besteuerung bei Zusammenballung von Einkünften), kommt nach Ansicht des Gerichts eine Übertragung dieser Grundsätze auf § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG in Betracht, soweit zu beurteilen ist, ob eine mehr als zwölf Monate dauernde Tätigkeit vorlag. Unter Übertragung dieser Rechtsgrundsätze des BFH, nach denen der rein formelle Arbeitgeberwechsel unerheblich ist, ist für Zwecke der Ermittlung der Dauer eines Arbeitsverhältnisses dann ebenfalls nicht an rein formelle Kriterien anzuknüpfen. Eine einheitliche Tätigkeit von mehr als zwölf Monaten liegt auch dann vor, wenn diese sich nur aus der Zusammenrechnung mehrerer (formeller) Arbeitsverhältnisse ergibt, die aber materiell zusammenzufassen sind, weil das bestehende Arbeitsverhältnis im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wurde und sich als einheitliche Tätigkeit darstellt.

So liegt es im Streitfall. Der Kläger war nach Überzeugung des Gerichts zumindest ab Februar 2010 für die B… GmbH in Österreich aktiv. Das Gericht hat jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben der E… GmbH aus dem Jahr 2010 unzutreffend sein könnten. Der Beklagte hat die Tätigkeiten des Klägers zur Gründung der E… GmbH ebenfalls nicht bestritten. Diese Tätigkeit erfolgte zudem im wirtschaftlichen Interesse der B… GmbH, selbst wenn der Kläger und Herr D… zunächst im eigenen Namen auftraten. Dafür spricht insbesondere die unstreitige Abtretung der Geschäftsanteile der E… GmbH an die B… GmbH ohne Kaufpreiszahlung. Das Gericht hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausführungen in der Urkunde vom unzutreffend sein könnten. Ferner spricht dafür, dass die B… GmbH – nach gerichtlicher Recherche unter www. … .org – im Jahr 2010 einen einheitlichen Internetauftritt für Deutschland und Österreich vorhielt und Angebote für österreichische Städte unsortiert neben Angeboten für deutsche Städte aufgeführt wurden. Die E… GmbH betrieb somit auch nach außen kein gesondertes Unternehmen, vielmehr erfolgte ein gemeinsamer einheitlicher Auftritt beider Gesellschaften. Für den Kunden wurde die Einbeziehung der E… GmbH erst bei Vertragsschluss sichtbar.

Für eine im wesentlich unveränderte Tätigkeit bei der B… GmbH spricht zudem die Tätigkeit des Klägers im Bereich „General Management”, denn insoweit setzte sich seine Leitungsfunktion fort. Zudem entsprach die Grundvergütung bei der B… GmbH (3.300 EUR) im Wesentlichen der bisherigen Vergütung bei der E… GmbH (3.000 EUR zzgl. Sonderzahlungen von 4.400 EUR jährlich). Gegen eine im Wesentlichen unveränderte Tätigkeit spricht nur, dass der Kläger seinen Arbeitsort von F… nach C… verlagerte. Dies ist – nach Auffassung des Gerichts – aber nicht streitentscheidend, da in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers nicht auf den Ort der Leistungserbringung, sondern vorrangig auf den Inhalt der Tätigkeit abzustellen ist. Ferner ist unerheblich, dass der Kläger mit dem Wechsel zur B… GmbH nicht zugleich außenvertretungsberechtigter Geschäftsführer der B… GmbH geworden war, denn auch die Vertretungsberechtigung für eine Tochtergesellschaft ist lediglich ein formeller Aspekt und wird insbesondere im Konzern durch Weisungen der Konzernspitze materiell überlagert.

