Umsatzsteuerliche Zurechnung von Prostitutionsumsätzen zum Betreiber eines sog. FKK-Clubs
Leitsatz
1. Prostitutionsumsätze sind auch dann nicht den Prostituierten, sondern dem Betreiber eines sog. FKK-Clubs zuzurechnen, wenn die Prostituierten zwar selbst das Entgelt bar vereinnahmen, wenn sich jedoch die Leistungen der Prostituierten aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden (Freier) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Teil der Gesamtleistung des Betreibers darstellen, auch wenn es sich hierbei um höchstpersönliche Dienstleistungen der Prostituierten handelt. Indizien hierfür sind z. B., wenn
der Betreiber mit seinem Internetauftritt den Eindruck erweckt, selbst Anbieter der sexuellen Dienstleistungen zu sein,
er den zur Kontaktanbahnung mit den Prostituierten erforderlichen Raum (Kontaktraum) samt Ausstattung sowie das für die Aufrechterhaltung der Reinlichkeit und Sicherheit erforderliche Personal zur Verfügung stellt,
die Freier die Preise für sexuelle Dienstleistungen als von dem Betreiber vorgegebene Preise verstehen müssen,
der Betreiber durch organisatorische Maßnahmen (geregelte Schichtzeiten, Anwesenheit einer bestimmten Mindestzahl von Prostituierten) dafür sorgt, dass der Nachfrage der Freier nach sexuellen Kontakten jederzeit entsprochen werden kann.
2. Ein Handeln der Prostituierten mit Unternehmerrisiko und -initiative sowie eine unterstellte Selbstständigkeit der Prostituierten schließt die umsatzsteuerrechtliche Zurechnung der sexuellen Dienstleistungen zum Betreiber nicht aus, weil es für die Zurechnung keine Rolle spielt, ob die Prostituierten als – selbstständige – Subunternehmerinnen oder als – unselbstständige – Arbeitnehmerinnen für den Betreiber tätig sind.
3. Die (gesamten) Umsätze in einem Saunaclub sind demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Erbringer sämtlicher in einem derartigen Club erwarteten Dienstleistungen auftritt. Hieran hat sich durch das am in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG –) nichts geändert.
4. Zur Schätzung der von den Prostituierten erzielten Einnahmen, wenn der Betreiber des FKK-Clubs insoweit keine Aufzeichnungen geführt hat.
Gesetze: UStG 2014 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG 2014 § 2 Abs. 1UStG 2014 § 10 Abs. 1 S. 2UStG 2014 § 22 Abs. 1 S. 1UStG 2014 § 22 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO § 162 Abs. 1AO § 162 Abs. 2 EWGRL 388/77 Art. 2 Nr. 1 HGB§ 56 MwStSystRL Art. 2 Abs. 1 Buchst. c
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Gründe
I.
Streitig ist die Zurechnung von Prostitutionsumsätzen.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der Fa. GmbH (nachfolgend: GmbH).
Satzungsgemäßer Gegenstand der mit Gesellschaftsvertrag vom als gegründeten und mit Gesellschafterbeschluss vom in ihre jetzige Firmenbezeichnung umbenannten GmbH sind. Mit Gesellschafterbeschluss vom wurde Frau zur Geschäftsführerin der GmbH bestellt.
Die GmbH betrieb in den Streitjahren in der Straße in unter dem Namen einen FKK-Club. In diesen Räumen hatten die Gäste die Möglichkeit einer Kontaktanbahnung zu den dort in einer Anzahl von 14 bis 38 anwesenden Prostituierten, die abgesehen von dem jeweils am stattfindenden -Tag unbekleidet waren. Die GmbH stellte ihren Gästen ein Schwimmbad, eine Sauna, Handtücher, Badeschuhe, frisches Obst sowie nichtalkoholische Getränke zur Verfügung. Im Obergeschoss des FKK-Clubs konnten die Gäste mit den Prostituierten eines von insgesamt 15 Zimmern nutzen, die mit Betten und frischer Bettwäsche ausgestattet waren; eine feste Zimmerzuteilung gab es nicht, sondern es konnten die jeweils gerade verfügbaren Zimmer genutzt werden. Für diese Leistungen erhob die GmbH sowohl von den Gästen als auch den Prostituierten ein einheitliches Eintrittsgeld in Höhe von EUR. Auf ihrer Internetseite führte die GmbH den Vornamen, das Alter, die Körpergröße und die Konfektionsgröße der jeweils anwesenden Prostituierten auf. Die Prostituierten rechneten ihre Leistungen unmittelbar gegenüber dem jeweiligen Gast in bar ab; die Möglichkeit einer Kartenzahlung bestand nicht.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre errechnete die GmbH ihre Umsatzsteuer mit den Beträgen von EUR (2004), EUR (2005), EUR (2006), EUR (2007) sowie EUR (2008).
