FG Berlin-Brandenburg Beschluss v. - 5 V 5033/19

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Gründe

I.

Die Antragstellerin betreibt eine Rechtsanwaltskanzlei. Ihre Umsätze versteuert sie nach vereinnahmten Entgelten. Am stellte sie der B… GmbH für erbrachte Leistungen unter gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer einen Betrag von insgesamt 11.900 € (10.000 € netto zzgl. 1.900 € Umsatzsteuer) in Rechnung. Hierauf überwies die C… AG der Antragstellerin unter Abzug einer Selbstbeteiligung einen Betrag von 9.850 € und bat sie mit Schreiben vom , die Mehrwertsteuer bei ihrem Mandanten anzufordern, da dieser zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. In ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für November 2018, die eine Vorauszahlung von 578,01 € auswies, behandelte die Antragstellerin den Umsatz als steuerfrei.

Abweichend von der Voranmeldung setzte der Antragsgegner mit Bescheid vom eine Umsatzsteuervorauszahlung von 2.150 € fest, da er die Auffassung vertrat, dass der auf die Honorarrechnung vom vereinnahmte Betrag gemindert um die Umsatzsteuer der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei.

Unter dem teilte die Antragstellerin der C… AG mit, dass sie die Umsatzsteuer in ihrer Rechnung vom auf Null berichtige. Mit ihrem Einspruch vom selben Tage machte die Antragstellerin geltend, dass sie lediglich das Entgelt, nicht aber die Steuer vereinnahmt habe. Eine Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten greife nur dort Platz, wo Umsatzsteuer vereinnahmt worden sei. Da über das Vermögen der B… GmbH zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eingeleitet worden sei, sei der in der Honorarrechnung ausgewiesene Steuerbetrag wegen Uneinbringlichkeit auf 0 € zu berichtigen.

Den gleichzeitig gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wies der Antragsgegner mit Bescheid vom ab.

Mit ihrem am bei Gericht gestellten Aussetzungsantrag macht die Antragstellerin geltend, dass die Istbesteuerung Liquiditätsnachteile vermeiden solle, die durch die Vorfinanzierung der Umsatzsteuer nach dem vorherrschenden Soll-Prinzip systembedingt aufträten. Im Rahmen der Istbesteuerung entstehe die Steuer erst, wenn das zu Grunde liegende Entgelt vereinnahmt worden sei. Für die Zwecke des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b Umsatzsteuergesetz -UstG- könne unter „Entgelt“ nur eine Vereinnahmung von Bemessungsgrundlage und Steuerbetrag gemeint sein. Der Gesetzgeber gehe im Rahmen der Definition des Begriffs „Entgelt“ nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG auch davon aus, dass die Zahlung für eine Leistung die Umsatzsteuer generell umfasse. Die Norm bestimme, dass der Leistungsempfänger die Höhe des Entgelts festlege. Eine solche Festlegung habe die C… AG als Dritte für den Leistungsempfänger getroffen, indem sie ihre Zahlung als Leistungsentgelt ohne Umsatzsteuer qualifiziert habe. Folglich könne aus deren Zahlung ein Steuerbetrag nicht herausgerechnet werden. Eine Tilgungsbestimmung sei zivilrechtlich nach § 366 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- zulässig. Unter Anwendung des Rechtsgedankens des § 225 Abs. 1 Abgabenordnung -AO- sei diese Bestimmung auch steuerrechtlich anzuerkennen. Es sei zwar steuersystematisch fragwürdig, wenn man sich durch eine Entgeltfestlegung stets der Umsatzbesteuerung entziehen könne. Hier bestehe für die besondere Festlegung indes ein tragender Grund. Denn die Rechtsschutzversicherung sei zivil- und versicherungsrechtlich nicht verpflichtet, Umsatzsteuer auf Anwaltsleistungen zu erstatten, wenn der Versicherungsnehmer vorsteuerabzugsberechtigt sei.

Dem Anwalt stehe eine Möglichkeit, den Steuerbetrag vom Versicherer einzufordern, nicht offen. Der Mandant sei zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil er Unternehmer sei und steuerpflichtige Leistungen ausführe. Hier sei er nur derzeit gehindert, sein generelles Abzugsrecht auszuüben.

