Negative Kapitalerträge beim Verkauf von thesaurierenden Investmentfonds
Fehlerhafter Gesetzestext?
Im Rahmen der Einführung der Abgeltungsteuer wurden die komplizierten Regelungen bei ausländischen Investmentfonds beibehalten. Dies führt in der Praxis immer wieder zu Problemen. Beim Verkauf von Anteilen kann es bei wortgetreuer Gesetzesauslegung sogar zu einer echten Doppelbesteuerung kommen.
I. Problemstellung
Bei ausländischen thesaurierenden Investmentfonds wird über die § 1 Abs. 3 und § 2 Abs. 1 InvStG jährlich ein Zufluss der Erträge fingiert. Da die Fonds Ihren steuerlichen Sitz im Ausland haben, kann von diesen Erträgen keine Kapitalertragsteuer einbehalten werden. Die Erträge sind vom Anteilsinhaber nachträglich in der Einkommensteuererklärung zu deklarieren.
Um den Steueranspruch des Fiskus sicher zu stellen, wird zusätzlich beim Verkauf der Anteile über ein inländisches Depot Kapitalertragsteuer auf die Thesaurierungen der Halteperiode einbehalten. Erbringt der Anteilseigner den Nachweis der korrekten Versteuerung der Thesaurierungen in den Vorjahren (vgl. Schultze, Ausländische thesaurierende Investmentfonds und Abgeltungsteuer, NWB-EV 2/2011 S. 47), wird die Kapitalertragsteuer im Rahmen der Veranlagung erstattet.
Diese Summe der nachträglich dem Kapitalertragsteuerabzug unterworfenen Erträge wird in den Steuerbescheinigungen seit 2009 auch separat am Ende nachrichtlich angedruckt („Sonderausweis”: Summe der als zugeflossen geltenden, noch nicht dem Steuerabzug unterworfenen Erträge aus Anteilen an ausländischen Investmentfonds Investmentvermögen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 InvStG). Diese Summe ist in der bescheinigten Höhe der Kapitalerträge enthalten und in der Anlage KAP von der Höhe der Kapitalerträge abzuziehen.
Bei Nachweis der Versteuerung der Thesaurierungen der Halteperiode können diese Beträge dann von den bescheinigten Kapitalerträgen lt. Zeile 7 der Steuerbescheinigung abgezogen werden. In der Praxis ergeben sich hier grundsätzlich keine Probleme. Allerdings sind auch Fälle denkbar, bei denen die Kapitalerträge lt. Zeile 7 der Steuerbescheinigung kleiner sind als die gem. Sonderausweis bescheinigten Beträge. Hier würde die Korrektur zu negativen Kapitalerträgen führen.
II. Korrektur der Werte lt. Steuerbescheinigung im Rahmen der Veranlagung
Hat der Steuerpflichtige die ausschüttungsgleichen Erträge bei thesaurierenden Investmentfonds für die jeweiligen Jahre korrekt versteuert, möchte er zu Recht den Kapitalertragsteuerabzug über die Veranlagung korrigieren, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Der Anleger kauft am einen thesaurierenden ausländischen Investmentfonds zu 100 €. Dieser Fonds thesauriert zum und zum jeweils 10 €. Diese Thesaurierungen erklärt der Anleger in den Einkommensteuererklärungen 2009 und 2010 und zahlt über die Veranlagung jeweils 2,50 € Abgeltungsteuer (zzgl. Solidaritätszuschlag/Kirchensteuer). Am verkauft der Anleger den Fonds zu 105 €. Die Bank erhebt auf 5 € Abgeltungsteuer von 1,25 €.
Hinweise zur
Lösung:
Handelt es sich bei dem vorliegenden
Fall um das einzige in 2011 zu berücksichtigende Geschäft, erhält der Anleger
für 2011 eine Steuerbescheinigung, die ihm in Zeile 7 Kapitalerträge von 5
€ ausweist und als Sonderausweis am Ende der Steuerbescheinigung
zusätzlich 20 €. Neben den Angaben zu den einbehaltenen Steuern erfolgen
keine weiteren Angaben.
Zerlegt man die Abrechnung bzw. die Steuerbescheinigung, ergibt sich folgendes Bild: Die beiden Thesaurierungen von jeweils 10 € werden nachträglich der Kapitalertragsteuer unterworfen. Da aber gleichzeitig ein Veräußerungsverlust von 15 € (Veräußerungserlös 105 € abzgl. Anschaffungskosten 100 € abzgl. Thesaurierungen der Halteperiode 20 € gem. § 8 Abs. 5 InvStG) entstanden ist, ergibt sich nach Verrechnung dieser beiden Komponenten nur ein kapitalertragsteuerpflichtiger Betrag von 5 €, auf den dann auch Steuern einbehalten wurden.