Am durchsuchten Beamte des Hauptzollamts die Räume der GmbH im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die Geschäftsführerin der GmbH, Frau wegen Verdachts auf Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im besonders schweren Fall u.a. (Bericht vom , Bl. 20 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).
Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung (Bericht vom , Bl. 2 BP-Akte) setzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die Umsatzsteuer für die Streitjahre mit nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheiden vom auf die Beträge von EUR (2004), EUR (2005), EUR (2006), EUR (2007) sowie EUR (2008) fest und setzte zugleich Zinsen zur Umsatzsteuer in Höhe von EUR (2004), EUR (2005), EUR (2006) sowie EUR (2007) fest. Hierbei erhöhte das FA die Umsätze zum Regelsteuersatz der GmbH um die Beträge von EUR (2004), EUR (2005), EUR (2006), EUR (2007) sowie EUR (2008). Zur Begründung führte das FA im Steuerfahndungsbericht an, dass die Umsätze der in den Clubräumen der GmbH tätigen Prostituierten umsatzsteuerlich der GmbH zuzurechnen seien, da sie gegenüber den Freiern auch hinsichtlich der Dienstleistungen der Prostituierten als Leistende aufgetreten sei. Es sei ein einheitlicher Mindestfreierlohn in Höhe von EUR für die einfachste erbrachte Dienstleistung für die Dauer einer halben Stunde festgelegt worden. Da die Klägerin keine Aufzeichnungen über die Höhe der Prostitutionsumsätze geführt habe, seien diese zu schätzen. Aus den von der GmbH geführten Kassenbüchern ergebe sich die Anzahl der täglich anwesenden Prostituierten. Nach den Ermittlungen des Hauptzollamts, die auf Vernehmungen der Prostituierten beruhten, beliefen sich deren durchschnittliche tägliche Einnahmen auf EUR.
Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.
Dagegen erhob die GmbH am die vorliegende Klage.
Mit Beschluss vom (Az.) eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH.
Am meldete das FA die streitgegenständlichen Steuerforderungen nebst Zinsen hierzu in Höhe von insgesamt EUR zur Insolvenztabelle an. Im Prüfungstermin bestritt der Kläger diese Forderungen in vollem Umfang.
Mit Schreiben vom beantragte der Kläger die Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Klageverfahrens.
Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die GmbH auf die Preisgestaltung der Prostituierten keinen Einfluss gehabt habe; sowohl der Leistungsumfang als auch die Höhe des Freierlohns seien von der jeweiligen Prostituierten und dem Freier frei ausgehandelt worden. Die Prostituierten hätten weder den von ihnen vereinnahmten Freierlohn ganz oder teilweise an die GmbH abgeführt noch die GmbH über ihre Umsätze informiert. Er habe erst aus den Akten erfahren, dass es zwischen den Prostituierten eine Absprache gegeben habe, wonach der Mindestfreierlohn in Höhe von EUR für die einfachste erbrachte Dienstleistung für die Dauer einer halben Stunde betragen sollte. Es sei den Prostituierten selbst überlassen gewesen, an welchen Tagen und wie oft sie im Club anwesend gewesen seien. Die Prostituierten seien als selbständige Unternehmerinnen tätig gewesen, da sie im alleine relevanten Innenverhältnis keine vertragliche Vereinbarung mit der GmbH über die Erbringung von sexuellen Dienstleistungen abgeschlossen hätten und sowohl Unternehmerrisiko als auch -initiative getragen hätten. Der GmbH seien die Umsätze der Prostituierten aufgrund der zugrundeliegenden zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen nicht zuzurechnen, da die Prostituierten lediglich mit den jeweiligen Freiern zivilrechtliche Verträge abgeschlossen hätten und die GmbH nicht an deren Zustandekommen beteiligt gewesen sei. Der GmbH seien die Umsätze der Prostituierten auch nicht aufgrund ihres Auftretens nach außen zuzurechnen, da sie weder in den Bezahlvorgang der Freier eingebunden gewesen sei noch finanziell an den Einnahmen der Prostituierten partizipiert habe. Auch die Ausgestaltung der Werbung der GmbH könne nicht als Indiz für ein Auftreten nach außen als Leistende herangezogen werden, da sie auf ihrer Internetseite mit dem Namen einzelner Prostituierter geworben und diese somit individualisiert habe.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des Klägers vom , , , , 4. Februar 2015, , , sowie verwiesen.
