„Steckerlfisch”-Verkauf in einem traditionellen bayerischen Biergarten als umsatzsteuerlich dem Regelsteuersatz unterliegende „Dienstleistung”
Leitsatz
Der „Steckerlfisch”-Verkauf in einem traditionellen bayerischen Biergarten (hier: Streitjahre 2009 bis 2013) stellt umsatzsteuerlich eine dem Regelsteuersatz unterliegende „sonstige Leistung” dar, wenn der Betreiber der Fischbraterei im Biergarten einen festen Standplatz pachtet, am Fischstand nur Bretter zur Ablage und Übergabe der von den Mitarbeitern gewürzten und über einem Holzkohlefeuer gegrillten „Steckerlfische” angebracht sind und wenn die Kunden die ihnen nicht filetiert, im Ganzen – in Alufolie oder Packpapier verpackt – übergebenen Steckerlfische an den Biergartengarnituren des Biergartenbetreibers verzehren dürfen, dem Betreiber des Fischstandes also ein Mitbenutzungsrecht an den Sitzgelegenheiten und Tischen im Biergarten zusteht (Abgrenzung zum ).
Gesetze: UStG 2009 § 12 Abs. 1, UStG 2009 § 12 Abs. 2 Nr. 1, UStG 2009 Anl. 2 Nr. 28, UStG 2009 Anl. 2 Nr. 32, UStG 2009 Anl. 2 Nr. 33, UStG 2009 § 3 Abs. 1, UStG 2009 § 3 Abs. 9 S. 1, MwStSystRL Art. 14 Abs. 1, MwStSystRL Art. 24 Abs. 1, VO (EU) Nr. 282/2011 Art. 6
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Gründe
I.
Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie betreibt unter anderem Fischbratereien in vier Biergärten (A, B, C, D) in München bzw. in deren unmittelbaren Nähe. Die sogenannten „Steckerlfische” wurden von Mitarbeitern gewürzt und über Holzkohlefeuer gegrillt. Die Fische wurden den Kunden im Ganzen und nicht filetiert in Alufolie oder Packpapier verpackt übergeben. An den jeweiligen Fischständen waren nur Bretter zur Ablage und Übergabe der Fische angebracht; Verzehrvorrichtungen sind dort nicht vorhanden. Entsprechend der Tradition durften die Gäste in die Biergärten eigene Brotzeiten, d.h. in der Regel kalte und einfache Speisen, nicht jedoch eigene Getränke mitbringen (vgl. 2.1. der Begründung zur Bayerischen Biergartenverordnung vom , Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt – GVBl. – 1999, 142).
Die Klägerin pachtete jeweils einen festen Standplatz.
Die Verträge hinsichtlich des Biergartens A schloss sie mit dem Eigentümer der Immobilie, der nicht der Betreiber war. Die Pacht erstreckte sich jeweils auf die Dauer des „Gartenbetriebs” (§ 1). Der Pachtzins betrug für diesen Zeitraum 12.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer (§ 2). Vereinbarungen hinsichtlich des Stroms, des Wasserverbrauchs etc. sollten zwischen dem Betreiber und der Klägerin eigenständig verhandelt werden (§ 5). Mit dem Betreiber des Biergartens verständigte sich die Klägerin mündlich darauf, dass wegen des geringen Strom- und Wasserverbrauchs keine Abrechnung erfolge.
In den Verträgen bezüglich des Standes in dem Biergarten B mit dem Betreiber einigte man sich jeweils auf den Pachtzeitraum vom 1. März bis 31. Oktober; der Pachtzins betrug jährlich netto 3.000 EUR (Nr. 3 des Vertrages). Vereinbart war u.a., dass der monatliche Pachtzins vollständig und unabhängig davon zu erbringen sei, ob der Betrieb des „Steckerlfisch-Standes” aufgrund Wetterbedingungen nicht oder nur teilweise stattfinde (Nr. 6). Die Klägerin hätte die Pacht u. a. dann mindern können, wenn aufgrund von Naturkatastrophen der Betrieb der Gaststätte nicht nur vorübergehend eingestellt worden wäre (Nr. 7).
