Online-Nachricht - Donnerstag, 05.02.2015

Mietrecht | Zur Kündigung bei unverschuldeter Geldnot des Mieters (BGH)

Der BGH hat sich in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt ist, wenn der sozialhilfeberechtigte Mieter zur pünktlichen Zahlung der Miete nicht in der Lage ist, nachdem er zwar rechtzeitig einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt hat, die zur Mietzahlung erforderlichen Unterkunftskosten jedoch nicht rechtzeitig bewilligt worden sind ().

Hintergrund: Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. (…) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn (…) der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist (§ 543 BGB). Eine Kündigung wird unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Die Unwirksamkeit der Kündigung tritt jedoch dann nicht ein, wenn ihr vor nicht länger als zwei Jahren (sog. Schonfrist) bereits eine auf diese Weise unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB).
Sachverhalt: Im Streitfall bezog der Mieter ab Oktober 2011 vom zuständigen Jobcenter Leistungen nach dem SGB II. Seit Januar 2013 leitete er die für seine Wohnung erhaltenen Zahlungen des Jobcenters nicht mehr an den Kläger weiter. Der Kläger erklärte daraufhin im Mai 2013 wegen der hierdurch entstandenen Mietrückstände erstmals die fristlose Kündigung. Das Jobcenter gab in der Folge eine Verpflichtungserklärung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf Übernahme der aufgelaufenen Mietschulden ab, wodurch diese Kündigung unwirksam wurde. Nach einem Zuständigkeitswechsel der Sozialbehörde beantragte der Mieter erneut der Übernahme der Wohnungskosten. Gegen die Ablehnung der Wohnungskostenübernahme erhob er Widerspruch und beantragte einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht. Dieses verpflichtete den Sozialhilfeträger schließlich im Wege einstweiliger Anordnung im Mai 2014 zur Zahlung der erneut rückständigen Mieten. In der Zwischenzeit hatte der Kläger, gestützt auf die neuen Rückstände jedoch erneut im März 2014 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt.
Hierzu führte der BGH weiter aus:

  • Im Streitfall ist das Mietverhältnis durch die zweite Kündigung im März 2014 wirksam beendet worden. Zu diesem Zeitpunkt war der Mieter mit der Zahlung für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug. Der für die fristlose Kündigung erforderliche wichtige Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB lag daher vor.

  • Dem Verzugseintritt steht nicht entgegen, dass der Mieter, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen angewiesen war und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte. Zwar kommt der Schuldner nur in Verzug, wenn er das Ausbleiben der Leistung im Sinne von § 276 BGB zu vertreten hat.

  • Bei Geldschulden befreien jedoch wirtschaftliche Schwierigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen verspäteter Zahlung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruhen. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der einer Geldschuld zugrunde liegenden unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben") ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen. Dieses Prinzip gilt auch für Mietschulden.

Anmerkung: Bei einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGB müssen darüber hinaus nicht die in § 543 Abs. 1 BGB genannten zusätzlichen Abwägungskriterien beachtet werden. Vielmehr handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB aufgeführten Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grds. auch ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gegeben. Der Schutz des (nicht rechtzeitig zahlenden) Mieters vor dem Verlust der Wohnung wird – so der BGH in der o.g. Entscheidung – vielmehr ausschließlich durch die einmalig innerhalb von zwei Jahren gewährte Schonfrist (§ 569 Abs. 3 BGB) sichergestellt.
Quelle: BGH, Pressemitteilung v.

Fundstelle(n):
NWB BAAAF-46708