Nachträgliche Anschaffungskosten für GmbH-Beteiligung – Zuführung in die Kapitalrücklage zur Ablösung von Gesellschaftersicherheiten
Leitsatz
Eine Zuführung des GmbH-Gesellschafters in die Kapitalrücklage und deren anschließende Weiterleitung an die Bank zur Ablösung von auf ererbtem Grundsbesitz lastenden, für Darlehensverbindlichkeiten der GmbH bestellten Grundschulden führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten, wenn dem Gesellschafter bereits im Zeitpunkt des Erbfalls bei Verwertung der Sicherheit durch die Bank kein werthaltiger Rückgriffsanspruch gegen die GmbH aus dem Sicherungsvertrag zugestanden hätte.
War der Erblasser als ursprünglicher Sicherungsgeber zu keinem Zeitpunkt wesentlicher Beteiligter der GmbH, gehört der bis zum Erbfall eingetretene Wertverlust des Rückgriffsanspruches zur steuerrechtlich unbeachtlichen privaten Vermögenssphäre.
Auf eine vor Inkrafttreten des MoMiG zum gewährte und vor diesem Zeitpunkt in der Krise der GmbH stehengelassene Bürgschaft sind die bis dahin geltenden steuerrechtlichen Folgen des Eigenkapitalersatzrechtes im Bereich des § 17 Abs. 2 S. 1 EStG weiter anzuwenden.
Für die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten im Fall der Inanspruchnahme aus einer solchen Bürgschaft ist weiterhin der gemeine Wert der Rückgriffsforderung des Bürgen im Zeitpunkt des Eintritts der Krise maßgebend, soweit es sich nicht um eine krisenbestimmte und damit von vornherein eigenkapitalersetzende Bürgschaft handelt.
Gesetze: EStG § 17 Abs. 1 S. 1EStG § 17 Abs. 2 S. 1HGB § 255 Abs. 1BewG § 9 Abs. 2 S. 1GmbHG a.F. § 32a GmbHG a.F. § 32b BGB § 774
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand
Die Kläger werden als Ehegatten im Streitjahr 2010 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie begehren die Anerkennung eines Verlustes gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aus der Veräußerung der Beteiligung des Klägers an der A GmbH.
Die A GmbH wurde 1989 vom Vater des Klägers mit Sitz in B gegründet. Der Kläger übernahm bereits im Jahr 1999 eine Höchstbetragsbürgschaft über 550.000 DM für Bankverbindlichkeiten gegenüber der C-Bank (…). Diese Bürgschaft war mit einer Frist von 3 Monaten kündbar. Seit 2003 waren der Kläger und seine drei Brüder L, D und F … mit einem Anteil von je 12.782,30 € (25.000 DM) an der GmbH beteiligt. Der Vater hielt noch einen Anteil von 511,28 € (1.000 DM) am Stammkapital. Das gesamte Stammkapital von 51.640,48 € war voll eingezahlt. Der Kläger und sein Bruder D waren als Geschäftsführer bestellt. Zum beliefen sich die Verbindlichkeiten gegenüber der C-Bank auf 207.921,83 €. Die Festkredite der C-Bank und der Kontokorrentrahmen waren auch durch Grundschulden auf der Liegenschaft H in B mit einem Nennwert von 177.418,28 € (entspricht 347.000 DM) abgesichert. Eigentümerin dieses Grundstückes war seit 1967 die Mutter des Klägers. Diese Grundschulden waren bereits vor dem Jahr 2003 bestellt worden. Nach dem Ableben des Vaters im Jahr 2004 ging dessen Anteil an der A GmbH auf die Mutter des Klägers über. Im Jahr 2004 ersetzte der Kläger die erste Bürgschaft gegenüber der C-Bank durch eine Bürgschaft in Höhe von 425.000 €. Diese Bürgschaft war ebenfalls mit einer Frist von 3 Monaten ordentlich kündbar.
Für die A GmbH zeichnete sich ab dem Jahr 2003 folgende wirtschaftliche Entwicklung ab:
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Position/Jahr | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 |
Stammkapital | 51.640,48 | 51.640,48 | 51.640,48 | 51.640,48 | 51.640,48 | 51.640,48 | 51.640,48 | 51.640,48 |
Gewinn/Verlustvortrag | -19.222 | -5.463 | 5.322 | -2.010 | 5.351 | -3.617 | -312.042 | -404.030 |
Jahresüberschuss | 13.758 | 10.785 | -7.332 | 7.362 | -8.968 | -308.425 | -91.989 | 72.199 |
Eigenkapital | 46.177 | 59.962 | 49.630 | 56.992 | 48.024 | -260.401 | -352.390 | 0 |
Verb. ggü. Bank | 272.818 | 265.798 | 398.289 | 410.974 | 424.768 | 420.606 | 437.525 | 0 |
Verb. ggü. Gesellschaftern | 104.165 | 67.354 | 30.541 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Die Verbindlichkeiten gegenüber der C-Bank waren bis zum auf 348.786,43 € gestiegen. Die A GmbH stellte ihren operativen Geschäftsbetrieb zum Ende des Jahres 2009 ein. Sie veräußerte ihr gesamtes Anlagevermögen, ferner Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie unfertige Erzeugnisse an die I GmbH (…). Die Anteile an dieser Gesellschaft hielten der Kläger, sein Bruder D …. und Herr J zu jeweils gleichen Teilen. Die I GmbH übernahm zum auch die Arbeitnehmer der A GmbH.
