BVerfG Beschluss v. - 2 BvR 2438/15

Nichtannahmebeschluss: Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und Auslegung einer Rechtsbeschwerde gem § 118 Abs 2 S 1 StVollzG - Eingruppierung eines Strafgefangenen gem der Hessischen Strafvollzugsvergütungsverordnung (HStVollzVergVO; juris: StVollzVergV HE)

Gesetze: Art 19 Abs 4 GG, § 109 StVollzG, § 109ff StVollzG, § 118 Abs 2 S 1 StVollzG, StVollzVergV HE

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 3 Ws 813/15 (StVollz) Beschlussvorgehend LG Marburg Az: 4a StVK 111/15 Beschluss

Gründe

1 Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen (vgl. BVerfGE 90, 22 <24>; 96, 245 <248>; BVerfGK 12, 189 <196>).

2 1. Die Anforderungen, die das Oberlandesgericht Frankfurt in Anwendung des § 118 Abs. 2 Satz 1 StVollzG an die Begründung einer Sachrüge gestellt hat, begegnen zwar verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

3 a) Gemäß § 118 Abs. 2 Satz 1 StVollzG muss aus der Begründung der Rechtsbeschwerde hervorgehen, ob die Entscheidung wegen der Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen der Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Nur für die Verfahrensrüge ergeben sich aus dem Gesetz weitere Begründungsanforderungen aus § 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG.

4 b) Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer rügte in seiner Rechtsbeschwerde vom ausdrücklich "eine Verletzung des Gesetzes" beziehungsweise eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass er - anders als Strafgefangene mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung, die "berufsfremd" in Hilfs- oder Eigenbetrieben beschäftigt seien - als "berufsfremd" Beschäftigter in einem Unternehmerbetrieb zu Unrecht nicht in die Vergütungsstufe II im Sinne der Hessischen Verordnung zur Festsetzung von Vergütungsstufen für die Arbeit der Gefangenen (Hessische Strafvollzugsvergütungsverordnung - HStVollzVergVO) vom (GVBl I S. 751) eingruppiert werde. Das Oberlandesgericht Frankfurt verwarf die Rechtsbeschwerde als unzulässig und begründete dies unter anderem damit, dass sich aus dem Vortrag des Beschwerdeführers - auch im Wege der Auslegung - eine ordnungsgemäß erhobene Sachrüge nicht erkennen lasse. Vielmehr bleibe unklar, ob der Beschwerdeführer die Feststellungen des Landgerichts oder eine falsche Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt rüge.

5 c) Es ist nicht nachvollziehbar, dass sich die Erhebung einer Sachrüge in diesem Fall nicht einmal durch Auslegung aus dem Vortrag des Beschwerdeführers hat ermitteln lassen. Der Beschwerdeführer hat in der Begründung seiner Rechtsbeschwerde deutlich ausgeführt, dass und warum er die Ablehnung seiner Eingruppierung in eine bestimmte Vergütungsstufe als einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erachte. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gebietet, dass die Anforderungen an eine Sachrüge, die auch lediglich in allgemeiner Form erhoben werden kann (vgl. Arloth, in: ders., Strafvollzugsgesetze, 3. Auflage 2011, § 118 Rn. 4; Kamann/Spaniol, in: Feest/Lesting, StVollzG, 6. Auflage 2012, § 118 Rn. 8; Bachmann, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Auflage 2015, Abschn. P Rn. 104; Euler, in: Graf, StVollzG, § 118 Rn. 10 (März 2016); (R), 4 Ws 073/08 (R) -, juris, Rn. 9; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1111/13 -, juris, Rn. 23), nicht überspannt werden (vgl. zur Auslegung des Vorbringens -, BeckRS 2009, 08544; da § 118 Abs. 2 StVollzG insoweit § 344 Abs. 2 StPO entspricht, vgl. zur Revision etwa BGHSt 25, 272 <275>; -, juris, Rn. 4; Gericke, in: Hannich, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 344 Rn. 25 f.).

6 d) Auch aus der vom Oberlandesgericht als Beleg für seine Rechtsauffassung zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs folgt nichts anderes. Dort heißt es zu den Anforderungen an das Revisionsvorbringen, dass sich daraus eindeutig ergeben müsse, dass die Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt werde. Nicht unbedingt erforderlich sei, dass die Rüge als Sachrüge bezeichnet werde. Es genüge, wenn sich das Begehren auf Nachprüfung des Urteils in sachlicher Hinsicht aus dem Zusammenhang des Vorbringens ergebe (vgl. -, juris, Rn. 3).

7 2. Gleichwohl ist die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen, da deutlich abzusehen ist, dass der Beschwerdeführer, auch bei einer Zurückverweisung an das Ausgangsgericht mit seinem Begehren - der Eingruppierung in die Vergütungsstufe II im Sinne der HStVollzVergVO - keinen Erfolg haben wird (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 211/12 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1541/13 -, juris, Rn.  9). Insbesondere ist eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht dargelegt.

8 3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2017:rk20170201.2bvr243815

Fundstelle(n):
JAAAG-38423