BBV Nr. 5 vom Seite 24

Steuerfalle Geldmarktfonds

Oliver Schultze *

Zinserträge/Thesaurierung/Veräußerung

Geldmarktfonds werden von vielen Anlegern als Tagesgeldersatz genutzt. Da die meisten Geldmarktfonds ohne Ausgabeaufschlag vertrieben werden, ergibt sich eine Rendite, die auch bei kurzfristiger Anlage der von Tagesgeldern angenähert ist. Das Portefeuille dieser Investmentfonds besteht fast ausschließlich aus kurzlaufenden Geldmarktpapieren (commercial paper) oder festverzinslichen Wertpapieren mit einer Restlaufzeit unter einem Jahr. Veräußerungsgewinne oder -verluste fallen aufgrund des geringen Kursrisikos bei solchen kurzlaufenden Papieren daher auf Ebene des Fondsvermögens nur in sehr geringem Rahmen an. Der überwiegende Teil des Wertzuwachses resultiert aus Zinserträgen. Diese sind bei Ausschüttung, aber auch – was häufig vernachlässigt wird – bei Thesaurierung jährlich zu versteuern.

Da die Anlage in Geldmarktfonds häufig wie die Anlage in Tagesgeld genutzt wird, erfolgt eine Veräußerung der Fondsanteile in den meisten Fällen innerhalb der Jahresfrist des § 23 EStG. Dabei entsteht regelmäßig auf den ersten Blick ein Veräußerungsgewinn. Die dabei entstehende Problematik hat sich durch die Abschaffung des Zwischengewinns zum dabei sogar noch verschärft.

Beispiel (Rechtslage bis 2003):

Martin M. kauft am dreihundert Anteile des XY Geldmarkt-Fonds zu einem Ausgabepreis von 63,21 €. Die Abrechnung weist 18 963,-- € als Kaufpreis aus, davon entfallen 483,-- € (1,61 € je Anteil) auf den gezahlten Zwischengewinn. In der Erträgnisaufstellung seiner Bank für 2002 werden der gezahlte Zwischengewinn von 483,-- € und die zum S. 25 erfolgte Thesaurierung in Höhe von 1,91 € je Anteil, insgesamt 573,-- € ausgewiesen.

Am gibt M. die Anteile über seine Hausbank zu einem Rücknahmepreis von 63,32 € an die Fondsgesellschaft zurück. Ihm werden ohne Abzug von Kapitalertragsteuer 18 996,-- € gutgeschrieben, der Zwischengewinn beträgt 111,-- € (0,37 € je Anteil). Es ergibt sich ein Brutto-Wertzuwachs von 33,-- € (Veräußerungserlös 18 996,-- € abzgl. Kaufpreis 18 963,-- €).

M. gibt in seiner Steuererklärung 2002 den Ertrag aus der Thesaurierung (573,-- €) zum abzüglich der gezahlten Zwischengewinne (483,– €) von 90,– € an. In seiner Steuererklärung 2003 gibt er die beim Verkauf erhaltenen Zwischengewinne in Höhe von 111,-- € an. Zusätzlich übernimmt M. einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 33,-- € in die Anlage SO.

Wie ist's richtig?

Die Erträge aus Kapitalvermögen hat M. richtig angegeben. Anstelle eines Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften ergibt sich jedoch ein Verlust in Höhe von 168,-- €. Zunächst sind die Anschaffungskosten und der Veräußerungserlös jeweils um die darin enthaltenen Zwischengewinne zu kürzen.


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Zwischengewinn
Korrigierte Werte
Anschaffungskosten
18 963,–
483,–
18 480,–
Veräußerungspreis
18 996,–
111,–
18 885,–
Vorläufiger Gewinn
405,–
Versteuerte Thesaurierung
573,–
Endgültiges Ergebnis
- 168,–

Der vorläufige Gewinn erhöht sich auf 405,-- €. Diesen Wertzuwachs hat M. aber über die Thesaurierung als Einkünfte aus Kapitalvermögen in 2002 ebenfalls bereits versteuert. Der Thesaurierungsbetrag in Höhe von 573,-- € ist deshalb noch vom Veräußerungsgewinn abzuziehen, so dass bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften ein Verlust in Höhe von 168,-- € zu erfassen ist. In der Summe sind 33,-- € als steuerpflichtige Einkünfte zu erfassen. Dies entspricht auch dem tatsächlichen Mehrvermögen.

Beispiel (Rechtslage ab 2004):

Verlegt man das Beispiel in das Jahr 2004, ergibt sich bei ansonsten gleichen Zahlen folgendes Bild: Der Anleger Martin M. kauft am dreihundert Anteile des XY Geldmarkt-Fonds zu einem Ausgabepreis von 63,21 €. Die Abrechnung weist 18 963,-- € als Kaufpreis aus. Zum 31. Mai erfolgt eine Thesaurierung in Höhe von 1,91 € je Anteil. Am gibt M. die Anteile über seine Hausbank zu einem Rücknahmepreis von 63,32 € an die Fondsgesellschaft zurück. Es ergibt sich ein Brutto-Wertzuwachs von 33,-- € (Veräußerungserlös 18 996,-- € abzgl. Kaufpreis 18 963,-- €).

