Finanzgericht Düsseldorf Urteil v. - XIV/IX 520/83 E

Landwirtschaftlicher Betrieb auf Ehegattengrundstück – Zurechnung der Einkünfte zwischen Eheleuten

Leitsatz

  1. Unternehmer eines landwirtschaftlichen Betriebes (Blumengärtnerei) ist unabhängig von der Stellung als Eigentümer des landwirtschaftlichen Grundbesitzes derjenige, der ihn betreibt, d. h. dem aufgrund steuerrechtlich anzuerkennender Rechtsbeziehungen die Nutzungen des der Landwirtschaft dienenden Vermögens durch Verwertung der Früchte zustehen. Dies gilt auch bei unentgeltlicher Überlassung des Grundbesitzes durch den Eigentümer-Ehegatten.

  2. Die unzutreffende Zurechnung der Einkünfte in einem Einkommensteuerbescheid begründet nicht dessen Nichtigkeit.

  3. Für eine Klage, mit der zusammen veranlagte Ehegatten die unzutreffende Zurechnung von Einkunftsquellen in ihrem Verhältnis untereinander beanstanden, besteht trotz der fehlenden Auswirkung auf die Höhe der Einkommensteuerfestsetzung ein Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf die Möglichkeit, im Vollstreckungsverfahren eine Aufteilung der Gesamtschuld zu beantragen.

  4. Die fehlende Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen aus den Verkäufen eines Blumengärtners auf dem Großmarkt rechtfertigt die Hinzuschätzung eines Sicherheitszuschlags.

Gesetze: EStG § 13, AO § 125, AO § 144, AO § 162, AO § 268, AO § 270, FGO § 40 Abs. 2

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Der Kläger ist Gärtner. Die Kläger heirateten im Jahr 1960. Im selben Jahr begann der Kläger mit dem Aufbau einer Blumengärtnerei auf dem ihm unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Grundbesitz der Tante der Klägerin. Bei dem Grundbesitz handelte es sich um Flächen, die bisher von der Tante als Garten- und Weideland genutzt worden waren. Die Tante hatte keinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb und auch keine Blumengärtnerei unterhalten. Der Kläger errichtete nach und nach Gewächshäuser. Im Jahre 1966 waren ausweislich einer Anlage zum Betriebsprüfungsbericht vom über die Betriebsprüfung der Jahre 1964 bis 1966 fünf Gewächshäuser vorhanden. Außerdem unterhielt der Kläger noch Folienhäuser auf Freilandflächen.

Im Jahre 1965 übertrug die unverheiratete und kinderlose Tante einen Teil und im Jahre 1969 einen weiteren Teil der vom Kläger gärtnerisch genutzten Flächen auf die Klägerin im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Der Kläger nutzte den Grundbesitz weiter wie bisher und errichtete in der Folgezeit weitere Gewächshäuser. Im Jahre 1980 bewirtschaftete er etwa 4,785 qm beheizte Unterglasflächen.

Die Klägerin ist außerdem Eigentümerin eines etwa 840 qm großen Baulandgrundstücks, das etwa 800 m vom Betrieb entfernt liegt. Das Grundstück ist mit Forsythienbäumen bepflanzt.

Der Kläger verkauft seine Erzeugnisse auf dem Großmarkt in als Wiederverkäufer.

In allen Steuererklärungen seit Beginn des Betriebes im Jahre 1960 hatten die Kläger die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft als solche des Klägers erklärt. Bei den in den Jahren 1968 und 1975 durchgeführten Betriebsprüfungen war dies nicht beanstandet worden.

Bei einer im Jahre 1981 begonnenen und gegenüber dem Kläger angeordneten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass die Buchführung nicht ordnungsgemäß sei, weil die einzelnen Bargeschäfte (in der Regel zwischen 30 bis 100,-- DM) auf dem Großmarkt nicht aufgezeichnet und Rechnungen nicht aufbewahrt gewesen seien (vgl. Tz. 10 des Berichts über die Betriebsprüfung – Bp-Bericht – vom ). Der Prüfer war der Ansicht, dass dieser formelle Mangel Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung begründe. Er schätzte deshalb zu dem vom Kläger erklärten Gewinn 2 % des Leistungsumsatzes hinzu (Mehrgewinn 1978: DM, 1979: DM, 1980: DM). Außerdem stellte er fest, dass abweichend von dem Inhalt der Bewertungsakten die Klägerin die zivilrechtliche Eigentümerin der Grundstücke sei. Er meinte, dass deshalb diese und nicht der Kläger Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebes sei.

