BVerfG Urteil v. - 1 BvR 2324/16

Verhängung einer Missbrauchsgebühr unanfechtbar - Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung", auszulegen als Antrag auf vorläufige Einstellung der Beitreibung (§ 8 Abs 1 S 3 JBeitrO iVm § 8 Abs 1 S 1 Alt 1 JBeitrO), mit Verwerfung der Erinnerung gegenstandslos

Gesetze: § 34 Abs 1 BVerfGG, § 34 Abs 2 BVerfGG, § 1 Abs 1 Nr 4 JBeitrO, § 2 Abs 2 JBeitrO, § 8 Abs 1 S 1 Alt 1 JBeitrO, § 8 Abs 1 S 3 JBeitrO

Instanzenzug: Az: B 12 KR 18/16 C Beschlussvorgehend Az: B 12 KR 1/16 B Beschlussvorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg Az: L 4 KR 4286/14 Urteilvorgehend SG Mannheim Az: S 4 KR 1987/14 Gerichtsbescheidvorgehend Az: 1 BvR 2324/16 Nichtannahmebeschluss

Gründe

I.

1 Mit Beschluss vom wurde eine Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht zur Entscheidung angenommen und dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin (im Folgenden: Kostenschuldner) eine Missbrauchsgebühr von 500 € auferlegt. Unter dem wurde dem Kostenschuldner eine entsprechende Kostenrechnung übersandt. Gegen den Kostenansatz der Kostenrechnung hat er am Erinnerung eingelegt sowie die "Aussetzung der Vollziehung" beantragt. Die Kostenbeamtin der Geschäftsstelle des Bundesverfassungsgerichts hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

2 1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) sind Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst, die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung betreffen, vom Schuldner bei Ansprüchen auf "Gerichtskosten" nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO gerichtlich nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen.

3 Zwar gehört die Missbrauchsgebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG zu den "Gerichtskosten" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in § 2 Abs. 2 JBeitrO als möglicher Anspruchsinhaber genannt wird, für den das Bundesamt für Justiz als Vollstreckungsbehörde tätig werden soll. Die Missbrauchsgebühr entsteht als gerichtliche Gebühr mit ihrer Auferlegung durch die Entscheidung des Senats oder der Kammer. Ihrer Einordnung als gerichtliche Gebühr steht nicht entgegen, dass sie Sanktionscharakter hat (vgl. BVerfGE 50, 217 <230>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 611/12 -, juris, Rn. 4 und vom - 2 BvR 740/15 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 871/16 -, juris, Rn. 4). § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG stehen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander. Absatz 2 regelt, unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz der Kostenfreiheit verfassungsrechtlicher Verfahren durchbrochen werden kann. Die auf dieser Grundlage verhängte Gebühr ist eine Gegenleistung für die missbräuchliche Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts und mithin eine Gebühr im Rechtssinne (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 611/12 -, juris, Rn. 4 und vom - 2 BvR 740/15 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 871/16 -, juris, Rn. 4). Das Bundesverfassungsgericht hat demgemäß eine auf den Gesichtspunkt der Verjährung der Gebührenforderung gestützte Erinnerung gegen den Kostenansatz einer Missbrauchsgebühr für zulässig gehalten; die Einrede der Verjährung zähle zu den Einwendungen, die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 JBeitrO in Verbindung mit § 66 GKG mit der Erinnerung geltend gemacht werden können (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 5).

4 Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um eine solche Einwendung. Der Kostenschuldner wendet sich gegen die Verhängung der Missbrauchsgebühr als solche. Diese ist - wie der Beschluss vom insgesamt - unanfechtbar.

5 2. Der Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" ist im Wege der Auslegung als Antrag auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Beitreibung der Gerichtskosten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 Variante 1 JBeitrO zu behandeln, der entsprechend der Regelung in § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässig ist. Eine vorläufige Einstellung der Beitreibung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 JBeitrO kann danach nur angeordnet werden, soweit und solange noch eine Entscheidung über eine Erinnerung begehrt wird und aussteht.

6 Der Antrag des Kostenschuldners hat sich mit der Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz der Kostenrechnung erledigt und ist unzulässig geworden. Er kann sich nicht mehr auf eine noch zu entscheidende Erinnerung gegen die Beitreibung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 JBeitrO stützen.

7 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170628.1bvr232416

Fundstelle(n):
TAAAG-51990