Online-Nachricht - Freitag, 12.06.2015

Urheberrecht | Schadensersatzpflicht wegen Teilnahme an einer Internet-Tauschbörse (BGH)

Der BGH hat drei Urteile bestätigt, mit denen Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten wegen des Vorwurfs des Filesharing zugesprochen worden sind. Er hat dabei u.a. klargestellt, dass Eltern zwar regelmäßig ihrer Aufsichtspflicht bereits dadurch erfüllen, dass sie ihr Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Im konkreten Streitfall konnte eine solche Belehrung jedoch nicht feststellt werden (, I ZR 21/14 und I ZR 75/14).

Hintergrund: Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde (§ 832 BGB).
Sachverhalt: Die Klägerinnen sind vier führende deutsche Tonträgerherstellerinnen. Nach den Recherchen des von ihnen beauftragten Softwareunternehmens proMedia wurden über IP-Adressen eine Vielzahl von Musiktiteln zum Herunterladen verfügbar gemacht. In den daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden die in Anspruch genommenen Beklagten als Inhaber der den jeweiligen IP-Adressen zugewiesenen Internetanschlüsse benannt. Die Klägerinnen sehen hierin eine Verletzung ihrer Tonträgerherstellerrechte und ließen die Beklagten durch Anwaltsschreiben abmahnen. Sie nehmen die Beklagten in verschiedenen Verfahren jeweils auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.000 € sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch.
Hierzu führte der BGH u.a. aus:

  • Das Berufungsgericht hat in den Streitfällen zu Recht angenommen, dass die Eintragung der Klägerinnen in die Phononet-Datenbank ein erhebliches Indiz für die Inhaberschaft der Tonträgerherstellerrechte ist und keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen sind, die diese Indizwirkung für die jeweils streitbefangenen Musiktitel entkräften.

  • Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen von proMedia und des Internetproviders auch Fehler vorkommen können, spricht nicht gegen die Beweiskraft der Ermittlungsergebnisse, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen. Ein falscher Buchstabe bei der Namenswiedergabe in einer Auskunftstabelle reicht – wie in dem zum Geschäftszeichen I ZR 19/14 geführten Rechtsstreit eingewandt - insoweit nicht.

  • Zwar genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten.

  • Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grds. nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

  • Das Berufungsgericht hat im Streitfall jedoch nicht feststellen können, dass die Beklagte ihre Tochter entsprechend belehrt hat. Der Umstand, dass die Beklagte für ihre Kinder allgemeine Regeln zu einem "ordentlichen Verhalten" aufgestellt haben mag, reicht insoweit nicht aus.

Hinweis: Bei der Bemessung des Schadensersatzes in Form der Lizenzanalogie ist das Berufungsgericht nach Ansicht des BGH jeweils rechtsfehlerfrei von einem Betrag von 200 € für jeden der insgesamt 15 in die Schadensberechnung einbezogenen Musiktitel ausgegangen. Das Berufungsgericht habe schließlich mit Recht auch einen Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten angenommen und dessen Höhe auf der Basis des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes berechnet.
Quelle: BGH, Pressemitteilung v.

 

Fundstelle(n):
NWB SAAAF-47200