Online-Nachricht - Mittwoch, 26.10.2016

Kaufrecht | Zurückbehaltungsrecht bei Bagatellschäden (BGH)

Der BGH hat entschieden, dass der Käufer auch bei geringfügigen (behebbaren) Mängeln wie einem Lackschaden grundsätzlich weder den Kaufpreis zahlen noch das Fahrzeug abnehmen muss, bevor der Mangel beseitigt ist ().

Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Beklagte bestellte bei der Klägerin ein Neufahrzeug. Die Parteien vereinbarten kostenfreie Auslieferung des Fahrzeugs am Wohnsitz des Käufers. Bei der Auslieferung durch eine von der Klägerin beauftragte Spedition wies das Fahrzeug einen Lackschaden an der Fahrertür auf. Noch am gleichen Tag erklärte der Beklagte, dass er das Fahrzeug zurückweise und den Kaufpreis nicht freigebe.

Die Klägerin machte geltend, es handele sich um einen „Bagatellschaden“ und verlangte die Überweisung des vollständigen Kaufpreises. Der Beklagte übersandte ihr daraufhin den Kostenvoranschlag eines Autolackierbetriebes, wonach Lackierkosten in Höhe von 528,30 € entstünden. Die Klägerin erklärte daraufhin, sie werde bei Vorlage des Originals der Reparaturrechnung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht maximal 300 € übernehmen. Da die Parteien sich nicht einigten, holte die Klägerin das Fahrzeug beim Beklagten ab, ließ den Lackschaden beheben und lieferte das Fahrzeug wieder an den Beklagten aus, der daraufhin den gesamten Kaufpreis zahlte.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin Ersatz von Transportkosten für die Rückholung und Wiederauslieferung des Fahrzeugs, ferner „Standgeld“ sowie Verzugszinsen auf den Kaufpreis. Die Klage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Hierzu führten die Richter des BGH weiter aus:

  • Nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.

  • Hieraus folgt das Recht des Käufers, vom Verkäufer die Beseitigung von Mängeln der Sache zu verlangen und bis dahin die Zahlung des (gesamten) Kaufpreises nach § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB und die Abnahme des Fahrzeugs nach § 273 Abs. 1 BGB zu verweigern. Diese Rechte stehen dem Käufer bei einem behebbaren Mangel auch dann zu, wenn er - wie der hier vorliegende Lackschaden - geringfügig ist.

  • Zwar können der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts bei besonderen Umständen des Einzelfalls (ausnahmsweise) mit Rücksicht auf Treu und Glauben Schranken gesetzt sein. Derartige besondere Umstände lagen hier indes nicht vor.

  • Im Gegenteil hatte die Klägerin dem Beklagten zunächst nicht einmal angeboten, selbst für eine ordnungsgemäße Behebung des Lackschadens zu sorgen und so ihrer Erfüllungspflicht als Verkäuferin nachzukommen. Sie hatte sich nämlich lediglich zu einer Übernahme der Reparaturkosten bereit erklärt. Es oblag jedoch nicht dem beklagten Käufer, einen Reparaturauftrag zu erteilen, sondern die Klägerin hatte die Reparatur im Rahmen der Erfüllung ihrer Verkäuferpflichten in eigener Verantwortung und auf eigenes Risiko zu veranlassen.

  • Zudem hat die Klägerin selbst an der (unzureichenden) Bereitschaft zur Übernahme der Kosten nicht uneingeschränkt festgehalten, sondern eine Obergrenze von 300 € gesetzt, so dass den Beklagten das Risiko der Werkstattkosten, einschließlich eines etwaigen unwirtschaftlichen oder unsachgemäßen Arbeitens des Werkstattbetriebes, getroffen hätte.

  • Bei den von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen (Transportkosten, „Standgeld“) handelte es sich im Übrigen um Kosten, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrages erforderlich waren und die deshalb ohnehin von ihr als Verkäuferin zu tragen waren.

Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 189/2016 v. (Sc)

Fundstelle(n):
NWB ZAAAF-84900