Der Kläger beantragt,
die Widersprüche gegen die vom Beklagten unter den lfd. Nrn. 12 – 19 als Insolvenzforderungen angemeldeten Umsatzsteuerforderungen in Höhe von EUR (2004), EUR (2005), EUR (2006), EUR (2007) sowie EUR (2008) sowie die Widersprüche gegen die vom Beklagten unter den lfd. Nrn. 21 – 24 als Insolvenzforderungen angemeldeten Umsatzsteuerzinsforderungen in Höhe von EUR (2004), EUR (2005), EUR (2006) sowie EUR (2007) für begründet zu erklären.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA bezieht sich im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des FA vom , , , sowie verwiesen.
Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.
Gründe
II.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung der vor Insolvenzeröffnung mit Einspruch und Klage angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung durch das FA nicht mit Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO, sondern nur durch Aufnahme des durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen Klageverfahrens zu betreiben. Das ursprüngliche Anfechtungsverfahren wandelt sich dabei in ein Insolvenzfeststellungsverfahren um; Streitgegenstand ist nunmehr die Beseitigung des Widerspruchs durch Feststellung der im Prüfungstermin geltend gemachten Forderung zur Tabelle (, BFH/NV 2016, 268). Nimmt hingegen nicht das FA, sondern der Insolvenzverwalter das Verfahren auf, so kommt es zu keinem Beteiligtenwechsel, sondern er bleibt in der Rolle des Klägers mit dem Antrag festzustellen, dass sein Widerspruch berechtigt und die angemeldete Forderung nicht berechtigt ist (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rn. 53a).
b) Das durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH zunächst gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 240 Zivilprozessordnung unterbrochene Klageverfahren wurde durch die Erklärung des Klägers als Insolvenzverwalter aufgenommen. Deshalb ist Streitgegenstand nunmehr der Widerspruch gegen die im Prüfungstermin vom FA geltend gemachten Umsatzsteuerforderungen der GmbH zur Tabelle, ohne dass es zu einem Beteiligtenwechsel kommt.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das FA hat zu Recht die sich aus den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheiden ergebenden Steuerforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet, da diese Umsatzsteuerbescheide zu Recht ergangen sind.
a) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Diese Vorschrift beruht auf Art. 2 Nr. 1 der in den Streitjahren 2004, 2005 und 2006 anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) bzw. Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der in den Streitjahren 2007 und 2008 anwendbaren Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach Umsätze aus Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegen.
Wer bei einem Umsatz als Leistender bzw. als Leistungsempfänger anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen (, BStBl II 2013, 648, m.w.N.). Dementsprechend sind die (gesamten) Umsätze in einem Saunaclub demjenigen zuzurechnen, der nach außen als Erbringer sämtlicher in einem derartigen Club erwarteten Dienstleistungen auftritt. Hieran hat sich durch das am in Kraft getretene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG –) nichts geändert, weil dieses Gesetz zur Frage der umsatzsteuerrechtlichen Zurechnung sexueller Dienstleistungen keine Regelung trifft (vgl. , juris Rn. 20).
b) Im Streitfall sind die von den Prostituierten erbrachten Leistungen der GmbH zuzurechnen, da sie sich aus Sicht eines durchschnittlichen Kunden (nachfolgend: Freier) nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als Teil der Gesamtleistungen der GmbH darstellten, auch wenn es sich hierbei um höchstpersönliche Dienstleistungen der Prostituierten handelte.
aa) So erweckte die GmbH mit ihrem Internetauftritt (Bl. 33 ErmA Bd. II der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH) den Eindruck, selbst Anbieterin der sexuellen Dienstleistungen zu sein. Sie warb nach dem unbestrittenen Vortrag des FA damit, dass ein „Minimum” von 40 Mädchen täglich anwesend sei, was nahelegt, dass die Prostituierten aus Sicht der Freier austauschbar erschienen. Hierbei warb die GmbH unter ihrer Telefonnummer und unter ihrem Namen in Printmedien und im Internet, nicht jedoch die einzelne Prostituierte unter deren Telefonnummer. Maßgeblich ist hierbei, dass die Vorstellung der Prostituierten auf der Homepage der GmbH und damit im Rahmen deren einheitlichen Internetauftritts erfolgte. Zudem wurde eine Kontaktmöglichkeit zu den einzelnen Prostituierten (etwa mit deren eigenen Telefonnummern) nicht beworben (vgl. , juris Rn. 33).