Am verstarb die Mutter des Klägers. Ihr Anteil an der A GmbH ging ebenso wie das Grundstück H durch Erbfolge auf den Kläger und seine drei Brüder als Erbengemeinschaft zu gleichen Teilen über.
Im Verlauf des Jahres 2010 beschlossen der Kläger und seine Brüder eine Reihe von Zuführungen in die Kapitalrücklage der A GmbH, welche alle vier Gesellschafter im gleichen Verhältnis einzahlten:
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Datum | Zahlungssumme |
6.000 | |
1.000 | |
12.800 | |
40.000 | |
222.000 | |
Summe | 281.800 |
Diese Kapitalmaßnahmen erfolgten zur Vermeidung einer ansonsten drohenden Liquidation der Gesellschaft. Die Einzahlung von 222.000 € durch Gesellschafterbeschluss vom wurde durch die Veräußerung des Grundstücks H durch die Erbengemeinschaft an den Miterben F … ermöglicht. Der Verkauf erfolgte in Abstimmung mit der C-Bank. Diese hatte mitgeteilt, dass sie "unter Gremienvorbehalt einen Teilverzicht auf ihre zinslos gestellte Forderungen in einer Gesamthöhe von 350.000 € in Aussicht gestellt" habe, wenn ein Betrag i.H.v. 275.000 € an sie gezahlt werde. Soweit dieser Betrag bis zum an die C-Bank gezahlt werde, werde man "keine weitergehenden Ansprüche gegen die Firma A GmbH bzw. die Bürgen" stellen. Unter Berücksichtigung des von der C-Bank gebilligten Kaufpreises i.H.v. 222.000 € ergab sich daher ein Differenzbetrag von 53.000 €. Die A GmbH überwies beide Beträge Ende 2011 an die C-Bank. Durch den bei der A GmbH gebuchten Forderungsverzicht der C-Bank kam es bei der A GmbH zu dem oben bezeichneten Jahresüberschuss von 72.199 € im Jahr 2010.
Anschließend veräußerten der Kläger und seine Brüder ihre Anteile an der A GmbH durch notariellen Kaufvertrag vom zu einem Kaufpreis von 0 € an die I GmbH. Die Grundschulden zugunsten der C-Bank wurden am im Grundbuch gelöscht.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2010 machten die Kläger aus der Veräußerung der A GmbH einen Verlust i.H.v. 83.232,30 € geltend, der sich aus dem anteiligen Verlust der Stammeinlage i.H.v. 12.782,30 € sowie nachträglichen Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 70.450 € errechnete (=1/4 von 281.800 €). Die nachträglichen Anschaffungskosten errechneten die Kläger aus ihrem Anteil an den Zuführungen in die Kapitalrücklage während des Jahres 2010.
Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom lediglich den anteiligen Verlust der eingezahlten Stammeinlagen i.H.v. 12.782 € als nachträgliche Anschaffungskosten. Im Übrigen sei weder dargelegt noch nachgewiesen, dass die übrigen Aufwendungen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Finanzierungshilfen mit Einlagecharakter seien. Überdies sei zu prüfen, ob es sich bei dem Verkauf des GmbH-Anteils zu einem Kaufpreis von 0 € überhaupt um einen entgeltlichen Vorgang gehandelt habe.
Die Kläger legten durch Schreiben vom Einspruch ein. Zur Begründung verwiesen sie auf die durch den Kläger geleisteten Einzahlungen in die Kapitalrücklage. Des Weiteren beantragten sie, den Anteil des Klägers an der früheren Stammeinlage der Mutter (511,28 €) i.H.v. 127,82 € anteilig als Veräußerungsverlust des Klägers zu berücksichtigen, so dass sich dieser insgesamt auf 83.360,12 € belaufe.
Überdies habe bei der Veräußerung der GmbH-Anteile ein entgeltlicher Vorgang vorgelegen, da Leistung und Gegenleistung nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen worden seien. Zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung seien keine wesentlichen Vermögenswerte mehr in der A GmbH vorhanden gewesen und der Geschäftsbetrieb sei bereits vollständig übertragen worden.
Am erging ein Änderungsbescheid, durch den der Beklagte einen Verlust gemäß § 17 EStG i.H.v. 39.006 € berücksichtigte. Diesen Betrag ermittelte der Beklagte, indem er die von allen Gesellschaftern geltend gemachten Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 333.440,48 € (281.800 € Kapitalrücklage zzgl. 51.640,48 € Stammkapital) um die zu Gunsten der C-Bank eingetragenen verzinslichen Grundschulden i.H.v. deren Nennwert von 177.418,29 € minderte und die verbleibenden 156.022,19 € auf die vier Gesellschafter verteilte.