Mit dem Betreiber C schloss die Klägerin einen mündlichen Vertrag über einen Standplatz für die jeweilige Saison.
Nach den Vereinbarungen mit dem Betreiber des Biergartens D dauerte die Pacht von April bis einschließlich September; hierfür waren 1.500 EUR netto monatlich zu entrichten. In den Pachtzinsen war der Strom, das Wasser, die Abfallentsorgung, die Holzkohlelagerung im Geräteschuppen, die Tiefkühlwarenlagerung im großen Tiefkühlhaus, die Spülmöglichkeit für die Mitarbeiter und die Benutzung der Mitarbeitertoilette enthalten; ferner war ein Weiterverkauf von Brezeln ohne Provision mit täglicher Abrechnung vereinbart.
Die jeweiligen Vereinbarungen mit den Vermietern und Betreibern waren in allen Streitjahren und danach gleich.
Die Biergärten A, B und D warben in den Streitjahren auf ihrem jeweiligen Internetauftritt damit, dass in ihrem Biergarten „Steckerlfisch” angeboten werde. Der Biergarten C warb ab 2014 damit.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre (2009 bis 2013) erklärte die Klägerin die Erlöse aus dem Verkauf der gegrillten Fische in den vier Biergärten als ermäßigt zu besteuernde Umsätze. Die Erklärungen führten zu Festsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Rahmen einer Außenprüfung für die Streitjahre, welche im Jahr 2014 begann, vertrat der Prüfer die Auffassung, dass auf 90 % der Umsätze der Regelsteuersatz anzuwenden sei; die nicht in den Biergärten verzehrten, sondern mitgenommen Fische schätzte der Prüfer auf 10 % (Bericht vom ).
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) erließ am entsprechend geänderte Bescheide und setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2009 auf …, für 2010 auf …, für 2011 auf …, für 2012 auf … und für 2013 … fest.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom ). Das FA führte aus, der Standbetreiber halte zwar selbst keine Verzehreinrichtungen bereit. Die in den Biergärten vorhanden Vorrichtungen seien jedoch als von der Klägerin bereitgehaltene Infrastruktur zu beurteilen. Auch wenn zwischen der Klägerin und den Betreibern keine besonderen Absprachen hinsichtlich der Nutzung der Biergarteneinrichtungen getroffen worden sein sollten, hätten die Betreiber die Nutzung aus eigenem Interesse zumindest geduldet. Dass die Nutzungsmöglichkeit des Biergartens zum Verzehr der verkauften Fische auch im Interesse der Klägerin sei, ergebe sich insbesondere aus dem Vertrag mit dem Betreiber des Biergartens B. Sie müsse sich die Infrastruktur des Betreibers zurechnen lassen. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers seien die Verkaufsstände im Erscheinungsbild ein Teil des Biergartens gewesen. Die Klägerin verschaffe dem Kunden jedenfalls aus dessen Sicht nicht nur den Fisch als solchen, sondern auch die Möglichkeit, diesen im Biergarten zu verzehren.
