Online-Nachricht - Dienstag, 21.02.2017

Bankrecht | Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung beim Präsenzgeschäft (BGH)

Der BGH hat darüber entschieden, welche Bedeutung den besonderen Umständen der konkreten Vertragssituation bei der Bewertung von Widerrufsbelehrungen zukommt ().

Sachverhalt: Die Kläger verlangen nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung die Erstattung der von ihnen gezahlten Vorfälligkeitsentschädigung. Sie schlossen mit der Beklagten am zur Finanzierung einer Immobilie einen Verbraucherdarlehensvertrag mit einer Laufzeit von zehn Jahren. Ein Mitarbeiter der Beklagten und die Kläger – alle drei zeitgleich an einem Ort anwesend – unterzeichneten die den Klägern erstmals vorgelegten schriftlichen Vertragsunterlagen.

Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt, die u.a. folgenden Passus enthielt: „Der Lauf der Frist für den Widerruf beginnt einen Tag[,] nachdem Ihnen eine Ausfertigung dieser Widerrufsbelehrung und die Vertragsurkunde, der schriftliche Vertragsantrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Vertragsantrags zur Verfügung gestellt wurden“.

Im Herbst 2014 wollten die Kläger die finanzierte Immobilie verkaufen. Deshalb traten sie an die Beklagte heran, um das Darlehen vorzeitig abzulösen. Die Beklagte machte den Abschluss einer „Aufhebungsvereinbarung“ von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung abhängig. Die Kläger gaben eine darauf gerichtete Willenserklärung am „unter dem Vorbehalt einer Überprüfung des geschlossenen Darlehensvertrages einschließlich der Widerrufsbelehrung“ ab. Sie entrichteten die von der Beklagten beanspruchte Vorfälligkeitsentschädigung. Unter dem widerriefen sie ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

Hierzu führte der BGH weiter aus:

  • Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung ist als vorformulierte Erklärung gemäß den im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen objektiv auszulegen. Nach dieser Maßgabe ist sie unzureichend deutlich formuliert, weil sie entgegen der für die Vertragsbeziehungen der Parteien maßgebenden Rechtslage so verstanden werden kann, die Widerrufsfrist laufe unabhängig von der Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers an.

  • Ob die Kläger die anlässlich eines Präsenzgeschäfts erteilte Belehrung in Übereinstimmung mit der Beklagten stillschweigend richtig dahin verstanden haben, das Anlaufen der Frist setze die Abgabe ihrer Vertragserklärung voraus, ist unerheblich. Denn der Verbraucher war hier zu seinen Gunsten zwingend in Textform zu belehren, so dass die Widerrufsbelehrung nicht anhand eines konkludenten gemeinsamen Verständnisses der Vertragsparteien korrigiert werden kann. Auf die Kausalität des Belehrungsfehlers kommt es nicht an.

  • Eine Aufhebungsvereinbarung hindert nicht einen anschließenden Widerruf.

  • Das LG wird nach Zurückverweisung der Sache nunmehr der Frage nachzugehen haben, ob die Kläger mit der Ausübung des Widerrufsrechts gegen Treu und Glauben verstoßen haben.

Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 019/2017 vom 21.02.2017 (Sc)

Fundstelle(n):
NWB HAAAG-38185