bb) Weiterhin hat die GmbH den zur Kontaktanbahnung mit den Prostituierten erforderlichen Raum (Kontaktraum) samt Ausstattung sowie das für die Aufrechterhaltung der Reinlichkeit und Sicherheit erforderliche Personal zur Verfügung gestellt. Hierbei stellte die GmbH nicht nur die Arbeitsräume der Prostituierten (15 Räume im Obergeschoss, die nicht für einzelne Prostituierte reserviert waren), sondern auch deren zur Ausübung der Prostitution wesentliche Ausstattung – insbesondere Betten und Bettwäsche – zur Verfügung.
Auch aus der Gestaltung der Räumlichkeiten war für die Freier nicht erkennbar, dass sich das Angebot der GmbH lediglich auf die Bereitstellung des zur Kontaktanbahnung erforderlichen Bereiches beschränkt hätte, während die Prostituierten die Nutzung der Zimmer im Rahmen ihrer eigenständigen Leistung angeboten hätten. Denn die Freier, die den Kontaktraum verließen und sich mit einer Prostituierten zu den Einzelzimmern begaben, mussten davon ausgehen, dass beide räumlichen Bereiche von der GmbH zur Verfügung gestellt wurden. Angesichts der festgestellten Anzahl von bis zu 38 gleichzeitig anwesenden Prostituierten (Bl. 58 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH) bei lediglich 15 vorhandenen Arbeitsräumen konnten diese schon rein rechnerisch keine eigenen Arbeitsräume innehaben.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Freier eines derart geführten FKK-Clubs auch die Erbringung der sexuellen Dienstleistungen dem Inhaber der Organisationsgewalt und damit dem Clubbetreiber zurechnen, der für einen störungsfreien Betriebsablauf innerhalb der vorgegebenen Öffnungszeiten sorgt. Daran ändert nichts, dass die Ausführung der eigentlichen sexuellen Handlungen keinen näheren organisatorischen Eingriffen, Kontrollen und Vorgaben durch die GmbH unterlag (vgl. , juris Rn. 11-13).
cc) Weiterhin spricht für die GmbH als Leistungserbringerin, dass die Freier die Preise für sexuelle Dienstleistungen als von der GmbH vorgegebene Preise verstehen mussten. Dies ergibt sich daraus, dass in den Räumen der GmbH ein Grundpreis für „einfache Leistungen” von EUR pro halber Stunde galt, auch wenn dieser Preis – wie der Kläger vorträgt – von den Prostituierten untereinander abgesprochen gewesen sein mag.
dd) Die Freier konnten auch davon ausgehen, dass die GmbH durch organisatorische Maßnahmen (geregelte Schichtzeiten, Anwesenheit einer bestimmten Mindestzahl von Prostituierten) dafür sorgte, dass der Nachfrage der Freier nach sexuellen Kontakten jederzeit entsprochen werden konnte, da der an die GmbH zu zahlende Eintrittspreis von EUR lediglich für die bloße Nutzungsmöglichkeit von Sauna und Schwimmbad (bzw. Massage) sowie die Bereitstellung von nichtalkoholischen Getränken und Obst nicht gerechtfertigt erscheinen würde. Für die Vornahme derartiger, für die Freier erkennbarer organisatorischer Maßnahmen spricht auch, dass die Prostituierten bei Anwesenheit im Kontaktraum grundsätzlich unbekleidet bzw. am als sog. -Tag (vgl. Aussage der als Reinigungskraft für die GmbH tätigen Frauen und sowie der als Thekenfrau für die GmbH tätigen Frau bei ihrer Vernehmung als Zeuginnen durch Beamte des Hauptzollamts am 2008, Bl. 1, 11 sowie 23 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH) lediglich mit Dessous bekleidet waren und die Freier nicht ansprachen, damit sich diese hinsichtlich der Wahl einer Prostituierten nicht bedrängt fühlten.