Der Beklagte erließ dem Ergebnis der Betriebsprüfung entsprechende geänderte Einkommensteuerbescheide für 1978 und 1979 und einen erstmaligen Bescheid für 1980. Nach erfolglosem Einspruch haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung machen sie geltend: Es bestehe ein Verwertungsverbot für die aufgrund der Betriebsprüfung erlangten Kenntnisse, weil gegenüber der Klägerin keine Betriebsprüfung angeordnet worden sei. Es sei falsch, den Betrieb der Klägerin zuzurechnen, weil bei einer Blumengärtnerei dem Grund und Boden anders als bei einer normalen Landwirtschaft nur untergeordnete Bedeutung zukomme. Der Betrieb eines Handwerkers werde auch nicht der Ehefrau zugerechnet, wenn auf deren Grundbesitz eine Produktionshalle errichtet werde. Im Übrigen habe die Klägerin, von kleinen Handreichungen und Telefondiensten abgesehen, im Betrieb nicht mitgearbeitet, weil sie sieben Kinder (geboren: 1961, 1962, 1964, 1967, 1968, 1972, und zwar 1967 Zwillinge) betreut habe. Entscheidungen hinsichtlich des Betriebes seien allein vom Kläger getroffen worden.

Es sei wegen der Organisation auf dem Großmarkt keinem Verkäufer möglich, die Bareinnahmen in der Form aufzuzeichnen, wie der Gesetzgeber es in § 144 Abgabenordnung AO – vorgeschrieben habe. Der Kundenkreis des Klägers auf dem Großmarkt bestehe aus etwa 50 Kunden. Diese seien dem Kläger überwiegend nicht mit vollem Namen, sondern nur mit Vornamen oder vom Gesicht her bekannt. Hätte der Kläger die in § 144 AO vorgesehenen Rechnungen ausstellen wollen, so hätte er damit rechnen müssen, dass die Kunden zum nächsten Händler gegangen wären und dadurch seine berufliche Existenz gefährdet worden wäre.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Klagebegründung wird auf den Schriftsatz vom (Blatt 9 – 12 FG-Akten) und das Schreiben des Klägers vom (Blatt 13 FG-Akten) Bezug genommen.

Der Beklagte hat während des Klageverfahrens Änderungsbescheide für die Streitjahre 1978 bis 1980 erlassen, in denen er bislang wegen fehlenden Empfängernachweises nicht berücksichtigte Aushilfslöhne steuermindernd anerkannt hat. Die Kläger haben die geänderten Bescheide zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Die Kläger beantragten sinngemäß,

festzustellen, dass die geänderten Einkommensteuerbescheide für 1978 bis 1980 vom nichtig sind,

hilfsweise,

die genannten Einkommensteuerbescheide dahin zu ändern, dass die Ergänzungsschätzungen (1978: DM, 1979: DM, 1980: DM) außer Ansatz bleiben und die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht der Klägerin zugerechnet werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, dass die Klägerin Unternehmerin und die Ergänzungsschätzung zu Recht erfolgt sei. Er meint, die Klage sei unzulässig, soweit die Klägerin eine Änderung der Zuordnung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft begehren.

Die Beteiligten haben in dem Erörterungstermin vor der Berichterstatterin übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FinanzgerichtsordnungFGO –).

Der Senat hat die den Streitfall betreffenden Akten des Beklagten beigezogen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht entgegen der Auffassung des Beklagten auch, soweit die Kläger begehren, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft der Klägerin zugerechnet werden.

