BBK Nr. 20 vom Seite 949

Wie wäre es mit einem Gesetz mit zertifizierter juristischer Sicherheitseinrichtung?

Bernd Rätke | VRiFG Berlin-Brandenburg, BBK-Herausgeber

[i]Bayerisches Staatsministerium der Finanzen vom 25.9.2019Das Bayerische Finanzministerium hat die Reißleine gezogen: Für die Einführung der zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung bei elektronischen Registrierkassen wird die gesetzliche Frist vom auf den verlängert. Offiziell ist von einer Nichtbeanstandungsregelung die Rede, weil die zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung „noch nicht flächendeckend am Markt verfügbar ist“. Mehr dazu lesen Sie in der Meldung auf Seite 952 in der Rubrik Steuerrecht aktuell.

Hinter [i]Gesetz wurde vor Abschluss der Marktreife verabschiedetder Verlautbarung aus Bayern verbirgt sich eine schallende Ohrfeige für den Gesetzgeber. Dieser hatte nämlich im Dezember 2016 die Umstellung auf elektronische Kassen mit zertifizierter technischer Sicherheitseinrichtung mit Wirkung zum eingeführt, obwohl das hierfür erforderliche Modul noch gar nicht entwickelt war. Wenig überraschend stellt sich nun heraus, dass es nicht geschickt ist, wenn der Gesetzgeber etwas verlangt, was noch gar nicht erfunden worden ist. Unter Praktikern hat sich die umgekehrte Reihenfolge bewährt: Erst wird etwas erfunden – dann wird es in der Praxis eingesetzt.

Der [i]Bestellung und Auslieferung der KassenGesetzgeber scheint auch nicht bedacht zu haben, dass der millionenfache Austausch von Kassen seine Zeit brauchen wird. Die Einführung des § 146a AO hat den Kassenherstellern erhebliche Umsatzeinbrüche beschert, weil kein Unternehmer eine Kasse erwerben will, die kurz nach ihrer Anschaffung nachgerüstet werden muss. Mit der Verfügbarkeit der Sicherheitseinrichtung stehen den Kassenherstellern zwar nun Bestellungen in erheblichem Umfang bevor. Aber diese Bestellungen müssen auch bearbeitet, die Kassen ausgeliefert und vom Unternehmer erprobt werden.

Für [i]Vordruck für Mitteilungen fehlt ebenfallsErstaunen sorgt ferner die Mitteilungspflicht über den Einsatz einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck nach § 146a Abs. 4 AO. Diesen Vordruck gibt es nämlich noch nicht. Natürlich: Wie sollte auch ein Vordruck innerhalb von gerade einmal fast drei Jahren entwickelt werden? Wer je Mitglied einer Vordruckkommission im öffentlichen Dienst war, weiß, wie hochkomplex der Entwurf eines neuen Vordrucks ist. [i]Eggert, Die GoBD sind verschwunden, Editorial BBK 17/2019 S. 805 NWB FAAAH-29332 Ganz zu schweigen von der Sinnhaftigkeit, elektronische Systeme mittels eines Papiervordrucks zu melden und dort dann Seriennummern einzutragen in einem Format wie zum Beispiel 4PIKOGRLFWJAWLHRJD62WZ4QTZCCY6BPLBGE5LMZOYHWKSJX6VAA; mein Herausgeber-Kollege Wolfgang Eggert hat dies in BBK 17/2019 auf Seite 805 an dieser Stelle näher ausgeführt.

Dass [i]Abstimmung unter den Ländern ist zu erwartendie Bayern nun faktisch eine Übergangsfrist bis zum einführen, ist für die bayerischen Unternehmer ein guter Schritt. Er dürfte dazu führen, dass auch die anderen Landesfinanzbehörden mit einer Übergangsfrist reagieren. S. 950

Dennoch [i]Doppeltes Geschmäckle hat die jetzt verkündete Übergangsfrist aus Bayern ein doppeltes Geschmäckle: Zum einen wird die Übergangsfrist als „Nichtbeanstandungsregelung“ dargestellt; aus Sicht des Steuerzahlers ist diese Formulierung inakzeptabel, da der Gesetzgeber mit seiner vorzeitigen Einführung einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung vor dem Abschluss ihrer Marktreife für Chaos gesorgt hat. Zum anderen wird § 85 AO missachtet: Danach hat die Verwaltung den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung zu beachten. [i]Verstoß gegen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der VerwaltungMit anderen Worten: Eine gesetzliche Frist – hier die zum – ist seitens der Behörden zu überwachen und darf nicht eigenmächtig außer Kraft gesetzt werden. Dies wäre allein Aufgabe des Gesetzgebers, der § 146a AO und die Regelung über das Inkrafttreten in Art. 97 § 30 Abs. 1 EGAO ändern müsste.

Vielleicht sollte der Gesetzgeber lieber einmal über die Zertifizierung von Gesetzen nachdenken, also Gesetze mit zertifizierter juristischer Sicherheitseinrichtung verabschieden. Gesetze, die technische Standards vorschreiben, dürften danach erst dann verabschiedet werden, wenn der technische Standard bereits erfunden, entwickelt und marktgängig gemacht worden ist.

Beste Grüße

Bernd Rätke

Fundstelle(n):
BBK 2019 Seite 949 - 950
NWB AAAAH-32354