1%-Regelung bei einem Gesellschafter: Vereinbarung eines privaten Nutzungsverbots
Leitsatz
1. Bei einem Gesellschafter ist die auf den Beweis des ersten Anscheins gestützte Annahme, er habe einen ihm zur Verfügung stehenden Dienst-Pkw privat genutzt, auch dann möglich, wenn formal ein Nutzungsverbot zwischen den Gesellschaftern vereinbart worden ist.
2. Bei einem Gesellschafter, der zu 96 % am Gewinn beteiligt ist, sind an den Nachweis fehlender Privatnutzung strenge Anforderungen zu stellen.
Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
Verfahrensstand: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine steuerpflichtige private Pkw-Nutzung durch den Gesellschafter der Klägerin erfolgt ist.
Die Klägerin ist eine in 2008 gegründete aus einem Rechtsanwalt und einer Rechtsanwältin bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Auf der Gesellschafterversammlung vom ... 2014 beschlossen die Gesellschafter der Klägerin für 2013, dass für das Hamburger Büro Rechtsanwalt A 92,5 % und Rechtsanwältin B 7,5 % erhalten solle, der Gewinn aus dem Büro in C stand Rechtsanwältin B alleine zu. Für 2014 wurde auf der Gesellschafterversammlung vom ... 2015 eine Gewinnverteilung für Hamburg von 96 % und 4 % beschlossen. Für das Büro in C blieb es bei der Gewinnverteilung des Vorjahrs.
Für das Jahr 2013 gab die Klägerin ihre Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung am ab. Sie erklärte für das Hamburger Büro einen Jahresüberschuss in Höhe von ... € und für das Büro in C in Höhe von ... €. In der Anlage EÜR wurde kein Eigenverbrauch für eine private Kfz-Nutzung erklärt.
Der Beklagte teilte durch Schreiben vom u. a. mit, dass für die private Kfz-Nutzung des Gesellschafters ... € als Sonderbetriebseinnahme anzusetzen sei. Durch Schreiben vom bat der Beklagte u. a. um Mitteilung von Informationen zu dem in 2013 neu angeschafften Kfz. Die Klägerin teilte durch Schreiben vom mit, dass das neu angeschaffte Kfz ausschließlich vom Gesellschafter genutzt werde und sich die Nutzung des neuen Pkw nicht von der Nutzung des bisherigen Pkw unterscheide, eine private Nutzung gesellschaftsvertraglich aber ausgeschlossen sei.
Mit Bescheid für 2013 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom stellte der Beklagte Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von ... € fest. In den Erläuterungen ist folgender Hinweis enthalten:
Die private Kfz-Nutzung (A) ist wie in den Vorjahren mit der "1%"-Regelung als Sonderbetriebseinnahmen anzusetzen, weil kein Fahrtenbuch geführt wurde. Der Bruttolistenpreis für den im Kj. 2013 angeschafften PKW wurde auf ... € geschätzt. Der Privatanteil ist i.H.v. ... € zu berücksichtigen, davon sind 80 % = ... € der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Gegen diesen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt.
Für das Jahr 2014 gab die Klägerin ihre Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung am ab. Sie erklärte einen Gewinn in Höhe von ... €. In der Anlage EÜR waren Kfz-Kosten in Höhe von ... € erfasst, eine private Kfz-Nutzung wurde in Höhe von ... € erklärt.
Der Beklagte bat am um Erläuterung zu der Ermittlung der privaten Pkw-Nutzung, insbesondere, ob die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte berücksichtigt worden seien. Die Klägerin teilte mit Schreiben vom mit, dass der Nettolistenpreis des angeschafften Fahrzeugs ... € betragen habe und 1 % hiervon ... € monatlich seien, so dass ein Jahresbetrag i. H. v. ... € zu versteuern sei. Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte seien im Rahmen der nicht abziehbaren Betriebsausgaben nicht berücksichtigt worden.
Die Klägerin erläuterte mit Schreiben vom , wie sie die private Pkw-Nutzung in Höhe von ... € berechnet habe.