Zwar wirkt sich eine zuzutreffende Zurechnung bei zusammen veranlagte Ehegatten auf die Höhe der Steuerfestsetzung nicht aus. Aber ein Rechtsschutzinteresse besteht zum einen im Hinblick auf die Möglichkeit, im Vollstreckungsverfahren eine Aufteilung der Gesamtschuld zu beantragen (§ 268 AO). Gemäß § 270 AO sind bei der Aufteilung der Gesamtschuld die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen maßgebend, die der Steuerfestsetzung bei der Zusammenveranlagung zugrunde gelegt worden sind. Dazu gehört aber auch die Feststellung, welchem der beiden eine Einkunftsquelle zugerechnet wird.

Zum anderen schließt sich der erkennende Senat der vom Bundesfinanzhof – BFH – (Urteil vom VIII R 178/74, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1978, 510, 511) vertretenen Auffassung an, dass ein Steuerpflichtiger bereits dadurch in seinen Rechten im Sinne des § 42 Abs. 2 FinanzgerichtsordnungFGO – beschwert ist, dass die von ihm behauptete Rechtsposition allgemein mit steuerrechtlichen verbindlicher Wirkung geleugnet wird. Diese Voraussetzung ist im Streitfall dadurch erfüllt, dass der Beklagte die Behauptung des Klägers, Unternehmer einer Blumengärtnerei zu sein, ausdrücklich bestreitet.

Die Klage ist zum Teil begründet.

Sie hat keinen Erfolg, soweit die Kläger erstreben, die Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide festzustellen und die sogenannte Ergänzungsschätzung rückgängig zu machen. Sie ist jedoch erfolgreich mit dem Begehren, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht der Klägerin zuzurechnen.

Der Beklagte hat die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EinkommensteuergesetzEStG –) zu Unrecht der Klägerin zugerechnet. Der Senat hat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 S. 1 FGO) die Überzeugung gewonnen, dass seit der Gründung des Betriebes im Jahr 1960 allein der Kläger Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebes (Blumengärtnerei) ist. Unternehmer von Land- und Forstwirtschaft ist derjenige, der sie betreibt, d. h. auf dessen Nutzung des dem landwirtschaftlichen Betrieb dienenden Vermögens durch Verwertung der Früchte zustehen (vgl. , BStBl II 1983, 73; vgl. dazu wiederum Urteil des Schleswig-Holsteinischen , Entscheidung der Finanzgerichte – EFG – 1985, 175, 176).

Der Kläger hat im Jahr 1960 mit dem Aufbau des Betriebes begonnen; aufgrund seiner Ausbildung als Gärtner war er fachlich in der Lage, eine Blumengärtnerei zu betreiben, und hat dies tatsächlich auch getan. Unerheblich ist dabei, dass der vom Kläger benutzte und nach und nach mit Gewächshäusern bebaute Grundbesitz nicht in seinem Eigentum stand. Der Kläger war aufgrund der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung durch die Tante zur Verwertung der gezogenen Früchte berechtigt. Die Klägerin hat demgegenüber nur Hilfsdienste leisten können; sie hat in den Jahren bis 1965 drei Kinder geboren und betreuen müssen. Ihre Mitwirkung im Betrieb konnte unter diesen Umständen nur von untergeordneter Bedeutung sein. Dementsprechend haben die Kläger die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in ihren Steuererklärungen stets dem Kläger zugeordnet. Auch der Beklagte macht nicht geltend, dass die Klägerin bereits Unternehmerin der Blumengärtnerei in der Zeit gewesen sei, als die betrieblich genutzten Flächen im Eigentum der Tante standen. Der Beklagte hat auch nicht behauptet, dass ungeachtet des Umstandes, dass die Arbeit vom Kläger erledigt worden sei, die Tante Unternehmerin des landwirtschaftlichen Betriebes (Blumengärtnerei) gewesen sei, weil Grund und Boden in ihrem Eigentum gestanden haben. Wenn aber der Kläger bis zur Übertragung des Eigentums an Grund und Boden durch die Tante einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalten hat, dann kann sich daran ohne sonstige Änderung der tatsächlichen Verhältnisse nicht allein deshalb etwas ändern, weil die Klägerin, seine Ehefrau, Eigentümerin des betrieblich genutzten Grundstücks geworden ist (so auch , EFG 1985, 497 f). Der Beklagte beruft sich für seine gegenteilige Auffassung zu Unrecht auf die , BStBl. II 1983, 73) und vom (IV R 186/79, BStBl. II 1983, 73). Beide Fällen lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem von Anfang an ein Betrieb der Ehefrau auf eigenem Grund und Boden bestanden hatte.

