Online-Nachricht - Montag, 22.02.2016

Einkommensteuer | Behindertengerechter Umbau einer Wohnung (FG)

Einem Steuerpflichtigen kann im Wege einer abweichenden Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen ein Wahlrecht auf Verteilung der Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau der selbstgenutzten Wohnung als außergewöhnliche Belastungen eingeräumt werden, wenn ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte dem vollen Abzug der Aufwendungen im Abflussjahr entgegensteht ().

Hintergrund: Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen sind im Veranlagungszeitraum der Verausgabung steuermindernd zu berücksichtigen (§ 11 Abs. 2 EStG). Eine Verteilung der Aufwendungen auf die Nutzungsdauer ist grds. nicht möglich (s. R 33.4 Abs. 5 Satz 2 EStR). Fraglich war im Streitfall, ob die Voraussetzungen für eine abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen vorliegen. § 163 AO unterscheidet drei Arten von Billigkeitsmaßnahmen: die abweichende (niedrigere) Festsetzung der Steuer, die Nichtberücksichtigung einzelner, die Steuern erhöhender Besteuerungsgrundlagenmerkmale und bei Steuern vom Einkommen, die zeitliche Verschiebung einzelner Besteuerungsgrundlagen. In jedem Fall müssen die Voraussetzungen der persönlichen oder sachlichen Unbilligkeit erfüllt sein ().

Sachverhalt: Der Kläger erlitt im Jahre 1985 einen schweren Verkehrsunfall und ist seitdem querschnittgelähmt. Das führte zum Ausweis eines Grads seiner Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G (gehbehindert), aG (außergewöhnlich gehbehindert), H (hilflos) und RF (Rundfunkgebührenbefreiung). Der Kläger ließ im Jahr 2009 seine Eigentumswohnung behindertengerecht erweitern und umbauen. Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2009 machte der Kläger Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau seiner Wohnung als außergewöhnliche Belastungen geltend. Er beantragte, die verbleibenden Aufwendungen auf fünf Jahre verteilt als außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Das beklagte Finanzamt lehnte eine Verteilung auf fünf Jahre ab, weil es hierfür keine Rechtsgrundlage gebe und die Einkommensteuer für das Jahr 2009 bereits auf 0 € festgesetzt worden sei.

Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

  • Im Streitfall mag dem beklagten Finanzamt einzuräumen sein, dass § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG seinem Wortlaut nach an sich einer gleichmäßigen Verteilung der Aufwendungen des Klägers für den behindertengerechten Umbau seiner Wohnung entgegensteht.

  • § 33 EStG enthält weder eine Verweisung auf die Vorschriften über die Absetzungen für Abnutzung noch eine Gesetzeslücke, die durch eine analoge Anwendung des § 7 EStG geschlossen werden könnte.

  • Gleichwohl ist es möglich, einem Steuerpflichtigen im Wege einer abweichenden Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen (§ 163 Satz 1 AO) ein Wahlrecht auf Verteilung der Aufwendungen einzuräumen, wenn ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte dem vollen Abzug der Aufwendungen entgegensteht ().

  • So liegt es hier. Ein Abzug der Aufwendungen des Klägers für den behindertengerechten Umbau seiner Wohnung nur im Jahr der Tätigung der Aufwendungen, d.h. im Jahr 2009 würde dem Zweck des § 33 EStG widersprechen.

  • Denn hierdurch würde sich im Streitfall der weit überwiegende Teil der Aufwendungen des Klägers nicht steuermindernd auswirken können, weil der Gesamtbetrag seiner Einkünfte zu gering war. Dem kann nur durch die vom Kläger begehrte Billigkeitsmaßnahme nach § 163 Satz 1 AO entgegengewirkt werden.

Quelle: NWB Datenbank

Hinweis:

Die Revision zum BFH wurde im Streitfall nicht zugelassen, da deren Voraussetzungen nach Ansicht des Finanzgerichts nicht vorliegen. Zu der Frage, ob Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses auf Antrag - im Wege einer Billigkeitsentscheidung - verteilt werden können, ist jedoch in einer anderen Rechtssache noch ein Verfahren vor dem BFH anhängig (BFH-Az. ).

Fundstelle(n):
NWB JAAAF-67058