Am erhob die Klägerin Klage. Außer der Zubereitung und der Verpackung der Fische erbringe sie keine Dienstleistungen. Laut den Pachtverträgen dürfe sie den Stand ausschließlich zum Betrieb des Fischverkaufes nutzen. Auch habe sie keinen Einfluss darauf, wo die Kunden die Fische verzehrten. Ob dies zu Hause, in der Arbeit, in Parks oder in fremden Biergärten stattfinde, sei nicht nachvollziehbar und könne nicht ausschlaggebend für den Steuersatz seien. Die bayerische Biergartenverordnung erlaube jedem Besucher, sein eigenes Essen mitzubringen und im Biergarten zu verzehren. Diese Erlaubnis habe nicht zur Folge, dass mitgebrachte Speisen durch den Biergartenbesuch dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen seien. Die in den Biergärten vorhanden Biertische würden vom Gaststättenbetreiber nur dann aufgestellt, wenn dieser den Biergarten für seine Zwecke öffne. Diese würden nicht von der Klägerin zur Verfügung gestellt, sondern dienten lediglich dem Eigeninteresse der Gaststätte. Die Klägerin beteilige sich nicht an den Aufwendungen des Wirtes für dessen Infrastruktur und habe auch gegenüber dem Verpächter keinerlei Recht auf die Zurverfügungstellung einer solchen. In den Pachtverträgen sei direkt nur der Anspruch auf eine Stellfläche geregelt, im Pachtvertrag hinsichtlich des Biergartens A sei der Verpächter der Eigentümer und nicht der Betreiber. Nur die Möglichkeit, die Pacht zu mindern, wenn der Verpächter seine Hauptleistungspflicht, dem Pächter den Pachtgegenstand ordnungsgemäß zur Nutzung zu überlassen, nicht oder nicht genügend nachkomme, sei schon in §§ 581 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt und könne nicht zu einem höheren Steuersatz führen. Ferner sei nicht von Bedeutung, dass drei der Betreiber im Internet auf den Fischstand hinwiesen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass aufgrund des (BFH/NV 2017, 1572), bei dem es um den Verkauf von Brezeln durch selbständige Verkäufer in Festzelten des Oktoberfestes gehe, in den wesentlichen Punkten die strittigen Rechtsfragen betreffe. Bei dem gebratenen Fisch handle es sich wie bei den Brezeln um eine einfach zubereitete Speise. Der Sachverhalt unterscheide sich von dem dem (Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2017, 94) zugrundeliegenden. Denn anders als dort gebe es im Streitfall keinerlei Vorgaben des Betreibers der Gaststätte bezüglich des Speisenangebots und der Öffnungszeiten. Darüber hinaus zahle die Klägerin nur für die reine Stellfläche. Zahlungen – wie im Urteilsfall –, welche einen zusätzlichen Anspruch auf Nutzung der Infrastruktur des Verpächters auslösten (für Reinigung der Biertische, Müllbeseitigung, Toiletten usw.) seien nicht in der Pacht enthalten und würden auch nicht bezahlt. Dieser Punkt entspreche vielmehr genau dem BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572. Nach dem Sachverhalt des FG-Urteils in EFG 2017, 94 habe der Verpächter lediglich Getränke verkauft, während hier die Betreiber auch Speisen im eigenen Namen angeboten hätten. Dabei hätten sie ein eigenes Interesse daran gehabt, die Biertischgarnituren für ihre Gäste aufzustellen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide vom und die Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer für 2009 um …, für 2010 um …, für 2011 um …, für 2012 um … und für 2013 um … verringert wird.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verweist im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung. Das BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572 sei nicht mit dem Sachverhalt hier vergleichbar. Der Festzeltbetreiber auf dem Oktoberfest werde es nicht dulden, wenn die Gäste an den Bierzeltgarnituren ausschließlich die Brezeln des selbständigen Verkäufers verzehren würden; die Festzelte seien insoweit vergleichbar mit Restaurants. In Biergärten sei die Situation dagegen anders; hier entspreche es der Kultur, dass die Gäste ihr Essen selbst mitbringen dürften und nicht beim Biergartenbetreiber kaufen müssten. Brezeln seien auch nicht mit „Steckerlfisch” vergleichbar, weil es sich bei Ersteren um eine Standardspeise einfachster Art handele, die keinerlei über den bloßen Herstellungsvorgang hinausgehendes Zubereitungselement wie etwa ein Warmhalten für den Verzehr enthalte. Grundsätzlich wolle der durchschnittliche Besucher, der in einem Biergarten Essen kaufe, dieses auch dort vor Ort verzehren. Das FG München habe durch sein Urteil in EFG 2017, 94 entschieden, dass der Essensverkauf durch einen selbständigen Grillstand in einem traditionellen bayerischen Biergarten eine Dienstleistung sei, die dem allgemeinen Steuersatz unterliege. Die dagegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde habe der (BFH/NV 2017, 1635) zurückgewiesen.
