BBEV Nr. 10 vom Seite 338

Vermeidungsstrategien zur Abgeltungsteuer

Nutzung der Verlustverrechnungstöpfe

von Oliver Schultze, Pinneberg *

Da bestehende Verlustvorträge gem. § 23 EStG ab 2014 nur noch eingeschränkt nutzbar sind, stellt sich für viele Anleger die Frage, wie diese Verluste genutzt werden können. Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Finanzinnovationen (vgl. hierzu bereits Schultze, BBEV 2008 S. 199 NWB VAAAC-77895), eine andere die gezielte Ausnutzung der Verlustverrechnungstöpfe nach der Abgeltungsteuer.

I. Verlustverrechnung: Rechtslage ab 2009

Mit Einführung der Abgeltungsteuer wird die bisherige Jahresfrist des § 23 EStG aufgehoben und die Veräußerungsgewinne gelten als Kapitaleinkünfte (§ 20 Abs. 2 EStG n. F.). Gleichzeitig wird eine Verrechnung von Verlusten aus Wertpapierveräußerungen mit anderen Kapitaleinkünften (insbesondere Zinsen und Dividenden, § 20 Abs. 1 EStG) zugelassen (Verrechnungskreis 1, § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG n. F.). Hiervon ausgenommen sind Gewinne/Verluste aus Aktiengeschäften; es gilt eine separate Verlustverrechnung (Verrechnungskreis 2, § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG n. F.). Innerhalb dieser beiden Verrechnungstöpfe findet unterjährig aber bereits ein Ausgleich im Rahmen des Steuerabzugs statt; d. h. Verluste führen dazu, dass der Steuerabzug ggf. rückwirkend korrigiert wird.

Verbleiben zum Jahresende negative Kapitaleinkünfte, die nicht mit positiven Kapitalerträgen verrechnet werden konnten, hat der Anleger zwei Möglichkeiten:

  1. Er kann den Verlust vom Kreditinstitut in das nächste Jahr vortragen lassen (§ 43a Abs. 3 Satz 3 EStG n. F.). Je nach Verlustverrechnungstopf besteht dann die Möglichkeit, den Verlust mit allen positiven Kapitalerträgen bzw. mit Gewinnen aus Aktienveräußerungen des Folgejahres zu verrechnen.

  2. Alternativ kann sich der Anleger vom Kreditinstitut bis zum 15. 12. des Jahres eine Bescheinigung über die Höhe der noch nicht verrechneten Verluste ausstellen lassen (§ 43a Abs. 3 Satz 4 EStG n. F.). Ein Vortrag der Verluste in das Folgejahr darf dann vom Kreditinstitut nicht mehr vorgenommen werden. Im Rahmen des Veranlagungswahlrechts (besondere Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG) kann der Anleger dann diese negativen Kapitaleinkünfte mit positiven Kapitalerträgen bei anderen Kreditinstituten verrechnen lassen. Anders als beim Wahlrecht gem. § 32d Abs. 6 EStG werden die Kapitalerträge nicht mit dem persönlichen Steuersatz versteuert, sondern es werden nur Freibeträge, fehlerhafte Abrechnungen und Verluste im Rahmen der Abgeltungsteuer berücksichtigt.

II. Vorrangige Verrechnung von Neuverlusten

Aufgrund der neu geschaffenen Verlustverrechnungstöpfe kommt es ab 2009 (innerhalb des Kreditinstituts) zu einer unterjährigen Verrechnung von Neuverlusten mit positiven Kapitalerträgen (§ 20 Abs. 6 EStG n. F.).

Sog. Altverluste, d. h. solche, die bis Ende 2008 entstehen, können daher nur im Rahmen des Verlustvortrags verrechnet werden, wenn ein positiver Saldo der Kapitaleinkünfte nach der unterjährigen Verlustverrechnung verbleibt. Zudem ist die Verrechnung weiter eingeschränkt, da diese Altverluste nur mit Gewinnen aus Veräußerungsgeschäften i. S. des § 20 Abs. 2 EStG n. F. verrechnet werden dürfen. Hinzu kommt, dass diese Verluste aufgrund der Übergangsregelung nur zeitlich beschränkt und letztmalig für das Jahr 2013 verrechnet werden können.

