Online-Nachricht - Mittwoch, 02.09.2015

Umsatzsteuer | Zur Angabe der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers (BFH)

Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung muss u.a. die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Diese Voraussetzung ist nach Ansicht des BFH nur dann erfüllt, wenn der leistende Unternehmer unter der angegebenen Anschrift geschäftliche Aktivitäten entfaltet. Im Festsetzungsverfahren kann sich der Leistungsempfänger hinsichtlich des Vorliegens dieser Merkmale nicht darauf berufen, dass er insoweit gutgläubig war (; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG setzt die Ausübung des Vorsteuerabzugs voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine solche Rechnung muss gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten.

Sachverhalt: Die Klägerin handelt mit Kraftfahrzeugen. Fraglich war im Streitfall u.a., ob sie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen an eine „D-GmbH“ abziehen kann. Das Finanzamt vertrat insoweit die Auffassung, dass es sich bei der D-GmbH um eine „Scheinfirma“ handele. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts befand sich unter der Rechnungsanschrift zwar der statuarische Sitz der D-GmbH. Die D-GmbH hatte unter der angegebenen Anschrift jedoch tatsächlich keine Geschäftsräume angemietet. Vielmehr hatte die dort wohnende Person mit der D-GmbH zum einen vereinbart, dass sie Post entgegen nehme, und zu diesem Zweck ein entsprechendes Firmenschild an ihrem Briefkasten angebracht. Zum anderen hatte sie sich bereit erklärt, Buchhaltungsarbeiten für die D-GmbH zu erledigen und – in Zusammenarbeit mit einem Steuerberater – Umsatzsteuervoranmeldungen zu erstellen. Weitere geschäftliche Aktivitäten der D-GmbH fanden an dieser Anschrift nicht statt. Auch der in ihren Rechnungen angegebene Telefonanschluss befand sich nicht an dieser Anschrift. Tatsächlich hatte die D-GmbH Räumlichkeiten unter einer anderen Anschrift angemietet.

Hierzu führte der BFH weiter aus:

  • Das Merkmal "vollständige Anschrift" in § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG erfüllt nur die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet.

  • Soweit der Senat im Urteil v. (Az. NWB XAAAC-53197geäußert hat, ein "Briefkastensitz" mit nur postalischer Erreichbarkeit könne ausreichen, hält er hieran nicht mehr fest.

  • Deshalb ist der Abzug der in der Rechnung einer GmbH ausgewiesenen Umsatzsteuer nur möglich, wenn der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungstellung tatsächlich bestanden hat.

  • Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt hierfür die Feststellungslast, denn es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu vergewissern

  • Sind Tatbestandsmerkmale des Vorsteuerabzugs nicht erfüllt, kann dieser im Festsetzungsverfahren auch dann nicht gewährt werden, wenn der Leistungsempfänger hinsichtlich des Vorliegens dieser Merkmale gutgläubig war.

  • § 15 UStG sieht den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen im Festsetzungsverfahren nicht vor. Vertrauensschutz kann aufgrund besonderer Verhältnisse des Einzelfalls nach nationalem Recht nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung nach §§ 16, 18 UStG, sondern nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 AO gewährt werden.

Quelle: NWB Datenbank

Anmerkung: Der 10. Senat des Finanzgerichts Köln hatte erst kürzlich in einer anderen Rechtssache überzeugend die Auffassung vertreten, die Anforderung, unter der Anschrift des leistenden Unternehmers müssten tatsächlich geschäftliche Aktivitäten stattfinden, sei überholt. Das Finanzgericht folgerte dies aus der technischen Fortentwicklung und der Änderung von Geschäftsgebaren gerade im Bereich des Onlinehandels. Im Übrigen sei das Kriterium der „geschäftlichen Aktivitäten“ viel zu unbestimmt (s. NWB QAAAE-99963; siehe hierzu NWB Nachricht v. 28.8.2015). Da auch in diesem Verfahren Revision eingelegt wurde (BFH-Az. V R 25/15), bekommt der BFH demnächst noch einmal Gelegenheit, zu der Anforderung der „vollständigen Anschrift“ Stellung zu nehmen. Ob er seine Auffassung diesbezüglich dann ändern wird, ist allerdings fraglich.

Fundstelle(n):
NWB XAAAF-47515