Finanzgericht Düsseldorf Urteil v. - 6 K 2749/11 K,G,U,F

Schätzung bei nicht ordnungsgemäßer Kassenführung - Bemessung mit prozentualem Zuschlag zum erklärten Umsatz

Leitsatz

Werden bei einem Speiserestaurant mit einem hohen Anteil an Bareinnahmen und täglichen Kassenbeständen von z. T. mehr als 30.000,00 EUR weder ein Kassenbuch geführt oder ordnungsgemäße Kassentagesberichte erstellt noch Inventuren durchgeführt, rechtfertigen diese formellen Buchführungsmängel - auch unabhängig von dem Ergebnis einer Nachkalkulation - eine Hinzuschätzung von 8 % des erklärten Umsatzes.

Gesetze: AO § 146 Abs. 1 Satz 2, AO § 158, AO § 162 Abs. 2 Satz 2

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein chinesisches Speiserestaurant.

Im Rahmen einer für die Jahre 2006 bis 2008 durchgeführten Außenprüfung durch den Beklagten stellte der Prüfer unter anderem fest, dass die Klägerin für den Zeitraum von ihrer Gründung im September 2006 bis einschließlich Oktober 2008 keine ordnungsmäßigen Kassenbelege vorlegen konnte. Weder habe die Klägerin ein Kassenbuch geführt, noch seien ordnungsgemäße Kassentagesberichte durch die Klägerin erstellt worden. Außerdem sei es in 2008 zu diversen Kassenfehlbeträgen (zwischen 300,00 und 2.200,00 EUR) gekommen, während die täglichen Kassenbestände z. T. bei mehr als 30.000,00 EUR gelegen hätten. Auch Inventuren seien durch die Klägerin nicht durchgeführt worden; die Warenendbestände seien lediglich im Wege der Schätzung ermittelt worden.

Infolge der festgestellten Mängel gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass keine formell und materiell ordnungsmäßige Kassenbuchführung vorgelegen habe (vgl. Tz. 2.1 des Betriebsprüfungsberichts vom ). Auf Grundlage einer durch den Prüfer durchgeführten Nachkalkulation kam dieser zu einer Kalkulationsdifferenz von 43.000,00 EUR, wovon nach Abzügen für bisher eventuell noch nicht berücksichtigte Sachverhalte 40.000,00 EUR netto verblieben seien.

Der Prüfer schlug vor, die Kalkulationsdifferenz von 40.000,00 EUR und 8 % der von der Klägerin erklärten Umsätze der Umsatzsteuer zu unterwerfen (7.600,00 EUR) und in Höhe des Bruttobetrages von 47.600,00 EUR eine verdeckte Gewinnausschüttung anzusetzen.

Der Beklagte folgte den Vorschlägen des Prüfers und erließ entsprechend geänderte Bescheide zur Körperschaftsteuer 2008, zum Gewerbesteuermessbetrag 2008, zur Umsatzsteuer 2008, über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gem. § 27 KStG zum und über die gesonderte Feststellung gem. § 28 KStG zum . Den gegen die Änderungsbescheide erhobenen Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass die hohen Kassenbestände dadurch zustande gekommen seien, dass die Klägerin nur dann Geld auf das Bankkonto eingezahlt habe, wenn entsprechende Belastungen zu erwarten gewesen seien. Insoweit seien die buchmäßig hohen Bestände erklärlich.

