FG Münster Urteil v. - 5 K 371/19 E

Einkommensteuer

Nachzahlung Erwerbsminderungsrente, Fünftelregelung

Leitsatz

Auf die Nachzahlung einer Erwerbsminderungsrente durch die Deutschen Rentenversicherung (DRV), die sich auf zwei Veranlagungszeiträume bezieht, ist die Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG (Fünftelregelung) nicht anzuwenden, wenn sich die Vergütung auf einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten erstreckt.

Gesetze: EStG § 34 Abs 1, Abs 2 Nr 4

Tatbestand

Streitig ist noch, ob für eine vom Kläger bezogene Rentennachzahlung der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) zu gewähren ist.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden im Streitjahr 2017 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.

Das Angestelltenarbeitsverhältnis des Klägers wurde im Veranlagungszeitraum 2017 aufgrund vorliegender Anspruchsvoraussetzungen zur Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgelöst. Während des Antrags- und Prüfungsverfahrens zur Rente wegen voller Erwerbsminderung erhielt der Kläger zunächst Entgeltersatzleistungen von der Agentur für Arbeit C (Arbeitslosengeld), der … Krankenkasse (Krankengeld) und der Deutschen Rentenversicherung (Übergangsgeld).

Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) vom wurden laufende Rentenzahlungen wegen voller Erwerbsminderung ab dem sowie eine Rentennachzahlung für den Zeitraum bis in Höhe von 14.076,21 € bewilligt. Aus einem Schreiben der DRV vom geht hervor, dass von der festgesetzten Rentennachzahlung dem Kläger nur 812,32 € ausgezahlt wurden, weil aus der Rentennachzahlung Erstattungsansprüche der Agentur für Arbeit C i.H.v. 3.656,89 € und der Krankenkasse i.H.v. 9.607,00 € zu bedienen waren.

Der Beklagte berücksichtigte im ESt-Bescheid 2017 vom für den Ehemann den von der DRV für das Jahr 2017 elektronisch übermittelten Jahresbetrag von 13.103 € mit einem Besteuerungsanteil von 68 % (= 8.910 €) unter Abzug eines Werbungskosten-Pauschbetrags i.H.v. 102 € als sonstige Einkünfte (8.808 €). Im Übrigen veranlagte er die Eheleute erklärungsgemäß. Die ESt 2017 setzte der Beklagte auf 3.795 € fest.

Mit einem hiergegen gerichteten Einspruch der Kläger machten diese geltend, dass der Kläger in 2017 keine Rente erhalten habe, da die dem Kläger rückwirkend gewährte Rente mit Erstattungsansprüchen verrechnet worden sei, sowie, dass die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG auf die dem Jahr 2017 entfallende Rentennachzahlung begehrt werde.

Der Beklagte erließ einen geänderten ESt-Bescheid 2017 vom , mit dem er die ESt auf 2.972 € herabsetzte. Bei der Berechnung des Steuersatzes berücksichtigte der Beklagte im Wege des Progressionsvorbehalts nach § 32b EStG u.a. Lohnersatzleistungen des Klägers nunmehr nur noch i.H.v. insgesamt 12.415 € (vorher 24.416 €).

Die Kläger wandten weiter ein, dass die zu berücksichtigenden, vom Kläger bezogenen Lohnersatzleistungen nach Bedienung von Erstattungsansprüchen nur 11.150 € (statt 12.415 €) betragen würden und machten weiterhin die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes geltend. Die Rentennachzahlung sei nicht nur i.H.v. 2.392,52 €, sondern i.H.v. 3.656,89 € mit Leistungen der Agentur für Arbeit verrechnet worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zu der Besteuerung der Rentennachzahlung führte der Beklagte aus, dass insoweit keine außerordentlichen Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG vorliegen würden, da die Nachzahlung, soweit sie sich nicht auf den laufenden Veranlagungszeitraum 2018 beziehe, nur einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfasse ( bis ).

Zur Begründung ihrer hierauf erhobenen Klage tragen die Kläger vor, dass die rückwirkend angerechnete Rentennachzahlung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zu berücksichtigen sei. Die Rentennachzahlung erstrecke sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume (2017/2018) und umfasse einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten, hier insgesamt 13 Monate ( bis zum ).

Eine seitens des Beklagten schriftlich gestellte Anfrage bei der Agentur für Arbeit C hat ergeben, dass der Kläger für 2017 tatsächlich ein Arbeitslosengeld in Höhe von 317,53 € bezogen hat (Leistungen für -: 2.392,52 €, Erstattung wegen rückwirkend bewilligter Rente wegen voller Erwerbsminderung für -: 2.074,99 €), so dass sich die für den Kläger zu berücksichtigenden Lohnersatzleistungen auf insgesamt 12.734,16 € belaufen würden. Das Arbeitslosengeld war bei der ESt hingegen tatsächlich nur mit 0 € berücksichtigt worden. Es wird auf das Antwortschreiben der Agentur für Arbeit C vom Bezug genommen (Gerichtsakte Bl. 30). Daraufhin haben die Kläger erklärt, die Klage wegen der Höhe der Progressionseinkünfte nicht mehr weiterzuverfolgen.