Dieser Eindruck wird bestätigt durch das Vorhandensein von anlässlich der Durchsuchung bei der GmbH aufgefundenen Listen mit An- und Abreisetagen sowie freien Tagen der Prostituierten für einen Zeitraum von einem Monat im Voraus (Bl. 3 ff. ErmA Bd. II der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).
ee) Hierfür spricht zudem, dass die Freier regelmäßig bei Verlassen des Gebäudes an der Rezeption und damit durch Angestellte der GmbH nach ihrer Zufriedenheit mit ihrem Aufenthalt gefragt wurden und hierdurch nach ihrem Eindruck die Möglichkeit hatten, Reklamationen auch über die Leistungen der Prostituierten vorzubringen.
Dies ergibt sich zum einen aus den Aussagen der nachfolgend bezeichneten Angestellten der GmbH bei ihrer Vernehmung als Zeugen durch Beamte des Hauptzollamts am bzw. :Frau (Reinigungskraft; Bl. 11 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Frau (Thekenfrau; Bl. 23 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Frau (Empfangsdame; Bl. 29 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Frau (Reinigungskraft; Bl. 17 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH) sowie Frau (Empfangsdame und Thekenfrau, Bl. 38 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).
Zum anderen ergibt sich dies aus den Aussagen der nachfolgend bezeichneten, in den Räumen der GmbH angetroffenen Freier bei ihrer Vernehmung als Zeugen durch Beamte des Hauptzollamts am bzw.: Herr (Bl. 81 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 87 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 110 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 135 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 138 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 142 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 145 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 150 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 154 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), Herr (Bl. 162 ErmA Bd. IV der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH).
ff) Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass das Entgelt für die von den Prostituierten erbrachten Dienstleistungen direkt an diese entrichtet wurde.
aaa) Die Freier konnten hieraus in Anbetracht der oben geschilderten Gesamtumstände nicht den Schluss ziehen, dass eine Leistungsbeziehung zu den einzelnen Prostituierten und nicht zur GmbH bestand (vgl. , BFH/NV 2008, 827; , juris, Rn. 11).
bbb) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegt nicht die Vereinnahmung von Entgelten der Umsatzsteuer, sondern die zugrundeliegende Leistung selbst. Entscheidend ist deshalb, ob die Steuerschulden aus einer Tätigkeit des Unternehmers herrühren und nicht, wer die Entgelte vereinnahmt hat (vgl. , BStBl II 2005, 848, juris, Rn. 20).
ccc) Hierfür spricht zudem auch der der Vorschrift des § 56 Handelsgesetzbuch zugrunde liegende Rechtsgedanke, wonach zu „Empfangnahmen”, die in einem Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen, als ermächtigt gilt, wer in einem Laden oder in einem offenen Warenlager angestellt ist.
ddd) Dem steht auch der Einwand des Klägers, dass die Einzelheiten der sexuellen Leistungen zwischen den Prostituierten und ihren Freiern ohne Beteiligung der GmbH abgestimmt worden seien, nicht entgegen, da dies im Prostitutionsgewerbe üblich ist. Es reicht für die Zurechnung der sexuellen Dienstleistungen zur GmbH aus, dass in der Wahrnehmung der Freier ein für den gesamten Gebäudebereich der GmbH einheitliches Preisniveau besteht, bei dem die zeitabhängige Komponente feststeht (EUR/halbe Stunde).
gg) Der Zurechnung der sexuellen Dienstleistungen zur GmbH steht auch nicht entgegen, dass die Prostituierten selbst ebenfalls Clubeintritt zahlen mussten, denn für die Zurechnung kommt es lediglich auf das Außenverhältnis an (vgl. , BFH/NV 2008, 827).
hh) Das vom Kläger vorgetragene und als wahr unterstellte Handeln der Prostituierten mit Unternehmerrisiko und -initiative sowie die ebenfalls unterstellte Selbständigkeit der Prostituierten schließt die umsatzsteuerrechtliche Zurechnung der sexuellen Dienstleistungen zur GmbH nicht aus, weil es für die Zurechnung keine Rolle spielt, ob die Prostituierten als – selbständige – Subunternehmerinnen oder als – unselbständige – Arbeitnehmerinnen für die GmbH tätig waren (vgl. , BFH/NV 2008, 827, m.w.N., ständige Rechtsprechung).