Eine vorzeitige Erhebung der Umsatzsteuer verstoße gegen den Neutralitätsgrundsatz. Denn dem Leistungsempfänger stehe mangels einer die Umsatzsteuer ausweisenden Rechnung aus der Anzahlung des Versicherers ein Vorsteuerabzug nicht zu. Zur Rechnungslegung sei sie, die Antragstellerin, derzeit auch nicht verpflichtet, da die der Anzahlung zu Grunde liegende Leistung noch nicht abgeschlossen sei. Zudem sei es zwingende Folge des Systems der Ist-Besteuerung, die ausgangsseitige Steuerentstehung vom Vorsteueranspruch abzukoppeln.

Sie, die Antragstellerin, wolle sich der Umsatzbesteuerung nicht dauerhaft entziehen. Ihr Ziel sei es lediglich, die Steuerschuld aufzuschieben, bis die für die Begleichung vorgesehenen Geldmittel bereitgestellt worden seien. Ihren Zahlungsanspruch könne sie, die Antragstellerin, derzeit in Bezug auf die Umsatzsteuer nicht realisieren. Nach der Mitteilung des Insolvenzverwalters sei der Mandant vermögenslos. Ihre Forderung stelle sich zudem als Insolvenzforderung dar, die allenfalls nach Abschluss des Insolvenzverfahrens befriedigt werden könne. Auch sei eine Abtretung der Vorsteuer zu ihren, der Antragstellerin, Gunsten nicht zielführend, da anderenfalls die anderen Gläubiger benachteiligt würden.

Schließlich schulde sie, die Antragstellerin, die Umsatzsteuer auch nicht nach § 14c UStG, da sie eine Rechnung mit Steuerausweis nicht in Verkehr gebracht habe.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung des Bescheides über Umsatzsteuer-Vorauszahlung November 2018 vom in Höhe eines Betrages von 1.572,49 € bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er macht geltend, dass der angefochtene Bescheid den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführe, unterlägen der Umsatzsteuer. Bei der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten entstehe die Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden sei. Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer sei folglich das Entgelt. Hierunter sei alles zu verstehen, was der Leistungsempfänger aufwende, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Das Entgelt im Sinne des § 10 Abs. 1 UStG sei eine rein umsatzsteuerrechtliche Rechengröße. Für die Berechnung der Steuer sei darauf abzustellen, was der Leistungsempfänger oder ein Dritter für die Leistung letztendlich aufwende.

Besteuert werde nur der tatsächliche Aufwand für die erbrachte Leistung, indem aus diesem Wert die Umsatzsteuer herausgerechnet werde. Die Antragstellerin habe als Gegenleistung für erbrachte Leistungen einen Betrag von 9.850 € vereinnahmt. Es sei unerheblich, ob sie die Gegenleistung von der Leistungsempfängerin oder im abgekürzten Zahlungsweg von einem Dritten erhalten habe.

Die Antragstellerin berufe sich auf eine verfehlte Formulierung im deutschen Gesetzestext. Art. 73 i.V.m. Art. 78 Buchst. a Mehrwertsteuersystem-Richtlinie -MwStSystRL- sprächen bei der Bemessungsgrundlage zutreffend vom Wert der Gegenleistung abzüglich der Steuer. Nach der von der Antragstellerin vertretenen Rechtsauffassung würde die erbrachte Leistung in unberechtigter Weise steuerfrei gestellt, ohne dass dem eine gesetzliche Befreiungsvorschrift zugrunde liege.

Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung neben der Gerichtsakte folgende Steuerakten des Antragsgegners vorgelegen: ein Band „Rechtsbehelfsakte“ (blattiert von Bl. 1 bis 18), ein Band „Umsatzsteuerakten“ (unblattiert) sowie ein Band „Vertragsakte“ (unblattiert).

II.