Hinsichtlich der Kassenbuchführung sei zu berücksichtigen, dass die inzwischen verschrottete Kasse lediglich die Tageseinnahmen ausgewiesen habe, die der Geschäftsführer „U” sodann gezählt und in sein manuell geführtes Kassenbuch übertragen habe. Es habe sich folglich um eine reine Einnahmekasse gehandelt. Dass es der Klägerin ursprünglich gleich gewesen sei, ob die Kassenführung durch den Prüfer als ordnungsgemäß anerkannt worden sei oder nicht, habe seinen Grund darin, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, der Prüfer werde richtig schätzen. Die von ihm angewendete 30/70 Methode sei jedoch nicht geeignet, den Umsatz eines Produktes mit niedrigem Aufschlag (Speisen) im Verhältnis zu einem Produkt mit hohem Aufschlag (Getränke) zu schätzen. Innerhalb eines Jahres änderten sich nämlich die Warenbestände und die Zusammensetzung der Umsätze. Zu Betriebsfeiern, die gewöhnlich im 4. Quartal stattfänden, sowie zu Weihnachten und Silvester erhöhten sich die Getränkeumsätze, so dass es im Endeffekt zu höheren Aufschlägen komme. Im Sommer hingegen würden mehr Tagesgerichte verkauft, bei denen die Preise für Speisen niedrig kalkuliert seien. Der richtige Aufschlagsatz ergebe sich letztlich aus dem Durchschnitt der Umsätze über ein Jahr und sei der Gewinn- und Verlustrechnung zu entnehmen. Er entspräche zudem den vorgegebenen Richtsätzen für Speiserestaurants.

Soweit der Beklagte das ) anführe, könne dieses nicht unbesehen übernommen werden. Zum einen sei dort nachgewiesen worden, dass der Betreiber des Restaurants außerhalb der Buchführung eingekauft habe, und zum anderen sei im Urteil eine Kalkulationsdifferenz von 10 % gegeben gewesen, die im vorliegenden Fall nicht erreicht worden sei. Weiterhin müsse berücksichtigt werden, dass im Urteilsfall für Schankverluste, Freigetränke, Personalbeköstigung und Eigenverbrauch mehr als ein Viertel des Getränkeeinkaufs abgezogen worden sei. Es könne aber nicht richtig sein, dass ein Urteil nur für die nachteiligen Schlussfolgerungen, nicht aber für die positiven angeführt werde.

Hinsichtlich der fehlenden Inventur sei zu berücksichtigen, dass zum Ende eines Jahres die Bestände weitgehend abgebaut seien und lediglich Restbestände an Konserven, Gewürzen, Beilagen und Getränken vorhanden seien, deren exakte Inventur im Verhältnis zum Ertrag unbedeutend sei. Herr „U” habe die vorhandenen Bestände daher auf 2.500,00 EUR geschätzt. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom sowie vom Bezug genommen.

Einen mit der Klage gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom (6 V 2756/11) abgelehnt.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Bescheide insoweit zu ändern, dass sie ohne die bisher berücksichtigte verdeckte Gewinnausschüttung i.H.v. 40.000 EUR zzgl. Umsatzsteuer festgesetzt bzw. festgestellt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, die Kassenbuchführung der Klägerin sei nicht ordnungsgemäß, da zum einen Kassenfehlbeträge festgestellt worden seien, die Klägerin keinerlei Kassenbelege vorlegen könne und zudem Inventuren nicht durchgeführt worden seien. Soweit sich die Klägerin gegen die angewendete 30/70 Methode wende, gehe dies fehl, da auch die exemplarisch vorgefundenen Rechnungen bei der Klägerin einen durchschnittlichen Getränkeanteil von 30 % bestätigten.

Abzüge für Eigenverbrauch und Personalverpflegung seien im Rahmen der Kalkulation bereits berücksichtigt, weshalb ausgehend von der festgestellten Kalkulationsdifferenz von 43.000,00 EUR auch unter Berücksichtigung möglicher - nach Auskunft der Klägerin seltener - Freigetränke eine Hinzuschätzung von 40.000,00 EUR Umsatz gerechtfertigt sei.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Angesichts der festgestellten und vom Prozessvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom auch zugestandenen Buchführungsmängel war der Beklagte zur Hinzuschätzung von Einnahmen berechtigt.

Nach § 158 Abgabenordnung -AO- sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, so sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen. Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kann auch durch einen Zuschlag zu den Betriebseinnahmen erfolgen, um dadurch den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die punktuelle Feststellung von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Steuerpflichtigen eingetreten sind, sog. Sicherheitszuschlag (, juris).

