Anerkennung eines elektronisch geführten Fahrtenbuchs
Leitsatz
Eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt nach der Rspr. des BFH den Anforderungen nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden. Ein unter Verstoß gegen diese Grundsätze erzeugter Datenbestand ist kein in sich geschlossenes Verzeichnis und damit auch kein Fahrten-”Buch” i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3 EStG.
Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG § 4 Abs. 3
Tatbestand
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Privatanteil für die Kfz-Nutzung nach der Fahrtenbuchmethode oder nach der so genannten 1%-Regelung zu ermitteln war.
Die Kläger wurden in den Streitjahren 2012, 2013 und 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte unter anderem als Sachverständiger für Bauschäden, Baukosten, Grundstückswerte, Mieten, Beweissicherungen sowie Bauüberwachung Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die Gewinnermittlung erfolgte nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).
In ihren Steuererklärungen für die Jahre 2012, 2013 und 2014 ermittelten die Kläger den Privatanteil der Nutzung der betrieblichen Kfz nach der Fahrtenbuchmethode. Dabei wurde für das Kfz Audi A4 mit dem amtlichen Kennzeichen … für das Jahr 2012 ein Privatanteil in Höhe von 5.499,01 EUR erklärt, für das Jahr 2013 ein Privatanteil in Höhe von 2.875,17EUR und für das Jahr 2014 ein Privatanteil in Höhe von 3.580,38EUR. Hinsichtlich des Kfz Audi A8 mit dem amtlichen Kennzeichen …. wurde kein Privatanteil ermittelt und geltend gemacht, dass dieses Fahrzeug ausschließlich betrieblich genutzt worden sei. Den Nachweis der Privatanteile der Nutzung der Kfz erbrachten die Kläger durch lose Ausdrucke eines Fahrtenbuches. Zur Erstellung der Übersichten wurde ein elektronisches Fahrtenbuch-Programm …des Herstellers … verwendet.
Das Finanzamt erkannte die Ermittlung des Privatanteils in den Bescheiden über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum , und zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung an (§ 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO, vgl. Bescheide zum und zum jeweils vom und zum vom ).
Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt den Klägern mit, dass die Fahrtenbücher nicht ordnungsgemäß seien und daher nicht anerkannt werden könnten. Insbesondere fehlten vielfach Angaben zu dem genauen Ort der betrieblichen Fahrt, zu den aufgesuchten Kunden bzw. Geschäftspartnern bzw. zu dem Geschäftszweck der Fahrten. Ferner seien Fahrten mit einem Leihwagen im Fahrtenbuch aufgeführt worden. Folglich sei die 1%-Regelung zur Ermittlung des Privatanteils der Kfz-Nutzung anzuwenden. Mit Änderungsbescheiden jeweils vom nahm das Finanzamt eine entsprechende Erhöhung der Betriebseinnahmen des Klägers vor.
Die dagegen gerichteten Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der dagegen eingelegten Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel weiter. Sie wiederholen den Vortrag aus dem Einspruchsverfahren und tragen ergänzend vor, dass die vorgelegten Fahrtenbücher aufgrund des zur Erstellung verwendeten Computerprogramms nachträglich nicht mehr veränderbar und daher ordnungsgemäß seien. Die getätigten Aufzeichnungen böten eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit. Bei den festgestellten Mängeln handle es sich lediglich um kleinere Mängel, die nicht zur Verwerfung der Fahrtenbücher und zur Anwendung der 1%-Regelung führten, da die Angaben insgesamt plausibel seien. Die Fahrtenbücher stellten eine lückenlose und für Dritte nachvollziehbare Abgrenzung der privaten von den betrieblichen Fahrten sicher. Darüber hinaus seien die Fahrtenbücher aus Gründen des Vertrauensschutzes anzuerkennen, da das Finanzamt die Führung der Fahrtenbücher über Jahre hinweg nicht beanstandet hatte.
