Online-Nachricht - Donnerstag, 19.03.2015

Arbeitsrecht | Entgeltfortzahlung bei langjähriger Alkoholabhängigkeit (BAG)

Das BAG hat zum Anspruch auf Entgeltfortzahlung eines alkoholabhängigen Arbeitnehmers entschieden ().

Hintergrund: Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen.
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Der alkoholabhängige A - Mitglied der klagenden Krankenkasse - war von 2007 bis Ende 2011 Arbeitnehmer der beklagten Arbeitgeberin. A wurde am mit einer Alkoholvergiftung (4,9 Promille) in ein Krankenhaus eingeliefert und war in der Folge für über zehn Monate arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor hatte er zwei stationäre Entzugstherapien durchgeführt. Es kam jedoch immer wieder zu Rückfällen. Die Klägerin leistete an A für die Zeit vom 29.11. bis zum Krankengeld i.H. von 1.303 €. Die Klägerin macht in dieser Höhe Ansprüche auf Entgeltfortzahlung aus übergegangenem Recht (§ 115 SGB X) gegenüber der Beklagen geltend. Sie meint, ein Entgeltfortzahlungsanspruch gegen die Beklagte habe bestanden, da es an einem Verschulden des A für seinen Alkoholkonsum am fehle. Die Beklagte ist der Ansicht, ein Verschulden sei bei einem Rückfall nach mehrfachem stationärem Entzug und diesbezüglich erfolgter Aufklärung zu bejahen. Die Klage hatte in allen Instanzen Erfolg.
Hierzu führten die Richter des BAG weiter aus:

  • Bei einer Alkoholabhängigkeit handelt es sich um eine Krankheit.

  • Wird ein Arbeitnehmer infolge seiner Alkoholabhängigkeit arbeitsunfähig krank, kann nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht von einem Verschulden im Sinne des Entgeltfortzahlungsrechts ausgegangen werden.

  • Die Entstehung der Alkoholsucht ist vielmehr multikausal, wobei sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingen.

  • Dies gilt im Grundsatz auch bei einem Rückfall nach einer durchgeführten Therapie.

  • Im Hinblick auf eine Abstinenzrate von 40 bis 50 % je nach Studie und Art der Behandlung kann nach einer durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme jedoch ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden.

  • Der Arbeitgeber kann deshalb in diesem Fall das fehlende Verschulden bestreiten.

  • Das Arbeitsgericht hat dann ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Arbeitnehmer den Rückfall schuldhaft i.S. des § 3 Abs. 1 EFZG herbeigeführt hat.

  • Lässt sich dies nicht eindeutig feststellen, weil ein Ursachenbündel hierfür vorliegt, geht dies zulasten des Arbeitgebers.

  • Das im konkreten Fall eingeholte sozialmedizinische Gutachten hat ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus folgenden "Suchtdruck" ausgeschlossen.

Quelle: BAG, Pressemitteilung v.

 

Fundstelle(n):
NWB ZAAAF-46885