Der Antrag ist unbegründet. Bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der der Senat sich anschließt, vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Es muss die ernsthafte Möglichkeit bestehen, dass der Antragsteller in der Hauptsache mit seinem Begehren obsiegt (, Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -FH/NV- 2003, 1217). Dies verlangt nicht, dass die für den Erfolg in der Hauptsache sprechenden Gründe überwiegen; die Aussetzung kann auch dann zu gewähren sein, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides später im Hauptverfahren bestätigt werden sollte (, BFH/NV 2005, 9). Andererseits genügt nicht bereits irgendeine vage Erfolgsaussicht (, BFH/NV 1999, 753).

Durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide vermag der Senat bei summarischer Prüfung anhand der Aktenlage nicht zu erkennen. Zu Recht ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die im November erbrachte Zahlung der C… AG an die Antragstellerin in Höhe von 9.850 € gemindert um die Umsatzsteuer der Umsatzsteuer zu unterwerfen ist.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG in der hier maßgeblichen Fassung ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG bestimmt weiter, dass zum Entgelt auch das gehört, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt. Dabei entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- (s. etwa Urteil vom – V R 28/95 –, BStBl. II 1997, 716 unter 2 d), dass die Umsatzsteuer in jedem zivilrechtlichen Entgelt anteilig in der gesetzlichen Höhe enthalten ist. Wird eine Zahlung geleistet, setzt sich der gezahlte „Bruttobetrag“ – unbeschadet der Art der Zahlung als Voll-, Teil-, An- oder Vorauszahlung – aus der rechnerisch in diesem Betrag enthaltenen Umsatzsteuer und dem nach Abzug der Umsatzsteuer verbleibenden Nettoentgelt zusammen. Dies entspricht der unionsrechtlichen Grundlage in Art. 73 MwStSystRL, wonach bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 MwStSystRL fallen, die Steuerbemessungsgrundlage alles umfasst, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.

Ausgehend hiervon ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Umsatzsteuer aus dem von der Versicherungsgeberin an die Antragstellerin ausgekehrten Entgelt anteilig in der gesetzlichen Höhe herausgerechnet hat.

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin geltend, dass nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG der Leistungsempfänger die Höhe des Entgelts festlege und die C… AG mithin in zulässiger Weise eine Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB getroffen habe, wonach in der von ihr entrichteten Zahlung Umsatzsteuer nicht enthalten sei. Für die Annahme, dass die Bemessungsgrundlage und die Entstehung der Steuer im Belieben eines Dritten steht, vermag der Senat dem Wortlaut der erstzitierten Norm eine Stütze nicht zu entnehmen. Ein derartiges Verständnis des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG würde im Übrigen zu dem durch nichts gerechtfertigten Ergebnis führen, dass das Insolvenzrisiko für die Umsatzsteuer durch bloße Erklärung eines Dritten auf den Fiskus abgewälzt werden könnte. So aber läge es hier, da, wie die Antragstellerin selbst einräumt, derzeit keine Aussicht darauf besteht, die Umsatzsteuer von der Leistungsempfängerin zu erhalten. Auf die Frage, ob die Rechtsschutzversicherung zivil- und versicherungsrechtlich nicht verpflichtet ist, Umsatzsteuer auf Anwaltsleistungen zu erstatten, kommt es für die Bemessung des Entgelts und der Entstehung der Umsatzsteuerschuld nicht an.

Einen Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz vermag der Senat nicht zu erkennen. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass dem Leistungsempfänger mangels einer Steuer ausweisenden Rechnung aus der Anzahlung des Versicherers ein Vorsteuerabzug nicht zustehe, verkennt sie, dass Letzteres allein auf dem Umstand beruht, dass die dem Leistungsempfänger erteilte berichtigte Rechnung unrichtig ist, weil sie Umsatzsteuer nicht mehr ausweist, obwohl hier – wie oben ausgeführt – mit Blick auf die Zahlung des Teilentgelts durch die C… AG nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG in dem Voranmeldungszeitraum Umsatzsteuer in der vom Antragsgegner festgesetzten Höhe entstanden ist. Dass die von der Antragstellerin vorgenommene Berichtigung wegen Uneinbringlichkeit unrichtig war, folgt zudem auch daraus, dass Uneinbringlichkeit nur hinsichtlich des von der C… AG nicht beglichenen Teilbetrages eingetreten war.

Nach alledem bleibt der Antrag ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Fundstelle(n):
BAAAH-28506