Mit Bescheid für 2014 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom stellte der Beklagte Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. H. v. ... € fest. In der Anlage zum Feststellungsbescheid 2014 sind als weitere Begründung und Nebenbestimmung folgende Erläuterungen enthalten:
Die Bemessungsgrundlage für die nach der 1%- Methode zu ermittelnde private Kfz-Nutzung ist der auf volle 100 € abgerundete Bruttolistenpreis. Dies sind ... €. Für die private Kfz Nutzung ist eine Privateinnahme i.H.v. ... € zu berücksichtigen. Die Umsatzsteuer auf die private Kfz Nutzung i.H.v. ... € ist als Betriebseinnahme zu berücksichtigen.
Am legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung trug die Klägerin insbesondere vor, dass die Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb nicht zu berücksichtigen seien, da diese Fahrten nicht mit dem Pkw erfolgt seien, sondern mit der U-Bahn, denn ihr Gesellschafter verfüge über ein Abonnement des HVV. Ein aktueller Abdruck sei beigefügt. Das Abonnement bestehe bereits seit mehreren Jahren. Erstmalig mit Schreiben vom teilte die Klägerin mit, dass für den Pkw XX durch die beigefügte Vereinbarung vom ausgeschlossen worden sei, dass das Fahrzeug privat genutzt werden könne. Der Pkw werde auch nicht privat genutzt. Dafür stehe dem Gesellschafter ein anderer PKW zur Verfügung. In diesem Zusammenhang legte die Klägerin die Kopie einer Vereinbarung vom vor, welche von beiden Gesellschaftern unterschrieben ist. Dieser Umstand sei bedauerlicherweise übersehen worden, da der Gesellschafter langwierig und unerwartet ausgefallen sei.
Der Beklagte teilte am mit, dass wegen der Vorlage der HVV-Bestätigung keine Hinzurechnung für die Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte mehr vorgenommen werde. Die 1%-Regelung komme hingegen zur Anwendung, da der Anscheinsbeweis von der Klägerin nicht entkräftet worden sei. Zwar habe die Klägerin vorgetragen, dass ihr Gesellschafter noch über ein weiteres Fahrzeug im Privatvermögen verfüge, dieses werde jedoch auch von der Ehefrau des Gesellschafters benutzt. Die Ehefrau benötige dieses Kfz bereits für ihre Fahrten zur Arbeitsstätte mit einer Gesamtfahrleistung von ca. 4.000 km. Diese 4.000 km seien die bei der Versicherung angegebene Jahresfahrtleistung, so dass kaum Raum für eine private Nutzung hier verbliebe.
Am überreichte die Klägerin zwei Mitteilungen über die Mitgliedsbeiträge für das Versorgungswerk für den Gesellschafter A über die Mitgliedsbeiträge in den Jahren 2013 und 2014.
Durch Einspruchsentscheidung vom wurden die Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf ... € herabgesetzt. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.
Am hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, dass keine private Nutzung des Pkws zu berücksichtigen sei, weil eine solche nicht stattgefunden habe. Der Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass sie, die Klägerin, den Anscheinsbeweis, den der Beklagte für die Anwendung der 1%-Regelung anführe, nicht widerlegt habe.
Die Beiträge zum Versorgungswerk seien zu berücksichtigen. Sie, die Klägerin habe die Zahlungen geleistet. Dies könne ihre Mitarbeiterin Frau D auch bezeugen. Sowohl das Gericht als auch der Beklagte hätten dies in der mündlichen Verhandlung vom erklärt. Auf das entsprechende Protokoll werde verwiesen. Die Beiträge seien zumindest als Sonderbetriebsausgaben zu berücksichtigen.
Nachdem das Gericht die Zeugin D geladen hatte, erklärte die Klägerin, dass sie auf die Zeugin verzichte. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte die Klägerin, dass sie ihren Vortrag zu den von ihr geleisteten Zahlungen nicht mehr aufrechterhalte. In der mündlichen Verhandlung am erklärte die Klägerin, dass sie ihre Klage bezüglich der Zahlungen an die Rechtsanwaltskammer nicht mehr fortsetze.
Für 2013 hat die Klägerin keinen konkreten Klageantrag gestellt. Ihr Prozessbevollmächtigter erklärte in der mündlichen Verhandlung am , dass die Klage aber nicht für 2013 zurückgenommen werden solle.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid für 2014 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass für die PKW-Nutzung durch den Gesellschafter A kein Eigenverbrauch in Höhe von ... € zuzüglich Umsatzsteuern in Höhe von ... € berücksichtigt wird und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend niedriger festgestellt werden.
Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beruft sich zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung vom und trägt ergänzend vor, dass die Klage, soweit sie das Streitjahr 2013 betreffe, bereits unzulässig sei. Ein Vorverfahren hierfür sei nicht durchgeführt worden, da die Klägerin keinen Einspruch eingelegt habe.
Hinsichtlich der Streitjahres 2014 sei die Klage zwar zulässig aber unbegründet. Die Klägerin habe den Anscheinsbeweis, der für eine private Nutzung des Kfz spreche, nicht widerlegen können. Das private Kfz des Gesellschafters werde von der Ehefrau des Gesellschafters an 230 Tagen jeweils für 16 km genutzt, so dass bereits 3.680 km mit diesen Kfz zurückgelegt würden. Damit verblieben nur 320 km für sonstige Privatfahrten. Das sei bezogen auf ein Jahr sehr wenig für familiäre Aktivitäten, wenn man einbeziehe, dass es sich um eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern handele. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung nutze der Gesellschafter-Geschäftsführer ein ihm zur Verfügung stehendes Betriebsfahrzeug auch für private Fahrten. Dies gelte insbesondere, wenn es sich um ein repräsentatives Fahrzeug handele und der Gesellschafter-Geschäftsführer über keinen weiteren privaten PKW verfüge. Auch ein vertragliches Verbot einer privaten Nutzung genüge regelmäßig nicht, eine private Nutzung vollständig auszuschließen, schon gar nicht, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer die unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit auf das Fahrzeug habe. Vielmehr müssten in derartigen Fällen geeignete organisatorische Maßnahmen getroffen werden, um sicherzustellen, dass tatsächlich keine Privatfahrt mit dem Unternehmensfahrzeug durchgeführt werden könne. Dies könne insbesondere durch ein Fahrtenbuch geschehen. Ein Fahrtenbuch sei nicht geführt worden, so dass die Klägerin die ausschließliche betriebliche Nutzung des betrieblichen PKW nicht nachweisen könne. Das vereinbarte Nutzungsverbot sei sanktionslos und hindere eine abredewidrige Privatnutzung des Fahrzeuges durch den Gesellschafter nicht. Die Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zur Kfz-Überlassung an Angestellte lasse sich nicht auf einen Gesellschafter-Geschäftsführer übertragen. Denn anderenfalls hinge die Besteuerung nicht vom tatsächlichen Lebenssachverhalt, sondern von einer nur auf dem Papier bestehenden Rechtslage ab. Dies würde dem Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gemäß § 85 AO widersprechen. Es sei weltfremd, anzunehmen, dass eine private PKW Nutzung unterbliebe, nur weil dies im Geschäftsführervertrag oder anderenorts geregelt sei. Bei einem solchen Verständnis der Regelungen drohe ein Vollzugsdefizit, weil das Finanzamt in der Regel den Nachweis einer privaten Nutzung nicht führen könne. Zudem setze sich ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der sich über ein mit der Gesellschaft vereinbartes Verbot hinwegsetze, nicht einmal ansatzweise dem Risiko arbeits- oder zivilrechtlicher Konsequenzen aus, wie sie einem Arbeitnehmer bei vergleichbarer Handlung drohten.
Durch den Beschluss vom wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin übertragen.
Der Klägerin wurde durch richterliche Verfügung vom eine Ausschlussfrist bis zum gesetzt, um alle Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren eine Beschwer empfunden wird. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verfügung vom verwiesen.
Auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung vom wird verwiesen. Dem Gericht haben die Akte Allgemeines, die Umsatzsteuerakten, die BP-Akten, die Gewinnfeststellungsakten, die Bilanz- und Bilanzberichtsakten und die Rechtsbehelfsakten zu der Steuernummer .../.../... vorgelegen.
Gründe
Die Entscheidung ergeht gem. § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin.
I.
Die Klage ist, soweit sie 2013 betrifft, unzulässig und soweit sie 2014 betrifft, zulässig und unbegründet. Der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2014 vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
1. Die Klage ist unzulässig, soweit sie sich gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2013 vom wendet.
Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am keinen ausdrücklichen Klageantrag gestellt. Sie hat jedoch erklären lassen, dass sie die Klage nicht zurücknehme, so dass auch eine Entscheidung für das Jahr 2013 zu erfolgen hat.