Am erließ der Beklagte die Einspruchsentscheidung, durch die er den Einspruch der Kläger in Bezug auf den Änderungsbescheid vom als unbegründet zurückwies. Der Beklagte ging nunmehr ebenfalls von einer entgeltlichen Veräußerung der Anteile an der A GmbH an die I GmbH aus. Bei der Berechnung des Veräußerungsverlustes seien zunächst die auf das Stammkapital geleisteten Einzahlungen zu berücksichtigen, hier insgesamt 12.910 € pro Gesellschafter. Einzahlungen in die Kapitalrücklage stellten zwar grundsätzlich Anschaffungskosten dar, dies gelte jedoch nicht, wenn durch diese (verdeckte) Einlage letztlich Verbindlichkeiten beglichen würden, für die der Gesellschafter ohnehin hätte einstehen müssen.
Die Kläger haben durch Schreiben vom , bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, Klage erhoben. Die Einzahlungen der Gesellschafter in die Kapitalrücklage stellten eine Einlage in das Gesellschaftsvermögen dar, da die von den Gesellschaftern getätigten Finanzierungsmaßnahmen eigenkapitalersetzenden Charakter hätten. In den Wirtschaftsjahren 2008 und 2009 habe aufgrund von Verlusten i.H.v. 308.000 € (2008) und 92.000 € (2009) und dadurch hervorgerufener Unterbilanz eine Krise vorgelegen. Im Rahmen der Umschuldungsmaßnahmen der Gesellschaft mit den finanzierenden Banken im Jahr 2009 sei schließlich das verwertete Grundstück H zur Verfügung gestellt worden. Bereits zum damaligen Zeitpunkt sei durch die Mitgesellschafter festgelegt worden, dass das Grundstück nach dem Ableben der Mutter zum Zweck einer möglichen Entschuldung der Gesellschaft veräußert werden solle.
Da vorliegend bereits bei Kreditgewährung eine entsprechende Finanzierungszusage der C-Bank nicht ohne zusätzliche Sicherheitenbestellungen der Gesellschafter möglich gewesen sei, wie vorliegend auch die streitige Grundschuldbestellung belege, sei nach der Rechtsprechung bereits zu diesem Zeitpunkt von einem eigenkapitalersetzenden Charakter der gewährten Grundschuld auszugehen und daher eine Berücksichtigung der Einzahlungen in die Kapitalrücklage als nachträgliche Anschaffungskosten in Höhe des Nennwertes auch im Hinblick auf den auf die Grundschuldbestellung entfallenden streitigen Teilbetrag gegeben. Hätten die Gesellschafter eine Stammkapitalerhöhung vorgenommen, hätte an der Abzugsfähigkeit der verlorenen Beträge als nachträgliche Anschaffungskosten kein Zweifel bestanden. So dienten Sicherheiten wirtschaftlich dazu, fehlendes Stammkapital der Gesellschaft zu ersetzen.
Überdies sei zu beachten, dass das mit der Grundschuld belastete Grundstück H in B bis zu deren Tod im Jahre 2010 im Alleineigentum der Mutter der Gesellschafter gestanden habe. Die Grundschuld als dingliche Sicherheit hänge somit – entgegen der Bürgschaft als Personalsicherheit – zwingend mit dem Grundstück zusammen, für welches die Grundschuld bestellt worden sei. Erst nach dem Tod der Mutter sei der Kläger in Erbengemeinschaft mit seinen Brüdern Eigentümer des Grundstücks geworden, so dass ihm auch erst ab diesem Zeitpunkt die rechtliche Verfügungsbefugnis über das mit der Sicherheit zusammenhängende Grundstück zugestanden habe. Für die vorliegende Streitfrage der Beurteilung der nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung des Klägers an der A GmbH sei daher hinsichtlich der durch die Grundschuldbestellung abgesicherten anteiligen Einzahlungen der Gesellschafter in die Kapitalrücklage auf den Zeitpunkt abzustellen, zu welchem dem Gesellschafter die mögliche Belastung mit einer Inanspruchnahme aufgrund der Grundschuld zurechenbar sei. Dies sei vorliegend erst mit dem Übergang des Eigentums an dem mit der Grundschuld belasteten Grundstück auf die Erbengemeinschaft im Jahr 2010 der Fall.
Auch das vom Beklagten zitierte Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da der Eigenkapitalersatzcharakter der Kreditsicherheit sich gerade durch die Berücksichtigung des Jahres 2010 als Beurteilungszeitpunkt ergebe. Ferner seien die Einzahlungen in die Kapitalrücklage zur Tilgung der Verbindlichkeiten der A GmbH bei der C-Bank erfolgt. Ein so genanntes Hin- und Herzahlen zwischen dem Gesellschafter und der Gesellschaft im Wege eines Gestaltungsmissbrauchs, wie er dem angeführten Urteil zu Grunde lag, liege im Streitfall nicht vor.