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
1. Auf die streitigen Leistungen ist der allgemeine Steuersatz anzuwenden.
a) Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (UStG) ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die „Lieferung” der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände. Dazu gehören u.a. „Zubereitungen von Fleisch, Fisch …” (Nr. 28), „Zubereitungen von Gemüse …” (Nr. 32) und „verschiedene Lebensmittelzubereitungen” (Nr. 33). Nicht begünstigt sind sonstige Leistungen (, BStBl II 2013, 246).
Lieferungen sind nach § 3 Abs. 1 UStG Leistungen, durch die der Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.
Unionsrechtlich beruhen diese Vorschriften auf Art. 14 Abs. 1 und Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Als Lieferung von Gegenständen gilt danach die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als Dienstleistung gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.
Zudem ist ab Art. 6 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates vom zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStVO) zu berücksichtigen. Nach Abs. 1 gilt die Abgabe zubereiteter oder nicht zubereiteter Speisen und/oder von Getränken, zusammen mit ausreichenden unterstützenden Dienstleistungen, die deren sofortigen Verzehr ermöglichen, als Restaurant- und Verpflegungsdienstleistung. Die Abgabe von Speisen und/oder Getränken ist dabei nur eine Komponente der gesamten Leistung, bei der der Dienstleistungsanteil überwiegt. Restaurantdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen in den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers und Verpflegungsdienstleistungen sind die Erbringung solcher Dienstleistungen an einem anderen Ort als den Räumlichkeiten des Dienstleistungserbringers. Nach Abs. 2 gilt die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen und/oder Getränken mit oder ohne Beförderung, jedoch ohne andere unterstützende Dienstleistungen, nicht als Restaurant- oder Verpflegungsdienstleistung.
Bei der Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und BFH auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung ist die qualitative und nicht nur die quantitative Bedeutung der Dienstleistungselemente im Vergleich zu den Elementen einer Lieferung zu bestimmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572, Rz 15, m.w.N.). Beim Bereitstellen von Bierzeltgarnituren, deren Auf- und Abbau sowie deren Reinigung einen gewissen personellen Einsatz erfordern, wird regelmäßig die Schwelle zum Restaurationsumsatz und damit zur Dienstleistung überschritten (vgl. , BStBl II 2013, 246, Rz 38).
Soweit für den Verzehr Mobiliar wie Sitz- und Tischeinrichtungen zur Verfügung steht, ist zu berücksichtigen, dass das bloße Vorhandensein von Mobiliar, das nicht ausschließlich dazu bestimmt ist, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern, nicht als Dienstleistungselement angesehen werden kann, das geeignet wäre, dem Umsatz insgesamt die Eigenschaft einer Dienstleistung zu verleihen. Es sind nur die Verzehrvorrichtungen zu berücksichtigen, die vom Leistenden ausschließlich dazu bestimmt werden, den Verzehr von Lebensmitteln möglicherweise zu erleichtern. Verzehrvorrichtungen eines Dritten können grundsätzlich nicht berücksichtigt werden, selbst wenn diese auch im Interesse des leistenden Unternehmers zur Verfügung gestellt waren. Etwas anderes gilt aber, wenn dem Leistenden durch den Dritten der Art nach ein Mitbenutzungsrecht an dessen Verzehrvorrichtungen zugestanden hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572, Rz 16, 17, 21).
An diesen Grundsätzen hat sich durch den ab geltenden Art. 6 MwStVO nichts geändert. Soweit es danach für die Annahme einer Dienstleistung (sonstigen Leistung) auf ausreichende unterstützende Dienstleistungen ankommt, die zu einem überwiegenden Dienstleistungsanteil führen, entspricht dies der qualitativen Betrachtungsweise der bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572, Rz 18).
b) Danach liegt hier eine sonstige Leistung vor.
aa) Denn die Klägerin hatte das Recht, ihren Kunden die Infrastruktur der Biergärten zur Verfügung zu stellen, was dann auch – entsprechend der Erwartung der Verbraucher – geschah.