Die Kläger beantragen,
die Änderungsbescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum , und jeweils vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten des Finanzamts sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Absatz 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Gründe
II.
Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat zu Recht die vom Kläger geführten Fahrtenbücher nicht anerkannt und den Privatanteil der betrieblich genutzten Fahrzeuge mittels der 1%-Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG ermittelt und die Betriebseinnahmen in den Streitjahren entsprechend erhöht.
1. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG kann die Privatnutzung abweichend von Satz 2 mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden. Diese Regelungen gelten auch, wenn der Steuerpflichtige – wie im Streitfall – seinen Gewinn durch Einnahmeüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt.
Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Aus dem Wortlaut und aus dem Sinn und Zweck der Regelung folgt allerdings, dass die dem Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung dienenden Aufzeichnungen eine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit bieten und mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar sein müssen. Dazu gehört auch, dass das Fahrtenbuch zeitnah und in geschlossener Form geführt worden ist und dass es die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstands vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergibt (vgl. , BFH/NV 2009, 1187). Eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt nach der Rechtsprechung des BFH diesen Anforderungen nur dann, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden (, BFH/NV 2006, 864, vom 10. April 2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768). Ein unter Verstoß gegen diese Grundsätze erzeugter Datenbestand ist kein in sich geschlossenes Verzeichnis und damit auch kein Fahrten-„Buch” i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG.
2. Im Streitfall entsprechen die vom Kläger geführten und vorgelegten Fahrtenbücher nicht den genannten Voraussetzungen und können daher nicht als Grundlage zur Bemessung des Privatanteils des betrieblich genutzten Fahrzeugs herangezogen werden.
2.1. Bei den vorgelegten Ausdrucken handelt es sich nicht um Fahrtenbücher i. S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG, da sie nicht in der erforderlichen geschlossenen Form geführt worden sind (, BFH/NV 2006, 864). Der Kläger, der insoweit die Beweislast trägt, hat trotz gerichtlicher Aufforderung vom keinen Nachweis dafür erbracht, dass die vorgelegten Aufzeichnungen, die er mit Hilfe eines Computerprogramms erstellt hat, nachträglich nicht mehr verändert werden können bzw. Veränderungen kenntlich gemacht werden.
2.2. Darüber hinaus sind die Aufzeichnungen auch inhaltlich fehlerhaft. Die Angaben zu den betrieblichen Fahrten sind vielfach unvollständig und entsprechen daher auch insoweit nicht den von der Rechtsprechung gesetzten Anforderungen. Die Beschreibung der Fahrten beschränkt sich oftmals darauf, dass lediglich der Ort der Reise angegeben wird, es fehlt jedoch eine Angabe darüber, welcher Kunde bzw. Geschäftspartner bei den Fahrten aufgesucht wurde. Außerdem wurde der genaue Gegenstand der betrieblichen Fahrt nicht benannt.
Mehrfach sind darüber hinaus Ortsangaben der betrieblichen Fahrt unvollständig, indem lediglich der Ort der Reise angegeben wird, jedoch keine genaue Adresse. Soweit allerdings als Endpunkt der Fahrt jeweils nur eine Straße bezeichnet ist, aber weder Hausnummer noch Name des dort besuchten Kunden angegeben ist, ist allein dadurch das Fahrtziel nicht hinreichend genau bestimmt. Im Hinblick auf die Funktion des Fahrtenbuchs, nämlich eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der dort aufgezeichneten Fahrten zu bieten, bleibt eine derart ungenaue Angabe hinter dem Erforderlichen zurück (, BStBI II 2012, 505). Die Höhe des genauen Privatanteils bei der Nutzung eines Kfz kann dann nicht mehr ermittelt werden. Denn insbesondere in großen Städten können sich hinsichtlich der anzufahrenden Adresse erhebliche Abweichungen in der zurückgelegten Strecke ergeben. Ob die zurückgelegte Strecke in ihrer Gesamtheit betrieblich veranlasst war, ist so nicht mehr mit hinreichender Sicherheit nachvollziehbar.