Für eine Einbeziehung der Beschäftigungszeit bei der E… GmbH spricht zudem die Angabe auf dem Zertifikat, denn dieses wurde zwar erst am ausgestellt, weist aber als Beginn den aus. Entscheidend für das Gericht ist, dass der Kläger das Zertifikat am erhielt, mithin noch vor dem Beginn seiner Tätigkeit bei der B… GmbH (01. November 2010), aber zugleich nach Übertragung der Anteile an der E… GmbH auf die B… GmbH. Da er für das Zertifikat kein Entgelt entrichten musste, liegt es auf der Hand, dass die Gewährung des Zertifikats an die vorherige Tätigkeit bei der E… GmbH angeknüpft hat. Die Gewährung erfolgte auch nicht für die Überlassung der Anteile an der E… GmbH, denn diese war zuvor erfolgt. Eine frühere Ausstellung des Zertifikats war der B… GmbH zudem auch nicht möglich, da sie das Inzentivprogramm selbst erst am 29. September 2010 aufgelegt hatte.

Letztlich war die Beteiligung über das Zertifikat in wirtschaftlicher Hinsicht auch Teil der Vergütungsstruktur der B… GmbH, denn sie stellte eine atypische variable Vergütung für die gesamte Tätigkeitszeit (Februar 2010 bis Oktober 2011) dar. Die feste Vergütung des Klägers bewegte sich – gemessen an der Position als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft bzw. als leitender Angestellter – eher im unteren Bereich (letzte Bruttovergütung: 3.500 EUR monatlich). Im Bereich der „Internet-Start-Ups” ist es üblich, eine variable Vergütung der Geschäftsleiter nicht nur am laufenden Erfolg vorzusehen, sondern auch Wertsteigerungen durch Erwerber von Konkurrenzunternehmen, großen Investoren oder im Rahmen von Börsengängen zu vergüten. Dies beruht darauf, dass die Wertsteigerungen des Unternehmens selbst von Zukunftserwartungen geprägt sind, die sich allein aus dem Geschäftsmodell, nicht jedoch aus den aktuellen Geschäftszahlen und Bilanzen ableiten lassen. Denn sog. „Internet-Start-Ups” der Dienstleistungsbranche – wie im Streitfall – verzeichnen in aller Regel zu Beginn hohe laufende Aufwendungen (Anlaufkosten für Markenpflege, Marketingaufwendungen), die gerade nicht zu aktivierungsfähigen Vermögensgegenständen bzw. Wirtschaftsgütern führen (§ 248 Abs. 2 Satz 2 Handelsgesetzbuch; § 5 Abs. 2 EStG), aber dennoch in die Bewertung eines Investors/Erwerbers einfließen. So liegt es auch im Streitfall. Die B… GmbH erzielte in den Jahren 2009 bis 2011 lediglich Verluste. Bis zum erzielte sie Verluste von ca. 23 Mio. EUR; bis zum Zeitpunkt des Verkaufs an die H… Holdings im September 2011 somit – lineare Verlustentstehung unterstellt – ca. 19 Mio. EUR. Trotz dieser Fehlbeträge und der äußerst geringen Vermögensstruktur (Anlagevermögen ca. 450.000 EUR) maß die H… Holdings dem Unternehmen der B… GmbH einen Wert von 114 Mio. US$ (ca. 82-83 Mio. EUR) bei. In diesen Wert floss im Ergebnis auch der Wert der E… GmbH ein. Dies zeigt deutlich, dass sich der Erfolg der Geschäftsleiter – wozu der Kläger zählte – nicht aus den laufenden Ergebnissen ableiten ließ, mithin nicht durch übliche erfolgsabhängige Tantiemen oder Boni abgedeckt werden konnte.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revisionszulassung folgt aus § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, denn der Bundesfinanzhof hat zu der Frage, ob Tätigkeiten im Konzern für die Frage der Mehrjährigkeit zusammenzurechnen sind noch nicht entschieden.

Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 8 Nr. 36
DStRE 2019 S. 1068 Nr. 17
DStZ 2019 S. 523 Nr. 15
EFG 2019 S. 1093 Nr. 13
GStB 2019 S. 326 Nr. 9
KÖSDI 2019 S. 21348 Nr. 8
CAAAH-19545