BSG Beschluss v. - B 13 R 294/20 B

(Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Befugnis nach § 407a Abs 3 S 2 ZPO)

Gesetze: § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 407a Abs 3 S 1 ZPO, § 407a Abs 3 S 2 ZPO

Instanzenzug: Az: S 5 R 993/16 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 6 R 86/19 Urteil

Gründe

1I. Mit Urteil vom hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente verneint.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom begründet hat. Er rügt eine Verletzung von § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 407a Abs 3 ZPO. Das LSG habe das im Berufungsverfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten des Sachverständigen S. nicht verwerten dürfen, weil der DemTect-Test, ein Testverfahren zur Früherkennung von Demenz, von einer im Gutachten namentlich nicht genannten Hilfsperson durchgeführt worden sei.

3II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung von ehrenamtlichen Richtern als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung vom genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin den allein geltend gemachten Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der gesetzlich vorgesehenen Weise bezeichnet.

4Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; zB - juris RdNr 5; - juris RdNr 4). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. In Bezug auf die Beweisaufnahme und -würdigung sind mithin allein Fehler im Verfahren der Beweisaufnahme mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügbar (vgl - SozR 4-1750 § 407a Nr 1 RdNr 6; - juris RdNr 8), denn auf eine fehlerhafte Würdigung erhobener Beweise nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG lässt sich eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision demnach nicht mit Erfolg stützen. Den sich daraus ergebenden Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung vom nicht gerecht.

5a) Der Senat geht unter Würdigung des Gesamtvorbringens des Klägers davon aus, dass eine Verletzung von § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 407a Abs 3 Satz 2 ZPO gerügt wird. Danach hat der Sachverständige eine Person, deren Mitarbeit er sich bedient, namhaft zu machen und den Umfang ihrer Tätigkeit anzugeben, falls es sich nicht um Hilfsdienste von untergeordneter Bedeutung handelt. Ein Sachverständigengutachten kann bei Fehlen der danach erforderlichen Angaben (Name und Qualifikation des mitarbeitenden Arztes sowie Umfang der Mitarbeit) unverwertbar sein, wenn das Gericht einen auf entsprechende Information gerichteten Antrag eines Beteiligten übergeht und dieser ein berechtigtes Interesse an den genannten Angaben hat ( - SozR 4-1750 § 407a Nr 2). Ein solches berechtigtes Interesse liegt vor, wenn die zugänglichen Informationen objektiv nicht darauf schließen lassen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein weiterer Arzt an der Erstellung eines Gutachtens mitgearbeitet hat und über welche Qualifikation dieser verfügt ( - juris RdNr 10). Dass der Kläger gegenüber dem LSG die Mitteilung von Name, Qualifikation und Umfang der Mitarbeit der Hilfsperson des Sachverständigen S beantragt und ein berechtigtes Interesse an diesen Informationen gehabt habe, wird in der Beschwerdebegründung indes nicht dargetan.

6Der Kläger bringt vor, ua der DemTect-Test sei von einer Frau S durchgeführt worden, nach seiner Vermutung die Ehefrau des Sachverständigen S. Im Sachverständigengutachten fehle jedoch die Angabe, wer die psychologischen Tests durchgeführt habe. Dies habe er gegenüber dem LSG mit Schriftsatz vom gerügt. Damit ist nicht substantiiert dargelegt, dass der Kläger im Berufungsverfahren zumindest sinngemäß den Antrag gestellt habe, ihm Informationen über die Qualifikation von Frau S - ihren Namen und ihre Heranziehung zur Durchführung des Tests sind ihm ausgehend von seinem Vorbringen bereits bekannt gewesen - zu übermitteln. Auch sein in der Beschwerdeschrift ausdrücklich in Bezug genommener Schriftsatz vom enthält keinen solchen Antrag, sodass es keiner weiteren Erwägung bedarf, ob der Kläger mit der Bezugnahme auf diesen Schriftsatz eine entsprechende Antragstellung anforderungsgerecht dargetan hätte (vgl zur nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen Bezugnahme auf vorinstanzlich eingereichte Schriftsätze zB - juris RdNr 8; - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 13a; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Der Kläger fragt im Schriftsatz vom nicht nach Frau S Qualifikation, sondern teilt im Gegenteil dem LSG mit, nach eigenen Recherchen handele es sich um eine Heilpraktikern für Psychotherapie mit eigener Praxis für Verhaltenstherapie. Dabei kritisiert er im Kern, Frau S habe keine bloße Hilfstätigkeit durchgeführt, weil der DemTect-Test nach seinem Dafürhalten einen hohen Stellenwert für das Gutachtenergebnis habe.