Es muss durch Auslegung ermittelt werden, was die Klägerin mit ihrer Klage begehrt. Das Ziel der Klage ist die Nichtberücksichtigung einer privaten Kfz-Nutzung durch den Gesellschafter. Zur Erreichung dieses Ziels käme grundsätzlich eine Anfechtungsklage in Betracht. Eine solche wäre unzulässig, denn gegen den Feststellungsbescheid 2013 hat die Klägerin keinen Einspruch eingelegt, so dass der Bescheid bestandskräftig geworden ist.
Auch eine grundsätzlich in Frage kommende Verpflichtungsklage wäre unzulässig, denn es wurde nicht gegen die Ablehnung eines Änderungsantrags Einspruch eingelegt, so dass es für eine Verpflichtungsklage am erforderlichen Vorverfahren fehlen würde und damit auch eine solche Klage unzulässig wäre.
2. Der angefochtene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2014 vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtmäßig.
Zu Recht hat der Beklagte gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) die 1%-Regelung angewandt und die private Nutzung des Pkw durch den Gesellschafter als Sonderbetriebseinnahme erfasst.
Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kfz, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen.
Die Beteiligten sind übereinstimmend davon ausgegangen, dass das streitbefangene Kfz mehr als 50 % betrieblich genutzt wird. Eine Verböserung ist im gerichtlichen Verfahren nicht möglich, so dass das Gericht nicht aufklären musste, ob diese Annahme tatsächlich richtig ist.
Der Beklagte ist in zutreffender Weise davon ausgegangen, dass der Gesellschafter der Klägerin, das ihm zur Verfügung stehende betriebliche Fahrzeug im Streitjahr 2014 auch privat genutzt hat, nachdem ihm in diesem Jahr kein vergleichbares privates Fahrzeug zur freien Verfügung gestanden hat.
Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Bewertungsregel in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG unanwendbar, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat (vgl. , BFHE 215, 256, BStBl II 2007, 116, m. w. N.; , BFH/NV 2008, 210). Das Gericht muss sich deshalb grundsätzlich die volle Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) davon bilden, dass eine private Nutzung tatsächlich stattgefunden hat, wenn es § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG anwenden will (vgl. , BFH/NV 2007, 716).
Nach der allgemeinen Lebenserfahrung werden dienstliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt. Dafür spricht der Beweis des ersten Anscheins (, BFH/NV 2009, 1974 m. w. N.). Soweit keine besonderen Umstände hinzutreten, kann das Gericht aufgrund der Anscheinsbeweisregel regelmäßig davon ausgehen, dass eine private Nutzung stattgefunden hat.
Der Beweis des ersten Anscheins kann vom Steuerpflichtigen durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Hierzu ist der Vollbeweis des Gegenteils nicht erforderlich. Der Steuerpflichtige muss also nicht beweisen, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass vom Steuerpflichtigen ein Sachverhalt dargelegt (und im Zweifelsfall nachgewiesen) wird, der die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des der allgemeinen Erfahrung entsprechenden Geschehens ergibt. Der Anscheinsbeweis wird im Regelfall noch nicht erschüttert, wenn der Steuerpflichtige lediglich behauptet, für privat veranlasste Fahrten hätten private Fahrzeuge zur Verfügung gestanden (, BFH/NV 2009, 1974 m. w. N.). Über die Frage, ob der Steuerpflichtige den für eine Privatnutzung sprechenden Beweis des ersten Anscheins erschüttert hat, entscheidet das FG unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (, BFH/NV 2009, 1974 m. w. N.).
aa) Die Klägerin hat vorgetragen, dass ihr Gesellschafter das ihm überlassene Kfz nicht privat nutzen durfte. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin eine von beiden Gesellschaftern unterzeichnete Vereinbarung vom in Kopie eingereicht.