Die Kläger beantragen,
den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2010 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin abzuändern, dass im Rahmen der Einkünfte aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gemäß § 17 EStG zusätzlich nachträgliche Anschaffungskosten i.H.v. 44.354,40 € berücksichtigt werden;
festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auch für das Vorverfahren notwendig war;
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für die Bestimmung des Zeitpunktes, in welchem die A GmbH in eine Krise geriet, sei nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, ab dem das belastete Grundstück dem Kläger und seinen Brüdern als Erben zuzurechnen gewesen sei (2010), sondern es seien auch die vom jeweiligen Rechtsvorgänger verwirklichten Tatbestände zu berücksichtigen. Der Kläger und seine Brüder hätten einerseits die Anteile an der A GmbH übernommen, deren Verbindlichkeiten seien aber zumindest i.H.v. 177.418,28 € durch die eingeräumten Grundschulden abgesichert worden, andererseits hätten der Kläger und seine Brüder ein entsprechend belastetes Grundstück von der Mutter geerbt. Der Wert der Anteile sei damit im Zeitpunkt des Übergangs entsprechend erhöht, der Grundstückswert entsprechend herabgesetzt gewesen.
Es sei darauf abzustellen, ob der Maßnahme wegen einer Krise der Gesellschaft eigenkapitalersetzender Charakter zukomme. Der Eintritt einer Krise werde z.B. dann angenommen, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig sei oder wenn sie kreditunwürdig sei und ein fremder Dritter keinen Kredit zu marktüblichen Konditionen mehr gewährt hätte. Würden dann anstelle einer Eigenkapitalerhöhung Finanzierungshilfen gleich welcher Form gewährt, führten diese zu funktionalem Eigenkapital. Im vorliegenden Fall sei die Grundschuld zu Gunsten der C-Bank bereits vor 2003 eingeräumt worden. Dass bzw. ob sich die A GmbH zum Zeitpunkt der Grundschuldeintragung in einer Krise im oben genannten Sinne befunden habe, sei aus Sicht des Beklagten nicht ersichtlich. Vielmehr ergebe sich aus den vorliegenden Bilanzen in den Jahren 2002-2006, dass Gewinne erzielt worden seien, die einen zunächst noch bestehenden Verlustvortrag ausgeglichen hätten. Eine gegebenenfalls in einer vorhergehenden Krise gewährte Sicherheit habe damit in dieser Zeit ihre Krisenbestimmung verloren.
Den Gesellschaftern seien daher nur Anschaffungskosten in Höhe eines fiktiven Rückgriffsanspruchs gegenüber der A GmbH entstanden, der im Jahr 2010 angesichts der Vermögenslage der Gesellschaft jedoch mit 0 € zu bewerten gewesen sei. Wenn vor diesem Hintergrund seitens der Gesellschafter eine Vereinbarung mit der C-Bank getroffen worden sei, die eine Verwertung des Grundstücks durch die Gesellschafter als Erben nach ihrer Mutter unter der Voraussetzung ermöglichte, dass der erzielte Kaufpreis der C-Bank zur Schuldentilgung der GmbH zur Verfügung gestellt werde, erfolge insoweit nur eine Ablösung der ursprünglichen Sicherheit, die auch durch die formell beschlossenen Kapitalerhöhungen nicht überlagert werde und auf diesem Wege keine Anschaffungskosten in Höhe des Nennwerts der Einzahlung entstehen lassen könne. Das niedersächsische Finanzgericht habe in seinem Urteil vom Az. 2 K 13510/10 (GmbH-Rundschau -GmbHR- 2013, 613) für einen ähnlich gelagerten Fall einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 AO angenommen. Auch der BFH habe in seinem Urteil vom Az. VIII R 3/99 (BFH/NV 2001, 23) in einem Fall, in dem eine Bürgschaft durch eine andere abgelöst worden sei, für die Beurteilung des Sachverhalts nach § 17 EStG darauf abgestellt, ob die zuerst übernommene Bürgschaft als eigenkapitalersetzend anzusehen sei.
Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass auch bezüglich der übrigen im Jahr 2010 beschlossenen Einstellungen in die Kapitalrücklage der A GmbH letztlich nicht auszuschließen sei, dass insoweit eine Inanspruchnahme der geschäftsführenden Gesellschafter aus abgegebenen Bürgschaften, deren Eigenkapitalersatzcharakter ebenfalls zweifelhaft sei, verhindert werden sollte. Hier sei bisher der Eigenkapitalersatzcharakter zu Gunsten der Kläger angenommen worden. Es sei jedoch auch insoweit zu prüfen, ob die erstmalige Abgabe von Bürgschaften jeweils in einer Krise erfolgt sei.
Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom , die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Gründe
I. Die Klage ist unbegründet.
Der Einkommensteueränderungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, weitere nachträgliche Anschaffungskosten i.H.v. 44.354,40 € gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 EStG anzuerkennen. Der Kläger kann Anschaffungskosten zunächst unstreitig in Höhe seiner Stammeinlagen i.H.v. 12.782,30 € bzw. anteilig i.H.v. 127,82 € (geerbter Anteil) also insgesamt 12.910,12 € beanspruchen. Weitergehende nachträgliche Anschaffungskosten entstehen dem Kläger überdies i.H.v. 1.700 € durch Einzahlung in die Kapitalrücklage. Dieser Betrag errechnet sich daraus, dass Zuführungen in die Kapitalrücklage i.H.v. 281.800 € vom Kläger und seinen Brüdern zu gleichen Teilen geleistet wurden, während nur 275.000 € zur Schuldentilgung bei der C-Bank verwandt wurden. Der verbleibende Restbetrag von 6.800 € wird dem Kläger zu einem Viertel zugerechnet. Im Hinblick auf die Schuldentilgung gegenüber der C-Bank sind mangels werthaltiger Rückgriffsansprüche des Klägers aus Bürgschaft oder Grundschulden keine weiteren nachträglichen Anschaffungskosten angefallen, welche zu weiteren Anschaffungskosten führen könnten, die die vom Beklagten bereits angesetzten 39.006 € übersteigen.