Die Kläger beantragen nunmehr sinngemäß,

den ESt-Änderungsbescheid für 2017 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass auf den steuerpflichtigen Teil der Rentennachzahlung in Höhe von 8.808 € der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG angewandt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung.

Entscheidungsgründe

I. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

II. Die Klage ist unbegründet.

Der ESt-Änderungsbescheid 2017 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte hat die von der DRV bewilligte und das Streitjahr 2017 betreffende Rentennachzahlung zu Recht nicht als außerordentliche Einkünfte der sog. Fünftelregelung nach § 34 EStG unterworfen.

1. Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den Leibrenten und sonstigen Leistungen, die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind. Daher bestimmt sich der Besteuerungsanteil der Rente nach der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG, der vorliegend unstreitig 68% beträgt.

Im Streitfall war die in 2018 für das Jahr 2017 nachgezahlte Erwerbsminderungsrente der DRV im Wege der Erfüllung von Erstattungsansprüchen der Agentur für Arbeit C i.H.v. 2.074,99 € und der Krankenkasse i.H.v. 9.607 € als Leibrente i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bereits für das Streitjahr 2017 zu berücksichtigen. Diese Beträge unterliegen infolge der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Höhe der von der DRV für das Jahr 2017 geleisteten Erstattungen als Leibrente mit ihrem Besteuerungsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG der ESt. Die Zahlen sind zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig. Durch die folgerichtige Zugrundelegung der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X liegt der Rentenbeginn im Streitfall in dem Jahr, in dem der Kläger die Leistungen – unabhängig von ihrem Rechtsgrund – tatsächlich erhalten und sich seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht hat, mithin in 2017 (vgl. zum Ganzen , BStBl II 2016, 624; , juris, rechtskräftig). Gleiches gilt hinsichtlich des in 2017 bezogenen Übergangsgeldes i.H.v. 1.967,70 €, hinsichtlich dessen wegen des identischen Leistungsträgers keine Erstattung zu erfolgen hatte.

2. Der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 EStG findet auf die Renteneinkünfte des Klägers keine Anwendung. Es handelt sich nicht um Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i.S.v. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, auch wenn hierunter Rentennachzahlungen grundsätzlich zu fassen sein können.

Zwar betraf die Nachzahlung für den Zeitraum bis mehrere Veranlagungszeiträume, nämlich die Veranlagungszeiträume 2017 und 2018. Doch erstreckt sich die Vergütung nicht auf einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten, weil nur der Zeitraum maßgebend ist. Soweit die Nachzahlung für die Monate Januar und Februar 2018 erfolgt ist, stellt dies lediglich eine zeitlich verzögerte Auszahlung der das Jahr 2018 betreffenden laufenden Rentenzahlungen dar, die von vornherein keine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S.v. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstellen kann (, EFG 2018, 1449 mit zust. Anm. Wackerbeck). Diese beiden Monate müssen nach dem Sinn und Zweck des § 34 EStG bei der Beurteilung der Dauer des Nachzahlungszeitraums i.S.v. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG außer Betracht bleiben. Denn Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine steuerliche Ermäßigung für zusammengeballt zugeflossene Einkünfte, deren Zusammenballung eine steuerliche Verschlechterung für den Steuerpflichtigen mit sich führt. Dies ist betreffend die Rentennachzahlung für die Monate Januar und Februar 2018 nicht der Fall. Es handelt sich um keine über den regelmäßigen Rentenanspruch hinausgehende, zusätzliche Zahlung, die der Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes bedürfte, weil die Versteuerung kalenderjahrbezogen auch für 2018 erfolgt.

Außerdem hat der Kläger die Rentennachzahlung letztlich nicht zusammengeballt erhalten und zu versteuern, was sich auch in der Versteuerung des das Streitjahr 2017 betreffenden Betrags im maßgebenden Kalenderjahr 2017 niederschlägt. Der Kläger hat monatlich laufend Arbeitslosengeld und/oder Krankengeld und/oder Übergangsgeld erhalten, welches auf den Rentenanspruch wegen Erwerbsminderung angerechnet wurde, so dass es in 2018 auch zu einer entsprechend verminderten Auszahlung kam. Eine Versteuerung der letztlich bereits in 2017 zugeflossenen Beträge erfolgt deshalb folgerichtig auch entsprechend der laufenden Zahlungen im Rahmen der ESt 2017 und nicht im Rahmen der ESt 2018 (siehe unter II.1. der Entscheidungsgründe).

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 FGO.

Anmerkung

ECLI:DE:FGMS:2019:0919.5K371.19E.00

Fundstelle(n):
BB 2019 S. 2646 Nr. 45
DStR 2020 S. 8 Nr. 1
DStRE 2020 S. 139 Nr. 3
GStB 2020 S. 2 Nr. 1
KÖSDI 2019 S. 21513 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2020 S. 290
StB 2019 S. 362 Nr. 12
AAAAH-33621