Online-Nachricht - Donnerstag, 10.11.2016

Mietrecht | Berücksichtigung schwerwiegender Härtegründe bei fristloser Kündigung (BGH)

Der BGH hat sich mit der Frage befasst, ob schwerwiegende persönliche Härtegründe auf Seiten des Mieters im Einzelfall zur Folge haben können, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung trotz einer erheblichen Pflichtverletzung des Mieters nicht gegeben ist ().

Sachverhalt: Die 97-jährige demenzkranke und pflegebedürftige Beklagte ist langjährige Mieterin zweier Wohnungen in einem Mehrfamilienhaus in München. Eine Dreizimmerwohnung bewohnt sie selbst, eine Einzimmerwohnung wird von ihrem ebenfalls beklagten Betreuer bewohnt, der sie ganztägig pflegt. Im Jahr 2015 äußerte der Betreuer in mehreren Schreiben an die Hausverwaltung grobe Beleidigungen gegenüber der Klägerin. Die Klägerin sprach daraufhin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus.

Hierzu führten die Richter des BGH weiter aus:

  • Zu den bei der Gesamtabwägung einer nach § 543 Abs. 1 BGB erklärten fristlosen Kündigung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalls gehören ohne weiteres auch schwerwiegende persönliche Härtegründe auf Seiten des Mieters.

  • Denn § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB schreibt ausdrücklich eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Mietvertragsparteien und eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vor.

  • Die Abwägung auf bestimmte Gesichtspunkte zu beschränken und deren Berücksichtigung auf das Vollstreckungsverfahren zu verschieben, verbietet sich aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung.

  • Bei drohenden schwerwiegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen oder Lebensgefahr sind die Gerichte zudem verfassungsrechtlich gehalten, ihre Entscheidung auf eine tragfähige Grundlage zu stellen und diesen Gefahren bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinreichend Rechnung zu tragen.

  • Das kann bei der Gesamtabwägung nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB im Einzelfall zur Folge haben, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung wegen besonders schwerwiegender persönlicher Härtegründe auf Seiten des Mieters trotz seiner erheblichen Pflichtverletzung nicht vorliegt.

  • Das Berufungsgericht hätte insoweit dem Vortrag der Beklagten nachgehen müssen, wonach die Beklagte auf die Betreuung durch ihren Pfleger in ihrer bisherigen häuslichen Umgebung angewiesen und bei einem Wechsel der Betreuungsperson oder einem Umzug schwerstwiegende Gesundheitsschäden zu besorgen seien.

Hinweis

Der Senat hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
NWB UAAAF-86030