Online-Nachricht - Dienstag, 15.08.2017

Lohnsteuer | Haftung während Eigenverwaltung bei eingeholtem Rechtsrat (FG)

Geschäftsführer einer GmbH haften nicht für während der Eigenverwaltung fällig gewordene Lohnsteuerbeträge, die sie aufgrund eines zuvor eingeholten eingehenden Rechtsrats zunächst auf ein Treuhandkonto überwiesen hatten ( und ; Revision nicht zugelassen).

Sachverhalt: Die Kläger der beiden Verfahren waren zum Zwecke der Restrukturierung und der Sanierung einer GmbH als deren Geschäftsführer eingesetzt worden (sog. „Turnaround-Manager“). Ihrem Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung folgte das Insolvenzgericht und setzte einen vorläufigen Sachwalter ein. Nach Stellung des Insolvenzantrags fällig gewordene Lohnsteuerbeträge zahlten die Kläger auf ein durch eine Rechtsanwaltskanzlei eingerichtetes Treuhandkonto, nachdem sie sich durch diese zuvor eingehend bezüglich der Haftungsfragen hatten beraten lassen.

Durch die Überweisung standen auf dem Geschäftskonto der GmbH keine Mittel mehr zur Verfügung, so dass der Lastschrifteinzug durch das FA scheiterte. Das FA musste die spätere Zahlung der Lohnsteuer durch den vorläufigen Sachwalter aufgrund einer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärten Insolvenzanfechtung wieder zurückgewähren. Es nahm daraufhin beide Kläger in Haftung.

Hierzu führte das FG Münster weiter aus:

  • Zwar haben die Kläger gegen ihre Mittelvorsorgepflicht verstoßen, indem sie den Einzug der Lohnsteuer durch die Separierung der Mittel auf dem Treuhandkonto verhinderten. Dass eine Zahlung im Insolvenzverfahren anfechtbar gewesen wäre, steht der Haftung ebenfalls nicht entgegen, weil hypothetische Kausalverläufe unbeachtlich sind.

  • Allerdings kann den Klägern keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil sie sich an den eingeholten Rechtsrat gehalten und keinen Anlass hatten, diesen in Zweifel zu ziehen. Mangels eigener steuerlicher Sachkunde sind sie verpflichtet gewesen, fachlichen Rat einzuholen.

  • Zahlreichen Zeugen zufolge vertraten die Rechtsanwälte durchgängig die Auffassung, die Lohnsteuer dürfe nach Antragstellung nicht mehr beglichen werden, da ihre insolvenzrechtlichen Pflichten den steuerrechtlichen Pflichten vorgingen. Selbst wenn man diese Auffassung als hoch risikobehaftet oder sogar falsch ansieht, durften sich die Kläger hierauf verlassen.

  • Ob sich die Kläger tatsächlich in einer entschuldigenden Pflichtenkollision aufgrund von im Rahmen der Eigenverwaltung widerstreitenden Pflichten steuerrechtlicher und insolvenzrechtlicher Natur befunden haben, ließ der Senat daher offen.

Quelle: FG Münster, Newsletter August 2017 (Sc)

Fundstelle(n):
NWB OAAAG-53684