1. Dem Kläger ist dem Grunde nach ein Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gemäß § 17 Abs. 1 S. 1, 3 EStG entstanden. Er hat Anteile an einer Kapitalgesellschaft veräußert und war innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar zu mehr als 1 % beteiligt.
Der Kläger hielt seit 2003 einen Anteil i.H.v. 12.782,30 € (25.000 DM), mithin 24,75 % des Kapitals der A GmbH. Mit dem Ableben seiner Mutter im Jahre 2010 erwarben der Kläger und seine Brüder als Erbengemeinschaft einen weiteren Anteil i.H.v. 511,28 € (1000 DM) am Stammkapital, der dem Kläger gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zu einem Viertel zuzurechnen war. Der Kläger hat beide Anteile im Dezember 2010 an die I GmbH veräußert.
Eine Veräußerung im Sinne der Vorschrift liegt auch bei einem Kaufpreis von 0 € vor, wenn die übertragenen Kapitalgesellschaftsanteile bei der Übertragung objektiv wertlos waren, der Kaufpreis also fremdüblich war ( Az. VIII R 28/97, BFH/NV 1999, 616).
Dies ist im Hinblick auf die Übertragung der GmbH-Anteile der Fall. Am Ende des Jahres 2010 war die A GmbH eine leere Hülle ohne Arbeitnehmer und Anlagevermögen. Der von der A GmbH im Jahr 2010 ausgewiesene Jahresüberschuss aus einem Forderungsverzicht führte nur dazu, dass die zuvor bestehende Unterbilanz beseitigt wurde.
2. Dem Kläger sind im Rahmen der Anteilsveräußerung vom … Dezember 2010 lediglich weitere Anschaffungskosten i.S.v. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG aus den Einzahlungen in die Kapitalrücklage als solche i.H.v. 1.700 € (1/4 von 6.800) entstanden. Nur in dieser Höhe wurden die Einzahlungen in die Kapitalrücklage nicht zur Ablösung der vom Kläger gewährten Sicherheiten verwandt.
a) Gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 EStG ist Veräußerungsgewinn der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Anschaffungskosten sind in Anlehnung an § 255 Abs. 1 S. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben; dazu gehören nach § 255 Abs. 1 S. 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten. Zu den Anschaffungskosten zählen zunächst die Einlageverpflichtungen für die Übernahme der Stammeinlagen. Auch Zuzahlungen in die Kapitalrücklage sind grundsätzlich als nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigungsfähig ( Az. I R 58/99, BStBl. II 2001, 168). Anschaffungskosten setzen als Gegenstück zum Veräußerungserlös aber in jedem Fall Aufwendungen voraus, die tatsächlich eine Änderung der Rechtslage bewirkt haben und nicht der privaten Lebensführung zuzuordnen sind. Nach Sinn und Zweck des steuerrechtlichen Begriffs von Anschaffungskosten ist weniger auf die formalen Erklärungen als auf den mit ihnen bewirkten wirtschaftlichen Sachverhalt abzustellen ( Az. X R 14/11, BStBl. II 2014, 158 mit weiteren Nachweisen). Dienen Aufwendungen nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt dazu, anderweitige Sicherheiten abzulösen, für die der Gesellschafter selbst einstehen muss, liegen Anschaffungskosten auf die Beteiligung nicht ohne weiteres vor. Der Aufwand ist vielmehr durch die Ablösung der Sicherheit zugunsten des Gesellschafters selbst veranlasst und teilt dessen steuerliche Beurteilung. Es handelt sich dabei um eine Ausprägung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die das Steuerrecht bei der Beurteilung derartiger Sachverhalte prägt. So hat auch der BFH entschieden, dass bei Ablösung einer Bürgschaft gegenüber der eigenen GmbH durch eine Bürgschaft gegenüber einem Dritten der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang erhalten bleibt ( Az. VIII R 3/99, BFH/NV 2001, 23). Nach Auffassung des Senates macht es keinen Unterschied, ob eine Sicherheit des Gesellschafters durch Bestellung einer neuen Sicherheit abgelöst wird oder der Sicherungsgeber seine Inanspruchnahme durch Zurverfügungstellung von Eigenkapital abwendet.