7b) Falls der Kläger hingegen eine Verletzung von § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 407a Abs 3 Satz 1 ZPO rügen will, ist auch insoweit kein Verfahrensmangel anforderungsgerecht bezeichnet. Nach letztgenannter Vorschrift ist ein Sachverständiger nicht befugt, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen. Der erwähnte § 407a Abs 2 Satz 2 ZPO erlaubt ihm allerdings, sich zur Erledigung des Gutachtenauftrags anderer Personen - auch anderer Ärzte - zu bedienen. Seine uneingeschränkte persönliche Verantwortung für das Gutachten erklärt der beauftragte Sachverständige durch seine Unterschrift mit dem sinngemäßen Zusatz, er habe die Arbeit seines qualifizierten Mitarbeiters selbst nachvollzogen und sich zu eigen gemacht, er sei aufgrund eigener Überzeugung und Urteilsbildung einverstanden ( - SozR 4-1750 § 407a Nr 2 RdNr 7 mwN). Erst wenn aus Art und Umfang der Mitarbeit des weiteren Arztes oder sonstigen Mitarbeiters gefolgert werden kann, der beauftragte Sachverständige habe seine - das Gutachten prägenden und regelmäßig in einem unverzichtbaren Kern von ihm selbst zu erbringenden - Zentralaufgaben delegiert, ist die Grenze der erlaubten Mitarbeit überschritten und liegt somit ein unverwertbares Gutachten vor. Weder die Durchführung der Untersuchung noch die schriftliche Abfassung des Gutachtens gehören dabei in jedem Fall zu diesen unverzichtbaren Kernaufgaben, die der Sachverständige zwingend selbst wahrnehmen muss. Soweit sich nicht aus der Eigenart des Gutachtenthemas ergibt, dass für bestimmte Untersuchungen die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt wird oder es auf seinen persönlichen Eindruck während der gesamten Untersuchung ankommt, reicht es vielmehr aus, wenn der Sachverständige die von Hilfskräften erhobenen Daten und Befunde nachvollzieht oder sich auf andere Weise einen persönlichen Eindruck verschafft. Entscheidend ist, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüft und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernimmt (vgl zu alldem - juris RdNr 4; - juris RdNr 4 ff mwN). Dass das LSG hier von einer Übertragung eines wesentlichen Teils der Sachverständigentätigkeit auf Frau S habe ausgehen müssen oder die Übertragung aus anderen Gründen unzulässig gewesen sei, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan.

8Wie er selber mitteilt, besteht der DemTect-Test aus fünf Teilen, in denen eine vorgelesene Wortliste wiederholt wird; Zahlen in Zahlwörter umgewandelt werden und umgekehrt Zahlwörter in Zahlen; Dinge benannt werden, die im Supermarkt zu kaufen sind; vorgelesene Zahlenreihen rückwärts wiederholt werden und abschließend die Wortliste aus dem ersten Teil erneut wiederholt wird. Die Auswertung erfolge anhand einer Umrechnungstabelle. Damit beschreibt der Kläger selbst ein einfaches Testverfahren, dessen Ergebnis nach vorgegebenen Kriterien ausgerechnet wird. Vor diesem Hintergrund hätte es näherer Darlegung bedurft, warum nach seinem Dafürhalten für die Testdurchführung oder -auswertung gleichwohl die spezielle Sachkunde und Erfahrung des Sachverständigen benötigt werde oder es dabei auf dessen persönlichen Eindruck ankomme. Derartige Darlegungen fehlen. Das pauschale Vorbringen des Klägers, der DemTect-Test sei durchaus eine Untersuchung, bei der es zu Fehlern kommen könne, reicht insoweit nicht aus.

9Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

102. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2021:080621BB13R29420B0

Fundstelle(n):
IAAAH-83141