Eine ordnungsmäßige Buchführung erfordert, dass sämtliche Geschäftsvorfälle nach der zeitlichen Reihenfolge und mit ihrem richtigen und erkennbaren Inhalt festgehalten werden. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO); damit wird eine zeitgerechte Verbuchung auch für den Barverkehr gefordert. „Festzuhalten” sind die Einnahmen und Ausgaben durch jede Maßnahme, die es ermöglicht, die Daten abrufbereit zu konservieren. Der Sollbestand nach dem Kassenbuch muss jederzeit mit dem inventurmäßigen Istbestand der Kasse auf seine Richtigkeit hin überprüft werden können. Ein täglicher Kassensturz ist nicht erforderlich. Kassensturzfähigkeit genügt (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 146 AO Tz. 27). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Tagesein- und -ausgaben unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinandergereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen werden (, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2004, 599).

Die zeitgerechte Verbuchung der Geschäftsvorfälle insbesondere auch im Rahmen der Kassenführung ist bei Betrieben mit einem hohen Anteil an Bareinnahmen in der Regel die entscheidende Grundlage einer kaufmännischen Buchführung. Der Kasse kommt in diesem Fall besondere Bedeutung zu, weil die Kassenaufzeichnungen als eine Art von Eigenbelegen die einzige Möglichkeit der direkten Kontrolle der Umsätze sind und folglich einer strengen Beurteilung zu unterwerfen sind (vgl. , Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2008, 8). Mängel auf diesem Gebiet nehmen der Buchführung die Ordnungsmäßigkeit (vgl. , juris).

Die Kassenbuchführung der Klägerin war im Streitjahr nicht in diesem Sinne ordnungsgemäß.

Die Klägerin hat unstreitig weder ein Kassenbuch geführt noch hat sie ordnungsgemäße Kassentagesberichte erstellt. Soweit die Klägerin geltend macht, es habe lediglich eine Einnahmekasse bestanden, ist dieses schon deshalb nicht zutreffend, weil sie selbst behauptet, von den vereinnahmten Geldern die Wareneinkäufe bezahlt zu haben. Hinzu kommt, dass auch die aufgetretenen Kassenfehlbeträge gegen eine ordnungsgemäße Kassenbuchführung sprechen. Zudem wurden Inventuren durch die Klägerin nicht durchgeführt. Insoweit hat auch die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom die Mangelhaftigkeit der Buchführung zugestanden.

Die bestehenden formellen Buchführungsmängel rechtfertigen auch eine Zuschätzung. Angesichts der Schwere der Mängel und dem Umstand, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag fast ausschließlich Bargeschäfte tätigt (vgl. Schreiben vom im Rahmen des Einspruchsverfahrens), besteht Anlass, auch an der sachlichen Richtigkeit des ausgewiesenen Buchführungsergebnisses zu zweifeln (, BFH/NV 2000, 1462 und vom VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430). Die folglich zulässige Hinzuschätzung hat der Beklagte im Ergebnis mit weniger als 10% des erklärten Umsatzes bemessen. Dieses ist im Hinblick auf die festgestellten erheblichen Buchführungsmängel keinesfalls überhöht.

Soweit die Klägerin Einwendungen gegen die vom Beklagten durchgeführte Kalkulation erhebt, ist dieses unbeachtlich. Denn zum einen ist die 30/70-Methode zur Kalkulation generell geeignet, und zum anderen hat der Prüfer festgestellt, dass die Verhältnisse im Betrieb der Klägerin mit einem Getränkeanteil von 30% dieser Kalkulationsmethode entsprechen. Soweit die Klägerin einen höheren Anteil des Wareneinkaufes für Freigetränke, Personalverpflegung etc. verwendet haben will, hat sie dieses lediglich behauptet, ohne entsprechende Nachweise zu erbringen. Zudem wäre eine Hinzuschätzung von 8% des erklärten Umsatzes angesichts der Schwere der Buchführungsmängel selbst dann gerechtfertigt, wenn eine Nachkalkulation möglicherweise keine Differenz erbracht hätte. Denn in Hinblick auf die festgestellten Buchführungsmängel ist bereits unklar und nicht nachprüfbar, ob sämtliche Wareneinkäufe Eingang in die Buchführung und damit die Nachkalkulation gefunden haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Fundstelle(n):
CAAAE-12837