Ausdrücklich ist das Mitbenutzungsrecht zwar, insbesondere in den Pachtverträgen, nicht geregelt, weil dort nur die Verpachtung einer bestimmten Verkaufsfläche genannt ist und der Pachtvertrag hinsichtlich des Biergartens A nicht mit dem Betreiber, sondern mit dem Eigentümer geschlossen wurde.
Ein jedenfalls konkludent vereinbartes Recht (vgl. §§ 133, 157 BGB) zur Mitbenutzung der Infrastruktur ergibt sich aber daraus, dass ohne dieses Recht, das Konzept des Betriebs des „Steckerlfisch”-Standes im Biergarten, das im Interesse sowohl der Klägerin als auch der Betreiber lag, nicht hätte verwirklicht werden können.
Das Betreiben des Grillfischstandes im Biergarten ermöglichte der Klägerin, den Umsatz zu erhöhen. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass nach der von der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen Schätzung des FA 90 % der Fische im Biergarten verzehrt und nur 10 % mitgenommen wurden. Dem entspricht, dass es sich bei dem sog. „Steckerlfisch” um eine typische Speise handelt, die im Biergarten erworben und verzehrt wird. Für das Gesamtkonzept „Biergarten” ist wesentlich, dass dem Besucher nicht nur Speisen und Getränke in Selbstbedienung, sondern eine angenehme Umgebung zum Verzehr im Freien geboten wird. Die Nähe zum Biergarten ist daher verkaufsfördernd. Dies verdeutlichen auch die verhältnismäßig hohen Pachtzahlungen, welche die Klägerin bereit war, zu entrichten.
Dieses Ziel kann aber nur dann erreicht werden, wenn der Käufer den Fisch an den Bierzeltgarnituren des Betreibers essen darf. Denn der im Ganzen verkaufte Fisch muss filetiert und kann daher grundsätzlich nur an einem Tisch verzehrt werden.
Anders als die Klägerin meint, ergibt sich das Recht, die Bierzeltgarnituren zu benutzen, nicht bereits daraus, dass Besucher nach der Bayerischen Biergartenverordnung vom generell mitgebrachte Speisen in Biergärten essen dürften, weil insoweit traditionell nur eigene Brotzeiten, d.h. für in der Regel kalte und einfache Speisen im Biergarten verzehrt werden dürfen. Die von der Klägerin verkauften Fische waren aber keine Brotzeiten, sondern erworbene, warme Speisen (vgl. Urteil des FG München in EFG 2017, 94).
Der jeweilige Biergartenbetreiber hat seinerseits ein Interesse daran, dass die Besucher den gekauften Fisch an den Bierzeltgarnituren verzehren, weil dadurch und durch das Verweilen der Besucher im Biergarten der Verkauf weiterer Waren (z. B. Getränke) begünstigt wird. Außerdem steigert ein Verkaufsstand für „Steckerlfisch”, einem traditionellen Biergartengericht, die Attraktivität des Biergartens als solchen. Dementsprechend haben die Biergartenbetreiber auf ihren Internetauftritten damit geworben, dass in ihren Biergärten „Steckerlfisch” angeboten werde. Für den Biergarten C war das zwar erst nach dem Streitzeitraum im Jahr 2014 der Fall; allerdings blieben die Vereinbarungen im Jahr 2014 unverändert, so dass die Umstände dieses Jahres auch Rückschlüsse auf die Streitjahre zulassen. Darüber hinaus zeigt auch die Internetwerbung auf, dass die Betreiber den Verzehr der Grillfische in ihren Biergärten zuließen.
