USt direkt digital Nr. 6 vom Seite 11

Umstellung auf Steuerbefreiung bei Personalvermittlern

Neuregelung seit 1. 1. 2015

Matthias Trinks *

Im Schatten von MOSS und § 13b UStG trat zum mit § 4 Nr. 15b UStG eine neue Steuerbefreiung für Arbeitsmarktdienstleistungen nach dem Sozialgesetzbuch in Kraft. Betroffene Unternehmer müssen nun genau darauf achten, ihre Umsätze zutreffend zu versteuern.

A. Hintergrund

Nach dem KroatienAnpG werden verschiedene Arbeitsmarkdienstleistungen basierend auf dem Sozialgesetzbuch nun von der Umsatzsteuer befreit. Besonders relevant ist dabei die Befreiung nach § 4 Nr. 15b Satz 1 und 2 Buchst. a UStG. Danach sind die Leistungen privater Arbeits- und Personalvermittler befreit, soweit diese auf Basis eines Vermittlungsgutscheins (AVGS-MPAV) tätig werden.

B. Sinn und Zweck der Neuregelung

Laut dem Gesetzesentwurf kostet die Neuregelung den Steuerzahler jährlich 15 Mio. € Umsatzsteuer, wovon ein Teil durch eine erhöhte Ertragsbesteuerung kompensiert wird. Ausgehend von der Statistik der Bundesarbeitsagentur dürfte etwa die Hälfte auf Vermittlungsgutscheine entfallen. Tatsächlich ist die Neuregelung systematisch daher nicht zu rechtfertigen. Eine zwingende Umsetzungsvorgabe nach der MwStSystRL bestand nicht, insbesondere da es keinen Wettbewerb zwischen privaten Arbeitsvermittlern und öffentlicher Hand gibt.

Die Neuregelung begünstigt nicht die Verbraucher, sondern nur die privaten Arbeitsvermittler. Dennoch dürfte die Steuerbefreiung Bestand haben, da den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der MwStSystRL insoweit ein Ermessen zusteht. Dieses war für den EuGH nach oben hin wohl noch nie entscheidungserheblich. Daher dürfte die Neuregelung kaum in den beihilferechtlichen Fokus rücken.

C. Abrechnung in der Übergangsphase

Dem Vernehmen nach ist ein BMF-Schreiben zur Erläuterung geplant, obgleich mit der Fertigstellung in naher Zukunft nicht zu rechnen ist. Entscheidend für die Steuerbefreiung ist m. E. das Datum des Vermittlungserfolgs, also der Abschluss eines Arbeitsvertrags. Diese Sichtweise soll auch das BMF-Schreiben widerspiegeln. Folglich ist die Auszahlung auf einen Vermittlungsgutschein nur steuerfrei, wenn der Arbeitsvertrag nach dem geschlossen wurde.

Beispiel:
Vermittler V betreut den Arbeitssuchenden A seit November 2014. Anfang Dezember findet V einen passenden Arbeitgeber. A unterzeichnet sogleich einen Arbeitsvertrag und beginnt am . V erhält vom Jobcenter die erste Vergütungsrate von 1.000 € im März 2015. A kündigt die Stelle nach einiger Zeit, woraufhin das Jobcenter die Auszahlung der zweiten Rate verweigert. Nach einem Rechtsstreit erhält V die zweite Rate zu 1.000 € erst im Februar 2016. Die von V vereinnahmten 2.000 € sind nach derzeitigem Recht steuerpflichtig und mit 19 % zu versteuern. Die Vermittlung wurde in 2014 ausgeführt. Auf den Arbeitsbeginn und den Geldzufluss kommt es nicht an. Für die Vermittler hat dies zur Folge, dass zumindest für Zahlungen bis in das zweite Halbjahr 2015 hinein auf die korrekte zeitliche Zuordnung zur Vermittlung geachtet werden sollte. Die Vorsteuer ist zu schlüsseln.

Dem Vernehmen nach soll im BMF-Schreiben die Vermittlung von „Selbstzahlern“ steuerpflichtig bleiben. Diese Auffassung erscheint gleichsam vertret- wie angreifbar, da die Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen eine Ermessenleistung und nicht abschließend rechtlich determiniert ist.

D. Weitere Auswirkungen der Steuerbefreiung

Je nach Geschäftslage wird die Steuerbefreiung oftmals dazu führen, dass ab dem Jahr 2016 oder 2017 Kleinunternehmereigenschaft vorliegt. Dies hat insbesondere Bedeutung, wenn ein Nebengewerbe betrieben wird (z. B. Photovoltaikanlage) und sollte möglichst frühzeitig berücksichtig werden. Daneben müssen sich Vermittler auf eine erhöhte Ertragsteuerbelastung einstellen. Werden die Vorauszahlungen – ggf. bewusst – nicht angepasst, kommt es 2016 zu einer höheren Nachzahlung.

Hinweis

Ab dem sollten m. E. alle Ausgangsrechnungen ohne Ausweis von Umsatzsteuer ausgestellt werden. Da die Rechnungsempfänger in der Regel keinen Anspruch auf einen Steuerausweis haben, wird die Abrechnung so vereinfacht. Zudem ergibt sich ein verwaltungstechnischer Vorteil, wenn der BFH der Steuerbefreiung eine Rückwirkung zuspricht.

E. Gilt die Befreiung rückwirkend?

Vor etwa eineinhalb Jahren war recht sicher, dass sich private Arbeitsvermittler nicht auf eine Steuerbefreiung nach dem Unionsrecht berufen können (). Indem der Gesetzgeber die Zertifizierung nach der AZAV aber für eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter ausreichen lässt, ist der BFH zur Gewährung der Steuerbefreiung m. E. fast schon gezwungen (Az. BFH: ). Auch wenn die Zertifizierung nach der AZAV für eine solche Feststellung gänzlich ungeeignet ist (da es sich nur um eine Bewertung des Qualitätsmanagements handelt), müsste sich der BFH für eine solche Feststellung sehr weit vorwagen. Dadurch würde auch die Neuregelung seit infrage gestellt werden.

Hinweis

Eine BFH-Entscheidung und deren Veröffentlichungen sind kaum innerhalb der nächsten sechs Monate zu erwarten. Zieht sich das Verfahren noch bis 2016 hin, ist zum Jahresende darauf zu achten, dass keine neue Festsetzungsverjährung eintritt.

Autor

Matthias Trinks,
Dipl.-Jur., BScBA, ist Lehrbeauftragter an der FH Dortmund und moderiert in der NWB Community.

Fundstelle(n):
USt direkt digital 6 / 2015 Seite 11
NWB BAAAE-87234