3. Auch die vom FA vorgenommene Schätzung der Höhe der auf die sexuellen Dienstleistungen entfallenden Umsätze ist nicht zu beanstanden.
a) Das FA war zur Vornahme einer Schätzung befugt.
aa) Das FA ist gem. § 162 Abs. 2 Satz 2 AO u.a. dann zur Vornahme einer Schätzung befugt, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen, die der Steuerpflichtige nach den Steuergesetzen zu führen hat, der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein.
bb) Die GmbH hat nach dem eigenen Vorbringen des Klägers über die von den Prostituierten vereinnahmten Entgelte – aus ihrer Sicht konsequenterweise – keine Aufzeichnungen geführt, so dass ihre Buchführung der Besteuerung nicht zugrunde gelegte werden kann.
cc) Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass die GmbH gar keine Möglichkeit gehabt habe, die von den Prostituierten erzielten Umsätze in Erfahrung zu bringen, ohne hierfür eine Organisation des Geschäftsablaufs zum Zwecke der Kontrolle der von den Prostituierten erzielten Umsätzen zu schaffen, die ihrerseits als dirigistische Zuhälterei gem. § 181 a Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch strafbar wäre. Denn das Umsatzsteuerrecht orientiert sich an tatsächlich erfolgten Geschehensabläufen unabhängig davon, ob diese Geschehensabläufe strafrechtliche Folgen auslösen können. Davon abgesehen stand es der GmbH frei, sich von den Prostituierten zumindest vertraglich eine Informationspflicht über deren Umsätze einräumen zu lassen und im Übrigen selbst eine Schätzung vorzunehmen.
b) Die vom FA vorgenommene Schätzung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
aa) Umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die von der GmbH erzielten Umsätze ist gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG das Entgelt, das die Freier für die von der GmbH erbrachten Leistungen aufgewendet haben. Dazu zählen auch die von den Prostituierten erbrachten Leistungen, da sie – wie oben ausgeführt – im Namen der GmbH an die Freier erbracht worden sind, unabhängig davon, ob das Entgelt hierfür unmittelbar von den Prostituierten oder der GmbH vereinnahmt wurde (s.o.).
bb) Die täglich vereinnahmten Entgelte der Prostituierten beliefen sich nach den Ermittlungen des Hauptzollamts (Bericht vom ; Bl. 20 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH), die auf Vernehmungen von insgesamt zwanzig Prostituierten beruhen, auf durchschnittlich EUR (vgl. Bl. 51 ErmA Bd. II der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH). Die Anzahl der täglich anwesenden Prostituierten hat das FA ausgehend von den von der GmbH mittels EDV geführten und bei ihr aufgefundenen Kassenbüchern wie folgt ermittelt (Bl. 58 ErmA Bd. I der Steuerfahndungsstelle des FA bezüglich GmbH):
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Besteuerungszeitraum
|
2004
|
2005
|
2006
|
2007
|
Januar | ||||
Februar | ||||
März | ||||
April | ||||
Mai | ||||
Juni | ||||
Juli | ||||
August | ||||
September | ||||
Oktober | ||||
November | ||||
Dezember | ||||
Durchschnitt
|
Hieraus ergeben sich die nachfolgend errechneten, von den Prostituierten vereinnahmten und nach den obigen Rechtsgrundsätzen der GmbH zuzurechnenden Entgelte:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
durchschnittl. Anzahl der Prostituierten
|
Anzahl Tage
|
durchschnittl. Entgelte je Prostituierte
|
Summe der Entgelte
| |
2004 | ||||
2005 | ||||
2006 | ||||
2007 | ||||
2008 |
cc) Hieraus ergeben sich unter Abzug der von den Prostituierten gezahlten Eintrittsgelder nachfolgende zusätzliche Umsätze der GmbH zum Regelsteuersatz:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Summe der Entgelte
|
abzgl. Eintrittsgelder der Prostituierten
|
bereinigte Entgelte
|
Umsätze
| |
2004 | ||||
2005 | ||||
2006 | ||||
2007 | ||||
2008 |
dd) Unter Zugrundelegung dieser Umsätze zum Regelsteuersatz ergeben sich die vom FA in den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheiden festgesetzten Steuerbeträge.
4. Die Festsetzung der Zinsen zur Umsatzsteuer für die Streitjahr 2004 bis 2007 mit Bescheiden jeweils vom erfolgte ebenfalls zu Recht. Die streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide sind Grundlagenbescheide für die streitgegenständlichen Zinsfestsetzungsbescheide (vgl. , BFH/NV 2003, 737). Weder hat der Kläger eine fehlerhafte Zinsberechnung vorgetragen, noch ist eine solche aus den Akten erkennbar.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
EFG 2017 S. 1124 Nr. 13
BAAAG-45532