b) Nach diesen Maßstäben führten die Zuzahlungen in die Kapitalrücklage während des Jahres 2010 nur in Höhe von 6.800 € zu nachträglichen Anschaffungskosten der Gesellschafter. Wirtschaftlich betrachtet diente die weitere Zuführung in die Kapitalrücklage in Höhe von 275.000 € und anschließende Weiterleitung dieser Zahlung an die C-Bank zur Ablösung der von den Gesellschaftern gewährten Sicherheiten. Der Kläger sorgte mit den anteilig auf ihn entfallenden Zuführungen in die Kapitalrücklage dafür, dass die C-Bank weder über die bestehende Grundschuld noch über die gewährte Bürgschaft gegen den Kläger vorging. Die C-Bank hatte in diesem Zusammenhang durch Schreiben vom mitgeteilt, dass sie den Kläger und seine Brüder weder als Bürgen noch aus der Grundschuld in Anspruch nehmen werde, wenn ein Betrag von insgesamt 275.000 € an sie gezahlt werde. Nur unter dieser Voraussetzung hatte die C-Bank auch der Veräußerung des Grundstücks zu einem Kaufpreis von 222.000 € zugestimmt. Anderenfalls hätte es der C-Bank offen gestanden, über ihre Grundschuld die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu betreiben. Ferner hätte sie den Kläger als Bürgen persönlich in Anspruch nehmen können, um ihre Darlehensforderung gegenüber der A GmbH durchzusetzen.
3. Weder in Bezug auf die Ablösung der Bürgschaft noch der Grundschuld durch Zahlung von 275.000 € durch die A GmbH an die C-Bank liegen weitere anzuerkennende nachträgliche Anschaffungskosten vor. Der Senat sieht diese Zahlung, soweit sie auf den Kläger entfällt, gleichermaßen durch Bürgschaft und Grundschulden veranlasst, da sie geleistet wurde, um aus jedweder Sicherheit nicht mehr weitergehend in Anspruch genommen zu werden. Auch im Zusammenhang mit solchen Finanzierungshilfen können dem Gesellschafter nachträgliche Anschaffungskosten entstehen. Dies setzt aber nach bisheriger Rechtsprechung des BFH voraus, dass die Finanzierungshilfen eigenkapitalersetzenden Charakter haben (so zuletzt Az. IX R 43/12, BFH/NV 2013, 173).
a) Die Ablösung der Grundschuld (über den Umweg einer Zuführung in die Kapitalrücklage) löste beim Kläger keine weiteren nachträglichen Anschaffungskosten aus. Dies beruht darauf, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt Inhaber eines werthaltigen Rückgriffsanspruchs gegen die A GmbH war, dessen Ausfall bei ihm zu Anschaffungskosten führen konnte. In Bezug auf die Grundschuld kann deshalb offen bleiben, ob die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zum Eigenkapitalersatzrecht fortgelten.
aa) Erst zum Zeitpunkt des Erbfalls (2010) geht die gewährte Finanzierungshilfe anteilig auf den Kläger über. Des Weiteren tritt er in die Rechtsstellung der Erblasserin bezüglich eines zu Grunde liegenden Sicherungsvertrages ein. Aus einem solchen Sicherungsvertrag hat der Sicherungsgeber, soweit er in Anspruch genommen wurde, regelmäßig einen Anspruch gegen den Gläubiger auf Abtretung der gesicherten Forderung. Nach Abtretung dieser Forderung kann er sie gegen den Sicherungsnehmer geltend machen (vergleiche Bassenge in Palandt BGB auf § 1191 BGB Rn. 36). Nach anderer Auffassung geht die gesicherte Forderung bei einer Leistung auf die Grundschuld kraft Gesetzes analog § 1143 BGB auf den Sicherungsgeber über (Eickmann in Münchener Kommentar zum BGB § 1191 BGB Rn. 127). Dementsprechend hätte die Erbengemeinschaft sich nach Zahlung auf die Grundschuld an die C-Bank die Forderungen gegen die A GmbH abtreten lassen können oder sie direkt erworben. In Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem gemeinen Wert dieser Forderung im Zeitpunkt des Erbfalles und einem späteren Ausfall beim Rückgriff gegenüber der A GmbH wären dem Kläger nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung entstanden.
bb) Der gemeine Wert des übergegangenen Rückgriffanspruches gegen die A GmbH betrug im Zeitpunkt des Erbfalls bereits 0 €.
Der gemeine Wert einer Forderung wird gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Im Zeitpunkt des Erbfalles wäre ein Rückgriffsanspruch gegen die A GmbH wertlos gewesen, wenn die C-Bank gegen die Erbengemeinschaft aus der Grundschuld vorgegangen wäre. Die A GmbH war im Jahr 2010 nicht mehr operativ tätig und hatte auch keine Arbeitnehmer mehr. Es wurden nur in sehr geringem Umfang betriebliche Erlöse erzielt. Das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen war bereits an die I GmbH verkauft worden. Der seitens der C-Bank erklärte Forderungsverzicht führte nur zur Beseitigung der bestehenden Unterbilanz.