Im Ergebnis hat der Steuerpflichtige nun in den Jahren 2009 und 2010 jeweils 10 € Kapitalerträge versteuert und im Jahr 2011 zusätzlich 5 €, insgesamt also 25 €. Der Gesamtgewinn S. 250beträgt allerdings unzweifelhaft nur 5 €. Hier stellt sich die Frage, was der Anleger tun kann, um sich die zuviel gezahlte Steuer erstatten zu lassen.
Eine Korrektur der Steuerbescheinigung ist nicht möglich. Die gem. Sonderausweis besteuerten Beträge gelten gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3 InvStG als Kapitalerträge, die vorgesehene Verrechnung (§ 43a Abs. 3 EStG) mit dem Veräußerungsverlust hat statt gefunden. Die Steuerbescheinigung ist daher korrekt.
Folgt der Steuerpflichtige den „Anweisungen” der Steuerbescheinigung, wird er die bescheinigten Kapitalerträge gem. Zeile 7 von 5 € um die im Sonderausweis bescheinigten 20 € kürzen (wollen). Erstellt er seine Steuererklärung über das Elster-Programm der Finanzverwaltung oder ein anderes Steuerprogramm wird er hier aber verzweifeln. Die meisten Programme sehen zwar separate Felder für die Korrektur der Steuerbescheinigungswerte vor, allerdings kann eine Korrektur nur bis zum Wert von Null erfolgen. Negative Werte sind nicht vorgesehen.
Diese Programmsperre entspricht auch dem Gesetzeswortlaut. Gem. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG können Verluste aus Kapitalvermögen, bei Einkünften, die der Kapitalertragsteuer unterlegen haben, nur verrechnet werden, wenn eine Verlustbescheinigung vorliegt.
Unzweifelhaft haben die „Verluste” der Kapitalertragsteuer unterlegen, da sie die Bemessungsgrundlage des Kapitalertragsteuerabzugs gemindert haben. Eine Verlustbescheinigung kann hier aber nicht vorgelegt werden. Der Verlusttopf bei der Bank ist leer, der Veräußerungsverlust wurde bereits beim Kapitalertragsteuerabzug mit den gem. Sonderausweis besteuerten Erträgen verrechnet.
Auch die neugefasste Vorschrift des § 20 Abs. 3a EStG hilft hier wenig. Sie dürfte eher das Gegenteil bewirken. Die Erfahrungen der letzten Jahre sowie die ersten Erfahrungen mit der Abgeltungsteuer zeigen, dass die Thematik bei vielen Steuerberatern und Finanzbeamten nicht in der notwendigen Tiefe erfasst wird. So ist zu befürchten, dass Änderungen bzw. Abweichungen zu Gunsten des Mandanten von den Steuerbescheinigungen der Banken nur noch akzeptiert werden, wenn die Bank ihrerseits wieder bestätigt, dass sie keine Korrektur der Steuerbescheinigung mehr vornehmen wird. Da die Steuerbescheinigung selbst aber richtig ist, wäre eine Korrektur überhaupt nicht möglich, dem zufolge dürfte sich die Bank weigern, eine entsprechende Bescheinigung auszustellen.
Nach dem Gesetzeswortlaut ist damit die Berücksichtigung dieser negativen Erträge ausgeschlossen und es kommt zu einer echten Doppelbesteuerung. In der Praxis wird man sich behelfen, in dem man die Korrektur über Zeile 12 im Formular erfasst. Dieses Vorgehen ist allerdings nicht vom Gesetzeswortlaut gedeckt. Versagt das Finanzamt mit Hinweis auf den Gesetzestext die Berücksichtigung und Verlustfeststellung gem. § 10d Abs. 4 EStG, bleibt nur das Rechtsbehelfsverfahren und der Klageweg.
Der Gesetzgeber ist aufgefordert, den § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG anzupassen. Alternativ könnte auch die Steuer- und Verlustbescheinigungen angepasst werden, um eine Berücksichtigung negativer Kapitalerträge aufgrund von Korrekturen zu ermöglichen. Der Königsweg wäre allerdings sicherlich, die Besteuerung von thesaurierenden Investmentfonds auf eine echte Veräußerungsgewinnbesteuerung umzustellen und auf die jetzige umständliche Verfahrensweise zu verzichten.
Fundstelle(n):
NWB-EV 8/2011 Seite 249
AAAAD-87447