BFH Beschluss v. - XI B 1/17

Beteiligtenfähigkeit einer GmbH & Co. KG trotz Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH

Leitsatz

1. Eine GmbH & Co. KG i.L. bleibt so lange beteiligtenfähig, bis alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Ansprüche und Verpflichtungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem FA gehört, abgewickelt sind .

2. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementär-GmbH führt nicht zur Unterbrechung eines Klageverfahrens der KG .

Gesetze: § 57 FGO, § 116 Abs 3 FGO, § 131 Abs 2 S 1 Nr 1 HGB, § 161 Abs 2 HGB, § 240 ZPO, § 394 FamFG

Instanzenzug: Az: 15 K 851/11 U Urteil

Gründe

11. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet worden ist.

2a) Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, hat die Frist zur Begründung der Beschwerde versäumt. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist der Klägerin am zugestellt worden. Die Frist zur Begründung der am fristgerecht erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde lief daher am ab (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) und wurde vom Senatsvorsitzenden auf den verlängert. Eine Begründung der Beschwerde liegt indes bis heute nicht vor; vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter dem mitgeteilt, er sehe sich außerstande, die Beschwerde zu begründen.

3b) Die dafür vorgetragene Begründung, dass durch die Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin und deren Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit die Klägerin bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht mehr beteiligtenfähig gewesen sei, "so dass Rechtsmittelfristen insofern nicht in Gang gesetzt werden konnten", ist unzutreffend.

4Am steuerrechtlichen Fortbestand der Klägerin hat sich weder durch die mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) X vom   ... erfolgte Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, die nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 161 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) zur Auflösung der Gesellschaft geführt hat, noch durch die am gemäß § 394 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) erfolgte Löschung aus dem Handelsregister etwas geändert (vgl. , BFHE 173, 458, BStBl II 1994, 483, unter II.1., Rz 20). Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH besteht eine Personengesellschaft steuerrechtlich auch nach ihrer Auflösung so lange (als Abwicklungsgesellschaft) fort, bis alle das Gesellschaftsverhältnis betreffenden Ansprüche und Verpflichtungen, zu denen auch das Rechtsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem Finanzamt gehört, abgewickelt sind (vgl. , BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540; vom IV R 146/88, BFH/NV 1993, 303; , BFH/NV 2010, 2140, Rz 12). Dies ist jedenfalls aufgrund des vorliegenden Verfahrens bei der Klägerin (noch) nicht der Fall.

52. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) ist nicht zu gewähren. Zwar wäre eine Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag möglich (z.B. Senatsbeschluss vom XI R 51/06, juris). Allerdings hat die Klägerin die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt, was nach § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen erforderlich wäre.

63. Der Senat ist nicht gehindert, über die Beschwerde zu entscheiden. Auch ist das FG stillschweigend zu Recht davon ausgegangen, dass es über die Klage entscheiden durfte.

7a) Das Verfahren ist nicht aufgrund der Insolvenz der KG unterbrochen.

8aa) Zwar ist im Laufe des Klageverfahrens am ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin gestellt worden, was der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom dem FG auch mitgeteilt hat. Allerdings ist dieser Antrag durch Beschluss des AG X vom   ... mangels Masse abgelehnt worden. Zu einer für die Unterbrechung nach § 240 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens (vgl. dazu u.a. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 240 Rz 5; Hüßtege in Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 38. Aufl., § 240 Rz 2, 3a) ist es nicht gekommen; das Verfahren ist nicht bereits durch den Insolvenzantrag nach § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen worden (Schoenfeld in Beermann/Gosch, FGO § 74 Rz 60).

9bb) Der Beschluss des AG X vom hat ebenfalls keine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 Satz 2 ZPO (vgl. dazu BFH-Beschlüsse vom V B 122/02, BFH/NV 2003, 645, unter II.1., Rz 8; vom II B 3/13, BFH/NV 2013, 1805, Rz 2; jeweils m.w.N.) zur Folge gehabt, da lediglich ein Sachverständiger zur Erstellung des Gutachtens eingesetzt wurde. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der KG ging dadurch nicht auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter über. Selbst Sicherungsmaßnahmen wurden nicht angeordnet.

10b) Das Verfahren ist auch nicht infolge der Insolvenz der Komplementär-GmbH unterbrochen.

11aa) Die Auflösung der Klägerin führt nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens (vgl. , BFH/NV 1989, 187).

12bb) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters (hier: der GmbH) führt ebenso nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens der Gesellschaft (hier: der Klägerin; vgl. , Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2011, 683, Rz 12).

13cc) Zu einer Unterbrechung analog § 239 ZPO (vgl. dazu , BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, unter 2., Rz 12; , BFH/NV 2014, 170, Rz 18 und 21) ist es auch nicht gekommen, weil die Klägerin noch zwei Gesellschafter hat (vgl. dazu , NJW 2011, 3671, Rz 13; , Deutsches Steuerrecht 2010, 2643, Rz 31).

144. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

155. Der Beschluss ergeht nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2017:B.180517.XIB1.17.0

Fundstelle(n):
BFH/NV 2017 S. 1187 Nr. 9
JAAAG-50041