cc) Der Kläger war bis zum Erbfall im Februar 2010 kein Sicherungsgeber bezüglich der Grundschuld H in B. Dieses Grundstück stand bis zu ihrem Ableben im Jahre 2010 der Mutter des Klägers zu. Diese war zu keinem Zeitpunkt im Sinne von § 17 Abs. 1 S. 1 EStG zu mindestens 1% beteiligt. Sie hätte daher im Erlebensfall bei Veräußerung der A GmbH selbst keine nachträglichen Anschaffungskosten im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 EStG geltend machen können. Ein bis zum Tod der Mutter eingetretener Wertverlust eines Rückgriffsanspruches gehört daher zur steuerrechtlich unbeachtlichen privaten Vermögenssphäre. Da der Kläger als Erbe steuerlich in die Rechtstellung der Mutter eintritt, kann er deren in der privaten Vermögenssphäre eingetretenen Wertverlust bezüglich eines Rückgriffs gegenüber der A GmbH ebenfalls nicht im Rahmen des § 17 Abs. 2 S. 1 EStG beanspruchen.
b) Auch soweit die Zahlungen an die C-Bank zur Ablösung der Bürgschaft erfolgten, liegen keine nachträglichen Anschaffungskosten des Klägers vor.
aa) Nach Auffassung des Senates sind die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechtes zur Bestimmung nachträglicher Anschaffungskosten im Streitfall für die Bürgschaft weiter anzuwenden. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass das in den §§ 32a und 32b des GmbH-Gesetzes (GmbHG) verankerte Eigenkapitalersatzrecht durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung und Missbräuchen vom (MoMiG) mit Wirkung zum abgeschafft wurde.
Der Bundesgerichtshof hat für den Bereich des Zivilrechts entschieden, dass bereits entstandene Ansprüche gegen einen Gesellschafter im Fall einer kapitalersetzenden Sicherheit sich noch auf das alte Eigenkapitalersatzrecht stützen lassen. Mit dem Inkrafttreten des MoMiG seien im Zivilrecht bereits entstandene Ansprüche nicht zum zum Erlöschen gebracht worden ( Az. II ZR 260/07, Deutsches Steuerrecht -DStR- 2009, 699; K. Schmidt in Scholz GmbHG §§ 32a, 32b a.F. Rn. 14, 15).
Der Senat hält es aufgrund dieser Wertung für den Bereich des Zivilrechtes für folgerichtig, im Hinblick auf die vor Inkrafttreten des MoMiG gewährte Bürgschaft und eingetretene Krise im Jahr 2008 (vgl. unten I.3.b)bb) (1)) auch die bis dahin geltenden steuerrechtlichen Folgen des Eigenkapitalersatzrechtes im Bereich des § 17 Abs. 2 S. 1 EStG weiter anzuwenden. Durch das "Stehenlassen" der Bürgschaft im Jahr 2008 unterfiel diese den zivilrechtlichen Regeln des alten Eigenkapitalersatzrechtes. Es kann offen bleiben, ob dies auch gilt, wenn eine Sicherheit erstmalig nach dem gewährt wird, diese also zu keinem Zeitpunkt den Bindungen des Eigenkapitalersatzrechtes gem. § 32a, § 32b GmbHG a.F. unterliegen kann.
Die Anwendung der Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechtes bedeutet im Fall einer Inanspruchnahme aus einer "stehengelassenen" Bürgschaft, dass für die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten der gemeine Wert der Rückgriffsforderung des Bürgen (§ 774 BGB) im Zeitpunkt des Eintritts der Krise der Gesellschaft maßgebend ist, es sei denn, es handelt sich um eine krisenbestimmte und damit von vornherein eigenkapitalersetzende Bürgschaft.
bb) Es fehlt an einem werthaltigen Rückgriffsanspruch des Klägers, als die A GmbH 2008 in die Krise gerät. Es kann daher auch offen bleiben, ob die Bürgschaftsgewährung bzw. deren "Stehenlassen" im Sinne des § 17 Abs. 2 S. 1 EStG gesellschaftsrechtlich veranlasst war, obwohl der Kläger bei Gewährung der ersten Bürgschaft im Jahr 1999 noch kein Gesellschafter der A GmbH war.
(1) Die A GmbH ist erst im Jahr 2008 in die Krise geraten.
Ab wann eine Krise vorliegt, bestimmt sich nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles. Sie ist jedenfalls bei Eintritt der Insolvenzreife einer Gesellschaft gegeben. Eine Krise liegt auch vor, wenn zwar noch keine Insolvenzreife eingetreten ist, die Zahlungsfähigkeit aber in einem solchen Maße gefährdet ist, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu marktüblichen Konditionen zu Gunsten der Gesellschaft nicht mehr in Kauf genommen hätte (Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach EStG/KStG § 17 EStG Rn. 201a). Das Vorliegen einer Unterbilanz allein ist für die Annahme einer Krise nicht ausreichend. In einem solchen Fall ist weiter zu prüfen, ob sich in der Bilanz ausreichende stille Reserven verbergen, um der Gesellschaft aus eigener Kraft ausreichende liquide Mittel zu verschaffen (Vogt in Blümich EStG/KStG/GewStG § 17 EStG Rn. 631, Az. II ZR 87/98, NJW 1999, 3120, Az. 13 K 7553/ 95 F, EFG 2000, 257). Der Verlust des hälftigen Stammkapitals stellt zumindest ein Indiz für das Vorliegen einer Krise dar ( Az. VIII R 47/98, BFH/NV 2001, 589).