Nach der BFH-Rechtsprechung, der das Gericht folgt, ist bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer die auf den Beweis des ersten Anscheins gestützte Annahme, er habe einen ihm zur Verfügung stehenden Dienst-Pkw privat genutzt, auch dann möglich, wenn formal ein Nutzungsverbot vereinbart worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488, vom VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292 und vom VI B 152/05, BFH/NV 2006, 2281). Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer ist wegen seiner herausragenden Position und dem damit verbundenen jederzeitigen Zugriff auf den betrieblichen Pkw nach den Regeln des Anscheinsbeweises von einer privaten Nutzung der Pkw auszugehen. Die sog. 1%-Regelung ist grundsätzlich nur dann nicht anwendbar, wenn nachgewiesen wird, dass eine Privatnutzung des Pkw ausscheidet. An den Nachweis fehlender Privatnutzung sind strenge Anforderungen zu stellen (, BFH/NV 2005, 1300). Anderenfalls hätte es der Gesellschafter in der Hand, ob er den Eigenverbrauch versteuert.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass das private Nutzungsverbot nur aus steuerrechtlichen Gründen vereinbart worden ist und eine private Nutzung stattgefunden hat. Es steht auch nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Vereinbarung tatsächlich im Dezember 2013 abgeschlossen wurde.
Durch Schreiben vom erläuterte die Gesellschafterin der Klägerin im Zusammenhang mit der Feststellungserklärung für 2013, dass sich die Nutzung des neuen Pkw nicht von der Nutzung des bisherigen Pkw unterscheide. Allerdings behauptete sie erstmalig, dass eine Nutzung zu privaten Zwecken gesellschaftsvertraglich ausgeschlossen sei. In ihrer am eingereichten Steuererklärung für 2014 erklärte die Klägerin trotzdem einen Eigenverbrauch für das in 2013 angeschaffte Kfz. In ihrem Schreiben vom teilte die Gesellschafterin mit, wie sie den Eigenverbrauch berechnet habe. Die angebliche Vereinbarung aus Dezember 2013 erwähnte sie in diesem Zusammenhang nicht. Die von der Klägerin dann im Mai 2016 vorgelegte Kopie stellt, entgegen ihrer Behauptung aus März 2015, auch keine gesellschaftsvertragliche Regelung dar.
Das Gericht geht deshalb nicht davon aus, dass es sich bei dieser Vereinbarung um eine ernstgemeinte Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern handelt. Es ist kein außersteuerrechtlicher Grund für dieses angebliche Verbot ersichtlich. Dies gilt insbesondere, weil die Zurverfügungstellung des Kfz an den Gesellschafter selbst nicht geregelt worden ist, weder im Gesellschaftsvertrag noch durch eine gesonderte Vereinbarung.
Die Vereinbarung eines solchen Nutzungsverbotes ist auch nicht üblich. Gerade bei Gesellschaftern oder Geschäftsführern ist es "normal", dass diesen ein Dienstwagen zur Verfügung gestellt wird. Die Vereinbarung eines privaten Nutzungsverbots ist hingegen nicht üblich. Es ist auch wirtschaftlich nicht sinnvoll, auf solche Weise ein Kfz betrieblich vorzuhalten und ggf. privat ein weiteres zu finanzieren, wenn die betrieblichen Kosten vom Nutzenden fast in voller Höhe selbst getragen werden müssen.
Bei der gesellschaftlichen Struktur (bezüglich des Büros in Hamburg) profitiert nur der Gesellschafter von einer solchen Vereinbarung, und dies ausschließlich steuerrechtlich. Die Gesellschafterin der Klägerin hat gerade keinen Vorteil von dem Nutzungsverbot. Dies gilt insbesondere, weil der Gesellschafterin selbst kein betrieblicher Pkw zusteht. Insoweit fehlt es an einem Interessengegensatz der beiden vereinbarenden Gesellschafter. Zwar gibt es keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein Geschäftsführer oder Gesellschafter generell vertraglich vereinbarte Nutzungsverbote missachtet (, BStBl II 2013, 920), allerdings kann auch nicht unterstellt werden, dass alle Vereinbarungen grundsätzlich eingehalten werden. Im Streitfall ergibt sich zudem bereits aus dem vorherigen gerichtlichen Verfahren des Gesellschafters, welches ebenfalls die hier zunächst streitigen Zahlungen das Versorgungswerk der Rechtsanwälte betraf, dass der Gesellschafter der Klägerin im Steuerrecht Angaben macht, die nicht der Wahrheit entsprechen. Insbesondere hat der Gesellschafter der Klägerin zunächst Zahlungen an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte für 2014 in unrichtiger Höhe erklärt und erst nachdem er die Nachweise vorlegen musste, seinen Vortrag entsprechend angepasst. Sein prozessuales Verhalten in diesem gerichtlichen Verfahren zeigt ebenfalls, dass der Wahrheitspflicht nicht immer nachgekommen wird. Zunächst hat die Klägerin behauptet, dass sie die entsprechenden Zahlungen an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte geleistet hat. Nach Ladung der von ihr in diesem Zusammenhang benannten Zeugin teilte sie jedoch mit, dass sie diesen Vortrag nicht mehr aufrechterhalte.