Beispiel 1

Anleger A verfügt über Verlustvorträge gem. § 23 EStG von 20.000 € und erzielt in 2009 Einnahmen aus Zinsen und Dividenden von 2.000 €. Hinzu kommen Veräußerungsgewinne aus Investmentfondsveräußerungen von 3.000 €, Verluste aus der Veräußerung von Zertifikaten von 1.200 € sowie Verluste aus Aktienveräußerungen von 5.000 €.

Im Ergebnis werden 2.000 € Zinsen/Dividenden der Abgeltungsteuer unterworfen. Die Verluste i. H. von 5.000 € aus den Aktiengeschäften können nur vorgetragen werden. Nur der positive Saldo aus den übrigen Veräußerungsgeschäften von 1.800 € kann mit dem Verlustvortrag verrechnet werden.

Ziel muss es daher sein, Gewinne aus Veräußerungsgeschäften, die unter die Abgeltungsteuer fallen, möglichst nicht mit Neuverlusten zu verrechnen, um vorrangig die Altverluste zu verrechnen. Durch diesen Austausch können die ansonsten nur bis 2013 verrechenbaren Verluste quasi in „unbegrenzt” vortragsfähige Verluste umgewandelt werden.

Da die Altverluste nur mit Gewinnen aus Veräußerungsgeschäften i. S. des § 20 Abs. 2 EStG n. F. verrechnet werden dürfen (und nicht mit den übrigen Kapitalerträgen n. F.), sollte der Anleger nur Wertpapiere, die mit Gewinn S. 339 veräußert werden (sollen), kurz vor der Veräußerung auf ein Depot bei einer anderen Bank übertragen. Veräußerungen von Wertpapieren mit Verlust sollten über das Depot vorgenommen werden, in dem auch Zinsen und Dividenden vereinnahmt wurden. So können entstehende Neuverluste neben der Verrechnung der Altverluste mit Neugewinnen zudem noch mit den übrigen Kapitaleinkünften verrechnet werden.

Beispiel 2

Anleger A verfügt über Verlustvorträge gem. § 23 EStG von 20.000 € und erzielt in 2009 Einnahmen aus Zinsen und Dividenden von 2.000 €. Hinzu kommen Veräußerungsgewinne aus Investmentfondsveräußerungen von 5.000 € und Verluste aus der Veräußerung von Zertifikaten von 2.500 €.

Im Ergebnis werden nach der Neuregelung 2.000 € Zinsen/Dividenden der Abgeltungsteuer unterworfen. Nur der positive Saldo aus den übrigen Veräußerungsgeschäften von 2.500 € kann mit dem Verlustvortrag verrechnet werden. Werden die Investmentfonds hingegen über ein anderes Depot veräußert, können die Verluste aus der Veräußerung der Zertifikate mit den übrigen Kapitaleinkünften verrechnet werden. Im Ergebnis fällt nach Durchführung der Verlustverrechnung keine Abgeltungsteuer mehr an; es verbleibt ein Verlustvortrag bei den Altverlusten von 15.000 € und bei den Neuverlusten von 500 €.

III. Verlustverrechnung durch Wahlantrag

Mithilfe eines Antrags gem. § 32d Abs. 4 EStG kann der Anleger im Rahmen seiner Veranlagung die der Abgeltungsteuer unterworfenen Veräußerungsgeschäfte mit den bestehenden Verlustvorträgen aus Altverlusten verrechnen. Die Wahlveranlagung ist dabei auf diese Verlustverrechnung beschränkt.