Nach diesen Grundsätzen geriet die A GmbH im Wirtschaftsjahr 2008 in die Krise. Es kam im Jahr 2008 zu einem Jahresfehlbetrag in Höhe von etwa 308.000 €, der das vorhandene Eigenkapital von ca. 48.000 € um das Sechsfache überschritt. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich in den Wirtschaftsgütern der A GmbH noch ausreichende stille Reserven befanden, um die entstandene Unterbilanz auszugleichen. Gegen das Vorhandensein derartiger stiller Reserven im Jahr 2008 spricht insbesondere, dass die C-Bank nach Veräußerung aller Wirtschaftsgüter der A GmbH und nach erheblichen Zuschüssen in die Kapitalrücklage durch die Gesellschafter noch immer auf eine Restforderung von 75.000 € gegenüber der Gesellschaft verzichtet hat. Dies wäre nicht erforderlich gewesen, wenn der A GmbH weitere veräußerungsfähige Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven zur Verfügung gestanden hätten.
Anhaltspunkte für einen früheren Kriseneintritt bereits im Jahr 2003 liegen anhand dieser Kriterien entgegen der Ansicht des Klägers nicht vor. Allein die Tatsache, dass bereits vor dem Jahr 2008 Sicherheiten des Klägers und seiner Familie durch die C-Bank verlangt wurden, genügt nicht, um eine Krise zu begründen.
Da die Bürgschaft mit einer Frist von 3 Monaten kündbar war, kommt auch eine Berücksichtigung höherer Anschaffungskosten wegen einer krisenbestimmten Sicherheit nicht in Betracht. Eine solche Sicherheit läge nur vor, wenn der Kläger als Gesellschafter bindend erklärt hätte, die Bürgschaft auch im Krisenfall nicht zu kündigen.
(2) Es ist nicht ersichtlich, dass ein Regressanspruch des Klägers gem. § 774 BGB bei Eintritt der Krise im Jahr 2008 noch ausreichend werthaltig gewesen wäre, um weitere, über die vom Beklagten gewährten Anschaffungskosten von 39.006 hinausgehenden Anschaffungskosten zu begründen.
Wird eine Bürgschaft erst durch "Stehenlassen" bei Kriseneintritt kapitalersetzend, so ist die Rückgriffsforderung mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen. Hierbei gelten die gleichen Grundsätze, die der BFH bezüglich eigenkapitalersetzender Darlehen entwickelt hat ( Az. VIII R 9/98, BStBl. II 1999, 817). Maßgebend ist der – gegebenenfalls zu schätzende – gemeine Wert im Zeitpunkt des Beginns der für den Ausfall ursächlichen Krise (Vogt in Blümich EStG § 17 EStG Rn. 665 mit weiteren Nachweisen).
Aus Sicht des Senates kann es danach offen bleiben, ob die Rückgriffsforderung des Klägers im Jahr 2008 überhaupt noch einen nennenswerten gemeinen Wert hatte. Zweifel ergeben sich daraus, dass die GmbH seit 2003 in den Vorjahren allenfalls geringfügige Gewinne von bis zu 13.758 € bzw. in zwei Jahren auch vergleichbar hohe Verluste erzielt hat. Es erscheint unwahrscheinlich, dass ein fremder Dritter angesichts dieser Zahlen eine Forderung gegen die A GmbH erworben hätte. Es liegen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein solcher Regressanspruch in Verbindung mit den übrigen Anschaffungskosten von 12.910,12 € (Stammeinlagen) und 1.700 € (Kapitalrücklage) im Ergebnis über die vom Beklagten hinaus insgesamt gewährten Anschaffungskosten von 39.006 € geführt hätte. Hierzu fehlt es an Anhaltspunkten, dass ein solcher Rückgriffsanspruch mindestens einen Wert von 24.395,88 € erreicht (=39.006 € - 12.910,12 € - 1.700 €). Für diese Schätzung des Senates ist auch maßgeblich, dass bei der Bewertung einer Rückgriffsforderung im Gegensatz zu der gesicherten Hauptforderung gerade keine Sicherheit mehr vorliegt, auf die der fiktive Erwerber zurückgreifen könnte. Soweit der Beklagte danach zu hohe nachträgliche Anschaffungskosten berücksichtigt hat, greift das im gerichtlichen Verfahren bestehende Verböserungsverbot.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Da die Klage abgewiesen wird, kommt eine Feststellung, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war, nicht in Betracht.
III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 1 FGO zugelassen. Die Sache hat grundlegende Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; eine Entscheidung des BFH ist auch im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Es ist über den entschiedenen Einzelfall hinaus zu klären, ob die Ablösung von Gesellschaftersicherheiten über den Umweg einer Einzahlung in das Eigenkapital entgegen der Ansicht des Senates generell zu Anschaffungskosten gem. § 17 Abs. 2 S. 1 EStG führt. Der BFH hat überdies bisher offen gelassen, ob die Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechtes für Veranlagungszeiträume nach 2008 fortgelten ( Az. IX R 43/12, BFH/NV 2013, 1783).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
DB 2015 S. 11 Nr. 46
CAAAF-07929