Ferner ist es nicht ausreichend, in einem Fahrtenbuch anzugeben, dass an einem bestimmten Ort ein Gutachten angefertigt wurde. Vielmehr ist auch der jeweils aufgesuchte Kunde zu benennen, für den das Gutachten angefertigt wurde, oder, – wenn ein solcher nicht vorhanden ist –, ist der konkrete Gegenstand des Gutachtens aufzuführen. Darüber hinaus wird bei allen Fahrten mit der Bezeichnung „Post” der genaue Geschäftszweck nicht benannt. Insofern ist eine Beurteilung, ob die Fahrten betrieblich oder privat veranlasst waren, nicht möglich. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die detaillierten Ausführungen des Finanzamts in der Einspruchsentscheidung verwiesen (§ 105 Abs. 5 FGO).
2.3. Die aufgeführten Mängel sind derart schwerwiegend, dass das Fahrtenbuch nicht mehr als ordnungsgemäß beurteilt werden kann. Zwar kann ein Fahrtenbuch trotz kleinerer Mängel ordnungsgemäß sein. Erforderlich ist hierfür jedoch eine Gesamtbewertung, im Rahmen derer ein Fahrtenbuch trotz formeller Mängel noch als formell ordnungsgemäß erscheinen kann. Kleinere Mängel führen dann nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und zur Anwendung der 1%-Regelung, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind (, BStBI II 2008, 768). Eine solche Gesamtbewertung ergibt hier, dass die Fahrtenbücher nicht mehr als ordnungsgemäß angesehen werden können. Dies ergibt sich zum einen aus der Vielzahl der Mängel bzw. Unregelmäßigkeiten in der Beschreibung und Konkretisierung der betrieblichen Fahrten (ca. 30-60 Mängel pro Jahr). Zum anderen ist das Fahrtenbuch hinsichtlich des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … offensichtlich fehlerhaft. So wurde sowohl im Mai 2012 als auch im Juni 2012 der Kilometerstand des Fahrzeugs fortgeführt, obwohl die genannten Strecken ausdrücklich mit einem Leihwagen zurückgelegt wurden. Dabei wurden in beiden Monaten jeweils ca. 500 Kilometer mit einem Leihwagen zurückgelegt, wobei der Kilometerstand des eigenen Fahrzeugs fortgeführt wurde. Insofern bestehen schon erhebliche Zweifel daran, dass die angegebenen Kilometerstände – auch in den Folgejahren – korrekt sind. Die vorgelegten Fahrtenbücher bieten somit keine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der aufgezeichneten Fahrten.
2.4. Da das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten nicht durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen worden ist, durfte das Finanzamt gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 EStG die private Nutzung für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer ansetzen und die Betriebseinnahmen entsprechend im Jahr 2012 um 14.269,31 EUR auf 19.768,00 EUR, im Jahr 2013 um 16.489,95 EUR auf 19.365,00 EUR und im Jahr 2014 um 15.496,74 EUR auf 19.077,00 EUR erhöhen (§ 164 Abs. 2 AO). Der Art und Weise der Berechnung der Erhöhung der Betriebseinnahmen sind die Kläger nicht entgegengetreten.
3. Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, dass das Finanzamt in den Vorjahren die Fahrtenbücher nicht beanstandet habe. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung muss das Finanzamt vielmehr in jedem Veranlagungszeitraum den Sachverhalt erneut prüfen und rechtlich würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, auch wenn der Steuerpflichtige auf sie vertraut haben sollte. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn die Finanzbehörde über einen längeren Zeitraum hinweg eine irrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat (, BFH/NV 1994, 698).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstelle(n):
BBK-Kurznachricht Nr. 9/2018 S. 402
BAAAG-78545