Da ein Übertrag auf ein anderes Depot des Anlegers gem. § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht als Veräußerung gilt und die Anschaffungsdaten gem. § 43a Abs. 2 Satz 3 EStG vom abgebenden Kreditinstitut bestätigt werden müssen, führt in Fällen einer Gläubigeridentität die Übertragung auf ein anderes Depot und die spätere Veräußerung nicht zu einer höheren Belastung mit Abgeltungsteuer.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung ( NWB YAAAC-78010, Tz. 3a) gilt der Übertrag von einem Gemeinschaftsdepot auf ein Depot eines Ehegatten (und umgekehrt) ebenfalls nicht als Gläubigerwechsel i. S. des § 43 Abs. 1 Satz 4 EStG. Das BMF hat zudem bestätigt, dass bei Ehegatten keine Verrechnung zwischen den einzelnen Depots und/oder Gemeinschaftsdepots erfolgen kann (vgl. a. a. O., Tz. 1c). Ehegatten können daher diese Gestaltung bei einem Kreditinstitut durchführen. Da die Verlustverrechnungstöpfe nicht auf einzelne Depots beschränkt sind und auch nicht beschränkt werden können (§ 43a Abs. 3 Satz 2 EStG n. F.), müssen alle anderen Stpfl. die Wertpapiere zu einem anderen Kreditinstitut übertragen.

Zu beachten ist, dass es bei dieser Gestaltung – je nach Sachverhalt im Einzelfall – zu einem Liquiditätsnachteil kommen kann. Denn die Verrechnung der Altverluste ist, anders als die Verrechnung mit Neuverlusten, erst im Rahmen der Veranlagung möglich, so dass zuviel gezahlt Abgeltungsteuer erst mit der Veranlagung erstattet wird. Probleme könnten sich zudem bei thesaurierenden Investmentfonds ergeben: Aufgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 3 InvStG muss nach einem Depotübertrag und einer Veräußerung die Ersatzbemessungsgrundlage herangezogen werden, so dass es hier zu einem überhöhten Kapitalertragsteuerabzug kommen kann.

IV. Kein Gestaltungsmissbrauch

Zwar liegen i. d. R. keine außersteuerlichen Gründe für den Depotübertrag vor; die Gestaltung führt jedoch nicht „zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil” i. S. von § 42 Abs. 2 AO, da der Gesetzgeber die Verlustverrechnung mit Altverlusten gerade ausdrücklich geregelt hat. Zudem hat er dem Stpfl. das Wahlrecht eingeräumt, sich eine Verlustbescheinigung ausstellen zu lassen. Der Verzicht auf dieses steuerliche Wahlrecht kann aber keinen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten darstellen. Die Möglichkeit des Verlustvortrags gem. § 23 Abs. 3 EStG a. F. ist ab 1999 durch einen Beschluss des BVerfG eingeführt worden (vgl. NWB ZAAAA-96806). Bereits die zeitliche Einschränkung des Verlustvortrags auf fünf Jahre ist vor diesem Hintergrund m. E. zumindest in den Fällen verfassungsrechtlich bedenklich, in denen aufgrund der Mindestbesteuerung gem. § 10d Abs. 2 EStG der Verlustvortrag faktisch nicht bis 2013 genutzt werden kann. Eine weitere Einschränkung der jetzt vorgesehenen Verlustverrechnung wäre daher insoweit äußerst problematisch. Abzuwarten bleibt, wie sich die Finanzverwaltung zu dieser Thematik äußern wird.

Fazit
  1. Anleger, die noch über ungenutzte Verlustvorträge verfügen, und nur in Aktien investiert sind, sollten zur Nutzung dieser Verlustvorträge ihre Verlustaktien über gesonderte Depots veräußern.

  2. Ehegatten können diese Verlustverrechnung bei einem Kreditinstitut vornehmen, sofern dort jeder ein Depot unterhält und ggf. zusätzlich ein Ehegatten-Depot besteht.

  3. Werden „Gewinner”-Aktien vor Veräußerung in ein gesondertes Depot übertragen, können Neuverluste zusätzlich mit anderen Kapitaleinkünften verrechnet werden.

Fundstelle(n):
BBEV 10/2008 Seite 338
NWB CAAAC-91206