Online-Nachricht - Mittwoch, 24.08.2016

Kaufrecht | Schutzwürdiges Interesse bei gewillkürter Prozessstandschaft (BGH)

Eine rechtsgeschäftliche Ermächtigung zur gerichtlichen Verfolgung eines fremden Rechts im eigenen Namen setzt stets auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an der Rechtsverfolgung voraus ().

Sachverhalt und Verfahrensgang: 2012 bot der Beklagte bei eBay ein gebrauchtes Motorrad im Wege einer zehntägigen Internetauktion mit einem Startpreis von 1 € zum Verkauf an. Der Sohn der Klägerin nahm unter Nutzung deren eBay-Kontos das Angebot an. Als der Beklagte die Auktion wegen fälschlich eingetragener Artikelmerkmale bereits am ersten Tag abbrach, war der Sohn der Klägerin der einzige Bieter geblieben. Kurz darauf stellte der Beklagte das Motorrad mit korrigierten Angaben erneut bei eBay ein. Rund ein halbes Jahr später forderte die Klägerin den Beklagten auf, ihr das Motorrad zum Preis von 1 € zu überlassen. Da er es zwischenzeitlich anderweitig veräußert hatte, verlangte die Klägerin mit der Behauptung, das Motorrad sei 4.900 € wert gewesen, Schadensersatz in Höhe von 4.899 €. Noch vor Zustellung der Klage trat die Klägerin ihre Ansprüche aus den vorgenommenen eBay-Geschäften unentgeltlich an ihren Sohn ab.

Die Klage hat in erster Instanz zum Teil Erfolg gehabt. Auf die Berufung des Beklagten hat das LG die Klage insgesamt abgewiesen. Dabei ging das Berufungsgericht davon aus, dass die Klägerin unbeschadet der vor Klagezustellung erfolgten Abtretung der Forderung an den Sohn berechtigt sei, die abgetretene Forderung weiter zu verfolgen (gewillkürte Prozessstandschaft). Das Schadensersatzverlangen sei jedoch, wie sich aus den Gesamtumständen des vorliegenden Falles ergebe, rechtmissbräuchlich. Denn der Sohn habe als „Abbruchjäger“ vor allem das Ziel verfolgt, im Fall eines vorzeitigen Auktionsabbruchs Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Allein im Sommer 2011 habe der Sohn unter mehreren eigenen Nutzerkonten bei eBay Gebote in Höhe von 215.000 € abgegeben. Dabei habe er - jedes Mal unter Beantragung von Prozesskostenhilfe - vier Gerichtsverfahren eingeleitet. Zudem habe die Klägerin - in der Annahme, der Beklagte werde das Motorrad zwischenzeitlich anderweitig veräußern - mit der Geltendmachung von Forderungen mehr als ein halbes Jahr gewartet, bis sie ihn endlich gerichtlich in Anspruch genommen habe.

Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:

  • Die Klage ist mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin bereits als unzulässig abzuweisen.

  • Eine gewillkürte Prozessstandschaft - also die rechtsgeschäftliche Ermächtigung zur gerichtlichen Verfolgung eines fremden Rechts im eigenen Namen - setzt stets auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Ermächtigten an der Rechtsverfolgung voraus. Ein solches ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtlage hat und kann auch wirtschaftlicher Natur sein. Vorliegend fehlt es jedoch an einem rechtsschutzwürdigen Interesse der Klägerin an der Prozessführung.

  • Zwar kann auch der Verkäufer einer Forderung zur Vermeidung eigener Ersatzverpflichtungen ein eigenes berechtigtes Interesse daran haben, die abgetretene Forderung gerichtlich geltend zu machen. Vorliegend hat die Klägerin ihre Rechte aus dem eBay-Geschäft aber nicht verkauft, sondern unentgeltlich an den Sohn übertragen. Auf den vom Berufungsgericht als entscheidend angesehenen Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs kam es somit nicht mehr an.

Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 143/2016 v. (Sc)

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-80621