Entscheidend ist, dass das private Nutzungsverbot in der Gesellschaft nicht hätte durchgesetzt werden können bzw. ein Verstoß gegen dieses Verbot keine Sanktionen nach sich gezogen hätte. Es kann im Streitfall auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Vereinbarung trotz fehlenden Interessengegensatzes eingehalten worden ist. Insbesondere musste der Gesellschafter nicht befürchten, dass das gesellschaftsrechtliche Vertrauensverhältnis zu seiner Mitgesellschafterin tangiert werden würde, wenn er den Pkw trotz Verbot privat nutzt, denn die Kosten trug zu 96 % der Gesellschafter der Klägerin. Es hätte deshalb besonderer Überprüfungs- und Dokumentationsmaßnahmen bedurft, damit das Gericht davon hätte ausgehen können, dass das private Nutzungsverbot tatsächlich eingehalten worden ist.
Die Klägerin hat zudem weder vorgetragen, dass eine andere Person das Fahrzeug nutzen konnte, noch dass das Fahrzeug immer auf dem Parkplatz des Büros geparkt war, wenn es nicht betrieblich genutzt wurde. Das Gericht war auch nicht in der Lage, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären, da diesbezüglich kein hinreichender Vortrag der Klägerin erfolgt ist. Es liegt in der Sphäre der Klägerin, den relevanten Sachverhalt vorzutragen und entsprechende Beweisangebote zu unterbreiten.
bb) Auch das Vorhandensein eines zweiten Pkw in der Familie des Gesellschafters kann den Anscheinsbeweis nicht erschüttern.
Der Gesellschafter der Klägerin bzw. dessen Ehefrau hatte zwar einen weiteren Pkw. Diesen nutzte jedoch die Ehefrau des Gesellschafters u. a. auch für ihre täglichen Fahrten zur Arbeit. Aus den von der Klägerin zu diesem privaten Pkw der Ehefrau des Gesellschafters eingereichten Unterlagen ergibt sich, dass dieser Pkw lediglich für max. 4.000 km genutzt werden sollte. Bereits die von der Ehefrau erklärten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte betrugen im Streitjahr 2014 3.680 km. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Familie mit zwei Kindern nicht mehr als 320 km im Jahr privat gefahren ist. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass dem Gesellschafter der Klägerin überhaupt ein Fahrzeug zur Verfügung gestanden hat.
cc) Weder aus dem , BStBl II 2013, 1044) noch aus dem , BStBl II 2013, 920) folgt ein anderes Ergebnis. Im ersten Verfahren war ein privates Nutzungsverbot bereits im Arbeitsvertrag vereinbart worden, auch war die Position des Nutzenden eine andere als im Streitfall. Im zweiten Verfahren ging das Gericht davon aus, dass das private Nutzungsverbot ernsthaft vereinbart wurde, dies ist im Streitfall aber gerade nicht der Fall.
Der Beklagte hat den geldwerten Vorteil auch in zutreffender Höhe berechnet.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in der für das Streitjahr 2014 geltenden Fassung ist der Vorteil aus der privaten Nutzungsüberlassung eines betrieblichen Pkw der Höhe nach mit der 1%-Regelung zu bewerten, sofern nicht das Verhältnis der privaten Fahrten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen wird. Die 1%-Regelung ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung. Ordnungsgemäße Fahrtenbücher hat die Klägerin nicht vorgelegt, so dass vorliegend die 1%-Regelung Anwendung findet. Die Berechnung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Insbesondere gilt dies für die von der Klägerin nicht angegriffene Ermittlung des Bruttolistenpreises des Fahrzeuges.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO
Gründe, die Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.
Fundstelle(n):
GmbH-StB 2018 S. 228 Nr. 7
AAAAG-80815