Für ein Mitbenutzungsrecht sprechen auch mehrere Vertragsregelungen: So war die Pachtzeit jeweils auf die typische Biergartenzeit begrenzt, nämlich auf die Dauer des „Gartenbetriebs”, auf den 1. März bis 31. Oktober, auf April bis einschließlich September oder die jeweilige Saison. Aus Nr. 6 des Vertrages mit dem Betreiber des Biergartens B, wonach die Pacht auch dann zu leisten war, wenn der Betrieb des „Steckelfisch-Standes” aufgrund der Wetterbedingungen nicht oder nur teilweise stattfinden konnte, wird deutlich, dass die Vertragsparteien die Wetterverhältnisse für den Verkauf der Fische für wichtig und somit das Risiko dafür für regelungsbedürftig hielten; dies zeigt auf, dass der Biergartenbetrieb für den Fischverkauf als wesentlich angesehen wurde. Gleiches ergibt sich aus dem Minderungsrecht nach Nr. 7 dieses Vertrages; danach konnte die Pacht gemindert werden, wenn aufgrund von Naturkatastrophen der Betrieb der Gaststätte nicht nur vorübergehend eingestellt worden wäre. Entgegen der Auffassung der Klägerin bezieht sich diese Vereinbarung nicht auf die Nichtnutzbarkeit des Pachtobjekts, sondern – davon unabhängig – auf den Betrieb der Gaststätte und damit auf den Betrieb des Biergartens.
Ein konkludentes Mitbenutzungsrecht ist auch für den Biergarten A vereinbart. Die Klägerin hat zwar ihren Pachtvertrag mit dem Eigentümer des Grundstücks geschlossen, welcher nicht der Betreiber war. Mit dem Betreiber traf sie aber eine mündliche Vereinbarung, nach der von der Klägerin verbrauchtes Wasser und Strom nicht abgerechnet werde. Ebenfalls hinsichtlich dieses Biergartens war das Konzept, einen Verkaufstand für „Steckerlfisch” im Biergarten zu betreiben, im Interesse der Klägerin und des Betreibers. Zur Verwirklichung war – wie dargelegt – ein Mitbenutzungsrecht der Klägerin erforderlich.
bb) Die Biergartengarnituren dienten ausschließlich dazu, den Verzehr von Lebensmitteln zu erleichtern. Hierauf beruht das Konzept des Biergartens.
c) Das BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572 steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Dort ging es um den Steuersatz für den Verkauf von sog. „Wiesnbrezn” durch Dritte in Bierzelten. Der BFH führte unter Rz 22 aus, es sei nicht anzunehmen, dass Personen, die ausschließlich Brezeln von einem Dritten erwarben, zur Nutzung der Bierzeltgarnituren auch dann berechtigt seien, wenn sie keine zusätzlichen Leistungen des Festzeltbetreibers für den Erwerb von dessen Getränken und Speisen in Anspruch genommen hätten. Damit habe für den Dritten und ihre Kunden unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität im Festzelt nur die Möglichkeit einer bloßen Mitbenutzung der Sitzgelegenheiten mit Tisch im Rahmen eines Getränke- und Speisenbezugs vom Festzeltbetreiber bestanden. Die Leistung des Dritten sei nur als Abrundung eines gastronomischen Angebots der Festwirte durch einen vom Festwirt personenverschiedenen Unternehmer anzusehen. Im Streitfall ist indessen aus den dargelegten Gründen davon auszugehen, dass die Klägerin das Recht gehabt hat, ihren Kunden die Nutzung der Infrastruktur des Biergartens zu ermöglichen. Anders als bei Brezeln, die regelmäßig zusätzlich zu einer weiteren Speise verzehrt werden, handelt es sich bei den gegrillten Fischen um ein Hauptgericht, so dass der Kunde häufig keine weitere Speise erwirbt. Zudem ist ein Verzehr des Fisches ohne Tisch grundsätzlich nicht möglich, weil er filetiert werden muss; demgegenüber können Brezeln ohne Hilfsvorrichtungen gegessen werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2017, 1572, Rz 23).
2. Nicht zu beanstanden ist die Schätzung des FA, dass bei 10 % der Umsätze die Fische nicht im Biergarten verzehrt, sondern mitgenommen wurden. Substantiierte Einwendungen hiergegen hat die Klägerin nicht erhoben.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
EFG 2018 S. 2070 Nr. 24
KÖSDI 2019 S. 21071 Nr. 1
BAAAH-01192