Da sich die vom BFH entschiedenen Fälle bereits in tatsächlicher Hinsicht in einem wesentlichen Punkt von dem hier zu entscheidenden Fall unterscheiden, kann offenbleiben, ob die Rechtssprechung des BFH zur Unternehmereigenschaft von Ehegatten bei der Land- und Forstwirtschaft einer verfassungsrechtlichen Überprüfung (Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz: Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung) standhalten würde (vgl. zu dem Diskriminierungsverbot von Verheirateten im Vergleich zu Ledigen: 1 BvR 571781 u.a. – BStBl II 1985, 475, 480 f, zu C II).

Im übrigen hat der BFH in einer neueren Entscheidung (Urteil vom IV 311/84, BStBl. II 1986, 455) zu erkennen gegeben, dass den Eigentumsverhältnissen an Grund und Boden bei einer Blumengärtnerei eine andere Bedeutung beigemessen werden könnte als bei einem normalen landwirtschaftlichen Betrieb, wenn die Glashäuser als wesentliche Betriebsgrundlage Alleineigentum des Ehemannes gewesen sind. Der Beklagte hat zu Recht nicht in Zweifel gezogen, dass jedenfalls bis zur Übertragung des Eigentums an Grund und Boden in den Jahren 1965 und 1969 der Kläger Alleineigentümer der in der Anlage zum Bp-Bericht vom ausgewiesenen Gewächshäuser war.

Da der Kläger Unternehmer des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ist und die daraus erzielten Einkünfte ihm zuzurechnen sind, war die Betriebsprüfung zu Recht ihm gegenüber angeordnet worden. Die Frage eines Verwertungsverbotes stellt sich nicht.

Die unzutreffende Zurechnung der Einkünfte in den angefochtenen Bescheiden begründet nicht deren Nichtigkeit. Es handelt sich nicht um einen besonders schwerwiegenden Fehler, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO). Die unzutreffende Zuordnung ist Folge einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung. Ein derartiger Mangel ist in seinem Gewicht nicht mit den Fehlern zu vergleichen, die in § 125 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AO als Beispiele für eine Nichtigkeit aufgeführt sind.

Die sogenannte Ergänzungsschätzung des Beklagten in Höhe von 2 % des Leistungsumsatzes ist nicht zu beanstanden. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass wegen der fehlenden Einzelaufzeichnungen der Bareinnahmen ein formeller Buchführungsmangel vorliegt (144 AO). Der angerufene Senat pflichtet dem Beklagten darin bei, dass dieser formelle Mangel auch Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Buchführung begründet. Dadurch, dass der Kläger gesetzlich vorgeschriebene Aufzeichnungen (§ 144 AO) nicht geführt hat, wird eine materielle Überprüfung des von ihm erklärten Betriebsergebnisses unmöglich gemacht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Einnahmen nicht erklärt werden, ist aber dann besonders hoch, wenn der Inhalt der Buchführung eine materielle Überprüfung der erklärten Betriebsergebnisse nicht ermöglicht.

Dem könne die Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass dem Kläger auf dem Großmarkt viele Kunden verlorengehen würden, wenn er ihren Namen und die an sie verkauften Waren hätte aufzeichnen wollen. Sinn des § 144 AO ist es u.a., sowohl die Buchführung der Lieferanten als auch der Abnehmer aussagekräftiger und damit auch überprüfbarer zu machen.

Wenn sich einzelne Gruppen, wie im Streitfall nach dem Vorbringen der Kläger die Verkäufer auf dem Großmarkt, den ihnen bekanten gesetzlichen Verpflichtungen vorsätzlich entziehen, so kann dieser Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen nicht deswegen als unerheblich angesehen werden, weil eine größere Anzahl von Personen und nicht nur ein einzelner ihn begeht.

Die Schätzung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist nur eine griffweise Schätzung möglich. Die vom Beklagten zugeschätzten Beträge in Höhe von 2 % des Umsatzes erscheinen nicht unangemessen hoch.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 136 Abs. 1, 137 FGO.

Fundstelle(n):
CAAAD-58434