In der Erträgnisaufstellung seiner Bank für 2004 wird die zum erfolgte Thesaurierung in Höhe von 1,91 € je Anteil, insgesamt 573,-- € ausgewiesen. Außerdem sind von den Kreditinstituten ab 2004 auch die Veräußerungsvorgänge in der Erträgnisaufstellung anzugeben. Die Bank wird also in der Aufstellung auch die Kauf- und Verkaufsdaten und somit den Veräußerungsgewinn von 33,-- € ausweisen.

Übernimmt M. diese Werte in seine Steuererklärung, ergibt sich insgesamt ein steuerpflichtiger Betrag von 606,-- €. Dies entspricht bei der Haltedauer von fünf Monaten einem Wertzuwachs von ca. 7,68 v. H. p. a.! Bei einem aktuellen Zinsniveau von unter 4 v. H. p. a. wird schnell deutlich, dass hier etwas nicht stimmen kann.

Wie ist's hier richtig?

Die Erträge aus Kapitalvermögen hat M. mit 573,-- € zwar richtig angegeben. Als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften ergibt sich jedoch ein Verlust in Höhe von 540,-- €. Der sich aus den An- und Verkaufsdaten ergebende Gewinn von 33,-- € ist um die bereits versteuerte Thesaurierung von 573,-- € zu kürzen. In Summe versteuert er daher nur das tatsächliche Mehrvermögen von 33,-- € als Einkünfte.

Nutzung bestehender steuerlicher Verlustvorträge im Rahmen des § 23 EStG

Anleger, die über bestehende Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften der Vorjahre verfügen, können sich diese „Steuerfalle„ aber auch zu Nutzen machen. Die ansonsten nicht mit Kapitaleinkünften verrechenbaren Verluste aus den sog. Spekulationsgeschäften lassen sich wirtschaftlich doch noch mit Kapitaleinkünften verrechnen.

Wer einen thesaurierenden Geldmarktfonds direkt nach der Thesaurierung erwirbt und ihn vor der nächsten Thesaurierung innerhalb der Jahresfrist wieder verkauft, erzielt in aller Regel einen Wertzuwachs ungefähr in Höhe der Geldmarktzinsen. Da der Anleger weder eine Ausschüttung erhält noch eine Thesaurierung anfällt, erzielt er steuerlich keine Kapitalerträge mehr.S. 26 Wirtschaftlich gesehen handelt es sich bei dem Veräußerungsgewinn aber um die aufgelaufenen Zinserträge des Investmentfonds. Durch die Abschaffung des Zwischengewinns wird dieser Wertzuwachs aber ab 2004 allenfalls bei den privaten Veräußerungsgeschäften versteuert.

Wer hier noch über Verlustvorträge verfügt, kann diese nutzen und sie mit dem Gewinn aus der Veräußerung der Geldmarktfonds verrechnen. Der Anleger erzielt somit einen steuerfreien Wertzuwachs in Höhe des Geldmarktzinses!

Keine Verlustvorträge vorhanden

Wer nicht über Verlustvorträge aus privaten Veräußerungsgeschäften verfügt, kann durch entsprechende Gestaltung aber zumindest jedes zweite Jahr einen steuerfreien Ertrag in Höhe des Geldmarktzinses erzielen. Dazu muss der Investmentfonds kurz nach der Ausschüttung im Jahr 01 gekauft werden und kurz vor der Ausschüttung im Jahr 03 wieder verkauft werden. Im Jahr 02 hat der Anleger die Ausschüttung/Thesaurierung bei den Kapitaleinkünften zu versteuern. Im Jahr 03 realisiert er die aufgelaufenen Zinserträge des Fonds, die sich im gestiegenen Anteilspreis niederschlagen, dann durch den Verkauf der Anteile. Da die Jahresfrist des § 23 EStG bereits abgelaufen ist, ist der Veräußerungsgewinn nicht steuerpflichtig.

Fazit

Für Anleger, die kurzfristig in Geldmarkt- oder auch Rentenfonds investieren, ist die Auswahl der richtigen Fonds nach der Abschaffung des Zwischengewinns wichtiger den je. Ein Blick auf den Thesaurierungs- oder Ausschüttungstermin lohnt immer.

Außerdem sollte sich der Anleger darauf vorbereiten, dass es bei der Steuererklärung für 2004 zu Nachfragen kommt, da die Bank in ihrer Erträgnisaufstellung keine Korrektur der Veräußerungsdaten um die Thesaurierung vornehmen wird. Eine Kontrolle der Erträgnisaufstellung und die Aufbewahrung der Belege wird damit sehr wichtig.

Fundstelle(n):
BBV 5/2004 Seite 24
NWB BAAAB-20981