Online-Nachricht - Donnerstag, 26.03.2015

Berufsrecht | Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen bei Serverausfall (BGH)

Ist der Zugriff auf einen ausschließlich elektronisch geführten Fristenkalender wegen eines technischen Defekts einen ganzen Arbeitstag lang nicht möglich, kann es die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangen, dass die ihm vorliegenden Handakten auf etwaige Fristabläufe hin kontrolliert werden ().

Hintergrund: Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 233 Satz 1 ZPO voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten.
Sachverhalt: Die Klägerin begehrt die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Ihr Wiedereinsetzungsgesuch begründet sie mit einem Totalausfalls des Computersystems ihres Prozessbevollmächtigten, aufgrund dessen die Frist versäumt wurde. Während des Serverausfalls sei es nicht möglich gewesen, den Fristenkalender und die Fristabläufe einzusehen und zu bearbeiten. Ein physischer Fristenkalender wurde in der Kanzlei nicht geführt. Das Berufungsgericht wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zurück, die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Hierzu führten die Richter des BGH weiter aus:

  • Die Voraussetzungen des § 233 Satz 1 ZPO sind nicht gegeben.

  • Es ist nicht auszuschließen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Verfristung verschuldet hat, welches sich die Klägerin zurechnen lassen muss.

  • Nach gefestigter Rechtsprechung verlangt die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen.

  • Führt der Anwalt einen elektronischen Kalender, so darf diese Organisation keine schlechtere Überprüfungssicherheit bieten als die manuelle Führung.

  • Gleiches gilt für die Handakte: wird diese allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten entsprechen. Sie muss insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese verlässlich Auskunft geben können und darf keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant.

  • Vorliegend konnte von der sachbearbeitenden Rechtsanwältin erwartet werden, dass die ihr vorliegenden  Handakten händisch auf etwaige Fristabläufe hin kontrolliert werden.

  • Treten Störungen in der Organisation des Büros auf, die dazu führen können, dass die Pflichten des Anwalts bei der Fristenkontrolle nicht erfüllt werden, erhöhen sich seine Sorgfaltspflichten.

  • Er muss sicherstellen, dass seine Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllen, wenn das zur Fristenkontrolle eingerichtete System aufgrund eines Computerdefekts vorübergehend nicht zuverlässig funktioniert.

  • Die Durchsicht der vorgelegten Handakten drängt sich insbesondere deshalb auf, weil die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen ist, so dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin damit rechnen musste, dass sich unter den ihr vorliegenden Handakten solche befinden, die ihr aufgrund der Vorfrist im Hinblick auf den bevorstehenden Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden sind.

  • Dies gilt erst recht, weil nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen der Klägerin mit solchen Fristabläufen konkret zu rechnen gewesen ist.

Quelle: NWB Datenbank

Fundstelle(n):
NWB CAAAF-46913