Online-Nachricht - Donnerstag, 27.07.2017

Verfahrensrecht | Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit (FG)

Die unbewusste Nichterfassung erklärter Einkünfte aus selbständiger Arbeit bei der Einkommensteuerveranlagung aufgrund eines Fehlers beim Einscannen der Steuererklärung stellt unter Berücksichtigung der durch das Risikomanagement der Finanzverwaltung vorgesehenen Arbeitsweise auch dann eine offenbare Unrichtigkeit und keinen Rechtsanwendungsfehler aufgrund mangelhafter Sachverhaltsaufklärung dar, wenn sie auf die grob unachtsame Bearbeitung von Prüfhinweisen zurückzuführen ist (; Revision anhängig).

Sachverhalt: Die Einkommensteuerklärung 2010 der gemeinsam veranlagten Kläger enthält u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit des Klägers sowie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für den VZ 2011 stellte das FA die Nichterfassung der selbständigen Einkünfte des Klägers im Streitjahr 2010 fest. Daraufhin erging ein nach § 129 AO entsprechend geänderter Einkommensteuerbescheid 2010. Im Erläuterungsteil des Änderungsbescheides wird ausgeführt, dass die in der Einkommensteuererklärung aufgelisteten Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nur versehentlich nicht übernommen worden seien. Gegen den Bescheid legten die Kläger Einspruch ein, da die vom FA angeführten Gründe für eine offenbare Unrichtigkeit ihrer Auffassung nach nicht nachvollziehbar seien.

Hierzu führte das FG Düsseldorf weiter aus:

  • Das FA war zu einer Berichtigung des formell bestandskräftigen Bescheides befugt, da es sich bei der Nichtberücksichtigung der von den Klägern erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG um eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO handelt.

  • Gemessen an den Grundsätzen des § 129 AO steht im Streitfall nach dem Inhalt der Akten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass die Nichterfassung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit eine offenbare Unrichtigkeit darstellt, die weder auf einem Rechtsirrtum noch mangelnder Sachaufklärung beruht.

  • Die Nichtberücksichtigung der Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der erstmaligen Einkommensteuerveranlagung stellt einen offensichtlichen Erfassungsfehler dar. Für jeden unvoreingenommenen Dritten ist bei Einsichtnahme in die Steuerakten ersichtlich, dass im Steuerbescheid die von den Klägern erklärten selbständigen Einkünfte ohne erkennbaren Grund nicht erfasst sind.

  • Dass die Sachbearbeiterin oder der Sachgebietsleiter anhand einer rechtlichen Beurteilung zu dem Schluss gekommen sein könnten, die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit seien steuerlich nicht zu erfassen und die Einkünfte deshalb bewusst und gewollt außer Ansatz gelassen worden sind, ist ausgeschlossen. Aus den Bearbeitungsvermerken in den Steuerakten ist im Gegenteil klar zu erkennen, dass die Sachbearbeiterin die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erfassen wollte und ihr offensichtlich nicht bewusst war, dass die erklärten Einkünfte in den Daten der eingescannten Erklärung nicht erfasst waren.

  • Eine andere Würdigung kommt auch nicht aufgrund der Bearbeitung der Hinweismitteilung in Betracht. Diese rechtfertigt im Streitfall nicht die Annahme einer mangelnden Sachverhaltsaufklärung, die nicht mehr auf einer bloßen Unachtsamkeit beruht.

Hinweis:

Die Revision war im Hinblick auf die ungeklärten Fragen im Spannungsfeld zwischen der elektronischen Erfassung von Steuererklärungen sowie der administrativen Vorgaben durch das Risikomanagement-System der Finanzverwaltung einerseits und dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 88 AO sowie seiner Bedeutung im Rahmen des § 129 Satz 1 AO andererseits zuzulassen und ist beim BFH unter dem anhängig.

Quelle: ; NWB Datenbank (Sc)

Fundstelle(n):
NWB WAAAG-51561